Titel: | Ein neues vollkommen unschädliches und außerordentlich schnell wirkendes Haarvertilgungsmittel, für Gerber, Pergamentbereiter, Thierärzte etc. anwendbar; vom Dr. Böttger. |
Fundstelle: | Band 72, Jahrgang 1839, Nr. LXXXVII., S. 455 |
Download: | XML |
LXXXVII.
Ein neues vollkommen unschaͤdliches und
außerordentlich schnell wirkendes Haarvertilgungsmittel, fuͤr Gerber,
Pergamentbereiter, Thieraͤrzte etc. anwendbar; vom Dr. Boͤttger.
Mit Abbildungen auf Tab.
VII.
Boͤttger's Haarvertilgungsmittel.
In der Versammlung der Naturforscher und Aerzte in Freiburg trug Boͤttger eine Abhandlung uͤber die
Verbindung des Schwefelwasserstoffs mit Kalkerde vor, sowie uͤber deren
Eigenschaft, gleich der Verbindung von Aurumpigment und Aezkalk (Rhusma) in sehr
kurzer Zeit das Haar vollstaͤndig zu zerstoͤren, und zwar ohne irgend
eine nachtheilige Einwirkung auf die Oberhaut auszuuͤben oder dieselbe
anzugreifen. Die Bereitung dieses aufloͤslichen Salzes erfordert keine
besonderen chemischen Kenntnisse, sondern es wird sehr leicht von einem Jeden nach
der hier folgenden Vorschrift angefertigt.
Bis jezt wußte man eigentlich nicht, was das Wirksame in
dem sogenannten Rhusma ist, welches von einigen Religionssekten zur Entfernung des
Barthaars etc. angewendet zu werden pflegt. Directe Versuche haben gezeigt, daß die
Verbindung von Schwefelarsenik mit Schwefelcalcium die Eigenschaft allein besizt,
das Haar nach kurzer Zeit zu zerstoͤren und die sonst noch beigemengten
Stoffe ohne besondere Wirkung sind. Boͤttger fand,
als er die Verbindung von Schwefelwasserstoff mit Schwefelcalcium
(Calcium-Sulfhydrat) in dieser Hinsicht pruͤfte, daß dieser
Koͤrper in jeder Beziehung noch weit geeigneter ist, als das Rhusma, die
Haarsubstanz zu zerstoͤren, und ohne daß selbst bei laͤngerer Einwirkung dieses Koͤrpers auf die Hautsubstanz,
diese auch nur im mindesten davon beschaͤdigt wurde. Nur in dem Falle, wenn
sich noch freier Aezkalk in der Mischung befindet, so ist der Erfolg ein anderer,
und das einzige Unangenehme bei diesem Mittel ist dessen Geruch, was jedoch in der
Gerberei kein besonderes Hinderniß geben duͤrfte. Als kosmetisches Mittel
muͤßte solches freilich mit wohlriechenden Oehlen versezt werden. Der
Hauptzwek dieser Mittheilung bezieht sich vorzugsweise auf die Rothgerberei,
fuͤr welche solches von der groͤßten Wichtigkeit zu werden verspricht.
Es sind bereits im Kleinen geeignete Versuche an verschiedenen Thierhaͤuten
gemacht worden, wobei die befriedigendsten Resultate erhalten worden sind. Außerdem
sind von praktischen Gerbern in Frankfurt Versuche in
einem etwas groͤßern Maaßstabe angestellt worden, die ebenfalls, so weit es
sich naͤmlich aus den zur Zeit noch in der Farbe befindlichen Haͤuten
beurtheilen laͤßt, durchaus nichts zu wuͤnschen
uͤbrig lassen.Wir haben dieses aus dem Wochenblatt des Gewerbevereins
zu Koͤln entnommene Verfahren in einer Augsburger Gerberei
pruͤfen lassen und ebenfalls ein ganz guͤnstiges Resultat
erhalten.A. d. R.
Was nun die Bereitung und Anwendung dieses Mittels betrifft, so soll, obwohl dabei
keine besondern Schwierigkeiten vorkommen, dennoch hier etwas umstaͤndlicher
davon gesprochen werden. Zugleich erklaͤren die Abbildungen die Sache noch
besser.
Zuerst bereitet man in irgend einem hoͤlzernen Gefaͤße: Buͤtte,
Kasten etc., (Fig.
