Titel: | Miszellen. |
Fundstelle: | Band 78, Jahrgang 1840, Nr. XIV., S. 71 |
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XIV.
Miszellen.
Miszellen.
Beitrag zur Geschichte der Erfindung, die Wasserdämpfe als
bewegende Kraft zu benuzen.
Die Erfindung, die Daͤmpfe des siedenden Wassers zu einer starken bewegenden
Kraft anzuwenden, war wenigstens schon zu Justinian's
Zeiten unter den Griechen bekannt. Moͤgen immerhin Englaͤnder,
Franzosen und Nordamerikaner sich uͤber die Ehre streiten, wer zuerst die
Dampfkraft auf die Bewegung der Schiffe angewendet; mag immerhin der Amerikaner Fulton geglaubt haben, daß er beim Kochen des Theewassers
zuerst die Kraͤfte des Dampfes entdekt habe: so ist doch keiner von ihnen der
erste Beobachter der gewaltigen Kraft der Wasserdaͤmpfe, und keiner von ihnen
ist der Erfinder der Anwendung dieser Kraft. Die
Erfindung und Anwendung gebuͤhrt, so weit mir die Geschichte dieses
Gegenstandes bis jezt vorliegt, lediglich den
Griechen.
Agathias, welcher zu den byzantinischen
Geschichtschreibern gehoͤrt, und dessen Geschichtbuͤcher in dem Corpus Scriptorum historiae Byzantinae als Pars III. Bonnae 1828 mit
abgedrukt sind – nach welcher Ausgabe ich allegiren werde –
erzaͤhlt uns zum Jahre 557 nach Christi Geburt, S. 289 ff. die nachstehende
Thatsache: Anthemius, ein beruͤhmter Mathematiker,
Baumeister und Maschinenverfertiger, geboren zu Trallas, mithin ein Grieche aus
Kleinasien, wurde vom Kaiser Justinian nach
Konstantinopel berufen, wo er Maschinen, welche die hoͤchste Bewunderung
erregten, verfertigte.
Das Haus des Anthemius war mit dem Hause seines Nachbars
Zeno in mehreren Partien verbunden, uͤber
welchen Umstand der Geschichtschreiber sich nicht deutlich genug ausspricht. Anthemius gerieth uͤber dieses
Bauverhaͤltniß mit Zeno in einen Rechtsstreit, und
verlor den Proceß, weil, wie ausdruͤklich bemerkt wird, Zeno ein geschikterer Redner war. Anthemius
suchte sich zu raͤchen, und baute eine Dampfmaschine, die ich nach den Worten
des Geschichtschreibers jezt moͤglichst genau beschreiben will. Er stellt
große Kessel im Boden seines Hauses auf, fuͤllt dieselben mit Wasser an und
umgibt sie mit ledernen Schlaͤuchen, die unten so weit sind, daß sie den
ganzen Umfang der Kessel verschließen. Mit diesen Schlaͤuchen verbindet er
lederne Roͤhren, die sich in der Form einer Trompete verengen, und in einer
richtigen Proportion endigen. Die Enden dieser Roͤhren befestigte er dann so
genau an den Balken des Zeno'schen Hauses, daß die in den
Roͤhren enthaltene Luft zwar mit ungehinderter Kraft in die Hoͤhe
steigen, aber nicht herausstroͤmen oder durchbrechen kann.
Nach diesen insgeheim gemachten Vorkehrungen legt Anthemius ein kraͤftiges Feuer unter die Kessel und erregt eine
große Flamme. Sobald nun das Wasser heiß und kochend geworden, entwikelte sich ein
starker Dunst (Dampf, άτμός, vapor) der schnell und dicht in
die Hoͤhe stieg, und der, da er (von den Kesseln aus) keinen anderen Ausweg
hatte, in die Roͤhren trieb, wo er zusammengepreßt mit verstaͤrkter
Kraft in die Hoͤhe strebte, bis er das Dach mit fortgesezter Gewalt angriff,
und dasselbe so sehr erschuͤtterte und bewegte, daß das Holzwerk nach und
nach zitterte und krachte. Die Hausgenossen des Zeno, von
Furcht und Schreken ergriffen, eilten in die Straßen u.s.w.
