Titel: | Ueber das Transportwesen in England und in Deutschland mit Rüksicht auf das Eisenbahnwesen. Von Amand. Ferd. Neukrantz. |
Autor: | Amandus Ferdinand Neukrantz [GND] |
Fundstelle: | Band 76, Jahrgang 1840, Nr. XXXVIII., S. 162 |
Download: | XML |
XXXVIII.
Ueber das Transportwesen in England und in
Deutschland mit Ruͤksicht auf das Eisenbahnwesen. Von Amand. Ferd. Neukrantz.
Neukrantz, uͤber das Transportwesen in England und
Deutschland mit Ruͤksicht auf das Eisenbahnwesen.
Im Allgemeinen sind wir in Deutschland geneigt, auf Neuerungen nicht so rasch
einzugehen, sondern zuvor langsam und bedächtig zu prüfen, was an der Sache ist. Um
so auffallender mußte daher die vor einigen Jahren eingetretene Erscheinung seyn,
nach welcher alle Köpfe mit Eisenbahnen- und Actien-Unternehmungen
angefüllt waren. Diese Erscheinung war die Folge der übertriebensten Erwartungen,
und wenn sie auch einige recht gute Folgen gehabt haben mag, namentlich die, daß
manches begonnen wurde, was man nachher füglich nicht unvollendet liegen lassen
konnte, und daß der Sinn für industrielle Unternehmungen überhaupt reger gemacht
wurde, so hat sie leztern im Allgemeinen doch mehr geschadet als genüzt: die auf
solche Erwartungen nothwendig folgende Täuschung und der durch den Actienschwindel
wirklich erzeugte Verlust mußte natürlich das eben erwachte Vertrauen und die
Neigung zu dergleichen Unternehmungen lähmen, den in wohlgefälliger Ruhe versunkenen
Langsamen wieder die Oberhand gewinnen und ihr System als das klügere erscheinen
lassen, während mit minder übertriebenen Erwartungen sich der große Nuzen der
Eisenbahnen und der mehrsten dergleichen Unternehmungen leicht würde haben auffinden
lassen, wenn schon bei so großartigen Unternehmungen nicht erwartet werden konnte,
daß die wahre Sachlage sich gleich im ersten Jahre herausstellen werde.
Durch Nachstehendes dürfte ich vielleicht die Ueberzeugung befestigen helfen, daß Eisenbahnen für Deutschland das größte Bedürfniß sind und
daß sie rentiren werden.
In Europa ist wohl England das Land, in dem das Transportwesen auf der höchsten Stufe
der Ausbildung steht. Wir wollen uns daher zunächst ein Bild von dem Transportwesen
dieses Landes verschaffen, dann das von Deutschland kurz berühren und endlich
versuchen, welche Schlußfolgerungen sich daraus für das deutsche Eisenbahnwesen
machen lassen.
I. Das Transportwesen in
England.
Die drei vorzüglichsten Wege, auf welchen die bei weitem mehrsten Personen und Güter
von einem Orte zum andern geschafft werden – Landstraßen und Chausseen, Flüsse und Canäle und Eisenbahnen
– sind in England in größter Vollkommenheit neben
einander vorhanden.
Die Landkutschen (coaches) und
Posten (mail coaches)
gehen von jedem nur einigermaßen belebten Orte nach allen Richtungen zu so vielen
Malen des Tages, daß man fast nie nöthig hat zu warten. Diese Institute sind nicht
Eigenthum der Regierung, obwohl sich alte „königliche“ nennen
(royal coach office), weil sie ein königliches
Privilegium (licence) haben Müssen, was ihnen bedeutende
Summen kostet. Dessen Ungeachtet haben dieselben in Folge der bedeutenden Concurrenz
zum größten Nuzen des Publicums und des Verkehrs eine Ausdehnung und Vollkommenheit
erlangt, wie gewiß in keinem andern Lande. Die Zähl der Kutschen, die täglich London
verlassen und dort ankommen, geht fast ins Unglaubliche. Nach den näheren 10, 20 und
30 (englische) Meilen entfernten Orten gehen täglich 6–8 und mehr, nach den
entfernteren, wie Birmingham, Liverpool, Manchester, Leeds, York, Hull, Dover,
Plymouth, Bristol 3 bis 4, nach New-Castle upon Tyne, Edinburgh, Glasgow
mindestens 2, obgleich nach vielen, ja nach den mehrsten dieser Pläze außerdem noch
Eisenbahnen- und Dampfschiff-Verbindungen Statt finden.
