Titel: | Ueber die von Hrn. Richards in Philadelphia angegebene Methode der Bleiweißfabrication. Auszug aus einem Commissionsberichte des Franklin Institute. |
Fundstelle: | Band 77, Jahrgang 1840, Nr. LXXII., S. 288 |
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LXXII.
Ueber die von Hrn. Richards in Philadelphia angegebene Methode der
Bleiweißfabrication. Auszug aus einem Commissionsberichte des Franklin
Institute.
Aus dem Franklin Journal, Jul. 1839, S.
8.
Ueber Richards' Bleiweißfabrication.
Der bei dem Verfahren des Hrn. Richards' erforderliche
Apparat besteht aus zweien, innerhalb einander befindlichen Kammern, von denen die
innere, aus Blei gebaute, innen mit Dachsteinen ausgefüttert und an den Wänden
sowohl, als an der Deke und am Boden mit einer zwölfzölligen Schichte Lohe umgeben
ist. In dem zwischen den beiden Kammern befindlichen Raume circulirt Dampf, wodurch
die Bleikammer auf einer gehörig erhöhten Temperatur erhalten wird. Die nach
üblicher Weise aufgerollten Bleibleche werden an dem einen Ende abgeplattet und
aufrecht mit dem anderen Ende auf Bretter gestellt. Ein Trog, der quer durch die
Mitte des Bodens der inneren Kammer läuft, enthält den Essig, und ist so zu sagen
mit einem doppelten Boden versehen, in dessen beiden Seiten sich kleine Löcher
befinden, durch welche Luft und Kohlensäure in die Kammer eingetrieben werden. Ein
ähnliches Rohr läuft quer über die Deke der Kammer, und läßt durch zahlreiche kleine
seitliche Löcher Dampf eintreten. In den ersten zwölf Stunden nach Einsezung des
Bleies wird Dampf mit einer geringen Menge atmosphärischer Luft vermengt
eingelassen, wodurch das Blei an der Oberfläche eine graulichweiße Farbe bekommt, in
der Masse aber unverändert bleibt. Nach Ablauf dieser Zeit wird Essig in den Trog
eingelassen, und durch drei Tage hindurch dem Dampf und der Luft Zutritt gestattet.
In den darauf folgenden 16 Tagen wird Essig nachgetragen, bis im Ganzen ungefähr
eine Pinte Essig auf je 3 Pfd. Blei trifft; gleichzeitig, läßt man fortwährend Dampf
einwirken, und Luft und Kohlensäure, welche leztere durch die Verbrennung von Kohks
erzeugt wird, in die Kammer eintreiben. Nachdem die Bleche dieser Behandlung
unterlegen, sind sie an der Oberfläche graulichweiß und etwas hart geworden, im
Inneren enthalten sie aber immer noch etwas metallisches Blei. Bis zu diesem
Zeitpunkte, d.h. während des Laufes von 20 Tagen, muß die Temperatur auf 39°
R. erhalten werden; während der weiteren Dauer des Processes aber, d.h. in den
nächstfolgenden 15 Tagen, während denen gleiche Raumtheile Luft und Kohlensäure
eingetrieben und eine kleine Quantität Dampf eingelassen werden, soll die Temperatur
nur 21–26° R. betragen. Das ganze Verfahren währt daher 35 Tage, und
nach dessen Beendigung findet man bei gehöriger Leitung desselben die Oberfläche des Bleies mit kleinen
Blasen bedekt, während im entgegengesezten Falle große Schuppen eines weißen,
wahrscheinlich Essigsäure enthaltenden Bleisalzes davon abstehen.
Alle, die sich mit dem Studium der Bleiweißfabrication mit Anwendung von Essigsäure
beschäftigt haben, geben zu, daß die Theorie dieses Processes noch ziemlich im
Dunkeln liegt. In Europa hat man bei directen Versuchen die Erfahrung gemacht, daß
der Zutritt von atmosphärischer Luft die Farbe des gewonnenen Bleiweißes etwas
verdunkelt; Hr. Richards dagegen gibt an, daß sein
Verfahren ohne Mitwirkung der Luft nicht gelingt. Und doch ist es schwer, ihre
Wirkung anders zu erklären, als daß sie zur Oxydation des Metalles mitwirkt. Erfolgt
die Oxydation durch den Wasserdampf oder den Essig, so muß man die Entbindung von
Wasserstoff oder gekohltem Wasserstoffgase annehmen: eine Entbindung, welche bei der
Bleiweißfabrication mittelst Mist wirtlich bisweilen stattfindet, und in deren Folge
das an der äußeren Oberfläche der Töpfe befindliche Bleioxyd in metallisches Blei
verwandelt wird. Es läßt sich aber nicht annehmen, daß sich diese Gase in größerer
Menge erzeugen, indem die eben erwähnte Wirkung sich nur zu Zeiten und dann, wenn
das Verfahren nicht ganz gut von Statten geht, einstellt. Nachdem nun hergestellt
ist, daß durch die bloße Einwirkung von Luft und Wasser oder Dampf ein basisch
kohlensaures Bleioxyd erzeugt werden kann, und der erste Theil des Verfahrens des
Hrn. Richards hierauf beruht; nachdem bekannt ist, daß
diese Stoffe bei allen den verschiedenen Methoden, nach welchen Bleiweiß fabricirt
wird, bis zu einem gewissen Grade zugegen seyn müssen, haben wir nicht mehr in der
Essigsäure allein den zur Bleiweißbildung erfoderlichen Sauerstoff zu suchen, wie
dieß bisher bei der Aufstellung der Theorien hierüber häufig zu geschehen pflegte.