In dieser Erzaͤhlung, welche uns der Geschichtschreiber gelegentlich bei der
Erwaͤhnung der Theorie des Aristoteles
uͤber Erdbeben gibt, liegt der vollstaͤndige Beweis, daß die Griechen
zu Justinian's Zeitalter die Kraft der
Wasserdaͤmpfe und ihre Anwendung zur bewegenden Kraft genau kannten. Ob der
Geschichtschreiber aber die Construction des Apparats der Dampfmaschine und
namentlich der Roͤhren richtig aufgefaßt habe, ist eine andere Frage, die ich
zur Beurtheilung der Maͤnner vom Fache verstellen muß. Mir genuͤgt es,
nachgewiesen zu haben, daß die Griechen schon mit der Wirkung der
Wasserdaͤmpfe bekannt waren.
Nun noch einige Bemerkungen:
Anthemius war, wie der Geschichtschreiber Agathias wiederholt bemerkt, ein ausgezeichneter
Mathematiker und Verfertiger bewunderungswuͤrdiger Maschinen. Welche Arten
von Maschinen er verfertigte, und zu welchen Zweken, ist eben so wenig angegeben,
als ausdruͤklich gesagt, daß er die
Wasserdaͤmpfe bei denselben in Anwendung gebracht habe. Es scheint indessen
aus folgenden Worten des Agathias, S. 291, ὁ δὲ ἐκ
τής ὁκείας
αύτὸν
ἀντελύπησε
τέχνης
τρόπῳ
τοιῷδε, d.h. „er aber
(Anthemius) vergalt ihm (dem Zeno) aus der ihm eigenen Kunst auf folgende
Weise“ der Schluß gezogen werden zu duͤrfen, daß Anthemius bei seinen Maschinen auch die
Wasserdaͤmpfe gebraucht habe, denn wenn von der Dampfmaschine, welche er aus
Rache uͤber den verlorenen Proceß gegen Zeno's
Haus richtete, namentlich angefuͤhrt wird, daß er sie aus der ihm eigenen Kunst eingerichtet und sich dabei der
Daͤmpfe bedient habe, so moͤchte der Schluß, oder, wenn man lieber
will, die Vermuthung, daß er die ihm voͤllig bekannte Dampfkraft auch auf
andere, zu seiner Zeit bewunderte Maschinen uͤbertragen habe, nicht ganz
grundlos erscheinen, zumal da auch das Wort τέχνη auf praktische Anwendung
hindeutet.
Die Griechen waren in Kuͤnsten, Wissenschaften und Erfindungen weiter, als wir
gewoͤhnlich glauben. In den byzantinischen Geschichtschreibern, die seit den
in Bonn veranstalteten Abdruͤken leicht zu
erhalten sind, liegen ohne Zweifel noch manche Nachrichten und Andeutungen, welche
wohl verdienten hervorgezogen zu werden. Moͤchten daher Sach- und
Sprachkundige diese Quellen, abgesehen von deren historischem Werthe, fuͤr
Kunstfertigkeiten und Erfindungen genauer studiren und besser benuzen, als bisher
geschehen ist.
Derselbe Anthemius, von dem in diesem Aufsaze die Rede
ist, war derjenige Baumeister, welcher zur Wiederherstellung der beruͤhmten,
aber durch ein großes Erdbeben zerstoͤrten Sophien-Kirche in
Konstantinopel den Bauplan machte und den Bau anfing, aber wegen eingetretenen
Ablebens nicht vollenden konnte (Agathias, S. 295).
Um dem Zweifel vorzubeugen, ob die ledernen Roͤhren
stark genug waren, die Kraft der Daͤmpfe auszuhalten, bemerke ich, daß es dem
Anthemius bei seiner Vorrichtung gegen Zeno's Haus nur auf die Hervorbringung einer zitternden
Bewegung und nicht auf die Sprengung des Balkenwerks ankam. Zu diesem Zweke konnten
starke lederne Roͤhren wohl hinreichen, und scheinen selbst fuͤr die
Erregung einer zitternden Bewegung umsichtig gewaͤhlt zu seyn.Arago in seiner Geschichte der Dampfmaschinen
(Annales du Bureau des longitudes) und
andere Schriftsteller bemerken, daß schon Hero
von Alexandria 120 Jahre vor Christi Geburt den Dampf als bewegende Kraft
gekannt habe; ich muß diese Nachricht aber auf ihrem Werthe beruhen lassen,
da mir Hero's
Pneumatica nicht zur Hand sind. A. d. V.
