Titel: | Ueber die Fabrication des blausauren Kali's. Von J. G. Gentele, technischem Chemiker in Freiburg im Breisgau. |
Fundstelle: | Band 76, Jahrgang 1840, Nr. LXXXVIII., S. 352 |
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LXXXVIII.
Ueber die Fabrication des blausauren Kali's. Von
J. G. Gentele,
technischem Chemiker in Freiburg im Breisgau.
Aus Erdmann's und Marchand's
Journal fuͤr praktische
Chemie, 1840, Nr. 9.
Gentele, uͤber Fabrication des blausauren
Kali's.
I. Ueber die Untersuchung der
eisenblausauren Kalimutterlaugen.
Ich habe in Dingler's Journal,
zweites Augustheft 1836, Einiges über eisenblausaures Kali und dessen Fabrication im
Großen bemerkt, unter
anderm den schädlichen Einfluß erwähnt, den Schwefelkalium,
Kieselerde, schwefelsaures Kali etc. unter der Pottasche äußern können.
Obgleich nun ausgemacht ist, daß das reinste, von jenen genannten Unreinigkeiten
freieste Kali, in gewisser Proportion zur Kohle am vorzüglichsten zur Bildung von
Cyaneisenkalium seyn muß, so ist es doch eben so schwer, sich des reinen Stoffes
stets zu bedienen. Ja man ist sogar genöthigt, solche Stoffe anzuwenden, von denen
man überzeugt ist, daß sie von allen der Bildung des Cyaneisenkaliums schädlichen
Unreinigkeiten enthalten. Ich meine z.B. die Mutterlaugen des eisenblausauren
Kali's; diese werden nach und nach immer kieselerdehaltiger, je öfter sie gedient haben, denn allemal schießt mit
dem blausauren Kali wieder reines Kali heraus, während die Kieselerde zurükbleibt,
die sich erstlich in jeder Portion Pottasche befindet, dann aus zufällig in den
Schmelzkessel fallendem Gemäuer und aus den thierischen Stoffen selbst mit
aufgenommen wird.
Eine ähnliche Vermehrung erhalten alle diejenigen Salze, welche bei der Operation des
Schmelzens unzersezt bleiben; hiezu gehören namentlich Chlorkalium und Chlornatrium,
die theils schon in der Pottasche enthalten sind, theils aber erst entstehen, ohne
jedoch wieder zersezt zu werden.
Hieraus geht hervor, daß man sich bei der Fabrication bedeutend irrt, wenn man die
Mutterlaugen des eisenblausauren Kali's immerwährend statt Pottasche betrachtet und
anwendet; ja wenn ein gewisses Verhältniß zwischen Anwendung der thierischen Stoffe
und der Pottasche ein bestes ist, so sieht man leicht ein, daß man ganz unsicher
geht, wenn man nicht auf gegründete Ursachen hin die
eingedampfte Mutterlauge statt irgend einer Qualität und Menge Pottasche verwendet.
Dieses ist nun aber auch der Fall; ja man ist in dem Fache der eisenblausauren
Kalifabrication noch auf so unsicherer Praxis, wie es in keinem andern chemischen
Gewerbe der Fall ist, weil theils die Wege zu genauen Untersuchungen zu langweilig
sind, als daß der Fabrikant Zeit darüber versäumen könnte, theils weil so viele
Umstände zu gleicher Zeit in Wirkung und Beziehung treten, daß man am Ende aller und
mannichfaltiger Versuche nicht weiß, welcher Ursache man die vortheilhaftere
Production beizumessen habe.
Bisher hinderte die schwierige Untersuchung der Mutterlaugen
des eisenblausauren Kali's, bevor man sie anwendete, sehr eine Vergleichung
der Resultate, denn diese muß immer wieder anstatt Pottasche angewendet werden,
obgleich sich diese Mutterlaugen aus schon berührten Gründen bald ganz anders
verhalten müssen. Man
war daher stets in Ungewißheit, in wie weit die Bestandtheile der Mutterlauge
mitwirkten, da ihre Bestimmung in so kurzer Zeit, als es seyn sollte, auf directem
Wege nicht möglich war. Ich habe mich bemüht, eine Methode zur Untersuchung
aufzufinden, wodurch sie geschehen kann und man der Schwierigkeiten überhoben ist,
welche die Bestimmung der Kieselerde verursacht; denn die
Bestimmung dieser ist die größte Schwierigkeit, da sie sehr leicht sich in
überschüssiger Säure, die man zur Ausscheidung anwendet, wieder auflöst, andere
Trennungsmethoden aber noch mehr Umstände veranlassen.
