Titel: | Auszug aus dem Berichte des Hrn. Francoeur über die stehenden Pianos des Hrn. Mercier, Klaviermachers in Paris, Boulevard Poissonnière No. 31. |
Fundstelle: | Band 77, Jahrgang 1840, Nr. LXIV., S. 268 |
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LXIV.
Auszug aus dem Berichte des Hrn. Francoeur uͤber die
stehenden Pianos des Hrn. Mercier, Klaviermachers in Paris, Boulevard
Poissonnière No. 31.
Aus dem Bulletin de la Société
d'encouragement. Jun. 1840, S. 216.
Mit Abbildungen auf Tab.
IV.
Francoeur, uͤber Mercier's stehende Pianos.
Eine der Hauptschwierigkeiten bei der Verfertigung der Pianos liegt in dem zur
Bewegung der Hämmer bestimmten Mechanismus. Diese Bewegung muß sehr rasch geschehen,
ohne dabei vielen Kraftaufwand zu erfordern; es muß sich ferner der Hammer
augenbliklich von der Saite entfernen, sobald er sie angeschlagen hat, damit die
Schwingungen stattfinden können; endlich muß der Klavierspieler, wenn das Musikstük,
welches er spielt, es erheischt, sogleich dieselbe Saite von Neuem, und zwar mit
einer außerordentlichen Schnelligkeit, anspielen können. Diese Schwierigkeiten
werden noch vermehrt, wenn die Saiten in eine verticale Fläche zu stehen kommen;
denn in dem entgegengesezten Falle entfernt sich der Hammer, nachdem er die Saite
getroffen, durch sein eigenes Gewicht wieder davon, ohne hiezu einer besondern
Vorrichtung zu bedürfen. Bisweilen jedoch, wie an den Pianos des Hrn. Pape, wird der Hammer mittelst einer kleinen Feder von
der Saite entfernt.
Die Theile, welche bestimmt sind, die durch die Finger des Spielenden den Tasten
mitgetheilte Bewegung fortzupflanzen, erheischen gleichfalls viele und sorgfältige
Berüksichtigung, damit die Reibung an ihnen nur sehr schwach werde und die Hand des
Spielers nicht ermüde. Unumgänglich nothwendig zu erfüllende Bedingungen compliciren
die Aufgabe noch mehr. Es ist nicht genug, daß die Bewegung der Taste sich so
schnell als möglich dem Hammer mit jener Kraft, welche der Künstler hineinzubringen
weiß, mittheile, sondern diese Bewegung muß auch so schnell, als er es wünscht, mit
allen möglichen Kraftabstufungen wiederholt werden können; und es muß folglich der
Hammer, wenn auch ein und dieselbe Taste noch so schnell hinter einander angespielt
wird, bei jeder Wiederholung seiner Bewegung, den ganzen ihm angewiesenen Raum
durchlaufen. Besonders muß dieses alles auf eine Weise geschehen, daß man keinen
andern Laut vernehme, als den Ton, welchen die angeschlagene Saite gibt.
Geschikte Klaviermacher haben diesen verschiedenen Bedingungen mittelst verschiedener
Auslösungen (échappements) entsprochen, und die
Namen Pope, Erard, Pleyel, Roller etc. sind rühmlichst
bekannt durch die
Vortrefflichkeit der Instrumente, welche sie lieferten. Hr. Mercier suchte sie zu erreichen und wo möglich noch zu übertreffen. Er
suchte den Mechanismus zu vereinfachen, die Wirkungen zuverlässiger zu machen und
die zu schnelle Abnüzung beim Gebrauche zu verhüten. Er hat sich besonders mit dem
stehenden Piano (so nennt man nämlich die Pianos, an denen alle Saiten in einer
verticalen Fläche gegen den Horizont geneigt sind) beschäftigt, ist aber der
Meinung, daß sein Mechanismus eben so gut an Querpianos oder Flügeln, an denen die
Saiten ganz horizontal liegen, angewendet werden könne.
Obwohl der Berichterstatter nur ein stehendes Piano des Hrn. Mercier, an dem dessen Auslösung angebracht war, sah, so ist er doch mit
ihm der Meinung, daß sie mit einigen unbedeutenden Abänderungen auch für die übrigen
Arten von Pianos anwendbar sey.
Ohne mich auf die Darlegung der Unterschiede, welche zwischen der Auslösung des Hrn.
