Titel: | Ueber den Widerstand, den der Dampf bei seiner Bewegung und Vertheilung in den Locomotiven erfährt. Auszug aus einer Abhandlung der HHrn. E. Flachat und J. Petiel. |
Fundstelle: | Band 75, Jahrgang 1840, Nr. XXXIII., S. 161 |
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XXXIII.
Ueber den Widerstand, den der Dampf bei seiner
Bewegung und Vertheilung in den Locomotiven erfaͤhrt. Auszug aus einer Abhandlung
der HHrn. E. Flachat
und J.
Petiel.
Aus den Comptes rendus de l'Académie des sciences,
2e semestre No. 22, 1839.
Flachat und Petiel, uͤber den Widerstand des Dampfes in den
Locomotiven.
Die Berechnungen, welche die Verfasser über den in der Ueberschrift angegebenen
Gegenstand aufstellten, betreffen zuvorderst das Vorauseilen des Schiebventiles,
d.h. das lineäre Maaß, um welches die Muschel, welche abwechselnd die mit den
Cylindern communicirenden Vertheilungs- und Austritts-Mündungen des
Dampfes bedekt, den Bewegungen des Kolbens vorangehen muß.
An den stehenden Maschinen sucht man mit der äußersten Genauigkeit zu erlangen, daß
der Dampf in dem Augenblike über dem Kolben eintritt, wo dieser seinen Hub beginnt,
und daß er dagegen in dem Augenblike austritt, wo der Kolben seinen Hub
beendigt.
Aus den vorgelegten Berechnungen ergibt sich, daß für die Locomotiven eine 25 bis 30
Proc. betragende Ersparniß an Brennmaterial und ein bedeutender Gewinn an Kraft
erwachsen müßte, wenn folgenden Bedingungen an ihnen entsprochen würde:
1) wenn die Mündungen, bei denen der Dampf austritt, frei würden, nachdem der Kolben
erst 0,95 seines Hubes zurükgelegt hat, damit auf solche Weise der Widerstand, den
der Dampf dem Kolben entgegensezt, wenn dieser das Ende seines Laufes erreicht,
beseitigt würde: ein Widerstand, der bei einer Geschwindigkeit von 9 Lieues und mit
einer Dampfentwikelung von 120 Kilogr. in der Zeitstunde und per Quadratmeter Heizoberfläche sich durch 0,18 des Kolbenhubes
verbreitet.
2) wenn man das Schiebventil mittelst eines Ueberschlages so verlängern würde, daß
nur während 0,85 des Kolbenhubes Dampf in den Cylinder einträte.
Die angedeuteten Vortheile würden hervorgehen aus der durch die Absperrung bedingten
Ersparniß an Dampf, und aus der Verminderung des Widerstandes, welche aus dem
früheren Entweichen des Dampfes folgt, in Verbindung mit der Benüzung des Dampfes in
dem Augenblike, wo er den stärksten Druk ausübt.
An diese Berechnungen reihen die Verfasser Betrachtungen über den Widerstand, den die
Röhre, welche den Dampf, nachdem er in den Cylindern seine Wirkung vollbracht hat,
in den Rauchfang leitet, gegen den Kolben hervorbringt. Dieses Rohr ist bekanntlich
an seiner Mündung verengt, damit der Dampf an ihr einen großen Theil feines Drukes
und mithin eine Geschwindigkeit beibehalte, die er dann in einem gewissen Grade der
in dem Rauchfange befindlichen Luft mittheilt. Diese Luft wird alsogleich durch neue
Luftmengen, welche in Folge dieser Aufsaugung durch das Brennmaterial und die
Rauchröhren nachdringen, ersezt. Diese Methode den Zug zu befördern, welche
lediglich an den Locomotiven benüzt wird, muß auf den Feuerstellen der Locomotiven
im Verhältnisse der Rostoberflächen eine achtmal raschere Verbrennung erzeugen, als
sie auf den Feuerstellen der fixen Maschinen Statt findet.
Die Verfasser beschäftigten sich ferner mit dem Widerstände, den der Druk im
Auslaßrohre erzeugt. Ihre Versuche und Berechnungen haben in dieser Beziehung
dargethan, daß man es hauptsächlich der Kraft dieses Widerstandes zuschreiben müßte,
daß die Versuche, welche in der Absicht die Geschwindigkeit der Maschinen zu
steigern angestellt wurden, bisher fruchtlos blieben, obwohl man in dieser Absicht
die Heizoberflächen, d.h. die Verdampfungskräfte bedeutend steigerte.
Die Verfasser geben die Kraftmengen, welche durch den Durchgang der zur Unterhaltung
der Verbrennung nöthigen Luft durch den Rost und die Feuerzüge verzehrt werden, an.
Die Geschwindigkeit der Luft beträgt an einigen dieser Maschinen 90 Met. per Secunde, und ist also jener analog, mit der die Luft
an den Hohöfen durch die Gebläse bei den Formen eingetrieben wird. Die Formen haben
aber höchstens 0,08 Meter Durchmesser, während der Durchmesser der Rauchfänge der
Locomotiven 0,40 Meter mißt. Um die Kraft dieser Widerstände zu brechen, und um die
Dampferzeugung mit der Arbeit, die man von den Maschinen erheischt, in Verhältniß zu
bringen, muß durch neue und wiederholte Versuche herausgestellt werden, welche
Dimensionen die besten sind. Man hätte sich hiebei einer Auslaßröhre zu bedienen,
deren Mündung nach Belieben des Maschinisten verändert werden könnte.
Die Versuche der Verfasser wurden sämmtlich an den 50 Locomotiven der Compagnie der
Eisenbahn zwischen St. Germain und Versailles angestellt.