Titel: | Ueber die neueren, von Chanter gemachten Verbesserungen an den Locomotivkesseln, zur Heizung derselben mit Steinkohlen statt mit Kohks. |
Fundstelle: | Band 73, Jahrgang 1839, Nr. LXXIV., S. 337 |
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LXXIV.
Ueber die neueren, von Chanter gemachten Verbesserungen
an den Locomotivkesseln, zur Heizung derselben mit Steinkohlen statt mit
Kohks.
Aus dem Mechanics' Magazine. No. 822.
Mit Abbildungen auf Tab.
V.
Chanter's Verbesserungen an den Locomotivkesseln.
Die in allen englischen Eisenbahnbills enthaltene Klausel, daß der Locomotivenbetrieb
keinen Rauch veranlassen darf, machte, da man bisher noch nicht im Stande war,
Steinkohlen ohne Rauchentwikelung zu verbrennen, die Heizung der Locomotivkessel mit
Kohks unvermeidlich. Der hohe Preis der Kohks, welcher hauptsächlich dadurch bedingt
ist, daß man aus der beim Betriebe der Kohksöfen aufgewendeten Hize keinen
hinreichenden Nuzen zu ziehen weiß, regte schon vielfach das Streben nach einem Ofen
an, in welchem Steinkohle ohne Rauchentwikelung verbrannt werden könnte, d.h. in
welchem nicht bloß die Masse der Steinkohlen, sondern auch alle bei dem
Verbrennungsprocesse entwikelten ruß- und gasartigen Substanzen so verbrannt
würden, daß bei dem Schornsteine nur unsichtbare heiße Luft und Dünste
entweichen. Zu dem glüklichsten Resultate bei diesem Streben, ja zu einer Lösung der
Aufgabe scheint Hr. Chanter
gelangt zu seyn.
Schon vor einigen Jahren gelang es den HHrn. Chanter und Comp., an den stehenden
Dampfmaschinen den Rauch beinahe vollkommen zu verzehren, wie dieß viele der von
ihnen eingerichteten Kessel, welche dermalen in England arbeiten, beweisen. Allein
das System, welches sich an den stehenden Dampfmaschinen so vortheilhaft bewährte,
zeigte sich unter den an den Locomotiven Statt findenden Umständen gänzlich
unanwendbar. Die Grundzüge, welche Hr. Chanter an allen von ihm angegebenen Kesselmodificationen
beibehielt, sind: 1) die Stellung der Roststangen unter einem Winkel, welcher sich
von dem Ofenthürchen aus nach Abwärts zu erstrekt. 2) eine solche Neigung oder
Senkung des Kesselbodens, daß er eine mit den Roststangen parallele Fläche bildet.
Wenn bei dieser Einrichtung der Ofen in voller Thätigkeit ist, so wird sich auf dem
Roste eine in verschiedenen Stadien der Verbrennung begriffene Schichte
Brennmaterial befinden; d.h. das Brennmaterial am Grunde der Schrägfläche wird aus
hellroth glühenden Kohks bestehen, während sich aus der obersten Schichte der frisch
eingetragenen Steinkohlen dichter schwarzer Rauch entwikelt, welcher durch den Boden
des Kessels so zurükgeworfen wird, daß er durch die rothglühenden Kohks streichen
muß und dabei verbrannt wird. In dem Maaße, als die ausgebrannten Kohks durch den
Rost fallen, rükt die Masse des darüber liegenden unverbrannten Brennmateriales in
Folge der schrägen Stellung der Roststangen herab, während der Heizer von Oben
fortwährend frische Steinkohlen nachträgt. Hr. Witty gab, wenn wir nicht irren, zuerst die Idee
dieser Methode an, welche sich an den stehenden Maschinen so trefflich bewährte, und
deren hohe Vervollkommnung wir Hrn. Chanter verdanken.
Der günstige Erfolg, den die Anwendung dieses Systemes an der gewöhnlichen
Dampfmaschine hatte, ermunterte Hrn. Chanter zur Befolgung desselben an Locomotiven.Man findet das hierauf bezügliche Patent bereits im polytechn. Journal Bd. LXVIII. S. 242. A. d. R. Bei dem Betriebe der Locomotive, „Prince George“, an
welcher der erste Versuch dieser Art gemacht wurde, ergab sich, daß das
Brennmaterial wegen der Bewegung der Maschine und des ungeheuren Zuges des Ofens
nicht die eben beschriebene Stellung auf den Roststangen behielt. Auch reichte der
Kesselboden oder der sogenannte Deflector nicht tief genug herab, indem er bloß bis
zur Höhe der dritten Röhrenreihe herabstieg, so daß der Rauch ohne Hinderniß entwich und also
unverbrannt durch die Kesselröhren und den Rauchfang strömte. An der zweiten
Locomotive, welche Hr. Chanter
baute, nämlich an dem „Duke of Sussex“ gab er den Roststangen
eine geringere Neigung, so daß die Steinkohlen länger auf ihnen verweilen mußten.