Nur einige der Beispiele will ich anführen, wie 2 oder gar 3 dieser Transportwege
neben einander bestehen. Von der London-Brüke, dem Mittelpunkte von London,
nach Greenwich geht von Viertelstunde zu Viertelstunde ein Dampfschiff, dicht
daneben auf der Greenwich – Eisenbahn von Viertelstunde zu Viertelstunde ein
Wagenzug von oft 10 bis 15 Waggons, und daneben noch Omnibus mindestens eben so oft
auf der alten Straße. Aehnliche Fälle finden Statt zwischen London-Brüke und
Vauxhall oder Chelsea oder Richmond, obgleich dort bis jezt nur Dampfschiffe und
Omnibus concurriren; ganz derselbe, wie der zuerst angeführte Fall aber wird in
Kurzem nach Vollendung der Commercial-Blackwall-Eisenbahn zwischen
London-Brüke und den Ost- und West-India-Doks Statt
finden.
Zwischen London, Birmingham, Manchester und Liverpool gehen neben der Eisenbahn
täglich 3 Kutschen (ohne die von den Zwischen- und Seitenstationen), außerdem
bildet der Grand-Junction-Canal eine theilweise Opposition; zwischen
Liverpool und Manchester gehen neben der Eisenbahn 4 bis 5 Kutschen täglich, und
außerdem wird der
berühmte Bridge-Water-Canal benuzt. Zwischen London und Hull, London
und New-Castle etc. finden außer den Kutschen auch Dampfschiffverbindungen
Statt, und so sind oder werden in Kurzem zwischen den mehrsten der bedeutenderen
Städte doppelte und dreifache Verbindungen seyn. Die Schnelligkeit und Wohlfeilheit
der Fahrten mit Kutschen ist außerordentlich: die Entfernung zwischen London und
Manchester, circa 200 engl. Meilen, wird für gewöhnlich
in 19 Stunden – durch die Mail in 17 Stunden – zurükgelegt, zuweilen
schneller. Anfangs, als die Eisenbahnen angelegt waren, wetteiferten die Kutschen
mit den Dampfwagen und fuhren die größere Hälfte von London nach Birmingham (110
Meil.) in 7 3/4 Stunden. Die Entfernung zwischen London und Leeds, circa 205 Meil., wird in 20 1/2 Stunden (durch die Mail
in 18 1/2 Stund.) zurükgelegt; etwas weniger schnell als die vorhin angeführten
Streken, weil hier noch nicht Dampfwagen auf der ganzen Länge concurriren; die
Streke zwischen Manchester und Leeds – 40 und einige Meilen – in 4
Stunden, zwischen Leeds und New-Castle – 98 Meilen – in 9
Stunden. Dabei werden die festgesezten Abgangs- und Ankunftsstunden mit
außerordentlicher Pünktlichkeit inne gehalten.
Das Personengeld zwischen London und Manchester oder Liverpool beträgt innerhalb des
Wagens 2 Pfd. Sterl. 10 Shl., außerhalb (oben) 1 Pfd. Sterl. 5 Shl. Dasselbe bezahlt
man zwischen London und Leeds (205 Meil.); zwischen Manchester und Leeds (43 M.)
innerhalb der Kutsche 15 Shl., außerhalb 10 Shl.; zwischen Leeds und
New-Castle (97 M.) innerhalb 1 Pfd. Sterl. 15 Shl., außerhalb 1 Pfd. Sterl.
Für diese Preise kann man so viel Gepäk mitnehmen, als man will; ich führte oft 6
bis 8 verschiedene Stüke von einem Gewicht von weit über 100 Pfd. mit mir.
Aus den angeführten Fällen ersieht man, daß die Geschwindigkeiten, je nach der
Concurrenz und Frequenz, etwas variiren, jedoch nicht bedeutend, so daß man annehmen
kann, daß die englischen Landkutschen für gewöhnlich 10 bis 12 engl. Meil. in der
Stunde machen. Die Preise variiren ebenfalls, je nach Concurrenz, Frequenz und nach
Entfernung, so daß für kleinere Entfernungen die Preise verhältnißmäßig höher als
für größere, für leztere aber äußerst billig, bedeutend billiger als auf den
Eisenbahnen sind.
