Titel: | Ueber den Einfluß der Gefälle auf die Eisenbahnen. Von Hrn. de Pambour. |
Fundstelle: | Band 75, Jahrgang 1840, Nr. LIX., S. 330 |
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LIX.
Ueber den Einfluß der Gefaͤlle auf die
Eisenbahnen. Von Hrn. de
Pambour.
Aus den Comptes rendus de l'Académie des sciences.
2e semestre, 1839. No. 25.
de Pambour, uͤber den Einfluß der Gefaͤlle auf die
Eisenbahnen.
Da man in Frankreich über die mit den stärkeren Gefällen oder Rampen der Eisenbahnen
verbundenen Nachtheile und Gefahren so sehr in vorgefaßten Meinungen befangen ist,
daß man sich alle Mühe gab, sie so viel als möglich in Gränzen, welche man
Normalrampen (pentes normale) nannte, einzuschränken; da
man stärkere Gefälle für die Sicherheit der Reisenden gefährlich hielt; und da
hieraus eine solche Steigerung der Baukosten erwuchs, daß man von einigen derselben
lieber gänzlich abstand, so glaubte ich auch diese Frage nach den Principien erwägen
zu müssen, welche ich in meiner Theorie der Dampfmaschine in Bezug auf die Bewegung
der Locomotiven aufstellte. Auch hielt ich es für zwekmäßig, die Resultate, zu denen
ich hiebei gelangte, der Oeffentlichkeit zu übergeben.
Ich werde zu ermitteln suchen, in welcher Ausdehnung die durch die Rampen bedingten
Nachtheile wirklich bestehen; ob es Rampen oder Gefälle gibt, die man als normale betrachten kann; und endlich innerhalb welcher
Gränzen die Rampen beim Hinabrollen der Wagenzüge wirkliche Gefahren mit sich
bringen. Ich werde zuerst berechnen, welche Geschwindigkeit ein Wagenzug von
bekannter Schwere, wenn er von einer bestimmten Maschine gezogen wird, beim
Hinansteigen oder Hinabrollen über eine Rampe von bestimmtem Gefälle erlangt. Ich
werde hierauf diese Resultate benüzen, um zur Kenntniß der Ladung und der
Geschwindigkeit, welche die Maschinen beim Durchlaufen einer Reihe bekannter Rampen
und Gegenrampen erreichen, zu gelangen; und endlich werde ich ausfindig machen, bei
welchen Rampen das Hinabrollen der Wagenzüge wirkliche Gefahren darbietet.
Zur Anwendung der Formel, die ich für die Ermittelung der Geschwindigkeit der
Locomotiven für den Fall, daß ein Wagenzug auf einer Rampe in Bewegung gesezt wird,
angab, genügt es zu erwägen, daß die Zugkraft, welche die Maschine sodann auszuüben
hat, aus der Reibung der Wagen besteht, welche je nach der Richtung, in der die
Bewegung Statt findet, mit der Schwerkraft der Gesammtmasse des Wagenzuges, das Gewicht der
Maschine mit inbegriffen, vermehrt oder getheilt werden muß. Bedient man sich nun
dieser Formel mit der in meinen lezten Mittheilungen angegebenen Bestimmung der
Constanten, und nimmt man z.B. eine Bruttoladung von 50 Tonnen (mit Einschluß der
Wagen) an, und nimmt man an, daß diese Last mit einer Geschwindigkeit von 20 engl.
Meil. in der Zeitstunde von einer Maschine gezogen wird, welche 57 Kubikfuß
Verdampfung, einen Cylinder von 11 Zollen Durchmesser, einen Kolbenhub von 16
Zollen, Räder von 5 Fuß Durchmesser, eine Reibung von 103 Pfunden, und 8 Ton.
Gewicht hat, so wird man für die in folgender Zusammenstellung enthaltenen Gefälle
nachstehende Geschwindigkeiten erhalten:
Textabbildung Bd. 75, S. 330
Richtung der Bewegung.
Geschwindigkeit der Maschine in engl. Meilen wenn das Gefäll beträgt; Beim
Hinanfahren; Beim Hinabfahren
Auf diese Weise läßt sich denn mit Leichtigkeit ermitteln, welche Geschwindigkeit die
Maschine mit ihrer Ladung an jedem der an einer Bahn Vorhandenen Gefälle erlangt,
und mithin auch die zum Durchlaufen derselben erforderliche Zeit. Wenn jedoch die
Bahn aus einer Reihe von verschiedenen Gefällen und Gegengefällen besteht, so muß
man die gesammte Durchlaufszeit und die mittlere Geschwindigkeit während der ganzen
Durchlaufszeit aufsuchen. Erstere ist nichts weiter als die Summe der einzelnen nach
der angegebenen Berechnung gefundenen Durchlaufszeiten; und aus ihr die mittlere
Geschwindigkeit abzuleiten, braucht man nur die ganze Länge der zu durchlaufenden
Linie durch die gesammte Durchlaufszeit zu theilen, wo dann der Quotient sicher die
gesuchte mittlere Geschwindigkeit gibt.
