Titel: | Beleuchtung der Kurbel und Widerlegung der von Herrn John Scott Russell aufgestellten Meinung, daß die Kurbel nicht jene Unvollkommenheiten besize, die ihr von den berühmtesten, sowohl theoretischen als praktischen Mechanikern aller Länder und aller Zeiten zugeschrieben worden sind, von Amand. Ferd. Neukrantz, Ingenieur etc. |
Autor: | Amandus Ferdinand Neukrantz [GND] |
Fundstelle: | Band 74, Jahrgang 1839, Nr. V., S. 30 |
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V.
Beleuchtung der Kurbel und Widerlegung der von
Herrn John Scott
Russell aufgestellten Meinung, daß die Kurbel nicht jene
Unvollkommenheiten besize, die ihr von den beruͤhmtesten, sowohl theoretischen
als praktischen Mechanikern aller Laͤnder und aller Zeiten zugeschrieben worden
sind, von Amand. Ferd.
Neukrantz, Ingenieur etc.
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Neukrantz, uͤber die Eigenschaften der Kurbel.
Vor Hrn. Russells Vortrag in der Sizung der Society of Arts von Schottland – welcher in Jameson's Edinburgh new
philosophical Journal, Vol. XXIV. pag. 35
gedrukt erschien und aus diesem in Dingler's
Journal 1838, Heft 5, und in mehrere andere technische Zeitschriften
übergegangen ist, – wäre es überflüssig gewesen, die Unvollkommenheiten des
Krummzapfens als Uebertragungsmittel der geraden hin- und hergehenden
Bewegung in Kreisbewegung zu erweisen, denn jeder Mechaniker war davon überzeugt,
kannte dieselben aus hundertfachen praktischen Erfahrungen, die sich ihm täglich
darboten.
Durch Hrn. Russell's Trugschlüsse aber scheinen über diese
höchst wichtige Sache die Meinungen getheilt worden zu seyn.
Durch praktische Versuche und durch wissenschaftliche Beleuchtung bin ich von der
Unrichtigkeit der Behauptung des Hrn. Russell überzeugt
und im Stande, dieselbe gründlich zu widerlegen.Wir glaubten die Aufnahme dieser Abhandlung nicht verweigern zu können,
obgleich der Verfasser die Ausdrüke des Hrn. Russell offenbar zu streng nimmt und denselben öfters einen Sinn
unterlegt, wie er den Ansichten des berühmten englischen Gelehrten gewiß
nicht entspricht. A. d. R. Vorweg spricht für mich das, daß so glänzende Namen vor Hrn. Russell meiner Meinung waren, und gewiß ohne diesen
Beweis noch sind.
Endlich ist die Sache von so hoher Wichtigkeit, daß sie wohl gründlicher Beleuchtung
werth ist.
––––––––––
Der Zwek der Abhandlung des Hrn. Russell ist: die irrigen
Ansichten darzulegen, in denen die Erfinder der rotirenden Dampfmaschinen befangen
seyn sollen.