Die Ordnung und Schnelligkeit, mit der das Wechseln der Pferde, das Umladen, das
Aufnehmen von Personen und Päkereien und das Abfertigen auf den Zwischenstationen
Statt findet, ist erstaunenswürdig. Alles dieß erfordert selten mehr als 3 Minuten,
und doch geht es mit einer Ruhe und Ordnung zu, daß man gar keine Hast bemerkt und
mit einem sehr geringen Personal. Das Wechseln der 4 schönen elegant aufgeschirrten Pferde
geschieht etwa auf je 20 Meilen 3 Mal, zuweilen auch nicht so oft. Zum Frühstüken
wird 15 bis 20 Minuten, zum Mittag- und Abendessen 20 bis 30 Minuten
angehalten. Auf den Stationen, wo nicht die Pferde gewechselt werden, wirft der
Guard die Taschen mit Briefen und dergleichen und die kleinen Päkereien mitten im
schnellsten Fahren vom Wagen herab und empfängt das Mitzunehmende eben so im Fahren.
Der Guard hat volle Vollmacht, Personen und Päkereien (und Briefe auf den Mails)
allenthalben aufzunehmen und abzugeben, wo sich dergleichen vorfinden, wenn auch
nicht Station ist, und doch findet allenthalben die größte Ordnung Statt und selten
hört man Klagen.
Betrachten wir nun die Dampfschifffahrt. Auf der Themse
zwischen Gravesend, London und Richmond, circa 120 bis
130 engl. Meilen, fahren über 100 kleinere und größere Dampfschiffe, die nie die
Themse verlassen und nur zum Dienst zwischen diesen Orten bestimmt sind und wozu
nicht die Hunderte gehören, die stets von allen Theilen der Welt dort ankommen. Sehr
bedeutend ist auch die Zahl der auf dem Mersey-Fluß gehenden (an dem
Liverpool liegt) und sie beträgt mit denen, die täglich von dort nach Carlisle und
Glasgow, nach Dublin und andern irischen Städten gehen, zwischen 40 und 50, wozu
nicht diejenigen gezählt sind, welche von überseeischen oder andern englischen Häfen
dort ankommen, und deren Zahl der der Londoner nicht viel nachgibt. Eine große Zahl
gehen auf dem Humber-Fluß bei Hull (Kingstown on Hull), auf dem
Tyne-Fluß bei New-Castle; täglich gehen Dampfschiffe zwischen London
und Hull, London und New-Castle und Edinburgh und beinahe eben so oft
zwischen den übrigen See- und Hafenpläzen des Landes. Die Fahrpreise auf den
Schiffen sind sehr billig, bei weitem billiger, besonders für weite Streken, als auf
Eisenbahnen und Kutschen. Die Maschinen der Dampfschiffe sind fast ohne Ausnahme
Niederdruk-Maschinen von verschiedenen Mechanikern: von J. Penn und Sohn, von Maudslay
Söhne und Field, von Seaward
John und Comp., Fairburn und Muray, Fawcett und Preston,
Robert Napier u.s.w.
Wir kommen nun zu den Eisenbahnen, von denen ich die
vorzüglichsten fertigen und die am weitesten vorgeschrittenen um der bessern und
schnelleren Uebersicht willen in der folgenden Tabelle zusammengestellt habe.
Uebersicht der englischen
Eisenbahnen.
Textabbildung Bd. 76, S. 165
Rame der Eisenbahn; Länge der Bahn in engl. Meil.; Total – Betrag der Gesammtkosten des
Unternehmens; Actien Summe; Anleihe; Höhe des
Betrages einer Actie; Wie viel auf jede Actie zur Zeit eingezahlt; Höchster
Preis der Act. im Jul. 1839; Dividende per Act.;Rame des dirigirenden
Technikers (Engineer en Chief.); London und Birmingham; R.
Stephenson; London und Brighton; J. U. Rastrick; London und Creydon; Joseph Gibbs.; London und Greenwich;
Colonel Landmann; London und Southampton; J. Locke.; Great-Western; J. K. Brunel.;
Northern und Eastern; James Walker.; Wm. Burgeß.;
South Eastern; Mr. Cubitt.;
Commercial-Blackwall; Eastern-Counties; Birmingham und Derby; W.
