Titel: | Ueber den in den Seetangen enthaltenen Schleim und dessen Benuzung. Von Hrn. Samuel Brown jun. in Haddington. |
Fundstelle: | Band 73, Jahrgang 1839, Nr. CIV., S. 455 |
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CIV.
Ueber den in den Seetangen enthaltenen Schleim
und dessen Benuzung. Von Hrn. Samuel
Brown
jun. in Haddington.
Aus dem Edinburgh New philosophical Journal. April 1839,
S. 409.
Brown, uͤber den in den Seetangen enthaltenen
Schleim.
Ich untersuchte im Herbste 1836 auf Anlaß meines Vaters den in den Seetangen (Fucus) enthaltenen Schleim, um zu sehen, ob demselben
nicht allenfalls eine ersprießliche Nuzanwendung gegeben werden könnte. Es wäre mir
sehr erfreulich gewesen, wenn das Resultat meiner Versuche umfassender und
bestimmter ausgefallen wäre; mittler Weile bin ich jedoch schon zufrieden wenn meine
Arbeiten anderen, die der Sache besser gewachsen sind als ich, nüzliche Winke
geben.
Prof. John fand in 1000 Theilen
des Blasen-Seetanges (Fucus vesiculosus) 40 Th.
einer rothen schleimigen Substanz und fleischfarbenen Extractivstoffes mit etwas
Glaubersalz und Kochsalz; eine eigene Säure; 20 Th. eines fettigen Harzes; 30,3 Th.
Glaubersalz mit etwas wenigem Kochsalz; 128,7 Th. Glaubersalz mit viel Bittersalz
und etwas wenigem phosphorsauren Kalke; Spuren von Eisen und Mangan; und nicht
weniger als 780 Theile sogenanntes Seetangeiweiß. Gauthier de
Claubry bestätigte den großen Gehalt an lezterem, welches jedoch kein
Eiweiß ist und auch nicht eine der Eigenschaften desselben besizt. Denn es kann
durch keines der Reagentien, die das wahre Eiweiß gerinnen machen, zum Gerinnen
gebracht werden, und ist überhaupt gar nicht gerinnungsfähig, so wenig als es durch
die Reagentien, die das Eiweiß präcipitiren, gefällt wird, während es mit
Reagentien, die auf das Eiweiß keine Wirkung haben, Niederschläge gibt. Als Gallerte
läßt sich diese Substanz eben so wenig betrachten, da sie durch Gerbestoff nicht
gefällt wird. Sie ist demnach und auch ihren Eigenschaften gemäß, wahrer
Pflanzenschleim, ähnlich dem in den Eibischwurzeln und Leinsamen enthaltenen.
Essigsaures Blei und die anderen bekannten Fällungsmittel des Schleimes schlagen aus
der Auflösung der fraglichen Substanz ein weißes Gerinnsel nieder. Sezt man der
Auflösung etwas eisenblausaures Kali zu, bevor man schwefelsaures Zink zutropft, so
fällt ein aus blausaurem Zink und Schleim bestehendes Gerinnsel nieder. Auf gleiche
Weise können andere unauflösliche blausaure Salze damit niedergeschlagen werden; und
eben so lassen sich auf ähnliche Art auch Verbindungen des Schleims mit den
unauflöslichen Chlor- und Jodverbindungen erzielen. Vermengt man mit einer
Schleimauflösung, sie mag mit Seetang oder irgend einer anderen Pflanze bereitet
worden seyn, schwefelwasserstoffsaures Ammoniak, und sezt man hierauf salpetersaures
Silber zu, so entsteht ein schwarzer Niederschlag, welcher aus Schleim und
Schwefelsilber besteht. Ein ähnliches Resultat geben alle unauflöslichen
Schwefelmetalle. Endlich lassen sich, wenn man die Umstände gehörig zu leiten weiß,
Verbindungen des Schleimes mit allen unauflöslichen, aus zwei Elementen bestehenden,
elektropositiven Körpern darstellen, und zwar mit dem Tangschleime eben so gut wie
mit dem Eibischschleime. Will man noch weitere Beweise für die Identität beider
Arten von Schleim, so bemerke ich, daß der Tangschleim mit Borax eine Gallerte gibt,
welche, wenn man sie für sich eintroknen läßt, sich mit solcher Kraft zusammenzieht,
daß sie die Gläser, in denen sie sich befindet, zertrümmert; und daß er, wenn man
ihn mit Schwefelsäure siedet, in eine Substanz verwandelt wird, welche die
Eigenschaften der arabischen Gummi besizt. Dabei bemerke ich im Vorbeigehen, daß
zwischen dem arabischen Gummi und dem Schleime ein wesentlicher Unterschied besteht,
wovon man sich schon dadurch überzeugen kann, daß eine Auflösung von ersterem
schnell sauer und schimmelig wird, während dieß mit einer Auflösung von lezterem
nicht der Fall ist.