Vorher noch einige Bemerkungen. Ich habe in meiner berührten Abhandlung im
polytechnischen Journale mitgetheilt, daß das schwefelsaure Kali in der Pottasche
zur Erzeugung von Schwefelcyankalium beitrage; auf
gleiche Weise muß der Schwefelgehalt der thierischen Stoffe selbst wirken, nämlich
ebenfalls eine Menge dieser Verbindung erzeugen.
Das Verhalten der Mutterlaugen des blausauren Kali's ist nun in Bezug auf obiges
äußerst merkwürdig. Wie die rohe eisenblausaure Kalilauge, aus der man das
eisenblausaure Kali als Rohsalz anschießen läßt, die Eigenschaft hat, mit allen den
Reagentien, welche die Hydrothionsäure anzeigen, auf Hydrothionsäure mehr oder minder stark zu reagiren, so
hat diese Eigenschaft die Mutterlauge eben so und gewinnt sie immer mehr, je öfter
sie gebraucht wurde, wohl aus demselben Grunde, aus welchem sich der Gehalt der
anderen Salze und der Kieselerde eben so vermehrt, jedoch ohne daß man das Daseyn
von schwefelblausaurem Kali nachweisen könnte, da die Entziehung des Schwefels durch
Metalloxyde zwar gelingt, aber in Ungewißheit läßt, ob Blausäure mit ihr verbunden
war, die sich sehr schnell in Ammoniak zersezt, welches sich ohne dieses aus der
Lauge entbindet. Eine Fällung mit einem Metallsalze gibt aber immer nur einen
Niederschlag, der dem des Schwefelmetalls an Farbe gleich ist.
Auch die Größe dieses Bestandtheils muß untersucht werden können, damit man
beurtheilen kann, wann die fernere Verwendung dieser Mutterlauge zu großen Nachtheil
hervorbringt.
Untersuchungsmethode der
eingedampften blausauren Kalimutterlaugen.
Die Untersuchung derselben muß von einer solchen Probe geschehen, die der
Mutterlauge, wie man sie wieder anwendet, gleich ist. Mehrere Stüke der Suite
werden zusammengenommen, zerstoßen und durch einander gemengt, und damit dieß
aufs Genaueste geschehe, noch das Zerstoßene und Gemengte zusammen gesiebt.
a) 5 Gramme davon untersucht man alkalimetrisch
vermittelst einer Probeflüssigkeit, welche für unverwitterte krystallisirte Soda
36 Grade zeigt, um den Alkaligehalt kennen zu lernen. Jeder Grad des
Alkalimeters zeigt für 100 der untersuchten Mutterlauge 0,915 Kaligehalt an.
Mithin wären in 100 einer untersuchten Mutterlauge von 50 Graden z.B. 45,750
Theile Kaligehalt. Dieser wird als Bestandtheil vorgemerkt.
b) 100 Gramme davon wiegt man eben so genau ab und
löst sie in einem kleinen Zukergläschen in Wasser auf; dann wiegt man ein
passendes Gläschen mit verdünnter Schwefelsäure (alkalimetrischer
Probeflüssigkeit) sammt dem Inhalt, damit man zurükwiegen könne, was man
herausgießt. Damit nichts verschleudert wird, muß das Gläschen zum Ausgießen
bequem seyn. Erstere Auflösung sey in dem Gläschen A, so bestimmt man ihr Gewicht mit dem Glase, also ihr Bruttogewicht, aufs
genaueste und sezt es = A. Eben so verfährt man mit
der verdünnten Schwefelsäure, deren Bruttogewicht (Gewicht sammt dem Glase) man
= B sezt. Nun sättigt man die Lösung A mit der Schwefelsäure aus B, bis kein Aufbrausen mehr erfolgt (das Glasstäbchen zum Umrühren in
A ist dazugewogen), und wiegt beide Gefäße mit
ihrem Inhalt wieder.
Man erhält dann ein Gewicht A II und B II.
