Titel: | Ueber die chemische Zusammensezung des Zukerrohres. Von Hrn. Peligot. |
Fundstelle: | Band 75, Jahrgang 1840, Nr. XLIV., S. 227 |
Download: | XML |
XLIV.
Ueber die chemische Zusammensezung des
Zukerrohres. Von Hrn. Peligot.
Auszug aus einem vor der Akademie der
Wissenschaften in Paris am 9. Sept. 1839 gehaltenem
Vortrage; aus dem Echo du
monde savant, No. 474.
Peligot, uͤber die chemische Zusammensezung des
Zukerrohres.
Da der Zukerrohrsaft (vésou), den sich Vauquelin im Jahre 1822 zum Behufe anzustellender
Versuche aus Martinique verschrieb, auf der Ueberfahrt zu große Veränderungen
erlitten hatte, als daß sich aus den mit ihm vorgenommenen Untersuchungen Resultate
von praktischem Werthe oder Verbesserungen in der weiteren Behandlung dieses Saftes
hätten ergeben können, so entschloß sich Hr. Peligot, diesen wichtigen Gegenstand neuerdings
aufzunehmen. Er ließ zu diesem Zweke eine Quantität frischen klaren Saftes kommen,
und ihn hiebei nach dem Appert'schen Verfahren so viel
als möglich gegen Veränderungen schüzen. Wirklich kam er auch nach dem Ausspruche
erfahrener Colonisten in Frankreich in einem Zustande an, in welchem er alle die
Eigenschaften des gewöhnlichen Zukerrohrsaftes (vésou) darbot.
Der Saft bildete in diesem Zustande eine trübe Flüssigkeit von mittlerer Dünne, in
welcher jene graulichen Kügelchen schwebten, die in den ausgepreßten Säften beinahe
aller Vegetabilien enthalten sind, und welche, wenn sie zugleich mit Zukerstoff
vorhanden sind, bekanntlich zu einem Gährungsstoffe werden, der den Zuker in die von
Vauquelin angedeutete klebrige Substanz zu verwandeln
vermag. In dem Safte, welcher auf 100° C. erhizt und dann alsogleich in gut
schließende Gefäße
gebracht worden, wurde jedoch dieser Stoff so verändert, daß er die Eigenschaft
eines Gährungsstoffes gänzlich verlor.
Das spec. Gewicht dieses Saftes betrug, jenes des Wassers zu 100 angenommen, 108, 8,
was 12 bis 13 Graden des Baumé'schen Aräometers entspricht. Er besaß den dem
Zukerrohre eigenen balsamischen Geruch, den man auch an dem Rohzuker der Colonien
bemerkt. Durch ungeleimtes Papier floß er klar und mit einer sehr hellen
citronengelben Färbung, wo er sich dann an der Luft sehr lang erhielt, ohne eine
Veränderung zu erleiden. Nach dem Filtriren bei gelinder Wärme eingedampft gab er
einen Syrup, welcher an trokner Luft nach Ablauf von einigen Tagen eine harte,
spröde, farblose Masse gab, die aus beinahe reinem krystallisirtem Zuker
bestand.
Zu demselben Zweke kann man auf noch sicherere Weise gelangen, wenn man die
Flüssigkeit bei der gewöhnlichen Temperatur unter dem Recipienten einer Luftpumpe
eindikt; nur liefert der Syrup, was sehr merkwürdig ist, in diesem Falle, wenn er
auch noch so dik ist, selbst nach Verlauf einer ziemlich langen Zeit keine
krystallisirte Substanz mehr. Um diesen Syrup zum Krystallisiren zu bringen, scheint
der Zusaz einer geringen Quantität Alkohol erforderlich; denn mit diesem erfolgt die
Krystallisation in wenigen Stunden vollkommen. Diese Wirkung des Alkohols muß dem
dadurch erzeugten Gerinnen des Eiweißstoffes, der übrigens nur in sehr geringer
Menge in dem Zukerrohrsafte enthalten ist, zugeschrieben werden. Die übrigen, außer
dem Zuker in dem Safte aufzufindenden Bestandtheile sind: etwas schwefelsaurer Kalk,
schwefelsaures Kali, alkalische Chlorverbindungen und einige andere mineralische
Salze, die man beinahe in jedem Pflanzensafte trifft, die aber kaum 213
Tausendtheile des Saftes betragen. Der Zukerstoff dagegen bildet zwei Zehntheile
desselben, und der vegetabilische Eiweißstoff zwei Tausendtheile.
Der Zukerrohrsaft kann demnach als eine beinahe reine Auflösung des Zukers in seinem
vierfachen Gewichte Wassers betrachtet werden. Es ist dieß ein Resultat von hohem
Belange; denn ohne wie früher die Präexistenz der Melasse oder des
unkrystallisirbaren Zukers in dem Zukerrohrsafte annehmen zu wollen, konnte man doch
immer die Meinung hegen, daß er gleich dem Runkelrübensafte einige jener Stoffe
enthalte, durch deren Gegenwart die Krystallisation des gesammten, in diesen
Pflanzen verborgenen Zukers verhindert wird.