D. Holmes.; Birmingham und Gloucester; Birmingh.,
Bristol u. Thames Junction; Bristol und Exeter; Charles Fripp.; Bolton und Preston; Cheltenham und Great-Western;
Chester und Crewe; Muray Gladstone.; Chester und Birkenhead; John Dixon.;
Dublin und Drogheda; Edinburgh und Glasgow; Edinburgh, Leith und Newhaven;
Glasgow, Paisley und Ayrshire; Grand Junction;
Glasgow, Paisley und Greenock
Textabbildung Bd. 76, S. 166
Notorische Curse für die
Manchester-Bolton und Bury und die New Castle und North Shield konnte
ich eben nicht angeben, doch müssen dieselben nach meiner Meinung über pari stehen, da diese Bahnen sehr frequent
sind.
Great Leinster und Munster; Great
North of England; Hull und Seby; Jam. Walker.; Wm.
Burgeß; Llanelly und Dock Comp; Liverpool und Manchester;
S. Stephenson; Leeds und Selby; Leicester und Swannington;
Manchester und Birmingham; Manchester und Leeds; Thomas Gooch.; Manchester Neue Actien; Manchester – Bolton
und Bury; J. Hawkshaw.; Manchester und Sheffield;
Maryport und Carlisle; Midland Counties; T. J. Woodhouse.; New Castle und North Shield; G. Nicholson.; New Castle und Carlisle; Joh. Blackmore.;
North Union; North Midland; Preston und Wyre; Stockton und Darlington;
John Harris.; Thames Haven; York und North Midland;
Thomas Cabry
Bemerkungenuͤber Frequenz, Gesammt-Einnahme, groͤßte Neigung der
Bahn, kleinste Curven, tiefste Einschnitte, hoͤchste Ausschuͤttungen,
Tunnels, Bruͤken, Viadutts u.s.w.
Die Bahnen von Nr. 1 bis incl. Nr. 40 gehen von London
aus.
London-Birmingham. Geleisweite 4' 8 1/2'' (wie bei fast
allen übrigen). Größte Neigung der Bahn für die Locomotiven 1 : 330. Außerdem
schiefe Ebene von 1 : 60, woselbst die Wagen mittelst feststehender Maschinen von
Maudslay Söhnen und Field
gezogen werden. 45 Locomotiven von verschiedenen Mechanikern: von Maudslay, Maschinen von 13''
Cylind. Durchm. 18'' Hub. 5'
Durchm. der Treibräder, 13 Waggons 20 Meilen per Stunde
ziehend, von Ed. Burry, 12''
Cylind. Durchm. 18'' Hub. 5 1/2' Treibraddurchm., 14 Coach. 25 Meil. p.
Stunde ziehend; von Benj. Hick in Bolton u.s.w. Die
London-Birmingham-Comp. erhält von der Postverwaltung 10,340 Pfd. St.
p. Jahr, wofür sie täglich 2 große Post-Office-Carriage (fahrende
Postbureaux) hin und zurükfahren muß, eine bei Tage in 5 Stunden die 112 Weil. die
andere bei Nacht in 5 1/2 Stund. In diesen fahrenden Bureaux befinden sich 1 Guard
und 2 Secretäre zum Aufnehmen, Abgeben und Sortiren der Briefe unterwegs. Die
sämmtlichen Ausgaben der Comp. betragen circa 50 Proc.
der Einnahme, welche leztere sich in den lezten Wochen auf 12 bis 13,000 Pfd. St.
p. Woche belief. Beim Bau der Bahn waren besonders
die Einschnitte und Tunnel sehr kostspielig. 16 Millionen Kubikyard Erde mußten
weggeschafft werden.
London und Creydon. Eine
Fortsezung der „Greenwich.“ Kyanisirte Längenhölzer bilden mit
den Querhölzern eine sehr feste Rostverbindung. (Kyan's Methode ist überhaupt sehr allgemein
verbreitet.) Größte Neigung der Bahn 1 : 100.
London und Greenwich. Von der
London-Brüke nach Greenwich; von Anfang bis ans Ende auf lauter gemauerten
Bogen, unter welchen die Straßen der Stadt durchgehen. In der Pfingstwoche war der
Personen-Verkehr am Montag 35,336, Dienstag 22,877, Mittwoch 10,028,
Donnerstag 4,635, Freitag 3,372, Sonnabend 10,088, mit einer Einnahme von 2,941 Pfd.
St. 18 Shl. 5 Pence in den 6 Tagen. Bedeutend gesteigert hat sich seit der Zeit der
Verkehr durch die Eröffnung der London-Creydon-Bahn.
Great-Western. Von London nach Bath und Bristol.