Dr. Degen, Protoconsul in
Luͤneburg.
Ueber Faivre's vereinfachte Dampfmaschine.
Wir haben dieser Dampfmaschine bereits im polyt. Journal Bd. LXVIII. S. 323 erwaͤhnt und
bemerkt, daß sie in der Werkstaͤtte von Derosne in
Paris (rue des Batailles, 7) verfertigt wird. Hr. Dr. Hermann sagt in seinem
Berichte uͤber die lezte Industrieausstellung in Paris (Nuͤrnberg
1840) daruͤber Folgendes: „Unter allen vorgelegten aͤußeren
Modificationen der Dampfmaschine schien uns keine so eigenthuͤmlich und
neu zu seyn, wie die von Faivre, welche vor vier
Jahren erfunden, seitdem in der Anwendung sich erprobt hat. Hier ist unstreitig
die Dampfmaschine auf die einfachste Form gebracht; denn außer dem Dampfkessel
sieht man gar nichts als den Cylinder, der mit seinem etwas uͤber
halbkugeligen Ende oder Fuß senkrecht in einer concentrischen Pfanne steht, die
in geringer Hoͤhe uͤber dem Boden angemessen befestigt ist. In
dieser Pfanne oscillirt der Cylinder, so daß sein Kolbenstiel unmittelbar die
Kurbel des Schwungrades treibt, womit zugleich das Maaß der Schwankungen gegeben
ist. Statt der Steuerung befinden sich in dem kugeligen Fuße des Cylinders, so
wie in der Pfanne angemessen gestellte Oeffnungen, die, indem der Cylinder
oscillirt, abwechselnd uͤber einander stehen und geschlossen werden, so
daß der Dampf durch die eine Pfannenoͤffnung ein-, durch die
andere ausgeht. Ohne den Dampfkessel nimmt eine solche Maschine von 6
Pferdekraft, bei 6 Fuß Hoͤhe nur etwa 3 Quadratfuß Raum ein, so daß in
Derosne's Werkstaͤtte an vier
verschiedenen Drehbaͤnken und anderen Vorrichtungen vier solche Maschinen
standen, die alle aus einem Kessel gespeist wurden. Es leuchtet ein, daß bei
dieser Construction weit weniger Reparaturen als bei kuͤnstlicher
Steuerung vorkommen muͤssen, und sie weit groͤßere Festigkeit
gewaͤhrt als Cylinder, die in Achsen haͤngen. Der Fuß des
Cylinders und die Pfanne reiben sich zwar nach laͤngerem Gebrauche aus,
bleiben aber stets concentrisch und koͤnnen am Ende leicht ersezt werden.
Seit vier Jahren sollen die erwaͤhnten Maschinen bei Derosne, ohne Abnuͤzung des Fußes und der
Pfanne, arbeiten. Sie eignet sich besonders da, wo man nur wenig
Pferdekraͤfte noͤthig hat und wenig Raum zur Aufstellung besizt;
wegen der Leichtigkeit ihrer Aufstellung auch in solchen Faͤllen, wo man
bloß momentan eine Dampfmaschine bedarf, z.B. bei Bauten, zum Steinsagen etc.
Sie soll unter allen, bei kleiner Kraft, am wenigsten Feuerung beduͤrfen
und hiedurch die Anwendung kleiner Maschinen gleich vortheilhaft, wie die der
staͤrkeren machen; im Ankaufe kommt sie zugleich wohlfeiler als jede
andere:
fuͤr Pferdekraͤfte
1
2
3
4
8
12
kostet sie mit Kessel
2400
3300
4100
4900
7600
9700 Fr.
Bereits sind 24 solche Maschinen, von zusammen 160 Pferdekraͤften,
fuͤr verschiedene Fabriken gefertigt worden. Zu mehr als 12
Pferdekraͤften ist die Construction weniger geeignet. Der Preis einer
solchen Maschine ist so maͤßig, daß es wohl des Aufwandes werth
waͤre, sie durch Ankauf zu uns zu verpflanzen.“
Die Locomotiven von Stehelin und
Huber.
Stehelin und Huber in
Bitschweiler (Oberrhein), deren Verbesserungen an den Roͤhrenkesseln der
Locomotiven im polyt. Journal Bd. LXXV. S.
