Titel: | Camera obscura und Daguerreotype. |
Fundstelle: | Band 73, Jahrgang 1839, Nr. LXXXV., S. 363 |
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LXXXV.
Camera obscura und Daguerreotype.
Aus dem l'Echo du monde savant, No.
466.
Camera obscura und Daguerreotype.
In der Sizung der französischen Akademie vom 2. August theilte Arago folgenden, von dem Minister des Innern erhaltenen Brief mit:
Mein Herr und werthester College! Nachdem das Gesez, welches Hrn. Daguerre eine Nationalbelohnung
gewährt, die Zustimmung des Königs erhalten hat, so bleibt mir nur übrig, seine
Entdekung zu veröffentlichen. Ich glaubte, das beste und passendste Mittel wäre,
dieselbe der Akademie der Wissenschaften mitzutheilen; ich bitte Sie, mich zu
benachrichtigen, ob sie diese Mittheilung in der Sizung vom nächsten Montag, zu
welcher die HHrn. Mitglieder der Akademie der schönen Künste können eingeladen
werden, wird empfangen können. Genehmigen Sie etc.
Die Akademie nahm gerne das Anerbieten des Ministers an und die vorgestrige Sizung
wurde zur Veröffentlichung des Verfahrens der HHrn. Niepce und Daguerre bestimmt.
Der Sitzungssaal war frühzeitig von einer Menge Neugieriger angefüllt, und außer den
Mitgliedern der Akademie der Wissenschaften und schönen Künste, welche besonders zu
dieser Versammlung eingeladen wurden, hatte sich eine große Anzahl sowohl fremder
als einheimischer Gelehrten und Künstler dort eingefunden und bewunderten mehrere,
nach Daguerre's Methode ausgeführte Bilder.
Arago, welcher mit der Beschreibung des Verfahrens des
geistreichen
Künstlers beauftragt war, theilte seinen Bericht in mehrere Abschnitte ein; welchen
Gang wir auch befolgen wollen.
Geschichtliches. Zu allen Zeiten hat man die Veränderung
bemerkt, welche die Farben durch das Licht erleiden; aber erst gegen die Mitte des
16ten Jahrhunderts beobachtete man die Schwärzung des Chlorsilbers unter dem
Einflusse des Lichtes, als Scheele die ersten
wissenschaftlichen Beobachtungen darüber anstellte. Der berühmte schwedische
Chemiker sezte ein mit dieser Composition bestrichenes Papier der Einwirkung des
Spectrums aus und bemerkte, daß das Maximum der Färbung seinen Siz im Violett hatte.
Ritter und Wollaston
machten 1802 Experimente gleicher Art, und sahen, daß die Veränderung der Farbe sich
über die Gränzen des Violetten ausdehnte. Seit den Arbeiten dieser Physiker nimmt
man sogar in den Sonnenstrahlen verschiedene durch absorbirend wirkende Schirme
trennbare Partien an, von welchen die eine beleuchtend, die andere chemisch
wirkt.
Wenn man in den Brennpunkt einer Camera obscura eine mit
Chlorsilber bestrichene Haut bringt, wie es Wedgwood
zuerst thatDer Verfasser veröffentlichte 1802 eine Drukschrift über diesen Gegenstand im
Juniusheft des Journals: Of the royal institution of
great Britain., so erhält man eine ziemlich genaue Darstellung der Gegenstände, aber mit
dem Unterschiede, daß die Theile des erzeugten Bildes um so dunkler erscheinen, je
lichtvoller die des Luftbildes waren, und umgekehrt; außerdem kann ein solches Bild
dem Lichte nicht lange ausgesezt werden, nicht einmal dem Kerzenlichte, weil die
weiß gebliebenen Theile sich bald färben würben.
Davy gelang es, kleine Gegenstände zu copiren, indem er
sich des Sonnenmikroskops bediente, und die bestrichene Haut in sehr geringe
Entfernung von der Linse stellte; hier war ebenfalls das Bild umgekehrt und
veränderlich. Endlich bediente sich Charles in seinen
Vorlesungen dieses Verfahrens, um Silhouetten zu erhalten, aber sie hatten, wie die
später erzeugten Bilder, den Nachtheil, bei der Einwirkung des Lichts auf die weißen
Theile zu verschwinden, wodurch ein einfärbiger violetter Grund entstand.
Man erinnert sich, daß unlängst bei Gelegenheit der Reclamationen Talbot's mit Erfolg mehrere Mittel aufgewendet wurden, um
die Theile von Chlorsilber wegzunehmen, welche das Licht nicht verändert hatte, z.B.
Ammoniaklösung, unterschwefligsaures Natron. Dieß ist zwar eine Vervollkommnung,
welche erst nach den Arbeiten von Niepce und Daguerre erfunden wurde, welche wir aber hier anführen müssen, und durch
welche die erzeugten Bilder ohne Veränderung erhalten werden können.
