Titel: | Beschreibung eines Verfahrens, um den Rohzuker aus den Runkelrüben zu gewinnen und ihn in raffinirten Zuker zu verwandeln, ohne daß er aus den Formen genommen wird; von Hrn. Boucher. |
Fundstelle: | Band 76, Jahrgang 1840, Nr. XC., S. 369 |
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XC.
Beschreibung eines Verfahrens, um den Rohzuker
aus den Runkelruͤben zu gewinnen und ihn in raffinirten Zuker zu verwandeln, ohne
daß er aus den Formen genommen wird; von Hrn. Boucher.Dem Verfasser dieser Abhandlung wurde von der Société d'Encouragement für dieses Verfahren ein Preis
von 2000 Fr. zuerkannt. Man vergl. S. 278 im vorhergehenden Hefte des polytechn.
Journals.A. d. R.
Aus dem Bulletin de la Société
d'encouragement. April 1840, S. 134.
Boucher's Verfahren aus den Runkelruͤben raffinirten Zuker
zu gewinnen.
Vor Allem müssen die Runkelrüben nach der Ernte gehörig aufbewahrt werden; ich lege
sie in 6 Schuh hohen Haufen von beliebiger Breite und Länge in ein bedektes Magazin,
worin für einen Luftzug, welcher die aus der Masse entbundene Wärme ableitet,
gehörig gesorgt ist.
Die Runkelrüben werden dann zur Waschvorrichtung geführt und von einer Weibsperson
hineingeworfen; sie kommen am entgegengesezten Ende von Erde gereinigt heraus und
fallen auf eine Horde an der Seite der Reibmaschine. Ein Kind bringt sie nach und
nach in den Rumpf der lezteren, von welchem aus sie durch die regelmäßige Bewegung
der Maschine dem gezähnten Cylinder genähert und zerrissen werden; da diese
Zertheilung aber nicht hinreicht, um allen Saft auszuziehen, so benuzt der Verfasser hiebei
auch noch das Wasser als Auflösungsmittel; er richtet nämlich einen Wasserstrahl auf
die Trommel der Reibmaschine. Die Runkelrüben kommen also in dem Augenblik, wo sie
zerrieben werden, mit diesem Wasser in Berührung, dasselbe dringt in alle ihre Poren
ein, vermischt sich mit dem Saft und macht ihn dünnflüssiger, so daß er leichter
entweichen kann; ohne einen solchen Zusaz würde ein Theil des sehr klebrigen Saftes
nicht ablaufen, der Rükstand (die Treber) dadurch fett werden, und man erhielte eine
geringere Ausbeute.
Der zerriebene Brei fällt in einen Behälter, und der lezte immer obenauf; oft blieb
hiebei der untere lange liegen und kam in Gährung. Hr. Boucher hat diesem Uebelstande dadurch
abgeholfen, daß er unter der Reibe eine Archimed'sche Schraube anbrachte, welche den
Brei beständig wegführt, ohne von älterem etwas zurükzulassen, und zugleich eine Art
Maceration hervorbringt, indem sie ihm Wasser einverleibt.
Zum Auspressen wird Pecqueur's
Walzenpresse benuzt, und die Anordnung ist so getroffen, daß die Runkelrüben, welche
zuerst zerrieben werden, auch zuerst in die Presse kommen, ohne daß die Beihülfe
eines Arbeiters nöthig wäre; das ganze System ist ein mechanisches und
zusammenhängendes; man braucht nur einen Knaben an der Reibmaschine und einen
Arbeiter zum Wegnehmen des ausgepreßten Rükstandes, so daß hiebei für dieselbe
Quantität Runkelrüben gegen andere Fabriken wenigstens 12 Arbeiter erspart
werden.
Die Walzen der Presse sind hohl und nehmen den Saft auf, welcher durch kupferne
Röhren in einen metallenen Behälter abläuft; nachdem lezterer gefüllt ist, wird der
Saft durch Dampfdruk in ein 24 bis 30 Fuß hohes Reservoir hinaufgetrieben, von
welchem aus er in den Läuterungskessel herunterläuft.
Sobald einer der Kessel bis auf 5 Hectoliter (500 bayerische Maaß à 2 Pfd.
Wasser) gefüllt ist, läuft der Saft in den anderen Kessel; während dieser Zeit läßt
man den Dampf eintreten, um den Saft zu erhizen; man muß also die zu seiner
Reinigung oder Läuterung erforderlichen Substanzen in Bereitschaft halten. Wenn man
hiezu bloß Kalk anwenden wollte, so würde derselbe ein zu großes Volumen einnehmen,
auch einen Theil des Saftes zerstören, so daß lezterer einen üblen Geruch annähme,
welcher erst beim Raffiniren durch das Schmelzen dieses Zukers wieder verschwinden
würde: um diesem zu begegnen, bedient sich der Verfasser einer Alaunauflösung, welche sich der färbenden Bestandtheile bemächtigt; diese
Auflösung gibt man in den Kessel, sobald der Saft auf 25 oder 30° R. kommt,
und rührt stark um; wenn dann die Temperatur des Saftes im Kessel 70 bis 72° R.
