Titel: | Verfahren äzendes und kohlensaures Natron für die Seifen- und Glasfabrication, so wie auch zu anderen Zweken aus Kochsalz zu gewinnen, worauf sich Charles Watt, Lehrer der Chemie, und Thomas Rainforth Tebbutt, Kaufmann, beide in Manchester, am 11. Jan. 1838 ein Patent ertheilen ließen. |
Fundstelle: | Band 73, Jahrgang 1839, Nr. LXVI., S. 277 |
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LXVI.
Verfahren aͤzendes und kohlensaures Natron
fuͤr die Seifen- und Glasfabrication, so wie auch zu anderen Zweken aus
Kochsalz zu gewinnen, worauf sich Charles Watt, Lehrer der Chemie, und Thomas Rainforth Tebbutt, Kaufmann, beide in
Manchester, am 11. Jan. 1838 ein Patent ertheilen
ließen.
Aus dem London Journal of arts. Maͤrz 1839, S.
339.
Watt's und Tebbut's Bereitung von Natron.
Unsere Erfindungen, sagen die Patentträger, beruhen auf der Umwandlung des Kochsalzes
in äzendes oder kohlensaures Natron mit Hülfe von Salpetersäure oder von
salpetersaurem Blei unter Zusaz von Braunstein etc.; so wie auch darauf, daß wir bei
der Umwandlung des Kochsalzes in Natron reinen Baryt oder Bleioxyd, welches auf die
eigenthümliche, später zu beschreibende Weise behandelt worden, anwenden.
Wir wollen nun zeigen, welche Methoden wir bei der Benuzung der angegebenen
Substanzen vorzugsweise einschlagen, und welcher Apparate wir uns hiebei
bedienen.
1) Wenn wir mit Salpetersäure arbeiten, so geben wir beiläufig 1 Cntr. Kochsalz in
eine geschlossene irdene Retorte, oder in eine Retorte aus einem anderen Stoffe, der
von Chlor und Salpetersäure nicht leicht angegriffen wird. Eine gußeiserne Retorte
von der in den Gaswerken gebräuchlichen Form, welche auf irgend eine zwekgemäße
Weise geheizt werden kann, eignet sich gut hiezu; man kann aber auch eine aus
feuerfesten Baksteinen gebaute Kammer, welche so eingerichtet ist, daß das Chlor nur
durch eine irdene oder eiserne Röhre aus ihr entweichen kann, und welche einer
gehörigen Feuerung fähig ist, hiezu verwenden. Die Röhre leitet das Chlor in einen
gewöhnlichen Woulfe'schen Apparat, oder in einen Apparat,
wie man ihn zur Bereitung der Chlorverbindungen zu benuzen pflegt. Auf die oben
angegebene Menge Kochsalz nehmen wir nun dem Gewichte nach den vierten Theil
Salpetersäure, und zwar entweder für sich allein, oder mit einem gleichen Gewichte
Braunstein oder Mennige oder Chromsäure vermengt. Leztere erhält man durch Zersezung
von chromsaurem Blei oder Kali mit Schwefelsäure und durch Beseitigung der
ungebundenen Schwefelsäure mittelst eines kleinen Zusazes von salpeter- oder
salzsaurem Baryt. Sind alle diese Stoffe in die Retorte eingetragen, so wird eine
gelinde Wärme genügen, um das Chlor aus dem Kochsalze auszutreiben, wobei die Masse
von Zeit zu Zeit mittelst einer Rakel oder einem anderen Instrumente umgerührt werden
soll. Will man sich von dem Gange der Operation überzeugen, so soll man eine kleine
Quantität der Masse aus der Retorte herausnehmen, und sie in Wasser auflösen.