Die Schwefelsäure, die aus B I gegossen wurde,
beträgt x und wird zu A
gezählt, und A II soll nun = A + x seyn. Allein da beim Sättigen der
Auflösung in A
Kohlensäure und Hydrothionsäure entweicht, welche wiegen, so findet man auf der Waage
gegen A + x eine
Differenz, welche nun, wenn das Wägen überall genau und auf einer genauen Waage
und die Manipulation ohne Verschleuderung geschehen ist, = dem Gewicht dieser
Gase gesezt werden kann, welches man einstweilen vormerkt.
c) Es ist nun nothwendig, einen andern Versuch
anzustellen, aus welchem hervorgeht, wie dieses gefundene Gewicht auf die
Hydrothionsäure und Kohlensäure zu theilen ist. Zu dem Ende verschaffe man sich
chemisch reines kohlensaures Bleioxyd, welches
man sich am besten selbst durch Fällung von Bleizuker mit kohlensaurem Natron
verschafft, und wende es in troknem Zustande an. Man wiege sich davon in ein
Gefäß ein gewisses Gewicht und taxire das Gefäß sammt Löffelchen zum
Herausnehmen, um nachher es wieder abwiegen und das Davongenommene bestimmen zu
können. Ferner mache man eine Auflösung von 100 Grammen der zu untersuchenden
Mutterlaugen und filtrire sie unter Hinzugabe der Aussüßwasser. In diese Lösung
trage man erst gramm-, dann decigrammweise von dem Bleiweiße ein, aber
nicht über den Punkt, wo aller Schwefel des Schwefelkaliums entzogen
ist. Dieser Punkt ist erreicht, wenn etwas Geringes des zugesezten Bleiweißes
weiß niederfällt, oder wenn, was sich besser erkennen läßt, ein mit
Bleizukerlösung getränktes Papierchen nicht mehr braun gefärbt wird. Die
Vorsicht ist anzuwenden, daß man nicht eher wieder eine neue Portion des
kohlensauren Bleioxyds hinzu thue, als bis das erst zugesezte gut zertheilt ist
und Zeit hatte, sich in Schwefelblei zu zersezen. Am sichersten geht dieser
Proceß bei Erwärmung der Auflösung über der Weingeistlampe vor sich.
Wenn man die Entschwefelung der Flüssigkeit auf diese Weise erreicht hat, so
bestimmt man durch Zurükwiegen des kohlensauren Bleioxydes das verbrauchte
Quantum, welches = der Differenz ist. Da 134 kohlensaures Bleioxyd 17 Theilen
Hydrothionsäure entsprechen, so berechnet man
durch Proportion diesen Betrag. Es seyen z.B. 50 kohlensaures Bleioxyd
erforderlich gewesen, so entspricht dieses Quantum 134 : 17 = 50 : x; x = 6,34
Hydrothionsäure.
Diesen Betrag zieht man nun von dem unter b
erhaltenen Betrage der beiden Gase ab, und es bleibt für die Kohlensäure der
Rest. Beide gefundenen Gewichte wird man nun zu den Bestandtheilen in 100
sezen.
Es bleibt nun noch übrig, den Betrag der andern Salze auszumitteln und zu den
bereits in 100 gefundenen zuzuzählen; die Differenz oder das Supplement zu 100
ist dann gleich dem Kieselerdegehalt.
Die übrigen Salze sind Kochsalz und Chlorkalium, wenig schwefelsaures Kali, da dieses nicht bestehen kann, und diese werden
nur dadurch schädlich, daß man glaubt, statt ihrer Pottasche in der Arbeit zu
haben. Da es zu schwer ist, schnell zu untersuchen, ob das salzsaure Salz
Kochsalz oder salzsaures Kali sey, so ist anzunehmen, als sey das gefundene Salz
die Hälfte von beiden, und man irrt sich nicht viel auf Rechnung der Kieselerde,
da ihr stöchiometrisches Gewicht nicht außerordentlich verschieden ist; auch
gibt schon die folgende Untersuchung einen hinreichenden Maaßstab, ob man sie
viel oder wenig zu beachten habe.
d) 100 Gramme sättigt man mit chemisch reiner Essigsäure, filtrirt die helle Lösung und fällt mit
salpetersaurem Silberoxyd. Die Ausscheidung der
Kieselerde berüksichtigt man dabei nicht, indem man durch gutes Auswaschen,
wodurch sich aber fast alles wieder löst, die Chlorsalze doch in der filtrirten
Auflösung erhält. Da es der Fall seyn könnte, daß Kieselerde mit niederfiele,
oder auch schon der Leichtigkeit des Untersuchens wegen, bestimmt man die Menge
des zur Fällung nöthigen salpetersauren Silberoxyds, indem man eine Auflösung macht, deren
Gehalt man kennt. Dann berechnet man aus dem verbrauchten Quantum derselben den
aufgewendeten Gehalt; da 170 Silbersalpeter 74,6 Chlorkalium und 58,7 Kochsalz
entsprechen, so kann man als das Mittel annehmen, daß 170 Silbersalpeter 66,6
Chlorsalz entsprechen. Hat man nun auf diese Art die übrigen Bestandtheile der
Mutterlauge in 100 annäherungsweise gefunden, so macht die Ergänzung oder
Differenz die Summe für Kieselerde aus; denn eben so wenig als andere noch
geringere Vorkommnisse kann für den Fabrikanten noch die Spur eisenblausauren
Kali's, die sich noch in derselben vorfindet, ein Gegenstand der quantitativen
Untersuchung seyn.