324 besprochen wurden, haben seit kurzer Zeit bereits 16 Dampfwagen
gebaut. Ihre Locomotive fuͤr die Eisenbahn nach St. Germain wurde allgemein
als ein Meisterwerk auch in Bezug auf sorgfaͤltige Ausfuͤhrung
erkannt; sie kostete 40,000 Fr. Der Cylinder hat 13 Zoll Durchmesser. Die
Oberflaͤche des Heizraumes ist in diesen Maschinen groͤßer als
gewoͤhnlich; so auch der Durchmesser der Raͤder. Sie liefert 848,000
Liter Dampf in der Stunde, was etwa 50 Proc. mehr seyn soll, als bei den bisherigen
Systemen eine Maschine von gleicher Groͤße zu geben vermochte. Der
groͤßere Durchmesser des Cylinders gibt dem Kolben und also jeder
Radumdrehung mehr Kraft; bei groͤßeren Raͤdern bedarf man geringere
Geschwindigkeit des Kolbens, was die Abnuͤzung vermindert; die
Vorderraͤder, von groͤßerem Durchmesser als gewoͤhnlich,
greifen die Bahn weniger an. Die Erwaͤrmung des Wassers im Tender geschieht
durch zwei Kupferroͤhren, die den uͤberfluͤssigen Dampf des
Kessels abfuͤhren, wodurch viel Brennstoff erspart wird.
In ihren Eisenwerken (Hohoͤfen und Frischwerken), sodann in der
Maschinenfabrik selbst sind etwa 1000 Arbeiter beschaͤftigt. (Dr. Hermann a. a. O.)
Labbé's Zapfenlager für Schwungräder.
Labbé (rue Amelot, No.
52 in Paris) lieferte zur lezten Industrieausstellung in Paris zwei Arten von neuen
Zapfenlagern fuͤr senkrechte und waagrechte Schwungraͤder. Die
waagrechte Achse laͤuft zwischen vier Rollen, die sie saͤmmtlich
beruͤhren und deren Zapfen in zwei eisernen Ringen sich drehen, welche die
Rollen in gleichen Entfernungen halten; diese vier Rollen laufen in
halbkreisfoͤrmigen Vertiefungen, so daß die Achse des Schwungrades bald auf
einer Rolle ruht, waͤhrend eine aus der Rinne heraus-, die
entgegengesezte in die Rinne hineintritt, bald auf zweien, waͤhrend die
beiden anderen sich außerhalb der Vertiefung befinden. Beim senkrechten Stande der
Achse des Schwungrades geht sie durch die Mitte einer ringfoͤrmigen Rinne, in
der drei Kugeln, durch bauchige Kegel auseinander gehalten, sich frei bewegen. Auf
diesen Kugeln ruht das Rad mit einem am oberen Ende der Achse angebrachten
halbkugelfoͤrmigen Stuͤk; unten laͤuft die Achse in einem
senkrechten Loche, um sie senkrecht zu halten. An beiden Vorrichtungen sezte die
lange Dauer des Umlaufes der Raͤder, auch bei geringem Anstoße, in
Verwunderung. (Dr. Hermann a.
a. O.)
Benoît's Webestuhl für Lichterdochte.
Die Fortschritte in der Kunst einer glaͤnzenden Beleuchtung durch Oehl, Gas,
Stearin u.s.w. haben ihre Gemeinnuͤzigkeit noch lange nicht so weit erstrekt,
daß auch die niederen Volksclassen derselben theilhaftig waͤren, und es war
daher in unserer Zeit noch keineswegs uͤberfluͤssig, wenn Hr. Benoît (Neubourg, Dept. de
l'Eure) sich damit abgab, einen Webestuhl zu construiren der in
oͤkonomischer Hinsicht, und was die Guͤte betrifft, einen Bestandtheil
dieser Beleuchtung fuͤr die aͤrmere Classe verbessert. Im Preise
kommen die auf demselben gemachten Dochte um wenigstens 3 Viertheile wohlfeiler
durch den Zeitgewinnst, indem eine Menge Handarbeiten dabei erspart werden. An
Guͤte gewinnen sie dadurch, daß sie nicht mehr in großer Quantitaͤt
auf lange Zeit in Vorrath gemacht zu werden brauchen, wodurch sie einer gewissen
Verderbniß entgehen (mèches eventées).