Entsteht in dieser Auflösung durch Zusaz einiger Tropfen salpetersaurer
Silberauflösung ein weißer Niederschlag, so ist dieß ein Beweis, daß der Proceß noch
nicht beendigt ist, und daß noch mehr und so lange Salpetersäure und Braunstein,
Mennig oder Chromsäure zugesezt werden muß, als mit der Silberauflösung noch ein
weißer Niederschlag entsteht. Würde etwas Salpetersäure an das Natron gebunden
bleiben, so ließe sich diese vertreiben, indem man das Natron mit etwas Holzkohle
vermengt zum Rothglühen bringt. Man kann die Salpetersäure mit ihrer dreifachen
Menge Wassers verdünnen; allein dann erheischt die Operation mehr Zeit, und da das
Wasser später wieder verdampft werden muß, so erwächst hieraus abermals ein Verlust
an Zeit und auch an Brennmaterial. Bei der Anwendung von verdünnter Salpetersäure
läßt sich auch keine eiserne Retorte oder Kammer anwenden, weil in diesem Falle die
Säure das Eisen zu rasch und zu stark angreifen würde.
2) Bei der Zersezung des Kochsalzes mit salpetersaurem Baryt, Blei etc. wenden wir
keine Verdünnung an; wir bedienen uns hier derselben erhizten Retorten, Oefen oder
Apparate, welche wir bei dem ersten Verfahren beschrieben. Die
Mischungsverhältnisse, deren wir uns hiebei bedienen, sind folgende. Wir nehmen 50
Gewichtstheile des salpetersauren Salzes auf 100 Gewichtstheile Kochsalz, welches
mit dem vierten Theile seines Gewichtes Mennig, Braunstein oder Chromsäure vermengt
worden. Die Retorten oder Oefen müssen hier in diesem Falle nur allmählich stärker
geheizt werden, und während der Heizung hat man die Masse von Zeit zu Zeit
umzurühren, und auf die oben angegebene Weise zu prüfen. Zeigte sich bei der
Prüfung, daß die Zersezung noch nicht beendigt ist, so müßte noch mehr von den
salpetersauren Salzen und den Oxyden zugesezt werden, und zwar bis das salpetersaure
Silber keinen weißen Niederschlag mehr gibt. Ist das Kochsalz vollkommen zersezt, so
nehmen wir den Rükstand aus dem Ofen oder aus den Retorten und lösen ihn in Wasser
auf; die Metalloxyde sezen sich zu Boden und das Natron bleibt in der Auflösung.
Wurde Chromsäure angewendet, so verband sich diese mit dem Natron; sie muß daher
gefällt werden, und dieß geschieht, indem man die Auflösung so lange mit gelöschtem
Kalke oder reinem Baryt versezt, bis sie ganz farblos geworden. Das in der Auslösung
bleibende Aeznatron kann dann entweder zur Trokenheit eingedampft, oder in basisches
oder gesättigtes kohlensaures Natron umgewandelt werden. Zu dem lezteren Zweke kann
man einen Strom
kohlensauren Gases oder auch kohlensäurehaltige atmosphärische Luft durch die
Auflösung leiten. Die Umwandlung des Aeznatrons in kohlensaures erkennt man durch
dessen Aufbrausen mit Säuren sowohl, als durch seinen veränderten Geschmak.
3) Wir erhizen in einem eisernen oder hölzernen oder auch anderen Gefäße mittelst
Feuer oder Dampf 100 Gewichtstheile Kochsalz und lösen dieses in Wasser auf, was
übrigens auch vor dessen Erwärmung geschehen kann. Wenn die Auflösung zum Sieden
gekommen ist, so tragen wir ein gleiches Gewicht Bleioxyd, am besten fein lävigirt,
ein, und sezen das Sieden so lange fort, bis alles Chlor aus dem Kochsalze
ausgetrieben worden, wovon wir uns mittelst salpetersauren Silbers überzeugen.
Entstünde durch dieses Prüfungsmittel ein weißer Niederschlag, so müßte noch mehr
Oxyd zugesezt und das Sieden noch länger fortgesezt werden. Das zulezt in der
Auflösung bleibende Aeznatron dampfen wir entweder ein, oder wir verwandeln es auf
die angegebene Weise in kohlensaures Natron.
4) Wir lösen 100 Gewichtstheile Kochsalz in einem Gefäße, wie es bei Nr. 3 erwähnt
worden, auf, versezen es mit zwei Drittheilen seines Gewichtes reinen Baryt, und
rühren dann so lange um, bis das Kochsalz all sein Chlor an den Baryt abgegeben hat.