erreicht hat, sezt man 1 1/2 Kilogr. (3 Pfd.) abgelöschten Kalk (je nach der
Beschaffenheit der Runkelrüben), welcher vorher mit Wasser zu einer Milch angerührt
wurde, zu und rührt wieder stark um, läßt dann das Ganze einen Augenblik in Ruhe,
worauf der Saft bald ins Kochen kommt; bei dem zweiten Aufkochen sperrt man den
Dampf ab, läßt die Masse 5 Minuten lang in Ruhe und nimmt den Schaum auf ihrer
Oberfläche weg; man öffnet nun den Abziehhahn, wo sodann der Saft klar auf ein
Filter mit grober wiederbelebter Kohle abläuft und sich in einem Behälter sammelt,
von welchem aus er zum Eindampfen kommt.Wenn der Saft auf 35° R. ist, gießt man eine Alaunauflösung hinein,
welche 1 1/2 Gramme Alaun per Liter Saft enthält
(24 Gran Alaun auf eine bayerische Maaß Saft); man läutert bei 80°
R.Auf 100 Hectoliter Saft nimmt man 750 Gramme (auf 100 bayer. Maaß 1 1/2 Pfd.)
Alaun.
Wenn der geläuterte Saft sehr hell ist, so zeigt dieß an, daß er gehörig von den ihn
verunreinigenden Substanzen befreit wurde; dessen ungeachtet kann er noch
auflösliche Salze enthalten, welche erst niederfallen, wenn er eine gewisse
Dichtigkeit (12 bis 15° Baumé) erreicht hat; man erhizt ihn daher in
Kesseln, welche mit Dampfröhren versehen sind; ein solcher Kessel ist durch eine
kupferne Wand in zwei Fächer getheilt und man regulirt den Hahn der Röhre, von
welcher aus der geläuterte Saft hineinläuft, so, daß der Saft sich rings herum
drehen muß. Nachdem er am entgegengesezten Ende angelangt ist, tritt er durch den
Hahn aus, gelangt durch einen Seiher in einen anderen Kessel, welcher wie der
vorhergehende eingerichtet ist, und tritt an dessen anderem Ende aus, um auf ein
Filter zu gelangen; alsdann wird er als Syrup betrachtet; im ersten Kessel ist die
Dichtigkeit des Saftes auf 8 oder 9° Baumé gestiegen, im zweiten auf
14 bis 15°; er hat sich jedoch getrübt, und in der Ruhe sezt sich daraus ein
salziger Schlamm ab, zu dessen Absonderung man ihn durch ein Filter mit grober
Kohle, durch welche schon Klärsel filtrirt wurde, laufen läßt. Gleich nach
Beendigung dieser Operation schafft man den Syrup in einen anderen Kessel, worin man
ihn auf 28 bis 30° Baumé eindikt; von diesem wird er durch einen Hahn
abgelassen und muß nun eine Schichte ungebrauchter grobkörniger Kohle
durchstreichen, worauf er in den zum Einkochen bestimmten Kessel gebracht wird.
Sollte dieses Klärsel nicht die erforderlichen Eigenschaften haben, weil vielleicht
die Runkelrüben eine Veränderung erlitten hatten, so klärt man dasselbe, sobald es
auf 30° Baumé gekommen ist, indem man auf ein Hectoliter desselben ein
Liter Blut und 2 Kilogr. fein gepulverte KohleAuf 100 bayer. Maaß Syrup 1 Maaß Blut und 4 Pfd. Kohlenpulver. anwendet; nachdem der Syrup gestiegen und das Blut gut geronnen ist, filtrirt
man durch einen Beutel aus Baumwollzeug; dadurch wird es sehr klar, so daß man es in
den Einkochkessel bringen kann.
Für kleine Formen kocht man weniger stark ein, als für große; der eingekochte Zuker
kommt auf den Kühler; das zuerst Eingekochte wird umgerührt, worauf man es bis zum
vierten Product ruhig stehen läßt, dann neuerdings umrührt und in Formen, sogenannte
Kanarienzuker-Formen, füllt. Der Zuker krystallisirt bald, man rührt ihn mit
einem hölzernen Messer um, und acht Stunden darauf nimmt man die Pfropfen aus den
Spizen der Formen, damit der Syrup ablaufen kann; vierundzwanzig Stunden später
gießt man auf die Basis des Brodes einen Liter reiner Zukerauflösung, indem man auf
den Böden die Wärme auf 20° R. erhält; am anderen Tag wiederholt man dieselbe
Operation, und am darauf folgenden macht man die Basis der Brode auf bekannte Weise
eben und gießt auf jedes einen Liter Thonbrei, welchen man vier Tage lang darauf
läßt, sodann aber wegnimmt, den Zuker reinigt, abtropfen und drei Tage consistenter
werden läßt; hierauf wird derselbe aus den Formen genommen und in die Troknenstube
gebracht.
Mit dem hiebei abgelaufenen Syrup und Nachlauf wird der Zuker in Broden wieder
beschikt; der zuerst abgelaufene oder grüne Syrup hingegen wird eingekocht und in
größere Formen, sogenannte Bastern, gebracht. Die von diesen lezteren ablaufenden
Syrupe oder Melassen werden stärker eingekocht und in die größten Formen gefüllt;
dieses dritte Product, welches weniger Zukerstoff als die drei vorhergehenden
enthält, heißt Farin.