Titel: | Golfier Besseyre, über die Theorie des Daguerre'schen Verfahrens zum Fixiren der Lichtbilder. |
Fundstelle: | Band 74, Jahrgang 1839, Nr. XLVII., S. 199 |
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XLVII.
Golfier Besseyre, uͤber die Theorie des
Daguerre'schen
Verfahrens zum Fixiren der Lichtbilder.
Aus dem National, 2. Okt. 1839.
Besseyre, uͤber die Theorie des
Daguerréotyps.
Wenn das Silberblech gehörig zubereitet ist, zeigt sich seine Oberfläche unter dem
Mikroskop ganz warzenförmig (körnig), aber sehr glänzend; beobachtet man sie,
nachdem sie mit einer hinreichenden Menge Joddampf überzogen wurde, so ist ihr Glanz
getrübt, ihr Aussehen seidenartig, und es entsteht darauf durch das Licht eine
Veränderung, und zwar um so schneller, je stärker dasselbe ist. Hr. Besseyre vermuthet, daß das Licht auf das Jodsilber
gerade so wie der Wärmestoff wirkt; durch lezteren wird bekanntlich das Chlorsilber
flüssig und verwandelt sich in eine hornartige Substanz; die Analogie zwischen dem
Jod- und Chlorsilber ist aber zu groß, als daß diese Veränderung nicht auch
für jenes sollte angenommen werden können. So ist z.B. vollkommen reines und ganz
frisch gefälltes Chlorsilber sehr weiß und flokig; in dem Maaße als es sich durch
die Einwirkung des Lichts färbt, wird es aber immer körniger; wenn man zur Bereitung
von Chlorsilber reine Salzsäure in concentrirtes salpetersaures Silber gießt, so
erhöht sich die Temperatur nur ganz wenig, und doch vereinigt sich schon ein großer
Theil des gebildeten Chlorids zu sehr harten, dem geschmolzenen Chlorsilber
ähnlichen Klumpen.
Hr. Besseyre glaubt also, daß bei Daguerre's Verfahren das Licht auf das Jodsilber keine andere Wirkung
ausübt, als daß es seinen Molekularzustand verändert und es in einen isomeren Körper verwandelt.
Der Queksilberdampf, welcher auf das so durch das Licht modificirte Jodsilber
gelangt, verdichtet sich darauf und bleibt auf ihm in Form kleiner sehr glänzender
Kügelchen zurük, während das Jodsilber, worauf das Licht nicht gewirkt hat, Jod an
den Queksilberdampf abgibt, wodurch also gelbes Jodqueksilber entsteht, welches sich
an den oberen Wänden des Kästchens, worin sich die Silberplatte befindet, absezt.
Das Jodsilber, es mag durch das Licht modificirt seyn oder nicht, wirkt also wie
eine Reservage, theils um das Queksilber zu empfangen und zurükzuhalten, theils um
seinen Dampf abzuwenden, welcher eigentlich darauf nur zurükbleiben darf, um die
Lichter des Bildes darzustellen.
Es ist wahrscheinlich, daß jedes Queksilberkügelchen auf einer kleinen Scheibe von
Jodqueksilber aufliegt, denn wäre es mit dem Silber in Berührung, so könnte es sich
darauf wegen der chemischen Verwandtschaft dieser zwei Metalle nicht erhalten.
Man begreift auch, daß die Neigung der Metallplatte unter einem Winkel von beiläufig
45° einerseits die Strömung des Queksilberdampfes und seine gleiche
Vertheilung über die ganze Oberfläche begünstigt; andererseits aber auch veranlaßt,
daß jedes Kügelchen auf einer schiefen Fläche, die mit den mikroskopischen Körnern
parallel ist, aufliegt, was dem Maximum seiner Wiederspiegelung offenbar am
günstigsten ist.
Aus dieser Theorie folgt, daß wenn die Operation zu bald unterbrochen wird, die
Bilder nicht kräftig ausfallen können und beim Abwaschen der Platte mit
unterschweflichsaurem Natron um so mehr Jobsilber aufzulösen ist. Wird die Operation
hingegen etwas zu lange fortgesezt, so fallen die Bilder zu weiß und nebelig aus,
weil zuviel Jod in Jodqueksilber verwandelt wurde und eine gewisse Menge Queksilberdampf auf den
Stellen, die der Zeichnung als Grund dienen sollten, verdichtet blieb.
