Titel: | Ueber einige neue Reactionen, welche durch den Platinschwamm hervorgebracht werden; von Fr. Kuhlmann. |
Fundstelle: | Band 73, Jahrgang 1839, Nr. XIV., S. 60 |
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XIV.
Ueber einige neue Reactionen, welche durch den
Platinschwamm hervorgebracht werden; von Fr. Kuhlmann.
Aus dem Journal de Pharmacie, Februar 1839, S.
106.
Kuhlmann, uͤber den Platinschwamm.
Ich habe einige Untersuchungen über die Salpeterbildung angestellt; es haben mich
dieselben bewegen, die Theorie dieser Erscheinungen von einem neuen Gesichtspunkte
aus darzustellen. Die schöne Entdekung Döbereiner's der
Eigenschaft des Platinschwammes, die Verbindung eines Gemenges von Sauerstoff und
Wasserstoff zu vermitteln, ist mit Recht als eine der kostbarsten Entdekungen
angesehen worden, welche seit langer Zeit in der Wissenschaft gemacht worden sind.
Ein Jeder kann die Ausdehnung vorhersehen, welche einst eine so außerordentliche
Wirkung erlangen wird; deßhalb muß man erstaunt seyn über die kleine Zahl von neuen
Thatsachen, welche seit den 16 Jahren, daß Döbereiner
diese Entdekung gemacht hat, aufgefunden worden sind.
Die zahlreichen Versuche, von denen ich reden will, schienen mir von der Art, die
Aufmerksamkeit der Chemiker auf eine Frage zurükzuführen, welche so sehr
vernachlässigt worden ist, und welche, wie ich glaube, eine reiche Ausbeute an
schönen Resultaten darbietet.
1) Wird Ammoniak, mit Luft gemengt, bei einer Temperatur von 300° ungefähr,
über Platinschwamm geleitet, so wird es zersezt und der darin enthaltene Stikstoff
auf Kosten des Sauerstoffs der Luft vollständig in Salpetersäure umgewandelt.
2) Cyan und atmosphärische Luft erzeugen unter denselben Umständen dieselbe Säure und
Kohlensäure.
3) Das in irgend einer Verbindung enthaltene Ammoniak verhält sich ganz wie freies
Ammoniak.
4) Freier Stikstoff konnte in keinem Falle mit dem Sauerstoffe verbunden werden, aber alle stikstoffhaltenden Verbindungen gehen unter dem
Einflüsse des Platinschwammes in Salpetersäure über.
5) Stikstoffoxydul und Stikstoffoxyd, salpetrige und Salpetersäure verwandeln sich,
mit einer hinreichenden Quantität Wasserstoff gemengt, durch Contact mit dem
Platinschwamme in Ammoniak, und oft ohne Hülfe der Wärme. Die Einwirkung wird so
heftig, daß sie sehr häufig eine starke Explosion herbeiführt. Der ganze
Stikstoffgehalt dieser Oxyde und dieser Säuren vereinigt sich mit dem Wasserstoffe
zu Ammoniak. Ein Ueberschuß von Salpetersäure bildet damit salpetersaures
Ammoniak.
6) Cyan und Wasserstoff bilden Ammoniak als cyanwasserstoffsaures Salz.
7) Stikstoffoxyd im Ueberschuß und öhlbildendes Gas bilden beim Hinüberstreichen über
heißen Platinschwamm, außer Wasser und Stikstoff, Ammoniak, mit Cyanwasserstoff und
Kohlensäure verbunden.
8) Stikstoffoxyd mit einem Ueberschüsse von Aetherdampf bildet unter denselben
Umständen Ammoniak, mit Cyanwasserstoffsäure und Kohlensäure verbunden; zugleich
erzeugt sich Wasser, öhlbildendes Gas, und Kohle sezt sich ab.
9) Freier Stikstoff konnte mit freiem Wasserstoffe nicht verbunden werden, aber alle stikstoffhaltigen Verbindungen gaben mit freiem
Wasserstoffe oder Kohlenstoffe Ammoniak.
10) Bei diesen lezten Reactionen wurde durch den Kohlenstoff, sey er mit Wasserstoff
oder Stikstoff verbunden gewesen, Cyanwasserstoffsäure gebildet.
11) Alle gasförmigen oder verdampfbaren Metalloïde vereinigen sich ohne
Ausnahme unter dem Einflüsse des Platinschwammes mit dem Wasserstoffe.
12) Die Dämpfe von Essigsäure gehen, mit Wasserstoff gemengt, völlig in Essigsäure
und Wasser über, und zwar schon bei einer wenig erhöhten Temperatur. Eine höchst
merkwürdige Thatsache ist die, daß, wenn man statt des Platinschwammes Platinschwarz
anwendet, die Einwirkung ungleich weniger kräftig ist, wenigstens in den meisten
Fällen; gerade entgegengesezt, wie man vermuthen sollte. Um Salpetersäure
hervorzubringen, ist diese Einwirkung so gut wie Null; sehr schwach ist sie für die
Erzeugung des Ammoniaks, und niemals kommt das Platinschwarz zum Erglühen, wie dieß
bei dem Schwamme der Fall ist. Für die Umwandlung der Essigsäure in Essigäther ist
im Gegentheile die Einwirkung des Platinschwarzes viel lebhafter und findet schon
bei der gewöhnlichen Temperatur Statt.
Wir dürfen uns nicht wundern, daß wir bei der Anwendung einer Kraft, die uns noch so
wenig bekannt ist und welche ein berühmter Chemiker mit dem Namen der katalytischen Kraft bezeichnet hat, nicht leicht den
Erfolg unserer Versuche vorhersehen konnten.
Durch die angeführten Tatsachen habe ich die Möglichkeit nachgewiesen, künstlich und
nach Belieben Salpetersäure, also auch salpetersaure Salze darzustellen, ohne der
langsamen Procedur der Salpeterbildung sich bedienen zu müssen.
Wenn unter den gegenwärtigen Umständen die Umwandlung des Ammoniaks in Salpetersäure,
mittelst des Platinschwammes und der Luft, noch von keinem ökonomischen Interesse zu seyn
scheint, so kann es doch leicht in der Folge dahin kommen, daß diese Umwandlung eine
gewinnreiche Fabrication begründet.
Man kann mit Sicherheit behaupten, daß die Kenntniß der Erscheinungen, welche ich
festgestellt habe, das Land vollkommen beruhigen kann über die Schwierigkeit, ja
sogar die Unmöglichkeit, sich in einem Seekriege die nothwendige Menge Salpeter zu
verschaffen, und es dahin bringen kann, die alte Art der Verproviantirung des
Staates mit Salpeter zu verlassen.
Die Ammoniakbildung mit irgend einer Oxydationsstufe des Stikstoffes schien mir
besonders geeignet, die Aufmerksamkeit der Chemiker und Manufacturbesizer zu
fesseln.
Eine wichtige Thatsache, welche die Wissenschaft jezt erlangt hat, ist die, daß
immer, wenn sich Stikstoff in irgend einer Verbindung dem Einflüsse des
Platinschwammes ausgesezt, mit einem Ueberschusse von Sauerstoff oder Wasserstoff
befindet, er in Salpetersäure oder Ammoniak übergeht.