Auch befestigte er an dem Kesselboden einen Steg, durch den die den Rauch
zurükwerfende Oberfläche bis auf die Höhe der sechsten Reihe der Kesselröhren, also
auf 2/3 der ganzen Tiefe hinab reichte. Diese Modificationen zeigten sich als eine
wesentliche Verbesserung; denn es wurde ein großer Theil des Rauches verzehrt, und
der Heizer konnte wegen der minderen Steilheit der Roststangen das Feuer leichter
schüren und die Heizstelle leichter reinigen. Da jedoch auch bei dieser Modification
das neue System noch immer nicht für Locomotiven geeignet erschien, so ging Hr.
Chanter noch weiter, und
ließ den Deflector bis in das am Grunde der Feuerkammer befindliche verkohkste
Brennmaterial hinab reichen, so daß der aus dem neu eingetragenen Brennmateriale
aufsteigende Rauch nothwendig durch die glühende Kohksmasse streichen und dabei
gänzlich verbrennen mußte. In diesem Zustande arbeitete der Apparat wohl eine Zeit
lang gut; allein der Zug des Ofens war so groß, daß er sich in Kürze einen freien
Weg unter dem Deflector weg bahnte, und daß es unmöglich war, die Spize dieses
lezteren in der brennenden Kohlenmasse untergetaucht zu erhalten. Es bedurfte jedoch
nur eines Schrittes weiter, um auch diese Schwierigkeit zu überwinden.
Die in Fig. 91
gegebene Zeichnung zeigt die neueste Modification, welche Hr. Chanter an seinem Ofen anbrachte. A ist der Ofen; B, B, B sind
die Roststangen, welche unter drei verschiedenen Winkeln gestellt sind; C der Deflector, welcher in dem Kessel eine Art von
Tasche bildet, und der, wie man sieht, bis in den entzündeten Brennstoff hinein
reicht; D die Thüre, welche zum Eintragen der Steinkohle
in den Ofen dient; E das Thürchen, welches in die
kupferne Röhre F führt, und durch welches an die innere
Seite des Deflectors etwas Kohks gebracht werden; G sind
die brennenden Steinkohlen und H die brennenden Kohks.
Das Spiel dieses Ofens bedarf kaum einer Erläuterung. Die Steinkohlen, welche man
bei der Thür D einträgt, werden allmählich verkohlst und
verzehrt; und um den Boden des Deflectors in das brennende, keinen Rauch gebende
Brennmaterial eingebettet zu erhalten, werden durch die Röhre F und das Thürchen E an die andere Seite des
Deflectors etwas Kohks gebracht.
Versuche, welche mit dieser Maschine angestellt wurden, haben dargethan, daß man zur
Heizung derselben mit aller Sicherheit und mit großem Nuzen auf ein Viertheil Kohks drei Viertheile
Steinkohlen nehmen kann. Man erspart daher im Vergleiche mit der Beheizung mit Kohks
allein mehr als die Hälfte der Kosten; abgesehen davon, daß nach den besten
Autoritäten eine Tonne Steinkohlen mehr Dampf erzeugt, als eine Tonne Kohks, und daß
die Steinkohlen weniger Raum einnehmen als die Kohks, und mithin leichter im
Munitionswagen untergebracht werden können.
Beweise hiefür liefern die Berichte, welche von Hrn. W. Peoples, Ingenieur der HHrn. Mather, Dixon und Comp. in Liverpool, und von Hrn.
Harnold Hewitt, Ingenieur
der Grand-Junction-Eisenbahn, erstattet wurden. Ersterer sagt nämlich:
„Ich machte mit der neuen Locomotive, Duke of Suffex, auf der
Grand-Junction-Eisenbahn vier Probefahrten. Die Maschine hat
13zöllige Cylinder und 18 Zoll Kolbenhub. Der Dampf wurde aus kaltem Wasser
innerhalb 2 Stunden hauptsächlich mit Steinkohlen aufgebracht. Bei den zwei
ersten Fahrten verwendeten wir 1/3 bis 1/4 Kohks und 2/3 bis 3/4 gewöhnliche
Steinkohlen, wobei der Rauch sehr gut verbrannt wurde, und das Feuer nur sehr
wenig und dieses nur zeitweise von einem Kohksfeuer verschieden war. Bei der
dritten Fahrt, bei der wir die Kohks auf 1/6 und 1/8 reducirten, kam etwas Rauch
zum Vorscheine, besonders wenn das Unterfeuer nicht ganz aus rothglühenden
Steinkohlen oder Kohls bestand. Auch hatte der Heizer mehr Arbeit, um das
Unterfeuer in diesem Zustande zu erhalten. Bei dem vierten Versuche, welcher zur
Ermittelung der Kraft der Maschine angestellt wurde, legten wir den Weg zwischen
der Station von Staford und jener von Crew mit einer Geschwindigkeit von 45 bis
50 engl. Meilen in der Zeitstunde zurük. Von lezterer Station an fuhren wir mit
Steinkohlen allein, wobei die Kraft des Dampfes dermaßen zunahm, daß wir die
Feuerthüren öffneten. Hr. Hewitt sagte, wir hätten mehr als 50 engl. Meilen in der
Zeitstunde zurükgelegt; nach meiner Uhr war die Geschwindigkeit aber 60 engl.