47), aus gewoͤhnlichem gut gebranntem Aezkalk, durch Besprengen und
Uebergießen mit Wasser, einen duͤnnen Kalkbrei. Man laͤßt dann diesen
Kalkbrei (die Kalkmilch) vollkommen erkalten, und leitet dann unter
fortwaͤhrendem Umruͤhren der fluͤssigen Masse, und zwar um die
Gasentwikelung moͤglichst schnell zu beendigen, aus drei oder vier Gasentwikelungsapparaten
zugleich, Schwefelwasserstoffgas in diese Kalkmilch, so
zwar, daß die Gasentbindungsroͤhren der einzelnen Apparate etwa einen Fuß tief unter dem Niveau der Kalkmilch austreten,
um dem in einzelnen Blaͤschen sich entwikelnden Gase vor seinem Entweichen in
die atmosphaͤrische Luft moͤglichst viel Beruͤhrungspunkte mit
der Kalkmilch zu geben. Man unterhaͤlt die Gasentwikelung so lange, bis die
Kalkmilch eine ganz dunkel blaugraue Farbe angenommen
hat. Diese Farbe ist zwar streng genommen nichts
Wesentliches, indem sie nur in Folge der in dem gewoͤhnlichen Kalke
enthaltenen metallischen Beimengungen auftritt, sie kann jedoch, da kein Kalk ganz
frei von diesen metallischen Beimengungen gefunden werden moͤchte, dem
gewoͤhnlichen Arbeiter recht wohl als ein Merkmal dienen, um die Entwikelung
des Gases nicht weiter fortzusezen.
Es ist besonders zu beachten, daß kein freier Aezkalk mehr in der Fluͤssigkeit
vorhanden, sondern voͤllig mit dem eintretenden Gase gesaͤttigt sey;
welcher Zustand theils durch die angedeutete dunkel
blaugraue Farbe, theils dadurch erkannt wird, daß wenn
man mittelst eines Hoͤlzchens ein wenig von der Masse (etwa in
messerruͤkendiker Lage) auf irgend einen mit Haaren bewachsenen Theil des
Armes gebracht hat und dasselbe eine Viertelstunde lang liegen laͤßt, das
staͤrkste Armhaar vollkommen zerstoͤrt seyn wird. Die damit
bestrichene Stelle des Armes darf jedoch weder Schmerzen
verursachen, noch darf irgend eine Hautverlezung Statt finden; denn in diesem Falle wuͤrde noch unzersezter, nicht
gehoͤrig gesaͤttigter Aezkalk in der Masse vorhanden seyn, und man
muͤßte noch mit der Gasentwikelung fortfahren. Ist dagegen die Masse
gehoͤrig mit Schwefelwasserstoff gesaͤttigt, so hat sie die Eigenschaft, binnen fuͤnf Minuten (messerruͤkendik aufgetragen), selbst das staͤrkste Armhaar gaͤnzlich zu
zerstoͤren, ohne auf der damit bedekt gewesenen Stelle des Armes auch nur
die mindeste Roͤthung oder sonst eine sichtbare Veraͤnderung
zuruͤkzulassen.Einfacher und kuͤrzer kann man auch die vollkommene Saͤttigung
vermittelst Kurkumapapier erfahren, woran ein Vorhandenseyn von Aezkalk
durch die sich zeigende Farbenveraͤnderung (Braͤunung)
angedeutet wird.A. d. V.
Zur Entwikelung des Gases, welche man im Freien vornehmen
muß, bedarf es dreierlei: 1) eines oder mehrerer Gasentwikelungsapparate, 2) kuͤnstlich dargestellten Schwefeleisens und 3) gewoͤhnlicher Salzsaͤure. Die Gasentwikelungsapparate wird sich
ein Jeder selbst leicht zusammensezen koͤnnen; das Schwefeleisen aber
laͤßt sich in jeder Schmiede anfertigen, oder um einen billigen Preis aus
irgend einer nahe gelegenen chemischen Fabrik, sowie die Salzsaͤure,
beziehen.
Wer sich das Schwefeleisen selbst anfertigen will, verfaͤhrt folgendermaßen:
Man erhizt in einer Schmiede vor einem gut ziehenden Blasebalg einen hessischen oder
irdenen Tiegel zum Gluͤhen, traͤgt dann nach und nach eine Portion
einer Mischung aus 3 Theilen Schwefel mit 4 Theilen Eisenfeilspaͤnen ein. Der
Schwefel kommt in Fluß und verbindet sich in wenigen Augenbliken unter heftigem
Ergluͤhen mit dem Eisen. Man nimmt dann die noch gluͤhende Masse mit
einem eisernen Loͤffel heraus, bedekt sie schnell mit Kohlenstaub und
laͤßt sie erkalten. Man verwahrt sodann die Masse in einer mit einem Korke zu
verschließenden Flasche mit weiter Muͤndung. Die kaͤufliche
Salzsaͤure versezt man mit 3 bis 4 Theilen Wasser, bevor man solche zur
Gasentwikelung anwendet.