Jede andere genauere Untersuchungsweise ist dem Fabrikanten schon deßwegen ganz
unausführbar, da es erheischt wird, daß sie in einem Tage geschehen sey, um sich
darnach richten zu können, wenn schon den andern Tag die Mutterlauge wieder in
Fabrication kommt, wie es der Fall seyn muß, wenn nicht gar zu viel
Betriebscapital zur Vorräthighaltung von Pottasche erfordert werden soll; sie
ist aber auch hinreichend genau, da der reine Kaligehalt ganz genau, eben so
genau der Schwefelwasserstoffsäurebetrag so wie der der Kohlensäure dadurch
gefunden werden kann. Die Ungewißheit, ob das salzsaure Salz Kochsalz oder
salzsaures Kali sey, verursacht allein einige Ungewißheit des Verhältnisses
zwischen Kieselerde und diesen Salzen unter sich, jedoch kann dieses nicht mehr
als 58,7/74,6 betragen.
II. Merkwuͤrdige Erscheinungen
beim sogenannten Schmelzen des blausauren Kali's.
1) Es scheint, daß ein zu großer Ueberschuß von Kali gegen die Thierkohle die Bildung
von Cyaneisenkalium verhindert, wenigstens ist es gewiß, daß weniger eisenblausaures
Kali gebildet wird, wenn das Verhältniß 75 Pottasche zu 55–60 thierischer
Kohle in der Art besteht, daß die Pottasche, welche zum Schmelzen angewendet wurde,
über 54–60 alkalimetrische Grade hatte. Ich leitete diese Minderausbeute
früher davon ab, daß ich sagte, bei einem Ueberschuß von kohlensaurem Kali und
geeigneter Temperatur werde durch den Kohlenstoff des Cyans die Kohlensäure zerlegt,
somit das Cyan zerstört; allein dieses scheint nicht der Fall zu seyn, da ja nach
dem Schmelzen noch doppeltkohlensaures Kali sich zeigte und das Cyan doch nebenbei
bestehen konnte. Dessen ungeachtet bin ich noch derselben Meinung, da besonders
nicht doppeltkohlensaures Kali in der Glühhize und bei Gegenwart von überschüssiger
Kohle, wie sie von der Thierkohle zurükbleibt, bestehen kann. Demnach muß sich
unbedingt das
kohlensaure Kali erst beim Auflösen mit Kohlensäure mehr und mehr sättigen, was auch
nicht in dem Maaße durch Anziehung derselben aus der Luft erfolgen kann. Sie muß
also erst durch eine vorgehende Zersezung in den Laugen selbst entstehen.
Ich war stets der Meinung, durch das Kochen der Rohlaugen der Masse werde nach und
nach immer mehr eisenblausaures Kali zersezt, indem sich
Ammoniak erzeuge, und diese Annahme wurde dadurch gerechtfertigt, daß es sich ergab,
daß in allen den Fällen, wo bei der Manipulation im Großen starke Ammoniakentbindung
eintrat, auch eine mindere Ausbeute mit verbunden war. Ich kann jedoch nach neu
angestellten Versuchen erklären, daß durchaus keine Zersezung des eisenblausauren
Kali's beim Kochen der Rohlauge mehr Statt finde; denn Laugen einer abgelaugten
Masse gleich getheilt und die eine Partie langsam eingedunstet auf 32°
Baumé, die andern so rasch als möglich zum Trokenwerden, und bei
Wiederauflösen, nochmaligem Einkochen auf diesen Zustand und Wiederauflösen auf
32° Baumé, ferner gleiches Krystallisiren, lieferten eine so geringe
Differenz, daß diese nur von der unmerklich ungenauen Concentration der Laugen zur
Krystallisation abgeleitet werden konnte.
