Titel: | Ueber eine Methode den Gang der Uhren zu verlängern; von Dr. Mohr in Coblenz. |
Autor: | Dr. Karl Friedrich Mohr [GND] |
Fundstelle: | Band 78, Jahrgang 1840, Nr. IV., S. 24 |
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IV.
Ueber eine Methode den Gang der Uhren zu
verlaͤngern; von Dr. Mohr
in Coblenz.
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Mohr, Methode den Gang der Uhren zu verlaͤngern.
Es ist bekannt, wie lästig das tägliche Aufziehen der Uhren ist, und wie oft solches
in Vergessenheit kommt, wodurch eine Störung im Gebrauche der Uhr eintritt. Die
Schwarzwälder Uhren sind dem Fehler des täglichen Ablaufens alle unterworfen, da die
Berechnung des Werkes auf diese Frist eingerichtet ist. Es würde unstreitig den
Werth dieser Uhren bedeutend erhöhen, wenn man sie, ohne an dem Werke etwas zu
ändern, auf einen 8- oder 14tägigen Gang bringen könnte. Dieses ist mir auf
eine höchst einfache und wohlfeile Weise gelungen.
Eine Schwarzwälder Uhr der größeren Art wurde zu dem Versuche benuzt. Ihr
gewöhnliches Ziehgewicht wog an 5 Pfd.; es fand sich jedoch, daß die Uhr auch bei
einer Belastung von 3 Pfd. noch ganz gut ging, und zwar hatte sie dadurch natürlich
einen sanfteren Abfall, und man konnte auf eine geringere Abnüzung des Werkes
rechnen. Es war nun die Bedingung leicht zu stellen, daß man, um den Gang der Uhr zu
verlängern, das gegebene Gewicht durch einen höheren Raum, oder daß man ein höheres
Gewicht durch denselben Raum müsse gehen lassen. Der Raum ist gewöhnlich gegeben
durch die Höhe der Uhr vom Boden oder die Höhe des Zimmers; es mußte also der zweite
Fall festgehalten werden.
Wenn man in passender Entfernung unter der Uhr ein Gestell an die Wand anbrachte,
worin sich eine Trommel und eine Welle bewegte, so konnte man die Kette der Uhr über
die Trommel sich aufwikeln lassen, während das (beispielweise) zehnmal größere Gewicht mittelst
einer Schnur an der zehnmal dünneren Welle zog. Dadurch blieben die Kräfte an der
Uhr gleich, und man hatte den Vortheil, da Trommel und Welle dieselbe Achse besizen,
daß, während sich von der Kette der Uhr 10 Zoll abwikelte, das Gewicht selbst nur um
einen Zoll sank, mit anderen Worten, der Gang der Uhr konnte um so vielmal
verlängert werden, als die Welle dünner war als die Trommel, oder das neue Gewicht
schwerer wie das alte. Allein diese Einrichtung hätte den großen Fehler gehabt, daß
eine sehr lange Kette erforderlich gewesen wäre, welche beim Aufwikeln den
Durchmesser der Trommel stark würde vergrößert haben, so daß der Zug des Gewichts
nicht während des ganzen Ganges hätte gleichmäßig seyn können. Um dieses zu
vermeiden, wurde der einfache Kunstgriff gebraucht, die Kette ohne Ende zu nehmen,
d.h. sie kreisförmig in sich zurükkehren zu lassen. Es entstand daraus der in der
Zeichnung mitgetheilte Apparat.
Auf einer stählernen Achse (Fig. 36) ist die breite
und tief ausgedrehte Rolle fest aufgesezt; an dieser ist unveränderlich das Sperrrad
c befestigt. Vor dem Sperrrade sizt beweglich auf
der Achse die runde Scheibe d, woran man einen
Sperrkegel bemerkt, der mittelst einer Feder in das Sperrrad gedrükt wird. Die Kette
der Uhr ist in eine Rinne auf dem Rande der hölzernen Scheibe mit Stiften
festgehalten. Auf der Rolle b ist die Schnur
aufgewikelt, welche das Gewicht trägt. Wird nun die Kurbel an der Spize der Achse
aufgesezt und umgedreht, so wikelt sich die Schnur auf b
auf, dagegen die Kette steht still mit der Scheibe d,
während das Sperrrad unter dem Sperrkegel weggleitet. Sobald aufgezogen ist und das
Gewicht anfängt zu ziehen, so drükt das Sperrrad gegen den Sperrkegel und nimmt
durch diesen die Scheibe und die Kette mit herum, und bringt die Uhr zum Gehen.