Was nun den Gasentwikelungsapparat
Fig. 46
betrifft, so taugt dazu jede etwas starke Glasflasche mit weiter Muͤndung,
deren innerer Raum eine oder mehrere Quart Wasser faßt. Auf die Muͤndung solcher Flaschen
paßt man einen gut schließenden Kork, den man an zwei Stellen mittelst einer
Korkfeile oder eines Korkbohrers durchbohrt; in die eine Oeffnung kittet man
mittelst Siegellak eine etwa 1/2 Zoll im Durchmesser haltende, etwas starke
Glasroͤhre, so zwar, daß wenn der Kork auf die Muͤndung der Flasche
aufgesezt wird, die Glasroͤhre noch ungefaͤhr 2–3 Zoll hoch
uͤber den Kork hervorragt, waͤhrend der laͤngere Theil der
Roͤhre bis beinahe an den Boden der Flasche reicht. Die Laͤnge dieses
Theils der Roͤhre richtet sich uͤbrigens ganz nach der Hoͤhe
der Flasche; die Roͤhre muß naͤmlich so tief in die Flasche
hineinragen, daß die untere Muͤndung derselben 1 1/2 Zoll vom Boden der
Flasche entfernt bleibt, wenn der Kork aufgesezt ist.Die Laͤnge dieser Roͤhre richtet sich uͤbrigens nach der
Hoͤhe der Fluͤssigkeitssaͤule, welche in der zweiten
Roͤhre, die in die Kalkmilch eintaucht, zu uͤberwinden ist.
Wenn naͤmlich diese leztere 1 Fuß tief eintaucht, so muß man Sorge
tragen, die Roͤhre, wodurch die Salzsaͤure zugesezt wird, 2
Fuß lang zu nehmen, weil sonst bei einer etwas lebhaften Entbindung des
Gases Salzsaͤure aus dieser Roͤhre durch die vermehrte
Spannung herausgeschleudert werden koͤnnte.A. d. V. In die andere Oeffnung des Korkes kittet man mittelst Siegellak eine ganz
kurze zweischenklige, d.h. in einem etwas spizen Winkel gebogene, gleichfalls 1/2
Zoll im Durchmesser haltende Glasroͤhre; der eine Schenkel dieser
Roͤhre, und zwar der durch den Kork gefuͤhrte, in das innere der
Flasche ragende Theil, tritt unter dem Korke nur circa
1/2 Zoll vor. Dagegen kann der aͤußere Schenkel 6–8 Zoll, oder nach
den Umstaͤnden kuͤrzer oder laͤnger seyn. An diesen
aͤußern, nach Abwaͤrts gebogenen kurzen Schenkel befestigt man
mittelst einer Kautschukroͤhre, oder einem abgeschnittenen Halse einer
Kautschukflasche, eine 1 1/2 bis 2 Fuß lange, 1/2 Zoll im Durchmesser haltende
Roͤhre, welche auch von Holz seyn kann. Diese leztere wird 1 Fuß tief in die
Kalkmilch eingesenkt. Man koͤnnte dieselbe mit dem Knie aus einem
Stuͤke machen, allein durch das Umruͤhren der Kalkmilch koͤnnte
solche leicht abbrechen, was in dem lezteren Falle, da sie beweglich ist, nicht so
leicht Statt findet.Damit die in die Kalkmilch eingesenkte Roͤhre nicht durch das
Umruͤhren beschaͤdigt werden kann, ist es zwekmaͤßig,
dieselbe durch ein Gehaͤuse von Holz oder nur einige Latten, welche
an den Seitenwaͤnden befestigt werden, zu schuͤzen, jedoch
darf das Austreten des Gases nicht gehindert werden.A. d. V.