Dieser wohlfeile Webestuhl ist in mehreren Departements Frankreichs schon sehr
verbreitet, indem ein Jeder ohne vorgaͤngige Lehre sich seine Dochte selbst
darauf bereiten kann, deren 24 zugleich fertig werden. Die Société d'Encouragement wird die Beschreibung und Abbildung
dieser einfachen Maschine spaͤter in ihrem Bulletin liefern, und hat dem Erfinder die silberne Medaille zuerkannt.
(Bulletin de la Société
d'Encouragement. Aug. 1840)
Budy's
neue Verzinnung.
Nach vielen Bemuͤhungen ist es Hrn. Budy gelungen,
eine Legirung statt des reinen Zinns zum Verzinnen anzuwenden, welche sich durch
ihre ungemeine Dauerhaftigkeit auszeichnet. Dieselbe ist nicht nur auf Kupfer,
sondern auch, und ganz vorzuͤglich, auf Eisengußwaaren anwendbar. Ohne einen
merklich staͤrkeren Ueberzug zu bilden, dauert derselbe doch 5–6 mal
laͤnger als die gewoͤhnliche Verzinnung, wie sich hievon viele
urtheilsfaͤhige Wirthe und Garkoͤche uͤberzeugt haben. Das
Gußeisen nimmt diese Verzinnung eben so gerne an wie das Kupfer, und altes so gut
wie neues. Die verzinnten Gußwaaren werden einen so angenehmen Gebrauch
gewaͤhren, als das Kupfer, ohne der Gesundheit so gefaͤhrlich zu seyn,
wie man sich durch Versuche uͤberzeugt hat. Hr. Budy erhielt von der Société
d'Encouragement fuͤr seine Erfindung die goldene Medaille. (Bulletin de la Société d'Encouragement.
Aug. 1840)
Nasmyth's Verfahren Scheiben von belegtem Spiegelglas durch den Luftdruk
in concave oder convexe Spiegel zu biegen.
Die Schwierigkeit, große Spiegel fuͤr Teleskope zu erhalten, verbundem mit dem
Umstande, daß das gewoͤhnliche Spiegelmetall sehr schwer, sproͤde und
leicht oxydirbar ist, veranlaßte Hrn. Nasmyth, mit Folie
belegtes Spiegelglas zu Teleskopen zu benuzen, welches bekanntlich auch mehr Licht als alle Metallspiegel
reflectirt. Um einer Scheibe von Spiegelglas eine concave oder convexe Form zu
geben, muß ein gewisser Druk gleichfoͤrmig auf ihre Oberflaͤche
wirken, wozu Nasmyth (wie bereits im polyt. Journal Bd. LXXIV. S. 442 erwaͤhnt wurde) das
Gewicht der Atmosphaͤre benuzt. Eine Scheibe von mit Folie belegtem
Spiegelglas, welche 39 engl. Zoll im Durchmesser hat und 3/16 Zoll dik ist, wird in
eine wenig tiefe gußeiserne Schale eingepaßt und eingekittet, so daß der Raum oder
die Kammer hinter dem Glase vollkommen luftdicht ist; durch eine mit dieser Kammer
communicirende Roͤhre kann man dann beliebig Luft ausziehen oder
einblasen.
Um einen concaven Spiegel zu erzeugen, ist so wenig Kraft erforderlich, daß wenn man
mit dem Munde die Luft aus der Kammer durch die Roͤhre auszieht, das Gewicht
der Atmosphaͤre, welches in diesem Falle 3558 Pfd. betraͤgt, die mit
gleichem Druk auf eine Flaͤche von 1186 Quadratzoll wirken, das Glas
noͤthigt, eine Concavitaͤt von beinahe drei Viertel eines Zolles
anzunehmen, was bei einem Durchmesser von 39 Zoll weit mehr ist, als man fuͤr
teleskopische Zweke jemals braucht. Wenn man wieder Luft zulaͤßt,
erhaͤlt das Glas sogleich seine fruͤhere ebene Oberflaͤche, und
treibt man durch die Kraft der Lungen Luft ein, so wird es beinahe in demselben
Grade convex, als es vorher concav war. Man koͤnnte die concave Form dadurch
constant machen, daß man in die luftdichte Kammer eine eiserne Scheibe bringt,
welche in der gewuͤnschten Form abgedreht ist, und durch den Luftdruk das
Glas in der ihm bei seiner festen Beruͤhrung mit der eisernen Scheibe
gegebenen Form erhaͤlt. (London Journal of arts.