Damit nun aber auch die ganze Höhe des Zimmers benuzt werde, wird die Schnur nochmal
über eine Rolle geleitet, welche möglichst nahe an der Deke des Zimmers angebracht
ist, so daß hiedurch die ganze nuzbare Höhe des Zimmers in Anspruch genommen wird,
unabhängig von der Höhe, auf welcher der Gangverlängerungsapparat angebracht ist.
Man könnte nun noch mit Hülfe eines Flaschenzuges den Gang der Uhr nochmal
verlängern, allein bei diesem Versuche traf man auf die Schwierigkeit, einen
hinreichend starken Strik ohne Torsionsbestreben, welches gewöhnlich Draht genannt
wird, herzustellen. Bei den am besten ausgezogenen Striken konnte nicht vermieden
werden, daß die Strike sich umschlangen und dadurch zulezt ihre Beweglichkeit
verloren. Ohne Zweifel wird man diesen Uebelstand durch Versuche zulezt beseitigen
können, um alsdann den
bereits verlängerten Gang noch einmal auf das Doppelte oder Vierfache zu erhöhen,
wobei natürlich eine entsprechende Vermehrung des Zuggewichtes eintreten muß. Allein
auch abgesehen von dem Verwikeln der Schnüre ist ein Flaschenzug eine
unvortheilhafte Art der Kraftvermehrung, weil durch die Aufwikelung des langen
Strikes eine bedeutende Zunahme der Wellendike stattfindet, so daß die Uhr gleich
nach dem Aufziehen mit stärkerem Schlage und größeren Pendelschlägen geht, als nahe
beim Ablaufen. Diesen Uebelstand konnte ich selbst bei meiner verbesserten
Einrichtung nicht ganz vermeiden, und davon liegt der Grund in der schlechten
Construction des Schwarzwälder Echappements.
Diese Art von Hemmung hat 2 Lappen, auf welche die Zähne des Steigrades mit sehr
ungleicher Kraft wirken. Ein Lappen ist so gestellt, daß er eine starke
rükspringende Bewegung hervorbringt und das Pendel in seinem Schwunge aufhält; der
zweite Lappen ist beinahe ruhend, gibt aber dem Pendel beim Abfall gar keine
Beschleunigung, sondern hält nur die Uhr so lange in der Bewegung auf, bis das
Pendel mit seiner ihm noch inwohnenden Kraft von selbst abfällt. Daher kommt es, daß
diese Art von Uhren nur außerordentlich leichte Pendel verträgt, weil, je schwerer
das Pendel ist, ein desto größerer Theil der Kraft bei jedem Schlage vernichtet
wird. Aus diesem Grunde bedarf man ein sehr schweres Gewicht, wegen dessen eine
starke und also auch dike Schnur, und wegen des Aufwikelns der diken Schnur erhält
man den oben gerügten Fehler eines ungleichen Zuges an der bewegenden Welle.
So viel man zum Lobe der Schwarzwälder Uhrenindustrie anführen hört, so zeigt doch
die Einrichtung ihrer Echappements, daß sie nur von einer ganz rohen Empirie
geleitet werde, und eine wesentliche Verbesserung außer der Einführung der
metallenen Räder noch nicht stattgefunden hat. Eine bessere Hemmung würde vielleicht
den Preis der Uhr um ein Kleines erhöhen, allein auch ihren Werth verzehnfachen. Von
allen Hemmungen scheint der Stiftengang sich zu diesem Zweke am meisten zu einer
fabrikmäßigen Darstellung zu empfehlen.
Die an obiger Uhr versuchsweise angenommenen Dimensionen sind folgende: die Welle,
worauf sich die Schnur aufwikelt, ist 11 Linien dik; die Scheibe, worüber die Kette
ohne Ende (oder Schnur, wenn die Uhr damit versehen ist) geht, hat 6 1/4 Zoll
Durchmesser; die Schnur ist eine Linie dik, das Gewicht 30 Pfd. schwer und geht über
eine Rolle, welche 10 1/2 Fuß vom Fußboden entfernt ist. Vierzehn Schnurenläufer
gehen neben einander, und drei Lagen übereinander. Bei der untersten Lage ist die
Welle 11 Linien dik, bei der zweiten 13 und bei der dritten 15; und so verhalten sich
auch die ziehenden Kräfte, nämlich wie 1 zu 1 1/5 und 1 4/11, weßhalb die Uhr auch
zuweilen auf dem untersten Schnurenlauf stehen blieb. Sie ging früher 1 1/4, Tag,
und geht jezt 14 Tage.
Fig. 36 zeigt
den Verlängerungsmechanismus von der Seite.
Fig. 37 die
Kettenscheibe mit ihrem Sperrrade.
Fig. 38 und
39 die
Art und Weise, wie die Kette über die Kettenscheibe geht.
Fig. 40 den
Zusammenhang der ganzen Vorrichtung und ihre Anbringung an die Uhr.