Eben so wenig rührt die Ammoniakentwikelung dabei von blausaurem Kali her, das nicht
mit Eisenoxydul vereinigt ist und welches sich bekanntlich beim Kochen in Ammoniak
zersezt; denn man findet bei folgender Untersuchung nur eine Spur davon in der
Rohmasse: man löse die rohe Masse in wasserfreiem Alkohol
auf, in welchem sich wohl das Cyankalium, aber nicht Eisencyankalium auflöst, so
wird man nach dem Zusaz von Eisenoxydulhydrat, das frisch bereitet ist und welches
sich mit dem Cyankalium zu Eisencyankalium verbindet, nichts des leztern entstehen
sehen, oder nur eine Spur, da mit Eisenvitriol nur eine Spur von blauem Niederschlag
erfolgt. Da ich in der Meinung war, daß diese Ammoniakentwikelung im Großen davon
herrühren solle, daß sich blausaures Kali in der Lauge befinde, so wollte ich durch
Zusaz von Eisenoxydulhydrat eine Mehrausbeute des eisenblausauren Kali's erlangen;
allein es gelang nicht, weil eben kein blausaures Kali vorhanden war, das in
eisenblausaures Kali zu verwandeln gewesen wäre. Dieser Umstand bestimmt
nothwendiger Weise zu der Annahme, daß die Ammoniakerzeugung dem vorhandengewesenen
cyansauren Kali zuzuschreiben sey. Ich hatte zwar
nicht fernere Gelegenheit, das cyansaure Kali aus der Masse durch Auflösen in
Alkohol herzustellen, allein höchst wahrscheinlich ist doch das cyansaure Kali die
Ursache dieser Ammoniakentwikelung, und es ist einem Chemiker, der Gelegenheit hat,
sich damit zu beschäftigen, eine leichte Aufgabe, ihre Richtigkeit oder Unrichtigkeit
zu beweisen. Vorerst gründet sie sich auf das Nichtvorhandenseyn von zersezbarem
blausaurem Kali, als durch dessen Zersezung ebenfalls Ammoniak und Kohlensäure
entstehen soll (Gmelin I. S. 566), daß cyansaures Kali
(Gmelin I. S. 568) sich so leicht in Ammoniak und
kohlensaures Kali zersezt, und daß es wohl in der Masse angenommen werden kann,
indem die Rohmasse auf eine Art erzeugt wird, wo sich sehr leicht (Gmelin I. S. 459 und 460) Cyansäure bilden kann. Insofern
Cyansäure (siehe Gmelin I. S. 460) sich in Berührung mit
Wasser allmählich in doppeltkohlensaures Ammoniak zersezt, ist auch anzunehmen, daß
sich cyansaures Kali auf gleiche Weise in doppeltkohlensaures Kali und Ammoniak
zerseze, und somit wäre hieraus die Entstehung des doppeltkohlensauren Kali's und
des Ammoniaks sehr leicht zu begründen.
Die Menge des doppeltkohlensauren Kali's, die dabei erzielt wird, ist so bedeutend,
daß nach dem ersten Verbrauch der Pottasche sogar die Mutterlaugen neben den andern
genannten Salzen nur aus diesem sehr leicht anschießenden Salze bestehen.
Hieraus ließen sich, insofern die Thatsache unbezweifelt dargethan ist, daß neben
Cyaneisenkalium eine Menge cyansaures Kali erzeugt werde, wichtige Folgerungen
machen für die Operation im Ofen, und darauf hin vielleicht das technische Verfahren
verbessern oder so abändern, daß dieses cyansaure Kali ebenfalls in Cyaneisenkalium
zersezt und gewonnen wird. Hiezu scheinen die in Gmelin
I. S. 567 angegebenen Zersezungsarten des cyansauren Kali's zum Theil Anlaß geben zu
können; auch sieht man ein, daß nur Entziehung von 1 Mg. Sauerstoff nöthig ist, um
das Cyan wieder zu bilden, das sich dann mit Eisen und Kalium vereinigen könnte.
Da der Luftzutritt besonders auch zu der Bildung desselben beiträgt, so wird man ihn
so viel als möglich abhalten müssen. Auch läßt sich vermuthen, daß bei
überschüssiger Pottasche das Cyan oder dessen vorhandene Bestandtheile wirklich
theils die Pottasche reducire, unter Aufnahme des Sauerstoffs der Kohlensäure und
Verbindung mit dem Kali zu cyansaurem Kali, womit also Verlust an Cyaneisenkalium
Statt finden muß.