Sept. 1840, S. 40.)
Ueber die Auflöslichkeit des Aethers in Wasser.
In kaltem Wasser scheint der Aether aufloͤslicher zu seyn, als in warmem; denn
wenn man das Wasser, womit man den rohen Aether gewaschen hat, in glaͤsernen
Retorten uͤber der Spirituslampe erwaͤrmt, steigen augenbliklich von
der Stelle, worauf die Lampe am staͤrksten wirkt, Aetherkuͤgelchen bis
zur Groͤße eines Kirschkernes empor. Das Wasser truͤbt sich immer mehr
von abgeschiedenem und feinzertheiltem Aether, bis es, nahe am Siedepunkt desselben,
sich auf einmal vollkommen aufhellt, waͤhrend der fast vollstaͤndig
abgeschiedene Aether in einer Schichte von betraͤchtlicher Dike obenan
schwimmt und uͤberzudestilliren anfaͤngt.
Ueberhaupt enthaͤlt das Waschwasser des Aethers meist sehr viel davon
aufgeloͤst. Bei einer Verarbeitung von 15 Maaß Weingeist auf Aether, wobei
das Destillat in drei zusammen verbundenen, der Winterkaͤlte ohne
kuͤnstliche Abkuͤhlung ausgesezten geraͤumigen Vorlagen
verdichtet wurde, wurde der Aethergehalt des in den beiden ersten Vorlagen
gewonnenen Destillates, welche vorzugsweise das Wasser und den unzersezten Weingeist
enthalten mußten, vor dem Waschen durch Rectification concentrirt. Obgleich also die
Waschwasser so sehr viel Weingeist nicht enthalten konnten, lieferten sie, circa 10 Maaß betragend, bei der Destillation aus einer
kupfernen Blase etwas uͤber 1 Maaß ziemlich reinen Aether. Die Benuzung
dieser Waschwasser darf daher um so mehr allgemein empfohlen werden, als das
Abtreiben des darin aufgeloͤsten Aethers aͤußerst leicht und schnell
von Statten geht. Das erhaltene Destillat schuͤttelt man mit etwas Wasser,
und reinigt es vollends durch Rectification.
W. v. E.
Neue Bestimmung der stöchiometrischen Zahl des
Kohlenstoffs.
Dumas und Strass haben bei 14
mit der moͤglichsten Genauigkeit angestellten Analysen als Resultat erhalten,
daß die stoͤchiometrische Zahl des Kohlenstoffs (wenn der Sauerstoff = 100)
75 und nicht 76,52 ist, was also gegen die bisherige Annahme eine Differenz von 2
Proc. ausmacht. Es werden daher viele Formeln fuͤr organische Koͤrper,
besonders sehr kohlenstoffhaltige, abgeaͤndert und manche Analysen wieder
vorgenommen werden muͤssen. Uebrigens stimmt die Zahl 75 mit der Annahme des
Dr. Prout
uͤberein, daß naͤmlich das Atomgewicht des Kohlenstoffs gerade
sechsmal so groß wie das des Wasserstoffs ist, so wie sie auch viel besser als das
bisherige Aequivalent des Kohlenstoffs mit den Analysen des Kalkspaths, Arragonits
und Marmors, welche Thenard und Biot so sorgfaͤltig anstellten, so wie mit den von Biot
und Arago bestimmten Dichtigkeiten des Sauerstoffs und
der Kohlensaͤure uͤbereinstimmt. (Comptes
rendus, August 1840, Nr. 7.)
Jeuch, über die Aufbewahrung des
Eises in hölzernen Kästen in Gebaͤuden uͤber der Erde.
Die gewoͤhnliche Weise, das Eis in der Erde in gemauerten und mit Holz
gefuͤtterten Gruben aufzubewahren, ist mit manchen Kosten verbunden und
leistet nur halbgenuͤgende Dienste, auch ist dafuͤr ein eigenes, im
Schatten liegendes Grundstuͤk und eine Grube mit Wasserabfluß nothwendig. Bei
dieser Einrichtung fault alles Holz sehr bald, verursacht daher
immerwaͤhrende, kostbare Reparaturen und das Eis haͤlt sich nicht,
wenn es nicht in sehr großer Masse vorhanden ist; denn die 6° R.