Sind nun auf diese Weise die einzelnen Theile des Gasentwikelungsapparates
vorgerichtet, so bringt man ungefaͤhr 1/2 Pfd. groͤblich gepulvertes
Schwefeleisen in die Flasche (Fig. 46), verschließt
hierauf die Muͤndung derselben mit dem vorerwaͤhnten Korke auf das
sorgfaͤltigste; sezt dann einen kleinen Glastrichter auf die senkrecht aus
dem Korke hervorragende Glasroͤhre und gießt in denselben so viel von der
verduͤnnten Salzsaͤure, daß sowohl das Schwefeleisen uͤberdekt,
als die untere
Muͤndung der Roͤhre durch die Fluͤssigkeit geschlossen ist. Die
Gasentwikelung beginnt dann augenbliklich und tritt in die Kalkmilch ein, welche man
fortwaͤhrend umruͤhrt. Nach und nach wird die Gasentwikelung
schwaͤcher, sowie die Salzsaͤure gesaͤttigt wird, und man gießt
wieder etwas durch den Glastrichter nach, was etwa von Viertel- zu
Viertelstunde geschehen kann. Hat man ungefaͤhr 8 Quart Kalkmilch in Arbeit
genommen und 4 solcher Gasapparate im Gange, so wird binnen 2 bis 3 Stunden aller
Kalk in Calciumsulfhydrat umgewandelt seyn. Da diese
Verbindung in Beruͤhrung mit der atmosphaͤrischen Luft sich bald
zersezt, so ist es noͤthig, dieselbe in glaͤsernen oder steinernen
Gefaͤßen gut verschlossen aufzubewahren, allenfalls in den großen
Saͤureflaschen, wie Fig. 48. Auf diese Weise
kann das Mittel Jahre lang aufbewahrt werden, ohne an Wirksamkeit zu verlieren. Metallene Gegenstaͤnde, wie Ringe, Uhrketten u.
dgl., muß der Arbeiter bei der Gasentwikelung von sich entfernen, indem solche
schwarz anlaufen.
Die Mischung wird nun zur Enthaarung der Felle auf folgende Weise angewendet: die
frischen (gruͤnen) oder die bereits getrokneten Haͤute werden
gehoͤrig in Flußwasser gewaͤssert, sodann mit der Fleischseite nach
Unten gekehrt, auf einer steinernen oder hoͤlzernen Tafel flach ausgebreitet,
hierauf die Haare des Felles mit jener fluͤssigen Masse schwach begossen und
leztere mittelst einer Holzkelle gehoͤrig zwischen die Haare eingerieben, ein
zweites Fell dann ebenso behandelt, und dieses auf jenes, d.h. Haarseite auf
Haarseite gelegt und beide Felle zulezt mit einigen Brettern bedekt und durch ein
Paar aufgelegte Steine beschwert. Auf diese und aͤhnliche Weise lassen sich
nun entweder auf- oder nebeneinander eine Menge von Fellen mit einer
verhaͤltnißmaͤßig geringen Menge dieses Mittels in ganz kurzer Zeit
enthaaren.
Man kann auch die bereits schon einmal zum Enthaaren gebrauchte Masse noch einmal zum
Enthaaren minder stark behaarter kleinerer Felle benuzen. Das Haar eines Kalbfelles
ist nach solcher Behandlung in Verlauf von einer,
hoͤchstens zwei Stunden so erweicht und in eine
seifenartige Masse verwandelt, daß man es mit dem Nagel des Fingers vollstaͤndig und mit ungemeiner Leichtigkeit gaͤnzlich von der Haut entfernen kann, jede
Spur von Haar, selbst die Haarwurzel, ist verschwunden,
und die Haut, ohne auch nur im mindesten davon
angegriffen oder beschaͤdigt zu seyn, ganz blank und in ihrer vollkommen natuͤrlichen Gestalt; ja man
wuͤrde, wenn man die Masse selbst drei bis vier Stunden hindurch auf die Haut einwirken lassen
wollte, dennoch nicht die mindeste Beschaͤdigung
derselben zu befuͤrchten haben, indem die Erfahrung gelehrt hat, daß jene Masse
uͤberhaupt nur die Haarsubstanz, nicht aber die
Haut selbst (wenigstens innerhalb einer sehr geraumen Zeit) anzugreifen im Stande
ist.
Daß bei Anwendung dieses neuen Mittels die Haare des Felles gaͤnzlich
eingebuͤßt werden, koͤnnte vielleicht den Einen oder den Andern von
der Benuzung desselben fuͤr den ersten Augenblik abhalten; wenn man jedoch
bedenkt, was fuͤr große Vortheile zugleich mit diesem neuen Mittel verbunden
sind, so wird man gern auf jenen kleinen Erloͤs, aus dem Verkaufe der Haare,
verzichten. Wozu sonst Wochen erforderlich waren, das
laͤßt sich vermittelst dieses Mittels in eben so viel Viertelstunden erreichen; außerdem hat man nie zu befuͤrchten, daß
die Haut im mindesten davon beschaͤdigt und angegriffen werde. Man vermeidet
ferner dadurch das dem Leder so uͤberaus nachtheilige Kaͤlken, weil
man es hier nicht eigentlich mit Kalk, sondern mit einem neutralen Kalksalze, welches dem Leder nicht die mindeste
Sproͤdigkeit ertheilt, zu thun hat; das Calciumsulfhydrat dringt
uͤberdieß keineswegs, wie dieß beim Kalke der Fall
ist, in die eigentliche Hautsubstanz ein, es hat vielmehr zu derselben, so wie zum
Fett und zur Fleischfaser, fast gar keine, oder doch nur eine aͤußerst
geringe, kaum wahrnehmbare Verwandtschaft. Zum Enthaaren des Oberleders duͤrfte sich dieses neue Mittel uͤbrigens ganz besonders eignen; so wie es denn auch nicht weniger
fuͤr Sohlleder seine Vorzuͤge dadurch bewaͤhrt, daß solches die
Nachtheile, welche durch eine nicht vorsichtig genug geleitete Gaͤhrung der
Haͤute (Schwizen) entstehen koͤnnen, vollkommen beseitigt. Bekanntlich
entstehen dadurch nicht allein Fleken, sondern es werden auch oͤfter ganze
Felle verdorben, und man sagt dann: sie seyen verbrannt.
