Titel: | Weitere Notizen über die Wirkung der Gefälle oder Rampen an den Eisenbahnen. Von Hrn. de Pambour. |
Fundstelle: | Band 76, Jahrgang 1840, Nr. XCVII., S. 406 |
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XCVII.
Weitere Notizen uͤber die Wirkung der
Gefaͤlle oder Rampen an den Eisenbahnen. Von Hrn. de Pambour.
Aus den Comptes rendus de l'Académie des sciences
1. Sem. 1840, No. 8.
de Pambour's Notizen uͤber die Wirkung der Gefaͤlle
an den Eisenbahnen.
Ich habe in einer früheren der Akademie gemachten MittheilungMan findet diese Abhandlung im polyt. Journal Bd. LXXV. S. 329.A. d. R. nicht nur mehrere auf die Rampen und Gegenrampen bezügliche Fragen erörtert,
sondern ich habe auch dargethan, daß man an den Eisenbahnen viel stärkere Gefälle
oder Rampen, als solche, die dem Reibungswinkel der Waggons entsprechen, gestatten
kann, ohne daß man, wie es bisher der Fall war, zu befürchten brauchte, daß beim
Hinabrollen der Wagenzüge über dieselben gefahrdrohende Geschwindigkeiten eintreten.
Der Zwek meiner gegenwärtigen Mittheilung ist nun, an den auf das freiwillige
Hinabrollen der Wagenzüge über die Rampen bezüglichen Berechnungen eine Modification
anzubringen, durch welche jedoch deren Resultate keine Veränderung erleiden, und zu
zeigen, daß diese Resultate in der Erfahrung ihre Bestätigung finden.
Der Widerstand, den ein Wagenzug von der Maschine ganz abgesehen leistet, besteht aus
drei Elementen: nämlich aus dem Widerstande der Luft gegen den ersten Wagen, oder
die vordere Fläche des Wagenzuges; aus dem Widerstande der Luft gegen jeden
einzelnen der mittleren Wagen, und endlich aus der Reibung der Wagen. Zwei Reihen
von Versuchen, die ich der Akademie am 5. August 1839 vorzulegen die Ehre hatte,
machten mir die Bestimmung der beiden lezteren dieser Elemente möglich. Die erste
Reihe beruhte darauf, daß ich auf einen und denselben Rampen anfänglich mehrere
einzelne Wagen und dann dieselben Wagen in einem einzigen Zuge verbunden ihrer
Schwerkraft überließ. Der Unterschied, der sich in diesen beiden Fällen zwischen den
Resultaten zeigte, bestimmte den Widerstand der Luft gegen die mittleren Wagen, wenn
einmal der Luftwiderstand gegen die vordere Fläche des Zuges bekannt war. Die zweite
Reihe beruhte darauf, daß ich bedeutende Wagenzüge freiwillig über Rampen
hinabrollen ließ, woraus ich, indem dabei nach der in der ersten Reihe gegebenen
Bestimmung der Widerstand der Luft gegen den ersten Wagen sowohl als gegen den
mittleren in Anschlag gebracht wurde, die eigentliche Reibung der Wagen
ableitete.
Das Maaß des Luftwiderstandes, dessen ich mich zur Berechnung des Widerstandes, den die Luft
dem ersten Wagen entgegensezt, bediente, ist das bekannte von Borda angegebene. Es ging aus diesen Berechnungen hervor, daß die
mittleren Wagen der Züge dem Widerstande der Luft eine Oberfläche von 0,603
Quadratmeter darbieten mußten, und daß die eigentliche Reibung der Wagen von allem
Luftwiderstande abgesehen, zu 2,37 Kilogr. auf die Tonne angeschlagen werden muß.
Ich habe nun seither erfahren, daß Hr. Thibault, Schiffslieutenant zu Brest, neuere noch sehr wenig
bekannte Versuche über den Luftwiderstand angestellt hat. Diese Versuche geben nicht
nur ein weit genaueres Maaß dieses Widerstandes, sondern sie beweisen zugleich auch,
daß der Luftwiderstand in dem Maaße abnimmt, als die dünnen Oberflächen durch mehr
in die Länge gezogene Prismen ersezt werden, wie dieß Hr. Dubuat bereits für das Wasser gefunden hat; und
daß, wenn eine Oberfläche von einer andern maskirt, dabei aber doch durch einen
Zwischenraum von ihr getrennt ist, welcher der Seite des Quadrates, das von dieser
Oberfläche repräsentirt wird, gleich ist, der Luftwiderstand doch immer noch auf
sieben Zehntheile der maskirten Oberfläche seine Wirkung ausübt.