Waͤrme, welche die Erde enthaͤlt, schmelzen dasselbe immerfort. Alle
diese aufgezaͤhlten Nachtheile besizen die Eiskaͤsten uͤber der
Erde nicht. Erst im September und Oktober beginnt das Eis ein wenig zu schmelzen, wo
bald der Winter wieder eintritt, haͤlt sich uͤbrigens 2 Jahre lang
frisch und braucht nur alle Jahre oben wieder nachgefuͤllt zu werden,
entweder mit Eis, oder bei Mangel desselben bloß mit frischem Schnee.
Ein solcher Eisbehaͤlter besteht aus einem hoͤlzernen kubischen Kasten,
1000 Kubikfuß inneren Raum enthaltend (also von 10 Fuß), und von starken
2zoͤlligen Bohlen oder Brettern wasserdicht zusammengefuͤgt. Um diesen
Kasten ist in einem Abstande von 4 bis 4 1/2 Zoll ein Mantel von 1zoͤlligen
Brettern gebaut und der hohle Zwischenraum fest mit Haͤksel (1 Zoll lang
geschnittenes Stroh) ausgefuͤllt. An einer der Seitenwaͤnde ist so
hoch oben als moͤglich ein doppeltes Thuͤrchen von 2 Fuß Breite und 3
1/2 Fuß Hoͤhe angebracht. Der Boden des inneren Kastens muß
vorzuͤglich gut gefuͤgt werden, damit der Haͤksel unter
demselben nicht naß werden kann, in welchem Falle das Eis schmelzen und das Holz
verderben wuͤrde. Auf diesen Boden ist ein hoͤlzerner Rost gelegt und
auf diesen das Eis fest wie Quadermauerwerk geschichtet; die Fugen werden mit Schnee
ausgefuͤllt. Unter dem Roste auf dem Boden des Kastens ist eine kleine
Ablaufroͤhre von der Ausflußweite eines Federkieles anzubringen und mit einem
Hahne zu versehen, der zuweilen geoͤffnet werden muß, um das sich unter dem
Roste sammelnde Wasser abzuzapfen. Noch ist zu bemerken, daß es gut ist, den inneren
Kasten mit einer auch nur gemeinen Oehlfarbe anzustreichen, und eine Vorrichtung
anzubringen, mittelst welcher der Raum unter dem Roste jedes Jahr gereinigt werden
kann, denn die Unreinigkeiten des Eises sammeln sich hier zum Schaden desselben.
– Der Raum, in welchem ein solcher Eisbehaͤlter angebracht werden
kann, soll die Schattenseite haben, troken und vor Luftwechsel verwahrt, uͤberhaupt gegen alle
aͤußeren Einwirkungen unempfindlich seyn. Aus diesen Gruͤnden darf die
Thuͤre des Kastens nicht der Thuͤre des ihn umgebenden Locales gerade
gegenuͤber stehen; auch duͤrfen in lezterem keine Fenster angebracht
werden, und endlich soll rings um den Kasten so viel Raum seyn, daß ein Mensch
bequem durchgehen kann; denn die zu große Naͤhe der Mauern aͤußert
sich sogleich nachtheilig am Eise im Kasten, wie die Erfahrung lehrt. (v. Ehrenberg's Zeitschrift, Bd. IV. S. 176.)
Die Krapplake der Madame Gobert.
Madame Gobert in Paris fabricirt Krapplak, der alles
bisher Erzeugte bei Weitem uͤbertrifft. Er bewaͤhrte sich so gut, daß
sich die beruͤhmtesten Maler in Paris dessen bedienen. Seit der Entdekung des
kuͤnstlichen Ultramarins soll im Bereiche der Farbendarstellung nichts so
Wichtiges geleistet worden seyn. Auch hat diese Frau zum erstenmal den in der
Krappwurzel so reichlich vorhandenen gelben Farbstoff behufs der Anwendung
dargestellt. (Bulletin de la Société
d'Encouragement. Aug. 1840.)
Leserré's apothetisches Tintenfaß.
Bekanntlich verdirbt die Tinte sehr gern in den bisher bekannten
Tintenfaͤssern in Folge des Einflusses der atmosphaͤrischen Luft,
welche das gerbstoffsaure Eisenoxydul bestaͤndig hoͤher zu oxydiren strebt. Die feine
Vertheilung des faͤrbenden Stoffes leidet darunter. Die Tinte verdikt sich
ferner durch Verdampfung ihres Wassers, sie zersezt sich, sezt Schimmel an, u.s.f.