Wenn auch kein anderer Vortheil, als die Beseitigung des Kaͤlkens zu
bewirken, dadurch herbeigefuͤhrt wuͤrde, so scheint dieser schon
allein erheblich genug, um unbedingt zu dessen Anwendung zu rathen. Eine sehr
uͤberraschende Thatsache ist es uͤbrigens, daß dieses Mittel so
energisch auf die Haarsubstanz einwirkt, waͤhrend solche doch sonst unter den
gewoͤhnlichen Umstaͤnden Jahrhunderte der Verwesung widerstehen
kann.
Es unterliegt wohl kaum einem Zweifel, daß wenn das neue Enthaarungsmittel einmal
allgemein angewendet werden wird, die jezt so oft vorkommenden Klagen des Brechens
des Oberleders bei FußbedekungenSollte dieses Brechen des Oberleders wohl nicht
eher der Einwirkung bei der allgemein uͤblichen, sogenannten
„englischen Wichse“
als dem Kaͤlken bei der Lederfabrication zuzuschreiben seyn?A. d. V., wenn auch nicht gaͤnzlich beseitigt, doch wenigstens bedeutend vermindert werden
wuͤrden; denn daß das sogenannte Schwizen, so wie das Kaͤlken, welches
namentlich beim Sohlleder als eine nothwendige Vorbereitung zur bessern Aufnahme der
Farbe oder des Gerbestoffes betrachtet wird, im Ganzen genommen hoͤchst
nachtheilig auf die Qualitaͤt des Leders wirkt, wird vorurtheilsfreien
Gerbern, die leicht einen Vergleich mit andern Lederarten, welche diesem Processe
nicht unterworfen waren, anstellen koͤnnen, gewiß hinlaͤnglich bekannt
seyn. Wenn nun aber bei dem neuen Mittel das Schwizen und
das Kaͤlken zur bessern Aufnahme des Gerbestoffes
ganz uͤberfluͤssig und entbehrlich sind, so muß Jedem der dadurch
erzielende Nuzen wohl von selbst klar werden.
Es haben bereits vier praktische Gerber diese Methode befolgt und sich
daruͤber guͤnstig ausgesprochen; zwei besonders geschikte Arbeiter
haben ihr Urtheil dahin abgegeben, daß eine mit diesem Mittel behandelte Haut in
jeder Beziehung vollkommen untadelhaft ausgefallen, daß, nachdem das
Calciumsulfhydrat auf die Haarseite des Felles aufgetragen, etwas eingerieben, und
etwa eine Stunde lang damit in Beruͤhrung gelassen war, man
saͤmmtliche Haare, selbst die Grundhaare
vollstaͤndig und außerordentlich leicht
habe entfernen koͤnnen, und daß die so entbloͤßte Narbenseite ein vollkommen fehlerfreies Ansehen darbiete, ohne daß man
jemals die Nachtheile, die oͤfters bei gekaͤlkten Fellen vorkommen, zu
befuͤrchten haben werde. Die enthaarte Haut nehme willig und gut die Farbe auf und zeige auch
hier durchaus nichts Auffallendes, was etwa Anlaß zu irgend einer Besorgnis geben
koͤnne. Die so vorbereiteten Felle sind nun auf die gewoͤhnliche Weise
dem Gerbungsprocesse unterworfen worden, und wir erwarten mit Zuversicht ein
guͤnstiges Resultat, uͤber welches seiner Zeit Boͤttger das Naͤhere veroͤffentlichen wird.
Wir moͤchten die hiesigen Gerber auffordern, in dieser Beziehung ebenfalls
Versuche machen zu wollen, denn um die Nachtheile des Schwizens zu beseitigen, lohnt
es sich doch wohl der Muͤhe, etwas zu thun.