Aber die Bilder sind immer bezüglich auf Schatten und Licht umgekehrt von dem, was
sie seyn sollten; wir fügen, um auf diesen Gegenstand nicht mehr zurükzukommen,
hinzu, daß Lassaigne in Paris und Fyfe in Edinburg im verflossenen Monat April das nämliche Mittel
vorschlugen, um diese Bilder in ihrem natürlichen Verhältnisse von Schatten und
Licht erscheinen zu lassen, indem man Chlorsilber mittelst Iodkalium unter dem
Einflusse des Sonnenlichtes zersezt, und die Bilder hernach mit Wasser abwäscht, um
das überflüssige Iodkalium wegzunehmen.
Doch haben alle diese Verfahrungsarten nichts mit demjenigen von Niepce und Daguerre gemein. Um
sich einen Begriff von diesem lezteren zu machen, nehme man an, daß man ein Bild auf
eine schwarze Fläche machen wolle; man wird es bewerkstelligen, indem man auf diese
Fläche unendlich kleine weißliche, unter sich gleiche Kügelchen, jedoch in
verschiedenem Verhältnisse je nach dem Tone, den man wünscht, streut; oder auch,
indem man sich weißer, grauer und schwarzer Kügelchen bedient, deren Vertheilung den
hellen oder dunklen Ton hervorbringen wird.
Wiewohl man nicht versichern kann, daß das Verfahren Niepce's wirklich darin bestehe, ist es doch wahr, daß jenes sehr viel
Aehnlichkeit mit diesem hat.
Niepce hatte ein Bild erhalten, welches schattirt und
beleuchtet war, wie der Gegenstand selbst, und überdieß sich im Lichte nicht
veränderte. Er bediente sich des JudenpechsMan findet das Judenpech oder Asphalt besonders auf der Oberfläche des todten
Meeres in Judäa; es ist schwarz, zerreiblich, fest und troken, im Bruch
muschelförmig und glänzend. in Lavendelöhl aufgelöst; er trug es wie einen Firniß auf silberne,
zinnerne, oder noch besser, plattirte Kupferplatten auf; wenn er sie erwärmte,
verflüchtigte sich das Oehl, und es blieb auf dem Metall ein weißer Staub; im
Brennpunkte der Camera obscura entstand auf einer
solchen Platte ein leichtes Bild, welches man durch Abwaschung mit einer Mischung
von Lavendel- und Steinöhl sichtbarer machte, indem diese Mischung die Theile
auflöste, welche das Licht nicht beleuchtet, und die verschonte, welche das Licht
getroffen hatte.
Man begreift, daß die durch die Einwirkung des Auflösungsmittels sich darstellenden
Schattirungen alsdann schwarz erschienen, weil sie das Licht nicht zurükwarfen.
Dieses Verfahren, so sinnreich es ist, kann nicht in Anwendung gebracht werden, weil die Bilder
zu lange Zeit brauchen, bis sie entstehen; man hat sogar drei Tage nöthig gehabt, um
sie zu erhalten; daher verlegte sich auch der Erfinder meist auf Copiren von
Kupferstichen.
Wir übergehen mit Stillschweigen die verschiedenen Mittel, welche den Schattirungen
mehr Ton geben sollten, als Abwaschungen mit Jod oder Schwefelkalium, so wie auch
die Versuche, welche gemacht wurden, um mittelst verdünnter Salpetersäure die
entblößten Theile des Metalls anzugreifen, um sich so eine Platte zu verschaffen,
welche man alsdann mit Drukerschwärze hätte abdruken können. Wir beeilen uns nun,
zum Verfahren Daguerre's selbst überzugehen.
Daguerre's früheres Verfahren.
In den ersten Zeiten feiner Verbindung mit Niepce ersezte
Daguerre das Judenpech durch den Rükstand der
Destillation des Lavendelöhls, welcher, da er weniger gefärbt war, mehr Vortheil
darbot: er wendete ihn in Alkohol oder Aether aufgelöst an, und durch eine gemäßigte
Verdunstung erhielt er einen gleichförmigen und weißeren Ueberzug, als vorher; dann
sezte er die Platte, nach der Ausstellung in der Camera
obscura, der Einwirkung der ätherischen Oehldämpfe aus, welche nur jene
Theile erweichten, die das Licht nicht berührt hatte; denn dieses Agens macht die
Harze unauflöslich, in ätherischen Oehlen. Wenn man die durch dieses Verfahren
erhaltenen Bilder mit der Loupe betrachtete, so erkannte man, daß sie aus mehr oder
weniger durchsichtigen Kügelchen von drei verschiedenen Farbenabstufungen gebildet
waren, welche auf der metallischen Fläche zerstreut lagen; darin liegt die
Aehnlichkeit zwischen diesen Bildern und jenen, welche man auf die oben erwähnte Art
erhalten würde.