Geleisweite 7'. Maschinen von außerordentlicher Größe
und Stärke von verschiedenen Mechanikern, mit Treibrädern von 7', 9' ja 10' Durchm. Der Personenverkehr betrug in den lezten
Wochen zwischen 12,000 bis 15,000 Personen, die Einnahme 1500 bis 2000 Pfd. St. per Woche (wobei zu bemerken, daß die ganze Linie noch
bei weitem nicht vollendet ist).
Northern und Eastern. Von
London nach Cambridge. Die Zahl der Passagiere ist 1,038,438 per Jahr, die Einnahme für dieselbe 134,027 Pfd. St. Die Einnahme für den
Gütertransport 20,332 Pfd. St. Von der Gesammt-Einnahme gehen ab 57,181 Pfd.
St. für Erhaltung der Bahn, Locomotivkraft und Verwaltung.
Commercial-Blackwall. Von der Fenchurch street
(nahe der London-Brüke) nach den Ost- und
West-India-Docks circa 4 Meilen,
gleichfalls auf lauter gemauerten Bogen, wie die Greenwich, aber mit gußeisernen
Brüken über die Straßen.
South-Eastern, nach Canterbury, Dover und
Falkstone.
Eastern-Counties, nach Norwich und Yarmouth über
Colchester.
Bolton und Preston. Die Bahn
geht eine gute Streke innerhalb der Stadt Bolton unter den Häusern durch, die größte
Neigung derselben ist 1 : 132.
Grand-Junction. Von Birmingham nach Liverpool u.
Manchester. Der Ankaufspreis des Grundeigenthums für die Bahn und die Bahnhöfe
betrug 230,000 Pfd. St. Die größte Neigung der Bahn ist 1 : 117. Die Unterhaltung
der Bahn, einschließlich der Einfriedigung, ist für 250 Pfd. St. p. Meile p. Jahr in Pacht
gegeben. Die Gesammtausgaben der Comp. betragen etwa 47 Proc. der Einnahmen. Dabei
sind leztere sehr im Zunehmen. In den ersten 18 Wochen dieses Jahres wurden 42,000 Pfd. St. mehr eingenommen, als in denselben des vorigen Jahres.
Von der Postverwaltung erhält die Comp. jährlich 46,000 Pfd. St. für den Dienst,
ähnlich wie bei der London Birmingham angegeben (22 Meilen per Stunde contraktliche Geschwindigkeit).
Liverpool und Manchester. Der
Bahnhof in Liverpool ist fast mitten in der Stadt. Ein Tunnel von 2230 Yard Länge,
17' Höhe, 25' Weile
führt die Bahn von dort unter den Häusern der Stadt durch nach Soge-Hill, wo
eine stationäre Maschine steht, die den Wagenzug durch den Tunnel führt. Lezterer
wurde von dem Ingenieur Dixon
für die Summe von 150,000 Pfd. St. erbaut. Etwas weiterhin geht die Bahn durch einen
zweiten Tunnel von 2250 Yard Länge, 16' Höhe, 22' Weite. Ueber demselben stehen wieder stationäre
Maschinen zum Aufziehen der Waggons, und die Kessel, welche diese Maschine sowohl,
wie auch die vorhin angeführte, in ziemlicher Entfernung bei Soge-Hill
stehende, mit Dampf versehen. Der tiefste Einschnitt dieser Bahn ist die
Olive-Mount-Excavation, eine künstlich hergestellte Schlucht von
ungeheurer Ausdehnung und Tiefe, an manchen Stellen 70'
unter den umgebenden Feldern. Eine der schönsten Brüken an der Bahn ist die
Rainhill, über welche die Liverpool-Manchester Landstraße führt; die
Spannweite des Bogens ist 84'. Die höchste Aufschüttung
ist das Sankey-Embankment, das an einigen Stellen 70' über den umliegenden Feldern liegt. An dasselbe schließt sich der Sankey
Viaduct an, mittelst dessen die Bahn den Sankey-Canal in einer Höhe von 70' über dem Wasserspiegel desselben passirt, 25' breit, von 9 Bogen, jeder von 50' Spannweite. Die Kosten des Viaducts betrugen 45,000 Pfd. St. Die größte
Neigung der Bahn ist 1 : 89 und 1 : 96.
Manchester und Birmingham.
Eine Oppositionsbahn der Grand Junction, direct von Manchester nach Birmingham
führend.
Midland Counties. Von Rugby nach Derby und Nottingham.