2) Sobald man reineres Kali zur Bereitung der Schmelzen anwendet, so wird man finden,
daß der Gang der ganzen Schmelzoperation schwieriger ist, daß nämlich die Pottasche
vor dem Eintrag längere Zeit zum Schmelzen erfordert und beim Eintrag schwerer
wieder jedesmal flüssig zu bringen ist. Dieses kann bei reinerer Pottasche, wo
dieses Statt hat, Ursache der Minderausbeute werden, da vielleicht in der erhöhten
Wärme um so mehr die erwähnten Zersezungsarten wie durch die längere Dauer der Operation befördert werden
mögen. Wendet man dagegen theilweise die Mutterlaugen an, oder eine Pottasche, die
bei guter Trokenheit weniger alkalimetrische Grade hat, so findet man einen viel
leichtern Gang der Schmelzen in kürzerer Zeit und wohl bei niedrigerer Temperatur,
da sie nicht so lange im Ofen bleiben. Damit ist zugleich, wenn nur nicht allzuviel
Kieselerde und Schwefelkalium oder schwefelsaures Kali als
Bestandtheil vorhanden war, eine Mehrausbeute erzielt.
Der Grund mag der seyn, daß bei einem solchen Kaligemenge für so viel Cyankalium, als
sich bilden kann, hinreichend genug kohlensaures Kali und nicht zu viel vorhanden
ist, und daß die Schmelzung bei einem Hizgrad vor sich gehen kann, wo mehr
Cyaneisenkalium als cyansaures Kali erzeugt wird.
Es wäre eine Aufgabe zu lösen, welches Salzgemenge von kohlensaurem Kali und
kohlensaurem Natron oder salzsaurem Kali am leichtesten in Fluß käme, und man würde
ein solches Gemenge, dem man allemal das durch Entziehung des Cyaneisenkaliums
ausgeschiedene Kali wieder bei der neuen Anwendung in reiner Form ersezte,
vielleicht am vortheilhaftesten finden.
Die Dauer der Schmelzen und der Hizgrad, bei dem geschmolzen wird, haben auch noch
einen anderen Einfluß beim Schmelzen, der zu bedeutenden Verlusten führen kann.
Dieser besteht in der Verflüchtigung einer größeren Menge von Kali. Diese
Verflüchtigung geht außerordentlich rasch vor sich, so daß in einer halben Stunde
längerer Dauer die ausgezogene Schmelzmasse 5–6 Pfd. weniger wiegt.
Wählt man ein solches Schmelzverhältniß, daß die Dauer durch Eintrag eines größeren
Verhältnisses Kohle stark verlängert wird, wie es deßwegen geschieht, weil am Ende
die Masse nur langsam wieder erweicht, so wiegen die Schmelzen oft doch nicht mehr,
d.h. die Zunahme an Gewicht durch die größere Menge Kohle verschwindet durch die
Verflüchtigung von Kali oder Kalium. Dieser Verlust ist sehr zu berüksichtigen, da
bei einem jährlichen Betrieb auf diese Art eine Menge Verlust an Kali Statt findet;
deßwegen könnte auch ein leichtflüssiges, jedoch für die Bildung des
Cyaneisenkaliums unschädliches Salzgemenge in diesem Betrachte nüzlich werden.
III. Ueber die Reinigung der Pottasche
zur Fabrication des blausauren Kali's.
Wenn erwiesen ist, daß bei Vorhandenseyn von schwefelsaurem Kali sich
Schwefelcyankalium erzeugt, so kann die Pottasche am besten dadurch gereinigt
werden, daß man sie kalt in wenig Wasser auflöst, durch bloßes Einweichen; dabei
löst sich, wenn eine Lauge von 45° Baumé erzeugt wird, die man durch
Absezen vom ungelösten trennt, nur äußerst wenig schwefelsaures Kali mit auf; dieses
bleibt ungelöst im Bodensaze zurük. Laugt man den Bodensaz ferner aus, und sammelt
man die Auflösungen, auch die schwächsten nachgehenden, ganz rein, dampft dann auf etwa 25° Baumé ein, so scheidet sich
bis dorthin das meiste schwefel- und salzsaure Kali aus, und man trennt die
reinere Lauge von dem, was sich nach dem Erkalten noch abgesezt hat, und dampft dann
die erste abgezogene Lauge nun mit lezterer ein, wodurch ziemlich reines
kohlensaures Kali gewonnen wird. Wendet man calcinirte
Pottasche an, so kann man durch Wiederauflösen des getrennten Salzes zu einer Lauge
von 16–17° Baumé, durch Absezen in der Wärme, Zurükbringen der
hellen Lauge in den Kessel, wo sie wieder zum Kochen erwärmt wird, und
Erkaltenlassen in dem erwärmten Kessel, wobei noch langsame Abdampfung erfolgt, das
schwefelsaure Kali in großen Krystallen als
sogenanntes Perlsalz, wie es im Handel vorkommt,
erhalten.