Gegenwärtiges Verfahren. Daguerre hat jezt allen den
Methoden entsagt, welche wir angeführt haben, um den Weg zu zeigen, auf welchem er
mit Niepce durch außerordentliche Geduld und Scharfsinn
sein Ziel erreicht hat.
In seiner einfachsten Bedeutung genommen besteht das gegenwärtige Verfahren darin,
daß man eine plattirte Kupferplatte kalten Joddämpfen aussezt, bis das Metall einen
gelben Ton erhalten hat, worauf man sie in den Brennpunkt einer Camera obscura bringt, und nachdem sie hier 1–2
Minuten geblieben, der Einwirkung des Dampfes von ungefähr auf 75º C.
erwärmten Queksilber aussezt; die Platte muß unter einen Winkel von 45°
geneigt werden. Wenn die Einwirkung des Queksilbers, welcher man mit den Augen
folgen kann, vollendet ist, wäscht man die Platte mit einer Auflösung von
unterschwefligsaurem Natron, und zulezt mit vielem Wasser.
Wir kommen auf die verschiedenen Stufen der Operation zurük, um die Hauptvorsicht
anzugeben, welche man dabei zu beobachten hat.
Ehe die Metallplatte den Joddämpfen ausgesezt wird, wird sie abgebimst, polirt und
mit reiner Salpetersäure abgewaschen, welche nach der Meinung von Dumas und Pelouze die Wirkung
zu haben scheint, nicht nur die animalischen Stoffe, sondern auch die lezten
Kupfertheile wegzunehmen, so daß das Silber vollkommen rein ist. Um sie den
Joddämpfen auszusezen, bedient man sich einer mit Gaze überzogenen Kapsel, welche
auf den Boden eines anderen Kästchens gestellt wird. Das Experiment fällt besser mit
plattirtem Kupfer als auf Silber aus, was auf die Meinung führen könnte, daß hiebei
die Elektricität eine Rolle spiele; die Metallplatte muß mit einem Rändchen von
gleichem Stoff eingefaßt werden, welches mittelst Nägel befestigt wird; ohne diese
Vorsicht würde das Jod, anstatt sich in eine gleichförmige Schicht zu verbreiten, in
abnehmender Quantität vom Rand gegen den Mittelpunkt sich anhäufen, und die Bilder
würden dann unvollkommen seyn.
Nachdem die Jodschicht, welche nach Dumas nie ein
Milliontel Millimeter Dike erreicht, zum gelben Ton gebracht wurde, welches anzeigt,
daß sie dik genug ist, legt man die Platte in einen mit Thüren schließenden Rahmen,
um sie der Einwirkung des Lichts zu entziehen. Man stellt die Camera obscura gut ein; diejenige, welche in der Akademie vorgelegt wurde,
war mit einem Schieber und mit einem mattgeschliffenen Glase versehen, auf welchem
sich das umgelehrte Bild der Gegenstände darstellte.
Man begreift, daß es unnöthig ist, dieß Bild mittelst eines Spiegels umzukehren. Ist
einmal die Camera obscura eingestellt, so sezt man an
die Stelle des mattgeschliffenen Glases den Rahmen, der die Metallplatte enthält,
und nachdem man denselben befestigt hat, öffnet man von Außen nach Innen die oben
erwähnten Thüren. Da die Einwirkung des Lichts auf den so empfindlichen Ueberzug
fast augenbliklich geschieht, so schließt man die Thüren ungefähr eine Minute
nachher wieder zu, und nimmt den Rahmen heraus, dann wird die Platte vom Rahmen
befreit, indem man dieselbe so gut als möglich vor dem Lichte schüzt, und in einer
hiefür zubereiteten Kapsel den Dämpfen des Queksilbers aussezt, welches in einer
Porzellanschale durch eine untergestellte Weingeistlampe erwärmt wird.
Je nachdem das Licht auf die verschiedenen Theile der Platte eingewirkt hat, sieht
man auch das Queksilber verhältnißmäßig auf dieselbe einwirken; das Bild zeigt sich
unter der Einwirkung dieses Agens, und man kann mit einem Kerzenlicht die
Fortschritte desselben verfolgen; denn man muß jeden Zutritt des Sonnenlichts verhindern. Die
Empfindlichkeit dieses Ueberzugs ist in der That so groß, daß es selbst hinreicht,
die Platte auch nur einen Augenblik dem Mondlichte auszusezen, um einen Fleken
hervorzubringen. Man weiß, daß dieses durch eine starke Linse concentrirte Mondlicht
auf Chlorsilber nicht einwirkt.