Von Rugby bis zu den Scheidecurven 40 Meilen, von da nach Derby 9, nach Nottingham 7
Meilen. Die Streke von Derby nach Nottingham war für den Bau sehr günstig, so daß
dieselbe nur 13,340 Pfd. St. per Meile, die ganze Streke
von circa 15 Meil. 206,950 Pfd. St. kostete, einschließlich Grunderwerb für die Bahn
und die Bahnhöfe. Der tiefste Einschnitt dieser Streke ist 30', die höchste Aufschüttung 20'. Die
Gesammtmenge der bewegten Erdmassen 545,000 Kubik. Yards. Die größte Neigung auf der
ganzen Bahn ist 1 : 330.
New-Castle und Carlisle. Größte Neigung 1 : 106. Lokomotiven von Hawthown, von Rob. Stephenson, von Hawks, Stanley u. Comp. Viel Kohlentransport.
North-Midland. Von Derby nach Leeds, führt unter
dem Cromford-Canal durch; Locomotive von Fenton,
Muray und Jackson.
Stockton und Darlington. Viel
Kohlen- und Gütertransport mittelst Pferden.
Bemerkung 1. Krümmungen unter 1 Meile (= 427 preuß.
Ruthen) Halbmesser kommen an Bahnen, auf denen viel Personenverkehr Statt findet,
nicht eben vor.
Bemerkung 2. Die Preise variiren je nach dem 4 oder 6
Size in einer Abtheilung der ersten Wagenclasse, ob die Wagen der zweiten Classe mir
Thüren und Fenstern, zum Verschließen oder offen und nur mit einem Dach versehen
sind; ob bei Tag oder Nacht gefahren wird, und je nach der Entfernung; die größern
Entfernungen sind verhältnißmäßig etwas wohlfeiler; z.B.:
I. Erste Wagenclasse, 4 Size, bei Nacht, von London nach Harrow, 11 1/2 Meilen, 3
Shl. 6 Pence; von London nach Watford (17 3/4 M.) 5 Shl.; von Harrow nach Watford 2
Shl.; von London nach Birmingham (112 Meilen) 32 Shl. 6 Pence; von London nach
Manchester oder Liverpool 60 Shl. u.s.w.
II. Erste Wagenclasse, 6 Size, bei Tag, von London nach Harrow 3 Shl., nach
Birmingham 30 Shl., nach Manchester 55 Shl. u.s.w.
III. Zweite Wagenclasse, geschlossen, bei Nacht, von London nach Harrow 2 Shl. 6
Pence, nach Birmingham 25 Shl., nach Manchester 46 Shl. u.s.w.
IV. Zweite Wagenclasse, offen, bei Tag, von London nach Harrow 2 Shl., nach
Birmingham 20 Shl., nach Manchester oder Liverpool 37 Shl. u.s.w.
Die in der vorstehenden Tabelle aufgeführten Eisenbahnen sind ganz oder theilweise
fertig oder der Vollendung nahe; außer diesen gibt es noch eine große Menge
kleinerer Eisenbahnen zwischen Eisen- und Kohlenwerken und von diesen zu den
benachbarten Flüssen und zwischen kleineren Orten, die aber auf den öffentlichen
Verkehr keinen merklichen Einfluß haben; endlich noch eine große Zahl solcher, die
erst seit Kurzem die Concession vom Parlament erlangt haben und noch nicht weit
vorgeschritten sind.
Die Gesammtzahl aller Eisenbahnen in Großbritannien, diese kleineren und die
leztgenannten mit inbegriffen, beträgt 107, und die durch das
Privat-Bill-Office, House of Commons, nachgewiesene, und durch
Parlamentacte genehmigte Summe, welche bei sämmtlichen Eisenbahnen verwendet ist,
beträgt 57,788,440 Pfd. Sterl.= 404,519,080 Rthlr.; davon sind Actien-Capital 41,610,810 und Anleihen 16,177,630 Pfd.
Sterl. Wenn wir die Kosten der Bahnen, deren Längen in der Tabelle angegeben sind,
summirenDie Commercial – Black Wall ist durch ein Versehen gar nicht mit in
Rechnung gekommen, auch die New-Castle North Shield nicht., so finden wir, daß die dort angeführten 1172 Meilen 36,129,800 Pfd. Sterl.
kosten, woraus sich der Durchschnittspreis für 1 engl. Meile (einschließlich
Grunderwerb, Brüken, Tunnels, Locomotive, Wagen und überhaupt aller Zubehör) mit
beiläufig 30,828 Pfd. Sterl. herausstellt.D. i. für eine deutsche Meile 1,001,000 Rthlr.