Um die Nachtheile, welche mit einer zwischen zwei gegebenen Punkten befindlichen
Reihe von Rampen und Gegenrampen verbunden seyn würden, durch Vergleichung der auf
solchen erlangten Nuzeffecte mit jenen, die sich auf einer Bahn ergeben würden,
welche zwischen den beiden Punkten horizontal liefe, zu erfahren, berechnete ich auf
die angegebene Weise die Durchlaufszeit und die mittlere Geschwindigkeit eines
Wagenzuges von 50 Tonnen beim Hinansteigen und Hinabfahren über verschiedene Rampen
und Gegenrampen. Die Resultate, die sich mir hiebei ergaben, sind in folgender Tabelle enthalten:
Durchlaufszeit für 20 engl. Meilen und mittlere
Geschwindigkeit einer Maschine von 57 Kubikfuß Verdampfung bei einer Reihe von
gleichen Rampen und Gegenrampen.
Textabbildung Bd. 75, S. 331
Bezeichnung der zu durchlaufenden
Bahnlinie; 10 engl. Meilen im Niveau und 10 engl. Meilen im Niveau; 10 engl.
Meil. steigend und 10 engl. M. fallend mit 1/600; 10 engl. Meil. steigend und 10
engl. M. fallend mit 1/450; 10 engl. Meil. steigend und 10 engl. M. fallend mit
1/150; Durchlaufszeit für 20 engl. Meil. in Minuten; Mittlere Geschwindigkeit
während der Durchlaufszeit in engl. Meil. per Zeitstunde
Außerdem kann man noch aufsuchen, wie groß die mittlere Last der Maschine während der
ganzen Durchlaufszeit seyn wird. Wenn man zu diesem Behufe die effectiven Lasten der
Maschine auf jeder Rampe sucht, und die Zeit in Anschlag bringt, welche die Maschine
zum Ziehen jeder dieser Lasten aufwenden muß, so gelangt man leicht zur Kenntniß der
mittleren Last während der Durchlaufszeit.
Sucht man nun die effectiven oder auf das horizontale Niveau reducirten Lasten,
welche auf verschiedenen gegebenen Rampen dem Laufe einer Maschine von 8 Tonnen
Schwere entsprechen, die einen Wagenzug von 50 Brutto-Tonnen, das Gewicht der
Wagen mit eingerechnet, zieht, so ergeben sich zuvörderst folgende Resultate:
Effective Lasten einer Maschine von 8 Ton. Schwere, wenn
dieselbe auf verschiedenen gegebenen Rampen einen Wagenzug von 50 Tonnen
zieht.
Textabbildung Bd. 75, S. 331
Richtung der Bewegung. Effective
Last der Maschine in Tonnen wenn das Gefäll beträgt; Beim Hinanfahren; Beim
Hinabfahren
In der That wurde oben die Zeit gefunden, welche die Maschine mit ihrer Last braucht,
um jedes der angegebenen Gefälle in einer Länge von 10 engl. Meilen zu durchlaufen.
Diese Durchlaufszeit ist aber die Zeit, während der die Maschine auf jeder Fläche
ihre Effectivlast zu ziehen hat. Wenn man also jede dieser Effectivlasten mit der
entsprechenden Durchlaufszeit multiplicirt; wenn man die einzelnen Producte summirt,
und wenn man die Summe durch die gesammte Durchlaufszeit theilt, so erhält man als
Quotienten die mittlere Last der Maschine während ihrer Durchlaufszeit. Hienach
ergeben sich folgende Resultate:
Mittlere Last einer Maschine von 8 Tonnen, wenn dieselbe mit
einem Zuge von 50 Tonnen eine Reihe gegebener Rampen und Gegenrampen
durchläuft.
Textabbildung Bd. 75, S. 332
Bezeichnung der zu durchlaufenden
Bahnlinie; 10 engl. Meilen im Niveau und 10 engl. Meilen im Niveau; 10 engl.