Als Beweggrund, der alle diese Erfindungsversuche veranlaßt, betrachtet Hr. Russell die (nach seiner Meinung, irrige) Ansicht, nach
welcher der Krummzapfen ein die Kraft nicht ohne Verlust übertragender mechanischer
Apparat ist, und beabsichtigt zu dem Ende zu beweisen: „daß die
gewöhnliche, mit Krummzapfen versehene Dampfmaschine nicht die Mängel habe,
welche ihr zugeschrieben werden, und ferner:
„Daß der Krummzapfen der gewöhnlichen Dampfmaschine gewisse bemerkenswerte
Eigenschaften besize, die der Natur der Materie, der Bewegung des Dampfes und
des menschlichen Geistes angemessen seyen.“
Ohne den rotirenden Maschinen das Wort reden zu wollen, will ich nur die zulezt
angeführten Behauptungen widerlegen und gegentheils beweisen, daß sich Hr. Russell geirrt habe, indem ich zeige:
I. Daß die gewöhnliche, mit Krummzapfen versehene Dampfmaschine die ihr zugeschriebenen Mängel
allerdings besize, und daß diese im Krummzapfen liegen, so wie, daß der Krummzapfen
nicht die von Hrn. Russell angeführten bemerkenswerthen
Eigenschaften besize, sich der Natur der Materie, der Bewegung des Dampfes und des
menschlichen Geistes anzupassen, sondern daß im Gegentheil diese den
Eigenthümlichkeiten des Krummzapfens sich haben anpassen müssen;
II. noch andere Mängel hervorhebe, die aus der Anwendung des Krummzapfens
hervorgehen, und
III. andeute, auf welche Weise eine bessere Benuzung der Dampfkraft, so wie überhaupt
eine gleichmäßigere Uebertragung der geradlinigen Bewegung in Kreisdrehung zu
erreichen sey.
Ad I. Ehe ich zu diesen Beweisen selbst gehe, kann ich
mich einer Vorbemerkung nicht erwehren.
Wenn Hr. Russell im Anfange seiner Abhandlung meint:
„Daß es einer radical falschen Auffassung der Natur dieser
Elementarmaschine zuzuschreiben sey, daß Legionen von Planen entstanden seyen,
um die Kreisbewegung ohne Anwendung des Krummzapfens hervorzubringen, und dann
zugibt, daß unter diesen Legionen die ausgezeichnetsten praktischen Männer und
die musterhaftesten Schriftsteller sich befinden“ –
so bin ich der Meinung, daß diese Legionen von praktischen
Männern durch praktische Erfahrung, und die musterhaften Schriftsteller durch eine
andere richtigere, wissenschaftliche Auffassung des
Gegenstandes zu der Ueberzeugung der Mangelhaftigkeit des Krummzapfens gekommen
seyen.
Die Bemerkungen, welche Hr. Russell seinem vermeintlichen
Beweise voranschikt, sind fast allemal auf Trugschlüsse
gebaut, und führen (Hrn. R. selbst schon oft) zu Widersprüchen, oder es sind auch
Ursachen und Wirkungen in
denselben mit einander verwechselt. Ich könnte dieß leicht durch Aufzählung und
Widerlegung aller einzelnen Säze beweisen, wenn ich nicht dadurch die Geduld der
Leser ohne Noth zu ermüden fürchtete, und wenn ich nicht glaubte, daß dieß schon
durch Widerlegung des einen Haupsazes und durch meinen
Beweis erhellen werde.
Hr. Russell benuzt zu seiner Beweisführung die Fig. 22 und
23,
welche die Cylinder nebst den Kreisen vorstellen sollen, in denen sich die
Krummzapfenwarzen bewegen.
In Fig. 22
denke man sich die Bewegung der Warze gleichförmig, daher den Kreis in gleiche
Theile getheilt; bei Fig. 23 die Bewegung des
Kolbens gleichförmig, daher die Achse des Cylinders in gleiche Theile getheilt.
Ferner zieht Hr. R. folgende Tabelle an:
Punktein der
Figur
Bogen, den
dieKrummzapfenwarze durchlaͤuft
Kraft in
der Richtungder
Umwaͤlzung
Relative
Schnelligkeit der Warze
imVerhaͤltniß zum Kolben.