Das Hauptresultat hieven ist, daß eine dünne Oberfläche, welche die Luft mit einer
Geschwindigkeit von einem Meter in der Secunde durchschneidet, aus den Quadratmeter
einen Widerstand von 0,08938 Kilogrammen erleidet, und daß sich dieser Widerstand an
einem Prisma, welches dreimal so lang als breit ist, auf 0,06875 Kilogrammen
vermindert. Wendet man nun diese Daten auf die oben berührten Versuche an, und
bringt man die prismatische Gestalt der Wagen und Wagenzüge in Anschlag, so ergibt
sich, daß die eigentliche Reibung der Wagen 2,68 Kilogr. auf die Tonne beträgt, und
daß die Oberfläche, welche die mittleren Wagen der Züge, wenn sie nach gewöhnlicher
Art gebaut sind, dem Luftwiderstande entgegen sezen, sich auf 0,929 Quadratm.
berechnet, wovon jedoch in Erwägung des geringen zwischen den Wagen gelassenen
Raumes 0,836 Quadratm. auf Rechnung der Rotation der Räder und der Oberfläche der
Achsen, Federn, Büchsen, Vorder- und Hinterräder etc., und 0,093 Quadratm.
auf Rechnung der vorderen Fläche der Wagen zu sezen sind. Für einen mittleren
Wagenzug von 15 Wagen und bei einer Geschwindigkeit von 1 Kilomtr. in der Zeitstunde
muß somit der Widerstand der Luft zu 0,005064 Kilogr. auf den Quadratm. Oberfläche
gerechnet werden.
Wenn man nun nach diesen Angaben die Berechnung der Geschwindigkeit der Wagenzüge
beim Hinabrollen über die Rampen, deren Resultate ich in meiner früheren Abhandlung
angegeben habe, wiederholt, so erhält man folgende Resultate. Wie man sich erinnern
wird, wurden diese
Berechnungen angestellt, um die Geschwindigkeit aufzufinden, bei welcher der
Widerstand der Luft der Triebkraft der Bewegung, die nichts weiter ist, als die um
die Reibung der Wagen und der Maschine verminderte Schwerkraft der ganzen Masse, das
Gleichgewicht hält.
Textabbildung Bd. 76, S. 408
Bezeichnung der Wagenzüge;
Maximalgeschwindigkeit d. Wagenzuges in Kilom. p. Zeitstunde, wenn das Gefäll
der Rampe beträgt; Zug von 10 Wagen oder 50 Tonnen mit einer voranlaufenden
Maschine von 8 Tonnen; Zug von 20 Wagen oder 100 Tonnen mit einer voranlaufenden
Maschine von 8 Tonnen.
Nach meiner früheren Berechnung waren die Geschwindigkeiten derselben Wagenzüge:
35,1641,58
46,21 53,63
62,75 71,92
Kilometer in der Zeitstunde.
Da nun zwischen den früher berechneten Geschwindigkeiten und den in der nunmehrigen
Tabelle enthaltenen kaum irgend ein Unterschied von Belang besteht, so stehen die
früher von mir gezogenen Schlüsse fest. Es wird übrigens nicht entgehen, daß die
Resultate beider Berechnungen nothwendig sehr nahe zusammenfallen mußten; denn da
unsere an den Rampen angestellten Versuche die Summe der aufhaltenden Kräfte, welche
beim Hinabrollen der Wagen über die Rampen auf dieselben wirken, gaben, so ist klar,
daß wenn wir die eine dieser Kräfte irrthümlich zu hoch anschlugen, für die beiden
anderen nothwendig ein zu niedriger Ansaz hieraus erwachsen mußte; und daß mithin in
allen Fällen, in denen wir unsere Bestimmungen in Anwendung zogen, eine Compensirung
zum Vorscheine kommen mußte, wodurch die definitiven Resultate innerhalb Gränzen
erhalten wurden, die nur eine sehr geringe Abweichung von deren wirklichem Werthe
zuließen.
Die hiemit vorgelegte Berechnung gründet sich auf eine beträchtliche Reihe von
Versuchen; damit man sich aber auch direct überzeugen könne, daß sie in der That zur
Bestimmung der spontanen oder freiwilligen Geschwindigkeit der Wagenzüge führe, will
ich sie auf mehrere der Versuche anwenden, die von einem englischen Ingenieur zum
Behufe der Bestimmung der Reibung der Wagen angestellt wurden, und bei denen man die
gleichförmige Geschwindigkeit der Wagenzüge beim Hinabrollen derselben über Rampen
beobachtete.