Eben so wenig läßt sich mit mehr Grund annehmen, daß der Essig allein die
Kohlensäure ganz oder zum größeren Theil liefert; denn die Nothwendigkeit des
Zutrittes von Kohlensäure, die auf irgend eine andere Weise erzeugt wird, ist nur zu
offenkundig. Die Erfahrung hat ferner gelehrt, daß Kohlensäure, Luft und Wasser zur
Bildung von bleiweiß genügen, daß aber, wenn man dem Wasser Essig zusezt, nicht nur
die Operation beschleunigt, sondern auch das Product ein viel schöneres wird. Aus
diesen Prämissen läßt sich demnach der Schluß ziehen, daß das Blei hauptsächlich
durch die Luft und das Wasser, und nur zum Theil durch den Essig oxydirt wird; daß
sich das Oxyd dann mit der freien Kohlensäure verbindet, und daß das Wasser zum
Theil dadurch wirkt, daß es die Masse in weicherem und mithin in einem der weiteren
Operation günstigeren Zustande erhält. Der Essig dürfte aber auch noch eine andere
wichtige Rolle spielen; er dürfte sich nämlich mit dem auf die angegebene Weise
entstandenen Bleioxyde zu essigsaurem Blei verbinden, welches durch die Kohlensäure
sogleich wieder zersezt wird, ungefähr auf ähnliche Weise, wie bei der französischen
Methode dadurch, daß man kohlensaures Gas durch die Auflösung leitet, ein basisch
kohlensaures Salz niedergeschlagen wird. Es ist zwar allerdings richtig, daß in
lezterem Falle aus dem basisch essigsauren Salze ein basisch kohlensaures gebildet
wird; allein wenn bei dem gewöhnlichen Verfahren basisch essigsaures Salz erzeugt
wird, so kann es durch die in Ueberschuß vorhandene Kohlensäure und bei der Länge
der Zeit, während welcher es in feuchtem Zustande damit in Berührung bleibt, in
neutrales kohlensaures Bleioxyd oder gewöhnliches Bleiweiß verwandelt werden; oder
die Kohlensäure dürfte auch die Kraft besizen, das neutrale essigsaure Salz im
Moment seiner Entstehung zu zersezen und dadurch ein neutrales kohlensaures Salz zu
erzeugen. Wir erlaubten uns diese theoretischen Bemerkungen, weit vielleicht aus
einer genaueren Prüfung dieses Gegenstandes einige Resultate von praktischem Werthe
hervorgehen dürften.
Das gewöhnlich bei der Fabrikation des Bleiweißes in den Mistbetten gebräuchliche
Verfahren hat mehrere Mängel, worunter das Zerbrechen der Töpfe, die Schwierigkeit
des Einsezens derselben, die unvollständige Zerfressung des Bleies, und auch noch
der Umstand gehört, daß man nur durch längere Erfahrung lernt, welche Hize und wie
viel Kohlensäure wirkte. Dieses Verfahren beruht bekanntlich auf der Entbindung von
Kohlensäure durch die faule Gährung der organischen Stoffe und auf der
gleichzeitigen Entbindung von Wärme, welche den Essig und das Wasser in Dampf
verwandelt und dadurch die chemische Wirkung befördert. Ob ein Verfahren, bei
welchem diese Dünste in eine durch Dampf erwärmte Kammer geleitet werden, den Vorzug
verdient, wird sich aus einer Vergleichung der Resultate ergeben. Das nach beiden
Methoden erzielte Bleiweiß scheint von gleicher Qualität zu seyn, und mit einer 25
Proc. betragenden Zunahme des metallischen Bleies erlangt zu werden. Bei der
Fabrication mittelst Mist beträgt der metallische Rükstand, welcher bleibt, wenn
Alles gut geht, 10 Proc., und im Durchschnitte 15 Proc., wobei jedoch die
verunglükten Stüke, die man auf Bleiglätte und Mennig zu verwenden Pflegt, nicht
mitgerechnet sind. Nach den Angaben des Hrn. Richards
beträgt der Rükstand bei seinem Verfahren nicht über 10 Proc. Doch muß bemerkt
werden, daß, wenn das Blei bei der gewöhnlichen Methode gut eingesezt wird, es bis auf eine bedeutende
Tiefe hinein angegriffen wird; die Commission sah wenigstens einen halben Zoll dike
Bleiweißstüke, welche Hr. J. P. Wetherill durch Einsezen
massiver Bleiblöke in das Mistbett erlangt hatte. Die vorgelegten Rechnungen
sprechen zu Gunsten der neuen Methode; doch glaubt die Commission, daß nur der
Betrieb der neuen Methode im Großen in dieser Beziehung ihren Vorzug vor dem älteren
Verfahren herausstellen kann. Die neue Methode unterscheidet sich von der älteren
nicht im Princip, sondern bloß durch die Anwendungsweise der Principien; jedenfalls
muß ihr aber der Vorzug eingeräumt werden, daß sie viel reinlicher ist, und daß,
wenn einmal die Wirkung der einzelnen, dabei verwendeten Agentien genau ermittelt
seyn wird, nach ihr mit größerer Genauigkeit gearbeitet werden kann, indem sich von
jedem dieser Agentien bestimmte Quantitäten in die Bleikammer einleiten lassen, und
indem man diese selbst auch auf einer bestimmten Temperatur erhalten kann. Von
diesem lezteren Umstande hängt, wie Hr. Richards sagt,
hauptsächlich das Gelingen seines Verfahrens ab, so wie es sich hauptsächlich auch
dadurch von den übrigen verwandten Methoden unterscheidet.