0 und 20
0°
0,00
unendlich
1
– 19
18
30,90
3,236
2
– 18
36
58,78
1,711
3
– 17
54
80,90
1,236
4
– 16
72
95,11
1,051
5
– 15
90
100,00
1,000
6
– 14
108
95,11
1,051
7
– 13
126
80,90
1,236
8
– 12
144
58,78
1,701
9
– 11
162
30,90
3,236
10
– 10
180
63,138 mittlere
unendlich
Wenn Hr. R. in dieser Tabelle in den verschiedenen Standpunkten der Warze die wirkliche Kraft in der Richtung der Umwälzung mit der relativen Geschwindigkeit der Warze zum Kolben
multiplicirt, um dadurch zu beweisen, daß die Momente in den verschiedenen
Standpunkten der Warze gleich sind, so ist er im argen Irrthum; denn man wird nimmermehr durch Multiplication einer wirklichen
Kraft mit einer relativen Geschwindigkeit ein wirkliches Moment erhalten
können.Das Unrichtige und Unstatthafte einer solchen Multiplication ist nach
algebraischen Regeln sowohl, als nach denen der gesunden Vernunft
unbestreitbar. Wem es aber dennoch nicht gleich einleuchten sollte, dem will
ich zeigen, auf welchen Unsinn es führt. Wenn wir nämlich nach dieser Weise
zu rechnen die mittlere Kraft in der Umlaufsrichtung, die nach der Tabelle =
63,33 seyn wird, mit der Mittlern Geschwindigkeit, die nach der Tabelle =
unendlich seyn müßte, multipliciren wollten,
um ein mittleres Moment zu erhalten, so würden wir dieses = unendlich
finden. A. d. V. Um ein solches zu erhalten, wird man vielmehr die wirkliche Kraft mit der wirklichen
Geschwindigkeit multipliciren müssen – leztere ist aber in der Warze
des Krummzapfens zu allen Zeiten gleich, und im Kolben von der Mitte des Hubes nach
den Enden zu immer kleiner werdend, während die Kraft in der Warze zu- und
abnehmend, im Kolben aber gleich ist, so, daß die Momente im Kolben und in der Warze
in correspondirenden Punkten verglichen zwar gleich sind,
nicht aber die Momente in den verschiedenen Standpunkten der Warze unter sich,
und darin liegt der Irrthum des Hrn. Russell! Vielmehr werden diese von der
Mitte nach dem Ende zu immer kleiner, während die bezwekten Momente der bewegenden Kraft – ich bitte wohl zu beachten: die
bezwekten
Momente der bewegten Kraft, nicht die effectuirten des
Kolbens – zu allen Zeiten gleich sind.Ich schließe den Fall von Maschinen mit Expansion hier aus, weil diese
Einrichtung eine Folge der Mangelhaftigkeit des Krummzapfens war, indem man
erkannte, daß der zulezt eingeführte Dampf doch größten Theils für Bewegung
verloren gehen würde.
Wir sehen also, daß Hr. Russell während seiner Arbeit aus
den Augen verlor, worauf es eigentlich ankam; so seinen Zwek verfehlte und –
auf Abwege gerieth.
Er verglich nämlich die wirklich zur Ausführung kommenden
Momente in der Warze der Kurbel und im Kolben mit einander, wobei er auf
den allerdings richtigen, aber bekannten Saz kam, daß die Momente in der Warze in
jeder Stellung gleich seyen den correspondirenden im Kolben – nicht aber unter sich, denn in demselben Maaße, als die
Momente in der Warze, werden auch die effectuirten im
Kolben kleiner und größer, wegen der bezüglichen kleiner und größer werdenden effectuirten Geschwindigkeit des Kolbens, was Hr. Russell ganz unbeachtet gelassen zu haben scheint!
–
Es handelte sich aber darum: das wirklich zur Ausführung
kommende (das effectuirte) Moment in der Warze oder im Kolben mit dem bezwekten der bewegenden Kraft zu
vergleichen.
