Titel: | Beschreibung eines Metallkolbens für Cylindergebläse; von Th. Schultz, Civil- und Hütteningenieur. |
Autor: | Th. Schultz |
Fundstelle: | Band 78, Jahrgang 1840, Nr. I., S. 1 |
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I.
Beschreibung eines Metallkolbens fuͤr
Cylindergeblaͤse; von Th.
Schultz, Civil- und Huͤtteningenieur.
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Schultz's Metallkolben fuͤr
Cylindergeblaͤse.
Gerade zu der Zeit, als mir das zweite Märzheft des Dingler'schen polytechnischen Journals mit der Beschreibung des von Hrn.
Horton verbesserten Metallkolbens für Dampfmaschinen
(Bd. LXXV. S. 420) in die Hand kam, war
ich mit der Construction eines ähnlichen Kolbens für ein Cylindergebläse
beschäftigt, und nachdem ich mich von dessen Zwekmäßigkeit überzeugt zu haben
glaube, will ich die nähere Bauart meines Kolbens, der sich auch, außer seiner
besondern Eigenschaft durch die gepreßte Luft geliedert zu werden, sowohl durch
seine Leichtigkeit, als auch durch seine Wohlfeilheit, vor manchem andern derartigen
Kolben auszeichnen möchte, veröffentlichen.
Der Cylinder des Gebläses hatte beiläufig 40 Wiener Zoll im Durchmesser. Die
Kolbengeschwindigkeit betrug 110 Fuß und die Pressung des Windes 3 Fuß Wassersäule.
In dem Durchschnitte Fig. 26, 27 und 28 ist A, A der Körper des Kolbens, der von Gußeisen an der
Kolbenstange B wie gewöhnlich befestigt ist. C, C ist ein Kranz von Lindenholz, der an der Peripherie
zur Aufnahme der Liederung und in der Mitte ringsherum zur Aufnahme der Ventile und
der nöthigen Luft, wie die Zeichnung zeigt, ausgedreht ist. D, D ist ein Ring von Gußeisen, der in das Holz eingelassen, sowohl zur
Befestigung des Leders, als auch den den Kolben zusammenhaltenden Schraubenmuttern
e', e' als Unterlage dient. Der Raum d, d ist mit lokerer Kammwolle gefüllt, und das die
ganze Peripherie umgebende Leder überspannt diesen Raum und ist mit der Bodenplatte
des Kolbens, dem Kranze C, C und dem Ringe D, D durch die Schrauben e,
e luftdicht verbunden und befestigt. f, f sind
die beiden Ventile, welche sich beide nach Innen öffnen, doch durch ein Charnier a und eine Spreize b so
verbunden sind, daß beim Spiel des Gebläses stets eines von beiden geöffnet seyn
muß, während das andere geschlossen ist. Die Figur stellt den Kolben beim
Niedergange dar; die Luft, die unter dem Kolben comprimirt wird, drükt das untere
Ventil auf, tritt in den hohlen Raum des Kolbens und durch die in der oberen Ansicht
sichtbaren Löcher c, c, welche radial in die Liederung
führen, durch die lokere
Wolle unmittelbar an die innere Seite des Leders, welches sie stets proportional der
Pressung des Windes an die Cylinderwand andrükt. Ich bemerke noch, daß das
Juchtenleder, welches ich anwendete, ohne in Model gepreßt worden zu seyn, in
Schweinefett eingeweicht, nachdem es auf den Kanten gekerbt war, willig sich über
den Kolben spannen ließ, und die Liederung die angenehme Elasticität, welche ihr die
Wolle gab, bei Besichtigung nach längerem Gebrauch durchaus nicht verloren hatte.
Vielleicht könnten zwei oder mehrere Paare solcher Ventile, durch welche das Gewicht
des Kolbens noch erleichtert würde, noch zweckdienlicher seyn.
Ob übrigens ein Kolben der Art, wie der Horton'sche, bei
Dampfmaschinen, namentlich bei Hochdrukmaschinen anwendbar ist, steht fast zu
bezweifeln; sollte durch den großen Druk, mit welchem hochgespannte Dämpfe,
allerdings auch proportional, die Liederung an die Cylinderwand andrüken würden, der
Nuzeffect der Maschine nicht vermindert werden?
Sehr häufig findet man unzweckmäßig und nicht dauerhaft construirte Dampfkolben, die
entweder den Effect der Maschine verringern, indem sie nicht dampfdicht schließen,
oder in kurzer Zeit durch zu schnelles Abnuzen unbrauchbar werden, woher ich mich
bei dieser Gelegenheit veranlaßt fühle, die Construction und Verfertigungsart eines
Kolbens, wie ich ihn seither anfertige, näher zu beschreiben, weil ich, da derselbe
sich als billig und dauerhaft bewährt hat, wohl vermuthen darf, daß diese
Mittheilung manchem Praktiker nicht uninteressant seyn dürfte.