IV. Einige Bemerkungen uͤber die
Abgaͤnge der blausauren Kalifabrication.
Die nach der Auslaugung der Schmelzen des blausauren Kali's bleibenden Rükstände von
thierischer Kohle geben, neuerdings mit Pottasche behandelt, noch ein Geringes von
blausaurem Kali. Wenn man sie längere Zeit liegen läßt, so erzeugt sich in den davon
aufgeschichteten und der Verwitterung an der atmosphärischen Luft ausgesezten Resten
von zurükgebliebener Eisenfeile und Eisenstüken, die z.B. im Leder waren, als
Schuhnägel, eine Menge Eisenoxyd, das sich durch gelbe Floken bezeichnet. Auch
wittert aus den Haufen derartiger Stoffe nach und nach ein weißgelbes Salz aus, so
wie auch hie und da Streifen und Floken mit blauer Farbe von Cyaneisencyanür
entstehen. Unternimmt man nach längerer Verwitterung eine Auslaugung, indem man die
Stoffe mit 5 und 10 Proc. ungelöschtem Kalk mengt und sie wie Aescher behandelt, so
erhält man, durch mehrfaches Uebertragen der erst schwachen Laugen auf frische
Aescher, Laugen von 10–17° Baumé.
Diese Laugen, deren Erzeugung sehr einfach ist, lassen sich vortheilhaft benuzen.
Kocht man sie nämlich ein, so fällt, wenn man die verdampfte Lauge immer wieder
durch frische Lauge ersezt, immerfort schwefelsaures Kali nieder, das man
ausschöpfen kann. Nur nach und nach, höchst langsam, steigen in der durch frische
Lauge immerfort gespeisten Lauge die Aräometergrade, indem nämlich, da alles
schwefelsaure Kali bei stärkerer Concentration niederfällt, die gelösten Bestandtheile, die eine größere
Concentration erlangen, sich fast nur aus Schwefelkalium und eisenblausaures Kali
reduciren. Durch Zusaz von kohlensaurem Kali wird der eisenblausaure Kalk in
eisenblausaures Kali zerlegt, und es schießt daraus nebst dem schon in der Lauge
vorhanden gewesenen, nach Filtration der auf 32° Baumé eingedampften
Laugen an, und beträgt noch Procente von der angewendeten thierischen Kohle.
Da die Manipulation des Auslaugens und Eindampfens reichlich durch das gewonnene
schwefelsaure Kali belohnt wird, so ist diese eisenblausaure Kaliausbeute aus
solchen Stoffen noch als baarer Gewinn anzusehen.
Da dem schwefelsauren Kali, das bei der Abdampfung ausgeschöpft wird, immer eine Spur
eisenblausauren Kali's mechanisch anhängen bleibt, so ist seines Gebrauches z.B. in
Alaunwerken wegen, wo es denselben blau färben würde, eine Entfernung dieses
Anhängsels nothwendig. Zu diesem Ende kocht man es portionenweise in einer und
derselben Auflösung von schwefelsaurem Kali von 17° Baumé (auf höhere
Aräometergrade sättigt sich die Lauge nicht) aus und wäscht es noch in kaltem
Wasser, das man ebenfalls wiederholt anwendet, wodurch es nur noch spurweise blau
reagirend gewonnen wird. Die hievon erhaltenen Laugen und Waschwasser haben dann das
leichter als schwefelsaures Kali lösliche eisenblausaure Kali aufgenommen und werden
dann mit frischer Lauge zur Fällung ihres schwefelsauren und Gewinnung ihres
eisenblausauren Kaligehaltes wieder eingedampft.
Der rükständige Rest der Thierkohle kann nun noch mehrfache Benuzungen erleiden. Man
schlämmt ihn durch gröbere Siebe, wo die Eisenreste, die in den Horn- und
Lederwaaren enthalten waren, zum Theil gewonnen werden, und er kann dann an
Stahlschmelzereien verwerthet werden. Die mehr eisenfreie thierische Kohle, die noch
weiter geschlämmt und ausgewaschen wird, dient nach wiederholtem Glühen als ein
gutes Klärpulver, besonders für essigsaure Salze, wie bei der Bleizukerfabrication.