In eben denselben Fehler verfällt Hr. Professor Russell,
wenn er, im Verfolg seiner Abhandlung, das mittlere Moment der Warze während eines
halben Kreislaufes = 63,1 × 1,57 = 100 circa mit
dem mittleren effectuirten Moment im Kolben während
derselben Zeit = 100 × 1 = 100 vergleicht, und daraus einen Schluß auf
Kraftverlust ziehen will, den er doch erst hätte machen können, wenn er das effectuirte Moment in der Warze, und das bezwekte Moment der bewegenden Kraft mit einander
verglichen hätte. In dem zulezt Gesagten ist schon der Weg angedeutet, der uns
unfehlbar auf die Wahrheit bringen muß, und um diese selbst zu finden, d.h. um zu
erfahren, ob ein wirklicher Kraftverlust Statt findet bei Uebertragung der
Geradbewegung in kreisförmige durch die Kurbel, so dürfen wir nur die effectuirten Momente in den verschiedenen Stellungen der
Warze und des Kolbens gegenseitig und unter sich, und mit den gleichzeitigen bezwekten Momenten der bewegenden Kraft vergleichen und
die Resultate dieser Vergleichung dann in einer Tabelle zusammentragen.
Wir nehmen die schon früher angezogene Fig. 22 zu Hülfe, und
wollen, weil es mir den Gang des Beweises zu erleichtern scheint, unsere Betrachtungen
bei der (mittlern) Stellung des Kolbens beginnen, bei welcher er seine größte
Geschwindigkeit und die Warze ihre vortheilhafteste Stellung in Bezug auf
Kreisdrehung hat. Diese correspondirenden Punkte sind in der Fig. 22 mit 5 bezeichnet.
Der Kolben wird hier den Weg bis zu 6 in einem gewissen Zeittheile zurüklegen, und
wir wollen diese seine Geschwindigkeit = 1 sezen, während wir seine stets
gleichdrükende Kraft mit 100 bezeichnen. Sein effectuirtes Moment während dieses
Weges wird also = 100 × 1 = 100 seyn. Eben so wird das gleichzeitige Moment
(bei 5) in der Warze = 100 seyn, da angenommen wird, daß aus ihr in dieser Stellung
der volle Druk von 100 auf Kreisdrehung wirke (was wenigstens vorläufig als
annähernd richtig angenommen werden mag, bis weiter mehr darüber bemerkt wird) und
da ihre Geschwindigkeit dann auch = 1 ist. –
Betrachten wir nun den Kolben in der Stellung 6, in Bezug auf die bewegende Kraft und
auf sein effectuirtes Moment.
Die bewegende Kraft wird natürlich das Bestreben haben, den Kolben in dieser Stellung
während desselben Zeittheiles einen eben so großen Weg durchlaufen zu machen, als
den sie ihn im vorigen Zeittheile von 5 aus hat durchlaufen lassen. Die bezwekte Geschwindigkeit der bewegenden Kraft ist also in
diesem Zeittheile ebenfalls = 1, die Kraft = 100, also das bezwekte Moment = 100 × 1 = 100. Anders ist es mit dem, in Folge
seiner Verbindung mit dem Krummzapfen effectuirten Moment des Kolbens. Seine
wirkliche Geschwindigkeit ist nämlich in diesem Zeittheile nicht = 1, sondern nur 0,95, sein wirkliches Moment also = 100 ×
0,95 = 95; ganz dasselbe, was zu gleicher Zeit in der Warze Statt findet. In
derselben wird nämlich in diesem Zeittheile bei einer auf Kreisdrehung wirkenden
Kraft = 95 und der constanten Geschwindigkeit = 1 ein Moment von 95 effectuirt
werden. Das an 100 fehlende ist = Achsendruk, und also für die Bewegung verloren.
Ebenso finden wir in Punkt 7 das stets gleichbleibende bezwekte Moment der bewegenden Kraft = 100, während das wirkliche zur Ausführung kommende im Kolben bei einer
Geschwindigkeit von 0,80 und der Kraft von 100, gleich ist 100 × 0,80 = 80,
– ebenso wie in dem correspondirenden Punkte der Warze bei der
gleichbleibenden Geschwindigkeit von 1 und der Kraft nach Kreisdrehung = 80, das
effectuirte Moment nur 80 × 1 = 80 ist. –
Die Differenz von 100, mit 20 geht als Achsendruk für die Bewegung verloren, und
sofort in den übrigen Punkten.