Meil. steigend und 10 engl. M. fallend mit 1/600; 10 engl. Meil. steigend und 10
engl. M. fallend mit 1/450; 10 engl. Meil. steigend und 10 engl. M. fallend mit
1/150; Mittlere last in Tonnen
Aus diesen Resultaten geht hervor, daß in allen Fällen
Rampen, aus welche Gegenrampen folgen, der Arbeit der Maschine nachtheilig sind; daß
die Durchlaufszeit, so wie die mittlere Effectivlast in deren Folge eine Steigerung
erleiden, während die mittlere Geschwindigkeit des Transportes dagegen abnimmt.
Zugleich ergibt sich aber auch, daß man diesen Nachtheil in eine Kostensumme
umwandeln kann, welche sich mit jener einer Bahn vergleichen läßt, an der diese
Rampen durch einen längeren Lauf oder durch Durchstiche beseitigt wurden; und daß es
also für die Eisenbahnunternehmer von höchster Wichtigkeit ist, gehörigen Bedacht
hierauf zu nehmen. Ferner und insbesondere erhellt aber auch, daß es für die
Eisenbahnen keine Normal-Rampen, d.h. Rampen gibt,
an denen die Arbeit, welche die Schwerkraft beim Hinansteigen erheischt, durch jene
Arbeit ausgeglichen wird, die dieselbe Schwerkraft beim Hinabrollen an der
Gegenrampe liefert; daß den Rampen, deren Gefäll dem Reibungswinkel gleichkommt,
keineswegs ein derlei Vorzug eigen ist; und daß jede Verordnung, durch welche diese
Rampen gestattet und andere dafür verboten würden, ganz irrig und fehlerhaft
wäre.
Der Irrthum, welcher zur Annahme der Ausgleichung oder Compensation an den Normal-Rampen führte, beruht darauf, daß man sich,
um die mittlere Last zweier gleicher Rampen und Gegenrampen zu finden, darauf
beschränkte, an diesen Rampen das Mittel der beiden Lasten zu nehmen, ohne dabei zu
berüksichtigen, daß diese beiden Lasten nicht während gleichen Zeiten an der
Maschine festgemacht sind, obwohl man nur bei gehöriger Berüksichtigung dieses
Umstandes die wahre mittlere Last der Maschine bekommen kann. Dieselbe Bemerkung
gilt auch hinsichtlich des Aufsuchens der mittleren Geschwindigkeit an zwei Rampen,
welche, wie bereits oben gesagt, keineswegs das aus den beiden an den einzelnen
Rampen Statt findenden Geschwindigkeiten gezogene Mittel ist. So einfach diese
Bemerkungen auch zu seyn scheinen, so blieben sie bisher doch noch stets
unberüksichtigt, weil es an Formeln zur Berechnung der Geschwindigkeit der Maschine
fehlte. Aus demselben Grunde gaben die Normal-Rampen kürzlich in England zu
einer Controverse, welche zu keinem Resultate führte, Anlaß.
Was die zweite der vorliegenden Fragen, nämlich die Bestimmung der Gefälle betrifft,
welche den Reisenden beim Hinabrollen der Wagenzüge über sie gefährlich werden
können, so handelt es sich hiebei darum zu wissen, ob die Wagenzüge dadurch allein,
daß sie von selbst auf Flächen rollen, die eine den Reibungswinkel übersteigende
Neigung haben, gefahrdrohende Geschwindigkeiten zu erlangen im Stande sind.
Ich will zu diesem Behufe annehmen, es lange ein von einer Maschine gezogener
Wagenzug mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 20 engl. Meilen in der Zeitstunde an
dem Scheitel einer Rampe an, der Maschinist schließe im Augenblike des Eintreffens
der Maschine an diesem Punkte den Regulator, und der Wagenzug werde sodann an der
Rampe seiner Schwerkraft überlassen. Es ist klar, daß unter diesen Umständen von
diesem Augenblike an die Triebkraft der Bewegung nichts weiter seyn wird, als das
Vorschlagen der Schwerkraft vor der Reibung der Wagen und der Maschine, und daß der
Widerstand sich auf den Widerstand der Luft beschränken wird. So lange die
Triebkraft den Widerstand übersteigt, wird sich die Bewegung immer mehr und mehr
beschleunigen. Da jedoch die Triebkraft sich gleich bleibt, während der Widerstand
der Luft dagegen rasch wächst, so wird es einen Punkt geben, auf dem die beiden
Kräfte einander gleich sind, so daß dann von diesem Punkte aus die Bewegung eine
gleichförmige wird. Da in diesem Momente die Geschwindigkeit des Wagenzuges so groß
seyn wird, daß der Luftwiderstand der Differenz zwischen der Schwerkraft und der Reibung
gleichkömmt, so wird es leicht seyn, diese Geschwindigkeit zu berechnen.