Um diese Theorie zu bekräftigen, versuchte Hr. Besseyre
das Jodsilber durch Chlorsilber zu ersezen und erhielt auch wirklich einen schwachen
Erfolg, der ihm Hoffnung gibt, noch ein ganz gelungenes Resultat zu erzielen.
Er wollte sich auch überzeugen, ob die Elektricität eine wichtige Rolle bei diesem
bewunderungswürdigen Verfahren spielt, und bereitete also ein Blech von reinem
Silber zu, welches er um ein kleines Brettchen wikelte und mittelst kleiner,
ebenfalls aus reinem Silber bestehender Streifen darauf befestigte; damit erhielt er
eben so leicht schöne Resultate.
Um den Unterschied zwischen geglühtem und gehämmertem Silber auszumitteln, bereitete
Hr. Besseyre zwei Platten aus solchem zu, befestigte sie
beide auf demselben Brettchen und sezte sie gleichzeitig in einem Kästchen dem
Joddampf aus: das geglühte Blech nahm die erforderliche Menge Jod in 23 Minuten an,
das gehämmerte aber war nach einer Stunde und zehn Minuten noch weniger
gesättigt.
Unter die zahlreichen Agentien, welche die bei Daguerre's
Verfahren erzielbaren Resultate abändern können, gehört besonders der Schwefel; sehr
häufig enthält schon das Bimssteinpulver solchen; besonders zeigt sich aber seine
Wirkung, wenn man ein in Zersezung begriffenes unterschweflichsaures Natron zum
Abwaschen der Platte anwendet; wenn man nur Spuren davon auf der Platte zurükläßt,
so dienen diese, um den Bildern sehr angenehme Schattirungen zu verleihen, so daß
sie den Bildern in aqua tinta oder sepia ähnlich werden.Zwei ausgezeichnete deutsche Physiker, die HHrn. F. M. Schwerd und W. Eisenlohr haben am 4.
Okt. (in der Allgem. Ztg. von Augsburg) eine von ihnen gemachte Beobachtung
an den Daguerre'schen Lichtbildern mitgetheilt,
welche wir hier erwähnen müssen. Bei näherer Betrachtung mehrerer in dem
physikalischen Cabinet in Mannheim erhaltenen Daguerréo typischen Bilder ergab sich, daß sie folgende
Eigenschaften haben: wenn sie unter einem solchen Winkel betrachtet werden,
daß die Silberplatte das Bild eines dunkeln Gegenstandes reflectirt, so
erscheint das, was in der Natur dunkel ist, auch in dem Bilde dunkel, und
was hell ist, hell. Wenn aber die Silberplatte das Bild eines hellen
Gegenstandes reflectirt, so erscheint umgekehrt auf ihr dunkel, was in der
Natur hell ist, und hell, was dunkel ist. Dieselbe Eigenschaft haben aber
auch polirte Silberplatten, welche an einzelnen Stellen durch Amalgamation
trüb oder matt geworden sind, ferner die guillochirten Dosen, wenn sie
theils polirt, theils gravirt sind, und endlich ein Glasspiegel, auf welchen
man ein weißes Blättchen Papier geklebt hat. Darauf gründeten sie folgende
Erklärung dieser bewunderungswürdigen Erscheinung: an den Stellen der mit
einer Jodschichte überzogenen Silberplatte, welche von dem Lichte stärker
getroffen wurden, bildet sich durch die Queksilberdämpfe mehr Amalgam als an
den übrigen, vom Lichte weniger afficirten Stellen. Leztere bleiben
darum mehr polirt und zeigen deßhalb, wie der unbedekte Spiegel, die dunklen
Gegenstände dunkler, oder die hellen heller, als die matten Stellen es thun.
Das dunkle Bild eines Blizableiters auf hellem Himmel ist in dem Daguerréotyp ein schmaler Spiegelstreif
auf mattem Grunde, und jede guillochirte Metallfläche, welche polirte
Stellen hat, eine Art von Daguerréotyp. A.
d. R.