Meilen und sogar darüber. Ich halte hienach den Duke of Suffex für eine sehr
kräftige Maschine, besonders wenn er mit Steinkohlen geheizt wird. Auch bin ich
hienach überzeugt, daß eine ausgedehnte Benuzung der Steinkohlen möglich ist,
ohne daß man dabei von Rauch belästigt wird.“
Der Bericht des Hrn. Hewitt
enthält im Wesentlichen Folgendes: „Ich habe bei einem fünfjährigen
Dienste der Locomotive Duke of Suffex besonders darauf geachtet, in wie fern
diese Maschine bei der Beheizung mit Steinkohlen den Rauch verzehrt, und mich
hiebei überzeugt, daß sie dieß auf sehr genügende Weise bewirkt. Bei den drei
ersten Versuchen wurde der Rauch nicht ganz verzehrt; seit aber die Stellung der unteren
Stangen so abgeändert wurde, daß mehr Oeffnung gestattet ist, gelingt es viel
besser; auch ist seither die Heizung viel leichter zu führen. Der Ofen speist
sich selbst, wenn an seiner Mündung eine große Steinkohlenmenge unterhalten
wird, und der Rauch wird bei rascher Dampfentwikelung beinahe vollkommen
verzehrt. Wir nahmen in Acton eine halbe Tonne gute runde Steinkohle ein, und
fuhren beinahe bis Liverpool, ohne daß während des Laufes Rauch zu bemerken
gewesen wäre. Während des Anhaltens in Warrington erschien etwas weniges schwach
gefärbter Rauch, jedoch in so geringer Menge, daß er gar nicht lästig war. Auf
der ganzen Streke von Acton bis Liverpool, auf der lediglich Steinkohlen
gebrannt wurden, war auch nicht der geringste Unterschied zwischen diesem und
einem Kohksfeuer zu bemerken; den einzigen Umstand ausgenommen, daß bei dem
Rauchfange weder Asche noch Funken ausflogen, wie dieß bei der Heizung mit Kohks
der Fall zu seyn pflegt. Ich halte daher das von Hrn. Chanter befolgte Rauchverzehrungssystem für
sehr gut und für vollkommen bewährt.“
Aus diesem lezteren Berichte ergäbe sich demnach noch ein neuer Vorzug des neuen
Systemes: nämlich die Beseitigung des Funkensprühens, welches an den gewöhnlichen
Locomotiven den Passagieren oft so unangenehm und selbst gefährlich wird. Auch
können wir nicht umhin, darauf hinzuweisen, daß an jenen Eisenbahnen, an denen die
Localverhältnisse an den gewöhnlichen Locomotiven die Benuzung von Steinkohlen
zuließen, die messingenen oder kupfernen Kesselröhren sich nicht so schnell
abnüzten, und daß man diese Röhren gewöhnlich noch gut fand, wenn die Maschine schon
für unbrauchbar erklärt wurde. Beispiele hiefür liefern die Bahnen von Garnkirk, von
Darlington, und jene an den Kohlenwerken von Newton. An den Bahnen, an denen mit
Kohks geheizt wird, müssen diese Röhren beständig erneuert werden, was man dadurch
erklären will, daß die unter der Einwirkung eines starken Zuges durch die Röhren
getriebenen scharfen Kohkstheilchen wie eine Feile auf die innere Wand der Röhren
wirken, und diese daher zerstören. Die weichen Kohlentheilchen scheinen diese
nachtheilige Wirkung nicht zu haben.
Obschon auf den Dampfschiffen die Verzehrung des Rauches nicht gesezlich
vorgeschrieben ist, so scheint sie doch auch an diesen höchst wünschenswerth,
besonders bei der Fluß-Dampfschifffahrt. Die hiedurch bedingte Ersparniß an
Brennmaterial ganz unberüksichtigt gelassen, scheint schon die für die Passagiere
daraus erwachsende Bequemlichkeit allein hinreichend, um einem hierauf berechneten
Plane Eingang zu verschaffen. Allen in dieser Hinsicht geschehenen Vorschlägen wurde
vorgeworfen, daß dadurch der Zug der Oefen beeinträchtigt wird; den Ofen des Hrn.
Chanter scheint jedoch
dieser Vorwurf nicht zu treffen. Da dieser Ofen im Principe mit dem beschriebenen
Locomotivofen übereinkommt, so wird der in Fig. 92 gegebene
Längendurchschnitt genügen, ihn anschaulich zu machen. A,
A¹, A² sind nämlich die Roststangen; B der herabsteigende Theil des Kessels; C die
Aschengrube; D der Feuerzug. Die HHrn. Pet. Borrie und Comp. in Dundee, und
Hr. Napier in Glasgow sind
dermalen mit Ausrüstung von Dampfschiffen nach diesem Systeme beschäftigt. Wir
zweifeln nicht, daß, wenn sich dasselbe hiebei bewährt, bald alle auf Flüssen
fahrende Boote zu dessen Annahme gezwungen seyn werden.