Nach diesen Grundsäzen habe ich nun alle die bezwekten und
effectuirten Momente in den zehn, in Fig. 22 angenommenen
verschiedenen Stellungen der Warze und des Kolbens nebst ihren beziehlichen
bezwekten und effectuirten Geschwindigkeiten in der nachfolgenden Tabelle
zusammengestellt und verglichen.
Textabbildung Bd. 74, S. 35
Correspondirende Punkte in der
Warze und im Kolben; Von der Warze durchlaufener Bogen; Bezwektes Moment der
bewegenden Kraft; Effectuirtes Momment im Kolben; Effectuirtes Moment in der
Warze des Krummzapfens; Differenz zwischen dem bezwekten und dem effectuirten
Moment; Nummer; Grade; Druk; Bezwekte Geschwindigkeit; Effectuirte
Geschwindigkeit; Druk nach der Richtung der Kreisdrehung; = Verlust an Moment =
Achsendruk; Mittlere Größe aus 10 verschiedenen Punkten
Betrachten wir nun die vorstehende Tabelle näher und sehen, welche Folgerungen wir
daraus machen können, so finden wir, daß die effectuirten
Momente im Kolben einerseits und in der Warze des Krummzapfens andererseits
in den correspondirenden Punkten stets gleich sind, nicht aber die Momente in den
verschiedenen Stellungen unter sich; vielmehr sehen wir, daß dieselben von der Mitte
aus, nach den todten Punkten zu – in der Warze sowohl als im Kolben, und das
ist besonders zu beachten – immer kleiner werden, bis sie auf 0 reducirt
sind, was ganz mit der praktischen Erfahrung übereinstimmt. Ferner ergibt sich, daß
die mittleren effectuirten Momente im Kolben und im
Krummzapfen gleich sind (und das ist's wahrscheinlich, was Hrn. Prof. R. irregeführt
hat), nämlich = 63,1; daß aber das mittlere bezwekte
Moment der bewegenden Kraft = 100, und also die mittlere Differenz zwischen
dem bezwekten und dem effectuirten Moment, die uns den Verlust durch Achsendruk angibt, = 36,8
ist, welches leztere wir sowohl finden, wenn wir die einzelnen Differenzen addiren
und durch 10 dividiren, als auch, wenn wir das mittlere effectuirte Moment von dem
mittleren bezwekten abziehen. – Mittlerer Verlust = 36,8. Und darin liegt der
Saz!
Eben dasselbe finden wir, wenn wir die Momente während eines ganzen Kolbenhubes mit
einander vergleichen. Der Kolben durchläuft mit zu- und abnehmender
Geschwindigkeit bei stets gleich auf ihm lastendem Druk, den wir = 100 sezen wollen,
seinen Weg gleich dem Durchmesser des Krummzapfenkreises = 1, während die Warze mit
einem mittleren Druk auf Kreisdrehung von 63,1 – bei stets gleichbleibender
Geschwindigkeit die halbe Peripherie = 3,141/2 = 1,57 durchläuft, und die bewegende
Kraft wird bei einem constanten Druk von 100, und einer stets gleichbleibenden
bezwekten Geschwindigkeit den Kolben einen Weg gleich dem der halben Peripherie =
1,57 durchlaufen zu lassen das Bestreben haben, – wie das aus der Tabelle
noch deutlicher wird, wenn wir die bezwekten Geschwindigkeiten mit den effectuirten
der Warze des Krummzapfens vergleichen und finden, daß ihre Summen während eines
Kolbenhubes gleich sind.
Das effectuirte Moment im Kolben ist also = 100 × 1 = 100. Das effectuirte der
Warze = 63,1 × 1,57 = 100 (nahe genug). Das bezwekte Moment der bewegenden
Kraft aber = 100 × 1,57 = 157.
