Titel: | Ueber das Fortbewegen oder Versezen der Häuser in Nordamerika. |
Fundstelle: | Band 74, Jahrgang 1839, Nr. LXXI., S. 345 |
Download: | XML |
LXXI.
Ueber das Fortbewegen oder Versezen der
Haͤuser in Nordamerika.
Mit Abbildungen auf Tab.
V.
Ueber das Fortbewegen der Haͤuser in
Nordamerika.
Wir haben bereits im polytechn. Journal Bd. LXXI.
S. 75 eine Beschreibung des hiebei befolgten Verfahrens geliefert, jedoch
ohne Abbildungen, wie sie englische Blätter aus Stevenson's
Civil Engineering of
North-America auszogen. Da nun die allgemeine
Bauzeitung eine vollständige Uebersezung des Stevenson'schen Berichts bringt, so glauben wir diesen wegen der Sonderbarkeit
und Merkwürdigkeit der Sache nachtragen zu müssen.
„Ich sah, erzählt Stevenson, dieses Verfahren
an dem steinernen Hause Nr. 130, Chatam-Street in New-York, in der
Anwendung, und die Sache interessirte mich so ungemein, daß ich, um den Erfolg
dieses gewagten Unternehmens abzuwarten, meine Abreise von New-York noch
um drei Tage verschob.
Das in Rede stehende Gebäude maß 50 Fuß in der Tiefe und 25 Fuß in der Breite der
Facade, und bestand aus vier Stokwerken, nämlich dem Erdgeschoße, zwei anderen
Geschoßen und einem Dachgeschoße, war auch zugleich mit mehreren großen
Schornsteinkasten versehen. Es wurde, um Plaz für eine neue Straßenlinie zu
gewinnen, um 14 1/2 Fuß gegen seinen ursprünglichen Stand zurükgeschoben, und ich
will nun die Art und Weise beschreiben, wie man diese interessante Aufgabe löste.
Fig. 5 ist
die Giebelseite und Fig. 6 die Façade des Gebäudes.
Zuerst muß an der Stelle, welche das Gebäude späterhin einnehmen soll, für alle Wände
(Mauern) ein neues Fundament errichtet werden. Hierauf wird um das Gebäude von Außen
her ein Graben gezogen, so daß dessen Fundamente frei liegen, dann die Fußböden im
Erdgeschoße so weit herausgenommen und die Füllerde so weit entfernt, daß die
Fundamente entblößt sind, wie solches in a der Zeichnung
zu sehen ist. Nachdem dieß nun geschehen, werden die Balken b mit einem Querschnitte von etwa 12 Zoll im Quadrate auf eine Distanz von
3 Fuß von Mittel zu Mittel senkrecht auf die Richtung, in welcher das Haus bewegt
werden soll, dergestalt durch zu diesem Zweke in den Giebelwänden angebrachte Löcher
wagerecht untergebracht, daß ihre Enden etwa um 3 Fuß an jeder Seite vor dem Gebäude
vorragen, wie dieß bei b, b,
Fig. 6,
ersichtlich ist. Eine Reihe kräftiger Schraubenwinden (englischer Wagenwinden), etwa
fünfzig an der Zahl, werden, wie c zeigt, unter die
vorspringenden Enden der Balken b gebracht, indem man
dieselben auf durchgehende solide Lager von Holz, in besonderen Fällen sogar von
Stein, aufstellt und sie mit der größten Sorgfalt gegen das Wanken oder gar
Umschlagen sichert.
Sobald die Operation bis Hieher gediehen ist, werden durch Anziehen der
Schraubenwinden die oberen Seiten der horizontalen Balken b mit den Giebelwänden in Berührung gebracht, und nachdem man behutsam die
Theile der Fundamente zwischen jenen Balken entfernt hat, ruht die ganze Last des
Gebäudes nur auf den genannten Balken, welche wiederum nur durch die Schraubenwinden
c unterstüzt sind. Nun werden zwei starke Balken
(d und e in den
Zeichnungen), einer auf dem andern ruhend, unter jeden Giebel, nachdem man zuvor ein
Stük von dem alten Fundamente desselben unter den Balken b abgebrochen hat, und rechtwinklich auf leztern dergestalt untergebracht,
daß der untere Balken e sein Auflager auf dem alten, zu
diesem Zweke abgeglichenen Fundamente erhält. Der obere Balken d aber wird mittelst Nägeln und Klammern fest mit dem
Balken b verbunden. Auf diese Art Hilden die Heiden
Unterbalken
e die Bahn, auf welcher die Oberbalken d fortzugleiten bestimmt sind. Die Bahn wird dann
mittelst neuer, genau eingewogener Balken bis an den künftigen Standort des Gebäudes
fortgesezt. Haben die Balken d und e ihre vollkommen richtige Lage, so werden die Schrauben
wieder nachgelassen, und jeder Giebel ruht dann auf den Balken d und e, und mittelst dieser
auf seinem alten Fundamente.
Jezt werden durch die beiden Frontwände correspondirende Löcher in dem Niveau der
Oberkante der Balken b in der Art gemacht, daß man
dadurch die Balken f, von Mittel zu Mittel 3 Fuß von
einander entfernt, unterbringen kann. Diese Balken ruhen dann mit ihren sowohl an
der vorderen als an der Hinteren Frontwand um 3 Fuß vorspringenden Enden auf dem
Querbalken g, g
Fig. 5, welche
wieder an ihren Enden ihr Auflager auf den Balken d
unter den Giebeln finden. Nachdem hierauf die Stüke der Fundamentmauer unmittelbar
unter den Balken f ausgebrochen worden sind, ruht das
ganze Gebäude mit seinem vollen Gewichte zu jeder Seite auf den beiden Balken d und e, mittelst welcher
die Fortbewegung Statt finden soll.