In Fig. 29,
30, 31 und 32 ist A, A der Körper des Kolbens aus Gußeisen, der an der
Kolbenstange B durch einen Keil befestigt ist. C, C ist der Dekel, der in Fig. 30 weggenommen und
in Fig. 34
besonders dargestellt ist und auf dem oberen Theil des Körpers durch vier Schrauben
G, G, G, G befestigt wird. D,
D, Fig.
30, 31 und 32 sind zwei excentrische Ringe von Gußeisen, wie Fig. 35 besonders zeigt,
und die so aufeinander gelegt sind, daß ihre Excentricitäten sich gerade
gegenüberstehen. E, E ist ein schmiedeiserner Ring, der
kalt gehämmert so viel Elasticität erhält, daß er durch die angespannten Schrauben
X, X die beiden gußeisernen Prismen F, F stets kräftig in die prismatischen Einschnitte d, d der Ringe D, D
hineindrükt. Die Verfertigungsart wird dieß deutlicher machen.
Nachdem ich den Körper A, A auf die Planscheibe der
Drehbank gebracht und das konische Loch zur Aufnahme der Kolbenstange ausgedreht, so
wie die innere Fläche des Kolbens, wo die Ringe D zu
liegen kommen und die Peripherie, die ich etwa 1/4 kleiner als den Cylinderdurchmesser mache,
abgedreht worden, lasse ich den Dekel C, C ebenfalls von
der inneren Seite abdrehen und auf den Ansaz des Körpers genau aufpassen; ist dieß
geschehen und dadurch der Raum für die Ringe D, D
zwischen Boden und Dekelplatte genau bestimmt, so gehe ich an die Anfertigung
dieser. Zu diesem Behuf lasse ich einen concentrischen Ring von weichem Eisen
gießen, der vielleicht noch einmal so lang ist als beide Ringe D, D hoch sind, um selbige bequem bearbeiten zu können
und der von Außen, wie von Innen überall noch etwas stärker ist, als der dikste
Theil der fertigen excentrischen Ringe D, und spanne
solchen mittelst vier Kloben auf die Planscheibe, sodann drehe ich so viel von
diesem Ringe auf der Peripherie ab, als zu beiden Ringen D,
D nöthig ist, lasse jedoch den abgedrehten Theil um 1/48 stärker im
Durchmesser als den Dampfcylinder und gebe ihm durch Lüften und Nachziehen zweier
correspondirenden Schrauben der Kloben, ohne ihn von der Planscheibe zu nehmen, die
nöthige Excentrität. Den Ringen D, D gebe ich auf ihrer
diksten Stelle bei kleinen Maschinen etwa 1/10, bei größeren 1/12 bis 1/15 des
Cylinderdurchmessers, und auf der dünnsten Stelle die Hälfte dieser Dimensionen. Ist
der Ring nun auf diese Weise durch die Stellschrauben auf der Planscheibe wieder
fixirt, so drehe ich ihn inwendig aus, wodurch er dann die gewünschte Excentricität
erhalten wird und gehe endlich an den Abstich der beiden gleich hohen Ringe D, D, welche nun, nachdem sie abgestochen und der
Abstichrand durch nochmaliges Aufspannen der einzelnen Ringe auf die Planscheibe,
beseitigt worden, dergestalt auf einander und zwischen die Boden- und
Dekelplatte des Kolbens geschliffen werden, daß leztere ihnen, ohne Dampf
durchzulassen, dennoch eine Bewegung zwischen ihnen gestatten. Die soweit gediehenen
Ringe haben nun noch einen um 1/48 größern Durchmesser als der Cylinder, und durch
Meißel und Feile werden sie jezt auf ihrer dünnsten Stelle d prismatisch durchschnitten, wie Fig. 35 deutlich zeigt,
und zwar so weit, bis ihnen dieser Einschnitt gestattet, sich durch die Hand oder
durch Instrumente in den Cylinder hineinpressen zu lassen. Diese Ringe haben eine
sehr starke Elasticität und schließen sich sammetartig und sehr dicht an die
Cylinderwand an. Die ebenfalls ringförmige Feder E, die
in Fig. 33
besonders gezeichnet ist, erhöht nun durch das Hineindrüken der Prismas F theils noch ihre Elasticität, theils gibt sie ihnen
durch die Schrauben X, X, welche in die Prismas F, F eingelassen sind, stets zu einander eine ganz
bestimmte Lage, ohne ihnen jedoch ein gemeinschaftliches Herumdrehen im Kolben und
Cylinder zu verwehren. Zu bemerken ist, daß die Feder E,
die zur Aufnahme der Schrauben zwei correspondirende Verstärkungen erhält, etwas
mehr Spielraum zwischen
Boden und Dekel haben muß, als die Ringe D, D, wie aus
Fig. 31
zu ersehen ist.
Schließlich bemerke ich, daß ein solcher Kolben wie gewöhnlich geschmiert, vollkommen
dampfdicht schließt, wenn das Aufeinanderschleifen der Ringe D, D mit etwas Sorgfalt ausgeführt wird, und nach mehrjährigem Gebrauch
ist weder an ihm, noch an der Cylinderwand eine Abnuzung oder Beschädigung zu
bemerken.