Mercier und den vielen älteren Auslösungen bestehen,
einzulassen, und in Hinsicht der Erläuterung ihres Baues auf die Beschreibung der
Abbildung verweisend, genügt hier die Versicherung, daß der neue Mechanismus sehr
einfach ist, daß er gut arbeitet, daß das Spiel mit ihm leicht und angenehm ist, daß
endlich diese Auslösung allen gestellten Anforderungen entspricht, ohne daß man aber
deßhalb jezt schon mit Bestimmtheit behaupten könnte, daß sie wirklich vorzüglicher,
als andere sey, bis Zeit und längere Versuche ein vollgültiges Urtheil zu fällen
gestatten. Der Erfinder erhielt bei der lezten Industrieausstellung auf den Bericht
des Hrn. Savart eine Medaille aus Bronze, und die
königliche Familie hat bei ihm Bestellungen gemacht, welche zu ihrer vollkommenen
Zufriedenheit ausfielen. Er glaubt die zu seinem Mechanismus gehörigen Stüke so
vereinfacht zu haben, daß er den Fabricationspreis dieses Theiles des Instrumentes
um 40 Proc. geringer zu stellen, und dadurch auch den Verkaufspreis zu ermäßigen im
Stande ist.
Beschreibung der
Abbildungen.
An einigen Pianos ist die Auslösung oder jener Theil, welcher die Taste mit dem
Hammer verbindet, mit ersterer durch ein Gelenk verbunden, während ihr oberes Ende,
welches in einen kleinen, in der Nuß des Hammers angebrachten Einschnitt eingelassen
ist, sich aus demselben heraus begibt, sobald es den Hammer in Bewegung gesezt hat,
und seine Stellung wieder einnimmt, ehe er sich noch ganz nach Rükwärts gewendet
hat, um in den Einschnitt zurükzufallen.
An andern Instrumenten gliedert diese Auslösung mit der Nuß des Hammers selbst, und die
Bewegung der Taste Pflanzt sich auf ihr unteres Ende in einem Einschnitte fort, aus
welchem sie herausspringt.
Diese leztere Einrichtung ist vorzuziehen, weil sie in ihren Wirkungen sicherer ist;
es sind aber damit Unannehmlichkeiten verbunden, welche durch die Nothwendigkeit
eines doppelten Gelenkes bedingt sind: ein solches ist nämlich erforderlich, um an
dem Winkelhebel, welcher die Dämpfung zu bewegen hat, ein zweites Stük, an welchem
der Regulator oder die Stellschraube der Auslösung befestiget wird, anbringen zu
können. Andererseits ist man bei dieser Auslösung, welche aus Holz verfertiget wird,
der Gefahr ausgesezt, daß sie sich unter den atmosphärischen Einflüssen wirft, und
folglich nicht den gehörigen Dienst leistet. Ihre Rükkehr auf den Absaz der Taste,
welche durch die Wirkung einer Feder vollbracht wird, hat etwas Hartes und
Holperiges, wodurch der Mechanismus jener Zartheit ermangelt, welche immer auch
seine schnellsten Bewegungen begleiten soll.
Nachdem sich nun Hr. Mercier überzeugt hat, daß diese
leztere Einrichtung die vortheilhafteste sey, so suchte er deren einzelne Stufe zu
vereinfachen und dauerhafter zu machen. Er hat dieses durch den Mechanismus, den wir
nun beschreiben wollen, erreicht.
Fig. 57
stellt einen senkrechten Durchschnitt des Mechanismus vor.
Fig. 58 ist
eine Ansicht desselben von Vorne.
Fig. 59 gibt
ein Ansicht desselben von Hinten.
Fig. 60 zeigt
die Auslösung besonders gesehen und nach einem größeren Maaßstabe gezeichnet.