Wir fahren hiebei fort, so lange Baryt zuzusezen, als das oben angegebene
Prüfungsmittel noch einen Niederschlag erzeugt. Da man bei diesem Verfahren
salzsauren Baryt und Aeznatron erhält, so muß man die Flüssigkeit sich sezen lassen,
wo dann der erstere sich als weißes Pulver abscheiden wird, während lezteres
aufgelöst bleibt.
Das bei den beschriebenen Methoden, Kochsalz in Natron umzuwandeln, zu verwendende
Bleioxyd erzeugen wir uns auf eine sehr zwekmäßige und wohlfeile Weise aus dem
salzsauren Blei, welches nach dem gewöhnlichen Verfahren durch Sieden von
Silberglätte in Kochsalz erzielt worden. Oder wir erzeugen uns ein salzsaures Blei,
indem wir fein gekörntes metallisches Blei unter Anwendung einer gelinden Wärme in
einem aus einem Theile Salpetersäure und zwei Theilen Salzsäure zusammengesezten
Königswasser auflösen. Sowohl dieses als das auf ersterem Wege gewonnene salzsaure
Blei zersezen wir, indem wir es mit dem dritten Theile seines Gewichtes Mennige und
beiläufig mit ebensoviel guter Schwefelsäure vermengen, und damit so lange umrühren,
als noch Chlor entweicht. Eine Retorte mit Woulfe'scher
Vorlage eignet sich sehr gut hiezu. Das hiedurch gewonnene schwefelsaure Blei
übergießen wir in einem hölzernen oder anderen Gefäße mit so viel Wasser, daß es
damit überdekt ist. Wir schreiten dann zur Wegschaffung der Schwefelsäure mittelst
Thonerde oder
Bittererde, welche beide mit der Schwefelsäure auflösbare Salze bilden, so daß nach
Wegwaschung dieser Salze mit Wasser nur mehr weißes Bleioxydhydrat als Rükstand
bleibt. Dieses Präparat wird durch das oben beschriebene Sieden mit Kochsalz wieder
zu salzsaurem Blei, womit das Verfahren wieder von Vorne beginnt.
Den reinen Baryt stellen wir aus dem salzsauren Baryt, welcher sich bei der oben
beschriebenen Umwandlungsmethode des Kochsalzes in Natron bildete, wieder her, indem
wir den salzsauren Baryt mit Wasser und beinahe so viel Bleioxyd, als ursprünglich
Baryt genommen wurde, in einem Gefäße sieden, und hiemit unter Zusaz von Bleioxyd so
lange fortfahren, bis durch Zusaz von salpetersaurem Silber kein Niederschlag mehr
erfolgt. Wenn das Blei auf solche Art in salzsaures Blei verwandelt worden, so
zersezen wir auch dieses wieder auf die oben angegebene Weise; d.h. wir bringen es
mit dem dritten Theile seines Gewichtes braunen Bleioxyds oder Mennige und einer
gleichen Menge Schwefelsäure in einen eisernen oder anderen Recipienten, von welchem
aus ein irdener Vorstoß in einen zur Erzeugung der Chlorverbindungen geeigneten
Apparat führt. In diesem Apparate führen wir den Proceß unter Zusaz von Säure bis zu
dessen gänzlicher Vollendung fort. Das bei dem angegebenen Verfahren zu verwendende
braune Bleioxyd bereiten wir uns, indem wir das Chlor, welches bei der beschriebenen
Zersezung des salzsauren Bleies entwich, in gewöhnliches Bleioxyd oder Mennige
leiten, anstatt es in den Woulfe'schen Apparat übergehen
zu lassen, oder anstatt es wie sonst zur Erzeugung von Chlorverbindungen zu
verwenden.
Wir können auf solche Weise, indem wir die angewendeten Substanzen immer wieder von
Neuem verwenden, mit großer Ersparniß an Kosten arbeiten. Bei der Leichtigkeit, mit
der sich das salzsaure Blei zersezen läßt, ergibt sich uns auch eine große Ersparniß
an Brennmaterial.