Aus diesem Preis und dem vorhin angeführten Gesammtkosten-Preis sämmtlicher
englischer Eisenbahnen läßt sich die Gesammtlänge der englischen Bahnen annähernd
mit 1870 engl. Meil.(= 400 preuß. Meil.) berechnenWovon etwa 2/3 jezt schon befahrbar ist, der Rest in Jahresfrist vollendet
seyn wird., was außerordentlich ist, wenn man erwägt, daß England – dem
Flächeninhalte nach etwa so groß als Preußen, rings umgeben vom Meere,
durchschnitten von Canälen und Flüssen – gar keine bedeutende
Flächenausdehnung darbietet. Betrachten wir nun
II. das Transportwesen in
Deutschland,
so müssen wir zugestehen, daß, wie viel auch dafür in der
lezten Zeit geschehen seyn mag, noch manches zu thun übrig bleibt. Es geschah
allerdings in der lezten Zeit in Deutschland viel für das Postwesen, für
Landstraßen, Canäle, Eisenbahnen und Dampfschifffahrt; groß und erfreulich sind auch
die industriellen Fortschritte der deutschen Völker, welche besonders hervorgerufen
wurden durch ihre Vereinigung in den von Preußen gegründeten Zollverband. Mit
mißgünstigen, ja ängstlichen Bliken sehen die benachbarten Völker, besonders aber die Britten, auf
diese Fortschritte, und nirgends werden dieselben, so wie die Einigkeit der
Deutschen, wohl mehr bewundert und zugleich gefürchtet, als eben jezt in
England.
Das deutsche Postwesen, besonders das preußische, steht, an und für sich betrachtet
auf einer solchen Stufe der Vollkommenheit, daß es gewiß alle Achtung verdient,
wobei Preußen ebenfalls das Verdienst hat, mehr Einheit in dasselbe gebracht zu
haben. Wenn dasselbe in der lezten Zeit angegriffen wurde, so durfte es wohl nur
geschehen, in Vergleich mit den bekannt gewordenen schnelleren und wohlfeileren
Transportmitteln, den Eisenbahnen und Dampfschiffen. Die Ausdehnung und Einrichtung
dieser Institute in Deutschland darf ich als bekannt voraussezen, und ich theile
daher nur einige zur Vergleichung erforderliche Data mit: die Gesammtlänge der deutschen Eisenbahnen beträgt nach Hrn. v. Gerstner's Angaben 96 deutsche
Meilen; der mittlere Durchschnittspreis einer deutschen Meile beiläufig 320,000
Rthlr.; die Summe der Capitalien, welche in deutschen Eisenbahnunternehmungen sonach
verwendet seyn dürften, annähernd zu schließen, 31 Millionen Thaler.
Dampfschiffe gehen, wie bekannt, auf dem Rheine, auf der
Donau, der Elbe; doch dürfte die Gesammtzahl aller kaum 30 erreichen.
Canäle sind vorhanden, doch könnten deren wohl mehrere
seyn.
III. Bei Vergleichung des in den beiden ersten Abschnitten
Behandelten drängt sich uns allerdings die Ueberzeugung auf, daß wir in
allen Theilen unseres Transportwesens von dem englischen lernen können, und daß es
an der Zeit seyn dürfte, unsern Stammverwandten jenseits der Nordsee darin
nachzueifern. Wir sind ihnen nahe auf den Fersen in vielerlei industriellen und
commerciellen Beziehungen, und anerkannt sind vollkommene Transportmittel die
größten Hebel des Handels und der Industrie. Welche von den angeführten wären aber
wohl zwekgemäßer als die Eisenbahnen? Sie verbinden Schnelligkeit und Wohlfeilheit
mit einander. Unsere Posten können es nach allgemeiner Annahme nie zu der
Schnelligkeit der englischen Landkutschen bringen, da die deutschen Pferde nach
jener Annahme nicht dazu geeignet sind, und auch aus mehreren anderen Gründen werden
sie wohl nie die Wohlfeilheit jener erreichen – denn jedenfalls ist es sehr
wohlfeil zu nennen, in England 200 Meilen für 25 Shl. fahren zu könnenWenn zu den angeführten Preisen noch ein Trinkgeld für den Kutscher (Coachman) und den Conducteur (Guard) addirt werden muß, so wird das mehr als
aufgewogen durch den Umstand, daß man so viel Gepäk mit sich führen kann,
als man will., d. i. für beiläufig 8 1/2 Rthlr. 43 deutsche Meilen in 18 Stunden (während die mehrsten
übrigen Bedürfnisse etwa dreimal so theuer sind als bei uns). Unsere Lohnkutscher
und Personenfuhrwerke aber werden es noch weniger dahin bringen, aus andern
bekannten Gründen.
