Titel: | Ueber die Zusammensezung des Zukerrohrsaftes von Hrn. Plagne. |
Fundstelle: | Band 77, Jahrgang 1840, Nr. CX., S. 436 |
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CX.
Ueber die Zusammensezung des Zukerrohrsaftes von
Hrn. Plagne.
Aus dem Journal de Pharmacie, Mai 1840, S.
249.
Plagne, uͤber die Zusammensezung des
Zukerrohrsaftes.
Neue Untersuchungen über das Zukerrohr und seine Producte führten Hrn. Péligot
Polytechn. Journal Bd. LXXV. S.
227. zu dem Schluß, daß der Saft dieser Pflanze ursprünglich gar keine Melasse
enthält, sondern aller Zuker darin in krystallisirbarem Zustande vorkommt, und zwar
im Verhältnisse von 18 bis 20 Proc.
Im Jahre 1826 wurde ich von dem Marineminister nach den Antillen geschikt,
hauptsächlich um die Zukerfabrication auf diesen Colonien zu studiren und zu
verbessern; im November 1827, wo ich nach Frankreich zurükkehrte, übergab ich dann
dem Minister einen schriftlichen Bericht, aus welchem ich Folgendes hier mittheilen
will.
Bei einer directen und genauen Analyse des Zukerrohrsaftes erhielt ich aus 4 Kilogr.
desselben 832 Gramme (über 20 Proc.) eines strohgelben Zukers, welcher viel trokener
als die gewöhnliche Cassonade von Martinique war. Die Analyse wurde nämlich mit 4
Kil. Saft auf folgende Art angestellt:
1) Die Flüssigkeit wurde in einem zur Bestimmung der Kohlensäure geeigneten Apparat
gekocht, wobei ich von lezterer 5 Kubikcentimeter erhielt, welche offenbar in Folge
einer begonnenen Gährung entstanden. Der Saft lief unmittelbar von der Mühle in die
Retorte und Alles war hergerichtet, um ihn unverzüglich erhizen zu können. Es schied
sich ferner viel Eiweißstoff und Cerin ab.
2) Sie wurde mit Kalk übersättigt. – Dabei schieden sich wieder Eiweißstoff
und Cerin in Verbindung mit dem größten Theile des Kalks ab.
3) Der filtrirte und mit thierischer Kohle behandelte Saft wurde hierauf (mittelst
ungespannten Dampfes in einem flachen Gefäße) rasch so weit abgedampft, daß er
kochend 126° Dichtigkeit zeigte.
4) Den schwach gelben Syrup ließ man schnell erkalten und behandelte ihn dann mit
Alkohol von 81 Proc. Kleine Krystalle von sehr weißem Zuker und eine flokige weiße
Substanz schieden sich in bedeutender Menge ab; durch eine gelinde Erwärmung wurde
nur die Auflösung des Zukers begünstigt.
5) Die geistige Auflösung wurde nun rasch zum Krystallisationspunkte (in weiten
Gefäßen mittelst Dampf) verkocht, worauf man die Krystalle auf einem Glastrichter sammelte, abtropfen
ließ und mit Alkohol von 81 Proc. aussüßte.
6) Der Syrup und der Alkohol vom Aussüßen wurden vermischt und nach dem Filtriren
über thierische Kohle, wie vorher verkocht; die erhaltenen Krystalle ließ man wieder
abtropfen und süßte sie mit Alkohol aus. Der Syrup von dieser zweiten
Krystallisation wurde mit dem Aussüßalkohol vermischt und in die Trokenstube
gestellt, wodurch man zum drittenmal Krystalle erhielt. Die nun noch zurükgebliebene
Flüssigkeit war wenig gefärbt und wog kaum 50 Gramme; durch Behandlung mit etwas
basisch essigsaurem Blei lieferte sie später 14 Gr. Zuker.
Im Ganzen erhielt man aus 4 Kilogr. Saft 832 Gramme eines ganz trokenen
gelblichweißen Zukers.
Ich habe in dem Zukerrohrsaft eine weiße, weiche Substanz entdekt, welche in
Berührung mit der Luft braun wird, die Feuchtigkeit etwas anzieht und schwer
austroknet; sie ist in Alkohol und Aether unauflöslich, in Wasser auflöslich,
enthält keinen Stikstoff und verbrennt, ohne sich aufzublähen, mit einem Geruch nach
Cichorien. Aus ihrer Auflösung in Wasser wird sie durch Queksilberoxydul- und
Bleisalze, nicht aber durch Queksilbersublimat gefällt; Alkohol und Aether scheiden
sie daraus unverändert ab.