Jezt wird auf jeden der Balken e eine sehr starke
Schraubenwinde h in der Art in waagerechter Lage
angebracht, daß sie, wie aus Fig. 5 zu ersehen ist, in
der Richtung der vorzunehmenden Bewegung gegen den Balken d wirken kann, welcher, sobald die beiden sehr gut befestigten Winden in
Bewegung gesezt werden, sich langsam auf dem Unterbalken fortschieben und so das
ganze Haus mit sich nehmen wird. Beide Balken sind zu diesem Zweke gut mit grüner
Seife bestrichen, und indem der obere Balken eine Nuthe, der untere aber eine Feder
hat, ist die Genauigkeit der Bewegung in der bestimmten Richtung hinreichend
gesichert.
Die Länge der Windestangen in h beträgt 2 Fuß, so daß,
wenn die Bewegung so weit fortgesezt ist, die Schrauben gelöst und die Winden selbst
verlegt werden müssen, worauf man die Balken d wieder
andere 2 Fuß weit fortbewegen kann. Auf diese Art kann man durch Anbringung neuer
Unterbalken h das Gebäude auf jede beliebige Entfernung
fortschieben.
Sobald das Haus genau über seinen neuen Fundamenten steht, so werden die Räume
zwischen den Balken f und den Fundamenten der beiden
Frontwände ausgemauert, und Schraubenwinden rings um das Gebäude unter alle
vorragenden Balkenköpfe in der Art untergebracht, daß sie auf sicheren Lagern stehen
und vor dem Wanken oder Umschlagen gesichert sind. Indem diese Schraubenwinden
sämmtlich in Angriff gesezt sind, werden die Balken d, e
und g entlastet, und können behutsam entfernt werden, worauf
man den Raum zwischen den Fundamenten und den horizontalen Balken b und zwischen leztern ausmauern kann. Hierauf werden je
zwei und zwei correspondirende Schraubenwinden nachgelassen und der auf ihnen
ruhende Balken b ausgezogen, worauf man das Loch für
denselben sorgfältig vermauert, ehe man zwei neue Winden freimacht. Auf dieselbe Art
geht man mit dem Balken f zu Werke, und das Haus steht
dann ganz auf seinen neuen Fundamenten.
Die eben beschriebene Operation scheint sehr einfach zu seyn, doch ist sie mit
mancher Gefahr verbunden, und man muß höchst sorgfältig dabei zu Werke gehen, um
unangenehmen Zufälligkeiten vorzubeugen. Hauptsächlich hängt der glükliche Erfolg
von der Festigkeit der Lager für die Schraubenwinden und von der genauen
horizontalen Lage der Unterbalken e ab. Ferner kommt es
sehr darauf an, daß sämmtliche Windestangen gleichmäßig wirken, was bei einer Anzahl
von fünfzig und mehreren nicht ganz leicht zu bewerkstelligen ist. Auch das
Durchtreiben der Löcher für die Balken b und f durch die verschiedenen Wände und das Entfernen der
Mauertheile zwischen den untergebrachten Balken hat seine Schwierigkeiten, und man
muß, während das Haus in Bewegung ist, jene nur 2 Fuß langen Zwischenräume auf dem
Balken d entweder mit Holz oder mit leichtem Mauerwerke
wieder unterfangen. Die Schraubenwinden h müssen
ebenfalls sehr gleichmäßig wirken, weil die geringste Verschiedenheit in ihrer
Bewegung augenbliklich Risse in den Wänden des Hauses nach sich ziehen würde.
Ungeachtet der hier angeführten Schwierigkeiten finden dennoch in New-York die
Bewohner eines solchen zu versezenden Hauses auch nicht den geringsten Grund zu
Besorgnissen, und in den meisten Fällen halten sie es nicht einmal für nothwendig,
ihre Mobilien und Geräthe auszuräumen. Der untere Theil des in Rede stehenden Hauses
warb von dem Laden eines Bildhauers und Vergolders eingenommen, und als Brown, unter dessen specieller Leitung die Fortbewegung
des Hauses Statt fand, den Referenten in den oberen Stok führte, um ihn zu
überzeugen, daß weder in den Wänden noch Deken des Zimmers sich Spalten oder Risse
zeigten, fand lezterer zu seiner größten Ueberraschung eines jener Zimmer mit
vergoldeten Bilderrahmen und Spiegelgläsern angefüllt, welche zu entfernen man nicht
für nöthig erachtet hatte. Der Werth jener Spiegelgläser belief sich allein auf
circa 1600 Thlr., und so groß war das Vertrauen des Hauseigenthümers auf die
Sicherheit und Gefahrlosigkeit jener Operation, daß er selbst diese zerbrechliche
Waare nicht aus dem Hause brachte.
Die ganzen Arbeiten bei Versezung dieses Hauses dauerten fünf Wochen, doch fand die
eigentliche Fortbewegung um 14 1/2 Fuß in 7 Stunden Statt. Die contractmäßig dafür
zu zahlende Summe betrug 1100 Thlr. Brown und sein Vater
waren die ersten, welche dergleichen Unternehmungen wagten, und haben in einem
Zeitraume von 14 Jahren mehr als hundert Häuser auf diese Art versezt, ohne daß ein
einziger Unfall dabei Statt gefunden hätte, obgleich mehrere derselben ganz von
Mauersteinen erbaut waren.