Die beiden ersteren sind also einander gleich, das leztere aber größer nach dem
Verhältnisse von 157 : 100 = 100 : 63,1, und die Differenz also zwischen dem
bezwekten und dem effectuirten Moment = 36,8, und das ist der
Verlust an Kraft bei Anwendung der Kurbel.
Ad II. In dem Vorstehenden habe ich die Mängel der
Kurbel nachgewiesen, deren Vorhandenseyn Hr. Russell in
seiner Abhandlung bestreiten wollte. Im Folgenden will ich noch andere
Unvollkommenheiten nachweisen, die aus der Anwendung des Krummzapfens hervorgehen
und deren Hr. R. gar nicht erwähnt, und zu dem Ende die Fig. 24 zu Hülfe
nehmen.
Hr. R. hat nämlich in seiner Abhandlung angenommen, daß die Wirkungen der Kraft auf
die Warze in den verschiedenen Standpunkten derselben parallel seyen, unter sich und
mit der Achse der ursprünglichen Bewegung, und hat dann diese parallelen Richtungen
zerfällt in die jedesmalige, auf Achsendruk und in die tangentiel auf Kreisdrehung
wirkende wie bei A in Fig. 24, wo die Pfeile
die parallelen Richtungen der Kraft andeuten.
So ist er zu den Zahlen in der Tabelle gekommen, und ich habe diese Annahme
einstweilen beibehalten, um der Erleichterung in der Uebersicht Willen.
In der Wirklichkeit nun stellt sich die Sache noch viel unvorteilhafter, denn wenn
wir in Fig.
24 die Grade a, b als die Achse der
Kolbenstange betrachten, also als die Richtung der ursprünglichen Bewegung, und die
Linien 1.1', 2.2', 3.3', 4.4', 5.5' etc. als die Richtungen der Treibstange in den
verschiedenen Stellungen, so sehen wir, daß diese Richtungen nicht parallel sind,
weder unter sich, noch mit der Achse der ursprünglichen Bewegung, ausgenommen in den beiden Punkten, wo dieselben gar nicht auf
Kreisbewegung zu wirken im Stande sind. Wir finden sogar, daß da, wo die
Richtung der Treibstange die vortheilhafteste in Bezug auf Kreisdrehung ist, sie
fast am meisten von der Parallelität mit der Achse der ursprünglichen Bewegung
abweicht. Wenn wir sonach die Richtung der ursprünglichen Kraft im Punkte 6 nach dem
Geseze der Zerlegung der Kräfte in die nach der Richtung der Treibstange, und in die
darauf normale zerlegen, so repräsentirt uns die Länge der Linie 6'6'' die
Intensität der in der Treibstange wirksamen Seitenkraft, die natürlich kleiner ist,
als die durch die Linie 6'6'' repräsentirte ursprüngliche (Mittel-) Kraft.
Die Differenz zwischen beiden wird nach den todten Punkten zu immer kleiner. Wir
sehen also, daß die volle ursprüngliche bewegende Kraft nicht auf die Warze wirkt,
und daß, als wir dieses im vorigen Abschnitte annahmen und die volle Kraft in
Seitenkräfte zerlegten, wir dort schon zu große Resultate erhielten, und daß sich
hier also von Neuem ein Verlust an Kraft herausstellt. Die Größe desselben ist von
der Länge der Treibstange abhängig; je kürzer dieselbe, desto größer der
Verlust.
Ich will mich auf weitere und genauere Berechnungen hierüber nicht einlassen, weil es außer
der Tendenz dieser Abhandlung liegt, und dieselbe über meine Absicht verlängern
würde, ich will nur anführen, daß dieser Verlust in schlimmen Fällen auch noch 5
Proc. der ursprünglichen Kraft betragen kann.