Diese Versuche bewiesen einfach, daß der Gesammtwiderstand, auf den die Wagen stoßen,
mit deren Geschwindigkeit wächst; es gingen aus ihnen einzeln weder die Wirkung der
gegen den ersten Wagen stoßenden Luft, noch die Wirkung des die mittleren Wagen
treffenden Luftwiderstandes, noch die Reibung der Wagen hervor. Allein man wird
sehen, daß die Bestimmungen, die sich aus meinen eigenen Versuchen für diese drei
Elemente des Gesammtwiderstandes ergaben, genau zu denselben Geschwindigkeiten
führen, wie sie bei den englischen Versuchen in Wirklichkeit beobachtet wurden.
Nachstehende Tabelle enthält die Resultate der Berechnung sowohl als der Beobachtung.
Nach dem weiter oben Erörterten addire ich, um die dem Luftstoße ausgesezte
Oberfläche zu erhalten, zu der vorderen Oberfläche des Wagenzuges für jeden der
mittleren Wagen 0,929 Quadratmtr., womit die Wirkung der Luft auf die Rotation der
Räder sowohl als auf die unvollkommen maskirten Oberflächen gehörig in Anschlag
gebracht ist. Eben so addire ich zu dem ersten Wagen noch eine Oberfläche von 0,464
Quadratmtr., um auch die Rotation seiner Räder etc. in Anschlag zu bringen. Bei dem
dritten Versuche der Tabelle bestand die dem directen Einflusse der Luft ausgesezte
Oberfläche aus zwei Theilen, die man wohl von einander unterscheiden muß, weil lange
prismatische Körper von Seite der Luft einen geringeren Widerstand erfahren, als
dünne Oberflächen. Der Wagenzug bot bei diesem Versuche eine prismatische Oberfläche
von 2,21 Quadratmtr. dar, und außerdem mehrere dünne Oberflächen, deren Entfernung
von einander ungefähr das Dreifache einer ihrer Seiten betrug, und die in Summa eine
Oberfläche von 11,15 Quadratmeter ausmachten. Alles dieß wurde dadurch in Rechnung
gebracht, daß ich annahm, daß diese dünne Oberfläche per
Quadratmeter um 0,337 oder um ein Drittheil mehr Widerstand erzeugte, als eine
gleiche prismatische Oberfläche des Wagenzuges erzeugt haben würde. Um endlich den
Versuchen des Hrn. Thibault
und des Hrn. Dubuat gemäß auch
auf die Länge des Wagenzuges gehörige Rüksicht zu nehmen, berechnete ich den
Luftwiderstand zu 0,00516 Kilogram. auf den Quadratmeter bei einer Geschwindigkeit
von einem Kilometer in der Zeitstunde. Dieser Werth ist für einen Zug von 4 bis 5
Wagen ganz passend.
Bei allgemeinen Berechnungen, bei denen diese Distinction nicht nöthig ist, kann man
sich übrigens darauf beschränken, die oben angegebene mittlere Bestimmung in
Anwendung zu bringen.
Textabbildung Bd. 76, S. 410
Bezeichnung des Wagenzuges; Gewicht
des Wagenzuges; Gefäll der Rampe; Durchschnittsoberfläche des Wagenzuges;
Beobachtete Geschwindigkeit in Kilometern per
Zeitstunde; Berechnete Geschwindigkeit in Kilomet. p. Zeitstunde; Tonnen;
Quadratmeter; Kilom.; Diligencen; Waggons; prismat.; Oberfläche
Vergleicht man hienach die durch Berechnung erhaltenen Resultate mit den wirklich
beobachteten, so wird man finden, daß meine Berechnungsweise ziemlich genau zu der
Geschwindigkeit führt, mit der die Wagenzüge über die Rampen hinabrollen. Das
Zusammentreffen wäre wahrscheinlich ein noch genaueres, wenn man zu der von den
Wagen dargebotenen Oberfläche auch noch jene rechnen würde, welche die Körper der
die Beobachtungen anstellenden Personen darboten; denn hiedurch würden die
berechneten Geschwindigkeiten um etwas Weniges niedriger ausfallen: namentlich in
dem lezten Versuche.