Ich glaube, daß John den Schleimgehalt des Blasentanges zu
hoch angibt, wenn er ihn zu 780 in 1000 Theilen annimmt. Der Irrthum, in den er
verfiel, rührt wahrscheinlich davon her, daß das Zellgewebe der Tange durch langes
Sieden in eine Masse verwandelt wird, die mit dem Schleime wenigstens das gemein
hat, daß sie durch essigsaures Blei gefällt wird. Ich erhielt aus gebleichtem Fucus palmatus durch Infusion genau die Hälfte seines
Gewichtes Schleim; einige Seetange enthalten aber mehr, andere weniger von diesem
Stoffe.
Um den Tangschleim ganz rein zu erhalten, fand ich folgendes Verfahren für das
geeignetste. Ich zerstoße den Tang, nachdem ich ihn an der Sonne gebleicht, und
weiche ihn dann einen oder zwei Tage über in gesäuertem Wasser, welches öfter
gewechselt wird, ein. Wenn hiedurch die salzigen Bestandtheile aufgelöst worden sind, siede ich ihn in
höchst verdünnter Schwefelsäure, welche die Zersezung des Zellgewebes begünstigt,
und dadurch den Austritt des Schleimes aus den Zellen, in denen er sich befindet,
befördert. Diesen Absud rühre ich mit thierischer Kohle, etwas wenigem kohlensaurem
Baryt und einer geringen Menge Bleiglätte an, worauf ich ihn auf ein Filter bringe,
und über einem Wasserbade bis zur Trokenheit eindampfe. Die trokene Masse gibt, wenn
man sie pulvert, und zur Wegschaffung der salzsauren Salze etc. mit Alkohol
behandelt, einen reinen Schleim, der, wenn man ihn längere Zeit mit Schwefelsäure
siedet, dem arabischen Gummi vollkommen gleich und ähnlich wird.
Es steht demnach fest, daß der gewöhnliche Seetang eine große Menge Schleim enthält;
daß sich dieser Schleim leicht von den übrigen Bestandteilen abscheiden läßt; und
daß eine Schleimauslösung nicht schimmelig, dagegen aber durch ein sehr einfaches
Verfahren in arabisches Gummi verwandelt wird.
Da der Schleim zu den nahrhaftesten Pflanzenstoffen gehört, und die Seetange, welche
an den felsigen Küsten Schottlands und Englands in so ungeheurer Menge vorkommen, so
reichlich damit ausgestattet sind, so dringt sich von selbst die Frage auf, ob aus
ihnen nicht allenfalls ein Nahrungsstoff für Menschen und Thiere gezogen werden
könnte. Wir verdankten den Tangen einst unsere Soda, unser Chlor, unser Jod; soll
man jezt, wo diese Stoffe aus anderen Quellen vorteilhafter bezogen werden, und die
Kelpbereitung von unseren Küsten beinahe verschwunden ist, nicht wenigstens den in
ihnen enthaltenen Schleim zu benuzen suchen? In der That werden bereits mehrere
Tange seit den ältesten Zeiten von Menschen und Thieren genossen: die Irländer essen
ihr Carrageen, welches von Fucus endiviaefolius kommt,
und unter dem Namen Irish Moss als ein leicht
verdauliches Nahrungsmittel für Kranke und Schwächliche bekannt ist; und die
Schottländer haben ihren Zukertang, Fucus saccarinus,
welcher daselbst Dulce genannt wird. In einigen Küstengegenden mischte man von dem
Tange unter das Viehfutter, und auf den Orkneyinseln sucht sich das Vieh selbst, da
es auf den trokenen Weiden nicht genug Nahrung findet, an dem Strande Ersaz dafür.