Ein anderer Uebelstand des Krummzapfens ganz praktischer Natur ist die nochwendig
starre Verbindung desselben mit der Kolbenstange des Dampfcylinders. Den großen
Nachtheil dieser Verbindung, besonders für Schiffsmaschinen und Locomotive, will ich
kurz andeuten. Wenn bei stürmischer See die Maschine abgestellt werden muß, so
stehen die Ruderräder mit der Welle natürlich fest, und die Schaufeln der ersteren
sind daher den Wellen Preis gegeben. Welche Folgen dieses hat, ist aus häufiger
Erfahrung leider bekannt genug, und wie vortheilhaft es daher wäre, wenn die Räder
mit der Welle außer Verbindung mit der Maschine gesezt werden, und dann sich frei
drehend den Bewegungen des Elements folgen könnten, ist leicht zu erkennen. Ebenso
bei Locomotiven wird jede Erschütterung, welche die Achse der Treibräder trifft, der
Maschine übertragen, und größten Theils diesem Umstande ist es zuzuschreiben, daß
Locomotive auf gewöhnlichen Straßen bis jezt noch nicht haben mit Erfolg angewendet
werden können.
Bei der Anwendung des Krummzapfens für Locomotive tritt einer der Hauptfehler
desselben, ungleichmäßige Uebertragung der Kraft, besonders nachtheilig hervor; denn
sobald die Neigung der Bahn in dem Maaße steigt, daß das Beharrungsvermögen der
Bewegung durch die zunehmend entgegengesezt wirkende Kraft der Schwere ausgeglichen
wird, so kann der Krummzapfen nicht mehr über die todten Punkte hinweg, denn nur
durch das überflüssige Beharrungsvermögen konnte er über dieselben hinweg geholfen
werden.
Wir sehen also, daß der Krummzapfen nicht die Vollkommenheiten besizt, die Hr. Russell demselben zuschreiben wollte, daß er im
Gegentheil ein die ursprünglich geradlinig wirkende Kraft nur mit großem Verlust
übertragender mechanischer Apparat ist, und daß er am wenigsten die ihm von Hrn. R.
zugemutheten bemerkenswerthen Eigenthümlichkeiten besizt, sich der Natur des Dampfes
und der Bewegung anzupassen. Vielmehr haben diese jener angepaßt werden müssen, wie
es zur Genüge bewiesen wird: durch die Einrichtung der Expansion, durch die
Anbringung zweier oder gar dreier, unter gewissen Winkeln gegen einander gestellten
Krummzapfen, oder des Schwungrades zur Ueberwindung der todten Punkte und zur
Ausgleichung der Bewegung, durch Anbringung der Geradeführungen und noch durch
manches Andere.
Ich kann nicht unterlassen, hier noch Versuche einzuschalten, welche aufs Schlagendste
beweisen, welche Verluste an Kraft die Kurbel bedingt, und wie sie das vorzüglichste
Bremsmittel ist, auch die größte Kraft auf Null zu reduciren.
Die Versuche wurden mit einer hydraulischen Presse angestellt, um zu sehen, welchen
Effect eine gleichmäßig und langsam wirkende Kraft, ohne Einfluß des
Beharrungsvermögens der bewegten Masse hervorbringen würde.
Der Kolben der Presse wirkte mittelst einer Treibstange auf einen Krummzapfen, wie
bei der Dampfmaschine. Die Einpumpungen geschahen gleichmäßig, so daß das Steigen
der Kolben ebenfalls gleichmäßig, während das der Warze im Kreise ziemlich nach der
in der Tabelle berechneten variabeln Geschwindigkeit Statt fand. Hiebei stellte sich
genau der in der Tabelle angegebene Kraftverlust heraus, mit wohlweislicher
Berüksichtigung der zurükgelegten Wege, so zwar, daß es überzeugend hätte seyn
müssen, und wenn alle Theorie dagegen gewesen wäre, was glüklicher Weise, wie vorhin
gezeigt, nicht der Fall ist.