Auch unsere Dampfschifffahrt wird nicht zu der bedeutenden Ausdehnung und
Vollkommenheit kommen können, die dem Handel und der Industrie so wünschenswerth
wären, da unser Binnenland von der Natur dafür nicht eben begünstigt ist; dazu
kommt, daß sie nur einen Theil des Jahres thätig seyn kann. Wir müssen daher unser
Heil für Erweiterung und Verbesserung der Transportmittel in möglichst größter
Ausdehnung und Vervollkommnung des Eisenbahnwesens suchen, um so mehr, als es das
vorzüglichste von allen ist. Man wird uns nicht einwenden wollen, daß wir auch eines
so ausgedehnten und vollkommenen Systems von Transportwegen, wie es England besizt,
nicht bedürften, weil unsere Industrie auch noch nicht so vorgeschritten,
Deutschland nicht so bevölkert, der Verkehr demnach noch nicht so stark ist, weil
wir überhaupt doch nicht so Gelegenheit zum Handel und Weltverkehr hätten, als die
Britten: denn darauf müßten wir entgegen, daß der Unterschied zwischen unserer und
der jenseitigen Industrie nicht unerreichbar groß, daß die unserige sehr im
Fortschreiten ist, daß eben sie, so wie der Handel und Verkehr durch ein
vervollkommnetes Transportsystem gehoben werden müssen, und daß, wenn diese und der
Handel im Inneren erstarkt sind, sich auch der Verkehr nach Außen finden wird, daß
die geringere Bevölkerung und die ausgedehnteren Länderstreken bei uns eben ein
Aneinanderrüken noch mehr zum Bedürfniß machen, und endlich, daß wenn wir diesen
einen Zweig des Transportwesens zu möglichst höchster Vollkommenheit gebracht haben
sollten, wir in den beiden andern – deren höchster Vervollkommnung und
Ausdehnung sich natürliche Hindernisse in den Weg legen – doch immer noch
weit genug zurükstehen, was zur Beruhigung derer gesagt seyn mag, die da fürchten,
wir könnten durch zu rasches Fortschreiten den Engländern zuvorkommen.
Wenn wir nun hienach zugeben, daß die Eisenbahnen ein großes Bedürfniß für
Deutschland sind, so liegt darin auch zugleich ein Beleg für die Einträglichkeit
derselben. Die mehrsten Eisenbahnen in England rentiren, einige glänzend, andere
weniger, und nur wenige nicht (meistens solche, die mit zu großen Kosten erbaut
wurden); die deutschen Eisenbahnen aber werden selbst besser rentiren, als die
englischen, da sie keine solche Concurrenten haben werden an den Landkutschen,
Dampfschiffen und Canal-Verbindungen; diese fahren nämlich alle wohlfeiler
als die Eisenbahnen, und der Unterschied in der Geschwindigkeit ist nicht so gar
groß, während in Deutschland die Postfahrten theurer sind als die Eisenbahnfahrten und dabei viel
langsamer. Endlich können in Deutschland die Eisenbahnen viel wohlfeiler hergestellt
werden, als in England, was sich durch Vergleichung der
Durchschnitts-Baupreise ergibt. Dazu kommt, daß die Eisenbahnen auch noch
andern Nuzen bringen, als den directen, unmittelbar aus der Eisenbahncasse in den
Säkel der Actionäre fließenden, welcher gewiß meistentheils größer und nachhaltender
ist, als der directe. Denn ist es nicht ein Gewinn, wenn der Handel und die
Industrie der durch Eisenbahnen mit einander verbundenen Städte und Gegenden wächst?
Wer gewinnt dadurch? Doch am mehrsten die Capitalisten, die großen Handlungen, die
Fabriken, die größeren Gewerbtreibenden, der Wohlstand überhaupt. Oder ist es nicht
schon ein Gewinn, den Ruin, den Verfall abzuhalten, der nothwendig diejenigen
Ortschaften treffen muß, die zu weit von diesen Verkehrsadern entfernt sind, die zu
weit hinter ihren Nachbarn zurükbleiben?