Die Neigung von 45º ist nothwendig, damit das Bild das Maximum des Effects
hervorbringe, wenn man es en face betrachtet; wenn man
die Metallplatte in horizontaler Lage den Dämpfen aussezen würde, müßte man das Bild
von der Seite ansehen, damit es sich möglichst deutlich darstellt.
Bei der mikroskopischen Untersuchung der Photogenischen Bilder Daguerre's hat Hr. Dumas gefunden, daß die Bilder durch die Vereinigung von Kügelchen,
1/800 Millimeter groß, entstehen, wovon die einen zahlreichern hell, die anderen
seltneren grau oder schwarz sind. Es ist mehr als wahrscheinlich, daß diese Nüancen
theils durch den Einfluß des je nach der Anzahl der Kügelchen mehr oder weniger
sichtbaren Metallgrundes, theils durch die Art, nach welcher sie beleuchtet sind,
entstehen.
Portraite. Um getreue Bilder zu erhalten, ist hier die
Unbeweglichkeit eine unerläßliche Bedingung; auf der anderen Seite erfordert die
Aehnlichkeit, daß die Gesichtszüge durch Zukungen nicht entstellt werden. Ist es
auch möglich, den Kopf einer Person mittelst gehörig verborgener Stüzen
festzuhalten, so ist es unmöglich, das Blinzeln und die Zusammenziehungen zu
verhindern, welche ein zu helles Licht verursacht. Daguerre hat diesem Uebelstande durch ein dazwischengeseztes blaues Glas,
welches die chemische Wirkung nicht stört, abgeholfen.
Vervollkommnung und Gebrauch. Wird man es einst dahin
bringen, farbige Bilder zu erzeugen? Wenn man die von Daguerre bewirkten Wunder betrachtet, wovon man vor einigen Monaten gar
keinen Begriff hatte, wagt man es kaum, diese Frage verneinend zu beantworten. Daguerre selbst hat im Laufe seiner Untersuchungen über
die Phosphorescenz rothe, grüne oder blaue Lichter erhalten. Niepce hatte geglaubt, Farben auf dem Glas fixiren zu können, aber es ist
wahrscheinlich, daß die Nüancen, die er erhielt, zu den bekannten Erscheinungen der
Farben dünner Plättchen gehörten.
Herschel ging noch weiter; indem er ein sehr glänzendes
Spectrum auf ein durch Chlorsilber empfindlich gemachtes Papier warf, sah er grüne, blaue und
violette Töne in den entsprechenden Partien des Spectrums erscheinen; aber das Rothe
zeigte sich nur in einer sehr schwachen Nüance. Endlich sah Seebeck unter der nämlichen Einwirkung und auf dieselbe Art Violett im
Violetten des Spectrums, und einen röthlichen Ton im Rochen erscheinen.
Was die Wissenschaft betrifft, könnte man es versuchen, die Strahlen des Spectrums
mit dem Daguerreotyp zu fixiren und sehen, ob in den Theilen des Lichts, welche die
chemische Einwirkung erzeugen, solche Unterbrechungen Statt finden, wie jene, die in
den Lichtstrahlen wahrzunehmen sind.Wahrscheinlich sotten sich bei diesem Verfahren die Fraunhofer'schen dunkeln Linien abbilden. A. d. R.
Der nämliche Apparat verspricht ein vollkommneres photometrisches Mittel, als die,
welche bisher zu Gebot standen; nichts ist in der That schwerer, als die Stärken des
verschiedenen Lichtes zu vergleichen, und besonders die des Lichts bei Tag mit der
des Lichts bei Nacht. Wenn man das Sonnenlicht gehörig schwächt, wird man es dem
gleich machen können, mit dem man es vergleicht.
Aber man kann sich nicht verbergen, daß es noch Schwierigkeiten zu überwinden gibt,
und zwar von einer bisher unbekannten Art. So hat Daguerre in seinen vielfältigen Experimenten erkannt, daß die um 10 Uhr
Morgens erhaltenen Bilder reiner sind, als diejenigen, welche man sich um 2 Uhr
Nachmittag verschafft; um 11 Uhr reiner, als um 1 Uhr etc., wiewohl die Sonne in
derselben Höhe bei den verglichenen Tagsstunden steht. Sollte vielleicht der Zustand
der Atmosphäre den Zugang der chemisch wirkenden Strahlen nicht gleich gut in den
verschiedenen Tageszeiten gestatten?
Was die chemischen sowohl als physischen Theorien betrifft, mittelst welchen man die
im Daguerreotyp vorkommenden Erscheinungen erklären könnte, so ist die Wissenschaft
noch nicht genug vorgerükt um die Probleme zu lösen, welche diese Entdekung
hervorbringt, und es ist besser zu warten, als sich im Felde der Hypothesen zu
verirren.