Denkt man sich z.B. den oben besprochenen Wagenzug von 50 Ton. mit derselben Maschine
von 8 Ton. Schwere auf eine Rampe von 1/150 Gefäll gesezt, so wird die Schwerkraft
des Wagenzuges und der Maschine 866 Pfd., die Reibung des Waggons 250 Pfd., und die
Reibung der Maschine 103 Pfd. betragen. Die Triebkraft der Bewegung und mithin also
auch der Widerstand der Luft während des Hinabrollens des Wagenzuges wird demnach
513 Pfd. seyn. Bringt man die Oberfläche, welche der Wagenzug dem Luftstoße
darbietet, in Anschlag, so wird die Geschwindigkeit der Bewegung 28,71 engl. Meilen
in der Zeitstunde seyn. Stellt man für mehrfache Gefälle und Wagenzüge von 50 bis zu
100 Tonnen eine derlei Berechnung an, so erhält man nachstehende Resultate:
Geschwindigkeit der Wagenzüge auf Rampen.
Textabbildung Bd. 75, S. 334
Bezeichnung des Wagenzuges.
Maximalgeschwindigkeit des Wagenzuges in engl. Meil. p. Zeitstunde, wenn das
Gefall ist; Wagenzug von 50 Tonnen mit Einschluß der Wagen; Wagenzug von 100
Tonnen mit Einschluß der Wagen
Man sieht also, daß, wenn Wagenzüge von 100 Brutto-Tonnen mit Einschluß der
Wagen, welche unter den dermalen an den Eisenbahnen gebräuchlichen beinahe die
schwersten sind, ohne Anwendung eines Zaumes oder einer Bremse ihrer Schwerkraft
überlassen werden, diese bei Gefällen von 1/200, 1/150 und 1/200 nur
Geschwindigkeiten von 31, 37 und 48 engl. Meilen in der Zeitstunde erreichen werden.
Auf jenen Bahnstreken jedoch, auf denen man die Maschinen arbeiten läßt, können sie
mit leichten Wagenzügen eben so große Geschwindigkeiten erlangen, ohne daß man es
für nothwendig erachtet hätte, in dieser Beziehung Vorschriften zu erlassen.
Andererseits ist es bekannt, daß man mittelst einer Bremse oder indem man die Kraft
der Maschine nach entgegengesezter Richtung wirken läßt, das Hinabrollen der
Wagenzüge über Rampen mit Leichtigkeit mäßigen kann. Mit Hülfe der Bremse z.B. kann
man die Geschwindigkeit des Hinabrollens ganz sicher auf 30 engl. Meilen in der
Zeitstunde vermindern; denn während des nunmehr 12jährigen Betriebes der
Liverpool- Manchester-Eisenbahn pflegt man die Geschwindigkeit der Wagenzüge, deren
Gewicht öfters über 100 Tonnen beträgt, bei einem Gefälle von 1/89 oder 1/96 stets
auf 22 bis 26 engl. Meilen in der Zeitstunde zu vermindern, ohne daß je ein
Unglüksfall dabei eingetreten wäre.
Aus dem Voraussehenden lassen sich also die Schlüsse ziehen: 1) daß alle an den
Eisenbahnen vorkommenden Rampen je nach ihrem Gefälle mehr oder minder nachtheilig
sind; und daß jene Rampen, deren Gefäll unter dem Reibungswinkel steht, keine
Ausnahme hievon machen. 2) daß man Rampen, deren Gefäll weit über dem Reibungswinkel
steht, bei dem Baue von Eisenbahnen füglich gestatten darf, ohne deßhalb auch nur
die geringste Gefahr befürchten zu müssen.
Um nicht mißverstanden zu werden, muß ich schließlich noch beifügen, daß der berühmte
Ingenieur, der ursprünglich den Irrthum in Hinsicht der Normal-Rampen beging,
diesen seither in Folge der von mir in meiner Abhandlung über die Locomotiven
entwikelten Theorie einsehen lernte. Ich sah mich übrigens gedrungen, diesen Punkt
auf ganz bestimmte Weise und von verschiedenen Gesichtspunkten aus festzustellen,
und zwar sowohl indem ich darthat, daß meine Theorie eine genaue Bestimmung des
Nachtheiles der Rampen gestattet, als auch indem ich die auf das Hinabrollen der
Wagenzüge über Schrägflächen bezügliche Frage einer Untersuchung unterstellte.