Dieselben Buchstaben bezeichnen die nämlichen Gegenstände in allen Figuren.
a ist die Taste, gegen deren Ende ein mit Leder
überzogener und hinlänglich nachgiebiger Absaz b
angebracht ist. c ist der Auslöser (encoche) der Auslösung d,
welche aus Metalldraht verfertiget und unter der in Fig. 57 ersichtlichen
Form gekrümmt ist. Der Erfinder wählte Metalldraht, weil er den atmosphärischen
Einflüssen am meisten widersteht; er schließt jedoch andere Stoffe nicht aus, wie
z.B. mit Fetten getränktes Holz und Horn, welches, da es einen größeren Grad von
Elasticität besizt, sich nicht nur für die Auslösung, sondern auch zu einigen
anderen Theilen des Mechanismus eignet. Die beiden oberen Enden der Auslösung
articuliren mit der Nuß f des Hammers g. Die Auslösung besteht, anstatt gerade zu seyn, wie
bei denen, die bisher gebräuchlich waren, aus 3 Flächen, wovon die eine d beinahe senkrecht auf der Taste steht, die zweite d' einen ziemlich auffallenden Winkel mit der
vorhergehenden bildet, und die dritte
d'' mit der erstem parallel läuft, so daß folglich der
Theil d' in Bezug auf die geraden Flächen d und d'' eine schräge
Fläche bildet. Durch den Theil d sezt der mit einem
Schraubengewinde versehene Stiel der Stellschraube h,
welcher in den horizontalen Arm des Winkelhebels i, der
auf den Hebel j der Dämpfung k zu wirken hat, eindringt. Der Kopf dieser Stellschraube bestimmt die
Stellung des unteren Endes der Auslösung auf dem Absaze b der Taste, so daß, wenn dieser sich erhebt, das Ende d in den Auslöser c fällt,
so oft als der Hammer g, dessen Drehungsachse in l ist, einen hinreichenden Stoß bekommen hat.
Man sieht ferner, daß der am Ende der Taste a befindliche
Pilote m zu gleicher Zeit auf den Winkelhebel i wirkt, dessen horizontalen Arm er aufhebt; und daß bei
dieser Bewegung der Kopf der Stellschraube h das
Eintreten des unteren Theiles der Auslösung d in den
Auslöser c mehr oder minder schnell bewirkt, je nachdem
er den unteren Theil der Auslösung mehr oder minder nahe an dem Auslöser hält.
Betrachten wir nun, was vorgeht, wenn die Taste sich selbst überlassen ist, und ihr
Endtheil b, c, m zurükfällt, so sehen wir das Stük n, welches mit luftdicht gemachtem Pergamente gefüttert
und mit einem weichen markigen Stoffe überzogen ist, wie eine Feder auf die schräge
Fläche d' wirken, und den unteren Theil der Auslösung
auf den Absaz b zurükführen, ehe noch die Taste ganz
herabgestiegen ist. Auf diese Weise kann man somit dieselbe Note zweimal anspielen,
ehe noch die Taste in den Zustand der Ruhe getreten ist.
Diese Einrichtung des Stükes n bietet den doppelten
Vortheil, daß es einen hinreichenden Stüzpunkt gegen die schräge Fläche d' abgibt, um die Auslösung wieder an ihren Plaz
zurükzubringen, sobald die Taste herabsteigt; und daß dieser Stüzpunkt nachgiebig
genug ist, um in keiner Weise die aufsteigende Bewegung dieser geneigten Fläche zu
beeinträchtigen.
o, p sind Stüke, sogenannte Fänger, welche bestimmt
sind, die Schwingungen des Hammers zu dämpfen.
Man sieht hieraus, daß die Hauptbedingungen, die zu erfüllen sind, abgesehen von
denen, von welchen so eben gesprochen wurde, in dem Verhältnisse liegen, welches in
der Stellung des unteren Theiles der Auslösung d auf dem
Absaze b stattfinden muß: einer Stellung, welche durch
den Kopf der Stellschraube h, die Tiefe des Auslösers
c, die Neigung der schrägen Fläche d' und die Nachgiebigkeit des durch das Stük n gebildeten Stüzpunktes regulirt wird.
Die Geschmeidigkeit, welche das Stük n beibehält, hat
Hrn. Mercier bestimmt, dieselbe Einrichtung an allen
Kissen anzubringen, welche an den gewöhnlichen Pianos zur Verhütung des Geräusches der Mechanik
gebräuchlich sind, und welche, wenn sie unter den wiederholten Stößen, denen sie
ausgesezt sind, hart werden, ein Geräusch veranlassen, das nothwendig vermieden
werden muß.
Bei der Vergleichung des neuen Mechanismus mit dem alten wird man finden, daß seine
Wirkung sicherer und daß er in seiner Zusammensezung einfacher ist, wodurch es Hrn.
Mercier möglich wurde, den Fabricationspreis seiner
Pianos um mehr als 40 Proc. herabzusezen.