Durch directe Versuche habe ich mich auch überzeugt, das es diese Substanz ist, unter
deren Einfluß sich der Zuker in einen Körper umändert, welcher zwischen dem
Stärkmehl und Kleber die Mitte zu halten scheint und sich in den Syrupen schnell in
solcher Menge bildet, daß sie eine klebrige Consistenz annehmen und der in ihnen
enthaltene Zuker sich nicht mehr in compacten Krystallen absondern kann; so bildet
z.B. der Rohrsaft oft schon 48 Stunden nach dem Läutern mit bloßem Kalk eine
gallertartige Masse, woraus Alkohol, der sich schwer damit vermischt, eine
beträchtliche Menge von dieser Substanz niederschlägt.
Die fragliche Substanz schlägt sich beim Umrühren in Fasern nieder, die sich dann zu
einer Masse vereinigen, welche mit Alkohol ausgewaschen, weich, mattweiß,
perlmutterartig, häutig und zäh wie Kleber ist, leicht austroknet, dann aber wie ein
Stük trokenen Bäkerteiges mit hornartigen Rändern aussieht.
Sie mag frisch bereitet oder schon älter seyn, so löst sie sich in kaltem und
kochendem Wasser nur in geringer Menge auf; Salpetersäure verwandelt sie gänzlich in
Kleesäure.
Durch verdünnte Schwefelsäure konnte ich sie nicht in Zuker verwandeln. Jodlösung
wirkt nicht darauf. Bei der trokenen Destillation liefert sie keine Spur von
Ammoniak und scheint also keinen Stikstoff zu enthalten. Man findet sie auch auf dem Boden
der Kufen, worin man die Melassen bei der Rhumfabrication (auf den Colonien) gähren
läßt, in großer Menge abgelagert.
Die thierische Kohle entfärbt nicht nur den Zukerrohrsaft, sondern kann auch die
besprochene Substanz vollständig daraus niederschlagen, wenn man sie in
hinreichender Menge anwendet, was aber gewöhnlich nicht geschieht. Alkohol würde
sich übrigens noch besser als Kohle zur Abscheidung der fraglichen Substanz
eignen.
Diese Thatsachen müssen bei der Zukerfabrication in Zukunft möglichst berüksichtigt
werden; bei meiner im Jahre 1826 angestellten Analyse habe ich also schon über 20
Proc. schönen krystallisirten Zuker direct aus dem Rohrsaft abgeschieden und
überdieß gezeigt, daß die Melasse oder der unkrystallisirbare Zuker nur in sehr
geringer Menge darin enthalten ist, wie man aus folgender Zusammenstellung meiner
damaligen Resultate ersieht:
4000 Kilogr. roher Zukerrohrsaft lieferten:
Wasser
3,133
krystallisirten Zuker
0,832
unkrystallisirbaren Ruͤkstand,
troken angenommen
0,030
Cerin
0,000,30
gruͤnes Wachs
0,001,06
eigenthuͤmliche organische
Substanz
0,001,61
trokenen Eiweißstoff
0,000,30
Salze (nach der Beschaffenheit des
Bodens u. Duͤngers verschieden) unbedeutende Menge.
Da der Zukerrohrsaft nur so wenig fremdartige Substanzen enthält, so kann man ihn
fast als eine reine Zukerauflösung betrachten, bei der es nur darauf ankommt, sie so
abzudampfen, daß der Zuker keine Veränderung erleidet.
In Indien (auf der Küste von Coromandel), wo bei den trokenen Westwinden der
Hygrometer oft auf 18 bis 20° sinkt, konnte ich auch nach der Läuterung des
Saftes die von Curaudau angegebene Abdampfmethode mit
Erfolg anwenden, welche darin besteht, mit der einzudampfenden Flüssigkeit Zeuge zu
tränken und sie einem trokenen und heißen Luftstrom auszusezen. Wenn diese Zeuge
öfters nacheinander getränkt und wieder getroknet werden, überziehen sie sich mit
einer mehr oder weniger diken Zukerkruste, welche sich wieder auflöst, wenn man die
Zeuge in heißen geläuterten Saft taucht, der sich so auf eine bedeutende
Concentration bringen läßt.