Hat das Vieh hinreichende Nahrung, so verschmäht es allerdings den Tang, der ihm
wegen der vielen salzigen Theile, die er enthält, unangenehm zu seyn scheint. Durch
die Beseitigung dieser ließe sich aber eine große Menge guten und wohlfeilen Futters
gewinnen, was für die an den nördlichen Meeren gelegenen Völker gewiß von größtem
Nuzen wäre. Man brauchte zu diesem Zweke nur den klein zermalmten Tang mit Wasser,
das mit etwas Schwefel- und Salzsäure gesäuert worden, zu sieden, und den Rükstand dann mit
Kleien, Häksel, Leinkuchen und dergleichen zu vermengen, wenn man ihn nicht für sich
allein verfüttern wollte. In beiden Formen wird er von Schweinen und Maulthieren mit
Vergnügen gefressen. Zur Fütterung des Rindviehes im Großen würde ich folgende
Zubereitung empfehlen. Man müßte den Tang mit irgend einer Maschinerie zerkleinern;
ihn einen oder zwei Tage lang in Wasser, welches mit etwas Schwefelsäure gesäuert
worden, maceriren, dann mit kaltem Wasser auswaschen, hierauf einige Stunden lang
mit seinem drei- bis vierfachen Volumen Wasser sieden;' sodann den Absud
durchseihen, ihn zur Syrupsconsistenz eindiken, und endlich mit Kleien oder anderen
Stoffen Vermengt, zu Kuchen formen. Diese Kuchen lassen sich in trokenem Zustande
beliebig lange aufbewahren, und wie Leinkuchen verfüttern. Uebrigens kann man den
Absud auch zur Trokenheit eindampfen und Kuchen daraus formen, die sich beliebig
aufbewahren lassen. Ich glaube, daß sich diese Benuzung im Großen sehr gut rentiren
müßte. Ein weiterer Vorschlag, den ich zu machen habe, geht dahin, daß man den
Schleim in verhältnißmäßig reinem Zustande aus den Tangen ausziehen, und durch
länger fortgeseztes Sieden mit Schwefelsäure in eine Substanz verwandeln soll, die
anstatt des arabischen Gummi benuzt werden könnte. Das hiebei einzuschlagende
Verfahren wäre nur eine Vereinfachung desjenigen, welches ich oben zur Darstellung
des ganz reinen Tangschleimes angegeben habe. Bei der Errichtung einer hiezu
bestimmten Fabrike ließe sich das als Rükstand bleibende Zellgewebe des Tanges als
Viehfutter verwenden, während aus der Macerationsflüssigkeit Salze gewonnen werden
könnten. Das gewonnene Gummi läßt sich zu allen den Zweken, zu denen man das
arabische Gummi benuzt, verwenden, und wird, wenn man es nur einmal kennt, wegen
seiner Wohlfeilheit gewiß häufig vorgezogen werden. Schließlich bemerke ich nur
noch, daß der Mohr Wochen lang in seinen Wüsten lebt, ohne des Tages mehr als 6
Unzen Gummi zu verzehren, während in unserem Vaterlande, an dessen Küsten es von
Pflanzen wimmelt, die eben so gutes Gummi liefern, wie die Acacienbäume der Wüste,
und doch ganz unbenuzt bleiben, täglich Menschen des Hungertodes sterben, oder durch
die Plage des Hungers zu den größten Verbrechen angetrieben werden.Eine von der Society for the encouragement of the
useful arts in Scotland niedergesezte Commission äußert? sich über
obige Abhandlung dahin, daß der darin berührte Gegenstand von höchster
Wichtigkeit sey. Sie bezweifelt aber, daß der Seetangabsud sich so leicht,
wie der Verf. meint, von dem ihm eigenen Geschmake befreien läßt, und daß,
selbst wenn dieß der Fall wäre, das von ihm angegebene Verfahren so leicht
ausführbar und so wohlfeil ist, daß es den angedeuteten Zweken entsprechen
kann. A. d. O.