Bei diesen Versuchen stellte sich noch ferner heraus, daß der eiserne 2', 5'' starke
Warzenzapfen mehreremale zerbrach, wenn derselbe noch in circa 20° von den obersten und untersten Punkten des Kreises
entfernt war, ein in die Augen fallender Beweis für den großen Achsendruk und die
geringe Kraft nach Kreisdrehung.
Ad III. Wenn wir nun im Vorstehenden die Mängel der
Kurbel nachgewiesen haben, so führt uns das von selbst auf den Weg, wie dieselben zu
umgehen sind. Und einen solchen will ich jezt schließlich andeuten, nachdem wir
zuvor noch gesehen haben, welcher Meinung einer der ersten englischen
Schriftsteller, Robert Brunton, über diesen Gegenstand
ist.
Derselbe sagt nämlich in seinem Compendium of Mechanics'
S. 125: (The first is, in
furnishing the means of giving to the moving force the most commodious
direction, and when it can be done, of causing its action to be applied
immediately to the body to be moved etc. etc.) „Der erste Zwek
(der Maschinen) ist, sich durch dieselben die Mittel zu verschaffen, um einer
bewegenden Kraft die vortheilhafteste Richtung zu geben, und, wo möglich die
Wirkung derselben unmittelbar auf den zu bewegenden Körper erfolgen zu
lassen,“ und auf S. 126: (The grand object in
all practical cases, is, to procure a uniform motion, beacuse it produces the
greatest effect. All irregularities of motion idicate the there is some point
resisting the motion, and to overcome which a part of the proppeling power is
wasted, and the greatest varying velocity is only equal to that velocity by
which the Machine would move, when its motion is uniform etc. etc.)
„Das vorzüglichste Bedingniß in allen praktischen
Maschinen-Anwendungen ist, eine gleichmäßige Bewegung hervorzubringen,
denn nur dadurch wird der größte Effect erzielt. Jede Unregelmäßigkeit im Gange
einer Maschine zeigt an, daß ein Hinderniß vorhanden ist, welches die Bewegung
aufhält, und wodurch ein Theil der Kraft ungenüzt verzehrt
wird, und die größte Geschwindigkeit, die eine solche Maschine dann zuweilen
annimmt, ist gleich der, die ohne das Hinderniß für immer zu erreichen
gewesen wäre. Die eintretenden Verzögerungen geben den Maaßstab für den
Verlust der Kraft, und keinerseits hat die Maschine der vollen
Kraftanwendung so genügt, wie es bei einer gleichförmigen Bewegung der Fall
gewesen seyn würde.“
Wir behaupten nun zum Schluß, und glauben, diese Behauptung durch all das Vorstehende
begründet zu haben:
daß eine gleichmäßig wirkende Kraft gleiche Widerstände und
möglichst direct treffen müsse, wenn solche am effectvollsten soll wirken
können. Und ein Apparat, welcher in dieser Weise die Dampfkraft zu
übertragen im Stande ist, wurde kürzlich ausgeführt und hier in England
patentirt.
Ich glaubte diese Erörterungen machen zu müssen, weil ein durch hundertfach gemachte
und alle Tage eben so vielfach zu machende Erfahrungen begründeter und bekannter
Saz, durch Hrn. R's Abhandlung angetastet wurde, in der zwar wohlgemeinten Absicht,
dem von allen Seiten rege gewordenen Bestreben nach Abhülfe und Verbesserung dieses
allgemein erkannten Uebelstandes Einhalt zu thun. – So wenig ich nun für die
Erfinder des Perpetuum mobile oder die der Quadratur des
Cirkels sprechen möchte, so wenig glaube ich doch auch, daß man einem Dinge das Wort
reden müsse, wenn gleich es durch Alter und Gewohnheit geheiligt zum Wesen der Sache
zu gehören scheint, und sich freilich nur schwer von dieser trennen läßt, sobald man
seine Mängel erkannt hat.
London, im Mai 1839.