Andererseits kann die mehr eisenoxydhaltige Kohle zur Entschwefelung des
Schwefelkaliums dienen, und sie leistet bei nachfolgender Verwendung der blausauren
Kalimutterlauge sehr gute Dienste.
V. Ueber die vortheilhaftere Verwendung
der blausauren Kalimutterlaugen.
Wenn einmal die Mutterlaugen des blausauren Kali's zu überfüllt von
Schwefelkalium- und Kieselerdegehalt sind, so ist es das Beste, sie nicht wieder
anzuwenden zu diesem Behufe. Der Schwefelgehalt läßt sich zwar wie der
Kieselerdegehalt ausscheiden, allem lezterer mit solchen Umständlichkeiten und
solchem Zeitaufwande daß es nicht Sache für den Fabrikanten ist. Er müßte die
entschwefelte Lauge der Luft aussezen, damit sie Kohlensäure anzöge und in diesem
Maaße Kieselerde fallen ließe, deren Filtration und Auswaschen noch weit schwieriger
ist, da mit dem Auswaschen zugleich Wiederauflösung der Kieselerde verbunden ist.
Demnach kann der Fabrikant nicht darauf reflectiren, es zum Behufe der
eisenblausauren Kalifabrication wieder zu reinigen, da ihm dieser Kaligehalt viel
theurer zu stehen käme, als er ihn sich durch Ankauf verschaffen kann.
Ist der Fabrikant des blausauren Kali's zugleich Farbenfabrikant, so kann er diese
Mutterlauge auf andere Weise viel vortheilhafter benuzen, besonders aber zu einem
weißen Farbenkörper, der sehr gut unter die blauen
Farben statt anderer weißer Beimengungen, als Alaunerde, taugt, da er sehr mild und
leicht zerreiblich bleibt. Dann muß sie aber vorher entschwefelt werden. Dieß
geschieht folgendermaßen. Die Mutterlauge wird mit Wasser auf etliche zwanzig Grad
Baumé verdünnt. Hierauf sezt man nach und nach von den
eisenoxydhydrathaltigen ungeglühten geschlämmten Rükständen bei erfolgtem Aufwärmen
der Lauge zum Kochen hinzu, bis eine abfiltrirte Probe der Flüssigkeit mit
Bleizukerlösung keinen braunen Niederschlag mehr, sondern einen weißen erzeugt,
somit aller Schwefelgehalt gefällt ist.
Jezt braucht man nur die Lauge von der in starker Quantität nöthig gewesenen Kohle
durch Filtration und Auswaschen zu trennen, und man hat dann kieselsaures und
kohlensaures Kali.
Um den damit zu erzielenden Farbenkörper zu bekommen, schlägt man mit dieser
Auflösung eine Alaunlösung nieder, und man erhält eine sehr durch die Kieselerde im
Gewichte vermehrte (kieselsaure) Alaunerde, die zu einem äußerst zarten sehr weißen
und milden Pulver für sich, und in Verbindung mit Farben eben so zart auftroknet.
Ein eben solcher, noch lokrerer Niederschlag wird gewonnen, wenn man statt Alaun schwefelsaure Bittererde nimmt. Das Gewicht des
erhaltenen Niederschlags ist um so größer, je größer der Kieselerdegehalt der Lauge
war.
Würde man die Lauge unentschwefelt anwenden wollen, so würde der Niederschlag durch
Schwefeleisen schmuzig, wenn der Alaun oder die Bittererde nur im geringsten
eisenhaltig gewesen wäre.
Ist eine Seifensiederei etwa mit einer solchen Fabrik vereinigt, so kann man diese
Lauge auch äzend machen und sie zum Seifensieden mit benuzen, auf welche Art man
dann kieselerdehaltige Seife bekommt; denn die Kieselerbe scheidet sich während dem Verseifen
aus. Auch kann man zu diesem Behufe die entschwefelte Lauge vorher der Luft
aussezen, daß Kieselerde niederfalle. Man kann sie dann (die Kieselerde nämlich)
unausgewaschen der Seife zusezen, wenn sie ausgeschöpft wird, und man erhält eine
kieselerde- und kohlensaures Kali haltige Seife, die sehr gut reinigt.