Bekanntlich erhält man bei der Behandlung des Zukerrohrsaftes immer eine Quantität
Melasse, welche ein Viertheil und selbst bis zu einem Drittheile des gewonnenen
Rohzukers beträgt. Ohne sich den großen Unterschied, der zwischen den im Großen und den
bei kleinen Laboratoriums Versuchen zu erlangenden Resultaten stets bestehen wird,
auch nur im Geringsten verhehlen zu wollen, muß die Erzeugung einer so ungeheuren
Menge Melasse doch bedeutend abnehmen, wo nicht ganz aufhören, wenn man einmal mit
besseren Heizapparaten arbeiten wird. Denn es unterliegt kaum einem Zweifel, daß,
wenn der in Arbeit genommene Zukerrohrsaft nicht eine beginnende Gährung erlitten
hat, die Wärme, die beinahe einzige Ursache der Veränderungen, welche der Zuker
erleidet, seyn kann.
Eine der Hauptklippen der Zukerfabrication in den Colonien scheint in der Gährung zu
suchen, in welche der Saft so rasch geräth, wenn er auch nur einige Zeit mit der
Luft in Berührung steht. Aus den von Hrn. Péligot angestellten Versuchen scheint hervorzugehen, daß
jeder auf diesem Grunde beruhenden Veränderung vorgebeugt werden könnte, wenn man
den Saft rasch bis auf 100° C. erhizen würde.
Die Anwendung des Kaltes zum Klären des Saftes kann übrigens nicht als nachtheilig
betrachtet werden, besonders wenn der Saft nicht gegohren hat. Als nämlich der Saft,
den Hr. Péligot
bekommen hatte, der gewöhnlichen Läuterung unterworfen ward, gab er gleichfalls
beinahe allen in ihm enthaltenen Zuker in festem Zustände, und ohne daß auch nur die
geringste Menge Melasse erzeugt worden wäre; nur fiel der Zuker um etwas weniges
bräuner aus als jener, den man bei der einfachen Eindikung derselben Flüssigkeit
erhielt.
Zugleich mit dem Safte erhielt Hr. Péligot auch Zukerrohrstüke, die zur Zeit ihrer Reife
abgeschnitten und von Hrn. Apotheker Paraub in Martinique bei 60° C. in einem Ofen getroknet
worden waren. 24 Kilogr. frisches Rohr gaben hiebei 7 1/2 Kilogr. trokenes. Die
Troknung war jedoch keine vollständige; denn die in einer Troknenkammer einer
Temperatur von 100° ausgesezten Stüke verloren noch 9 bis 10 Proc. Wasser.
Das frische Zukerrohr würde hienach in 100 Theilen 28 feste Bestandteile und 72
Theile Wasser enthalten.
Behandelt man das gut getroknete Zukerrohr mit heißem oder kaltem Wasser, so läßt
sich der Zukerstoff von der unauflöslichen Holzfaser scheiden. 100 Theile
getroknetes Zukerrohr geben hiebei 35, 3 Proc. Holzfaser und 64, 7 in Wasser
auflösliche Substanzen, welche Obigem gemäß beinahe einzig und allein aus
krystallisirbarem Zuker bestehen. Die Ausziehung des auflöslichen Theiles aus dem
getrokneten Zukerrohre ist übrigens nicht ohne Schwierigkeiten; denn bei der großen
Menge Holzfaser und der faserigen, in einander verwebten Textur derselben reicht ein
einfaches Auswaschen mit Wasser nicht aus. Das Wasser durchdringt zwar allerdings
das schwammige Gewebe des Zukerrohrs, kann aber nur durch sehr kräftige mechanische
Mittel wieder daraus verdrängt werden. Außerdem scheint der in dem getrokneten
Zukerrohre enthaltene Zuker durch das Troknen selbst eine Veränderung erlitten zu
haben, indem er viel schwerer krystallisirt, als der in dem Saft enthaltene. Wenn
daher Jemand den Vorschlag auszuführen versuchen wollte, nach welchem man das
getroknete Zukerrohr nach Frankreich schaffen soll, um es daselbst auf Zuker und
Holz zugleich zu benuzen, so würde er sich wohl gar bald durch seinen Ruin von
dessen Unthunlichkeit überzeugen.
Man kann nach obigen Daten das Zukerrohr als aus 72, 1 Wasser, 18, 0 Zuker und 9, 9
Holzfaser zusammengesezt betrachten. Es enthält demnach theoretisch 90 Proc.
Zukersaft; allein es ist so schwer zu zerquetschen, und sein Gefüge ist so
schwammig, daß man auf Martinique im Durchschnitte kaum mehr als 50 Proc. Saft aus
demselben gewinnt. Offenbar läßt sich aber durch Anwendung besserer Maschinen und
durch Auswaschen der Trestern ein weit höherer Ertrag erzielen.