Um allen diesen Uebelstaͤnden zu begegnen, hat Hr. Leserré folgendes Tintenfaß erdacht.
Dasselbe besteht 1) aus einem Reservoir von Porzellan oder
Glas von beliebiger Form, jedoch mit einem kurzen Halse, wie ein Becher, endigend.
Die Muͤndung dieses Theiles ist von einem messingenen Reife umgeben, in
welchem ein Ventil mit Knopf angebracht ist, um beim Bedarfs Luft einlassen zu
koͤnnen. 2) besteht es aus einem das Becherchen
(godet) genannten, unten mit einem Boden versehenen,
cylindrischen Rohre, durch welchen Boden ein sehr kleines Loͤchlein geht. Die
obere Oeffnung desselben ist mit einem messingenen Gehaͤuse umgeben, auf
welches ein genau schließender und sich leicht oͤffnender Dekel paßt. Wenn
man nun Tinte in das Reservoir bringt, so muß ein Theil des Raumes leer gelassen
werden, welchen das Becherchen ausfuͤllt. Nun folgt, daß, wenn das Becherchen
wohl verschlossen in das Reservoir gestekt wird, es zugleich mittelst eines
Schraubenganges, mit welchem es versehen ist, dasselbe auch verschließt; daß aber,
sobald man den Dekel des Becherchens oͤffnet und den Knopf am Ventile des
Reservoirs druͤkt, die Luftsaͤule auf die Oberflaͤche der Tinte
druͤken und sie zwingen muß, durch das unten am Becherchen angebrachte Loch
einzudringen. Folglich kann die Tinte nach Wunsch und in beliebiger Menge in das
Becherchen gebracht werden, wo sie die Einwirkung der Luft nur auf einer sehr
kleinen Oberflaͤche zu erleiden hat, welcher man auch zu jeder Zeit, indem
man das Becherchen nach dessen Gebrauche verschließt, Einhalt thun kann.
Auch zum Gebrauche anderer farbiger Tinten mit fluͤchtigen Bestandtheilen ist
dieses Tintenfaß zu empfehlen; ganz vorzuͤglich aber zum Gebrauche
unausloͤschlicher Tinte, deren faͤrbender Bestandtheil Kohle ist, die,
im Wasser unaufloͤslich, sich immer auf den Boden sezt und
bestaͤndiges Aufruͤhren nothwendig macht. Da durch das Becherchen die
Tinte heraufgezogen wird, welche sich auf dem Boden des Reservoirs befindet, so ist
man sicher, immer gleich dike und gleich gehaltreiche Tinte zu haben. (Bulletin de la Société d'Encouragement
August 1840.)
Es befindet sich bereits eine neue Art Tintenfaͤsser im Handel, die zwar von
dem oben beschriebenen etwas verschieden sind, aber auf demselben Principe beruhen.
Ueber einer gewissen, von Innen bezeichneten Hoͤhe des Reservoirs
naͤmlich befindet sich ein Loch, durch welches das Reservoir mit einem an der
Außenseite angebrachten kleinen Naͤpfchen
communicirt. Ein im Dekel des Reservoirs mittelst einer Schraube auf und ab
bewegbarer (unten geschlossener) Cylinder bewirkt, wenn er sich abwaͤrts
bewegt, einen Druk auf die Tinte, mit welcher das Reservoir nur bis zum Zeichen
angefuͤllt seyn darf, so daß die Tinte sich uͤber ihr Niveau erhebt
und durch das Loch in das aͤußere Naͤpfchen laͤuft, welches
nach dem Gebrauche ebenfalls bedekt werden kann. Dieses Product der eleganten
Industrie ist von Porzellan mit Goldverzierung, die Dekel mit dem Schraubenkopfe von
Messing sehr zierlich gearbeitet und existirt unter verschieden modificirten
aͤußeren Ausstattungen.
– x.
Nekrolog.
Als wir vor neun Jahren den Nekrolog unseres verehrten Mitarbeiters, des
koͤnigl. bayer. Hofrathes und Professors, Directors der koͤnigl.
chirurgischen Schule in Landshut etc., Hrn. Med. Dr.
Joseph August Schultes liefertenBd. XLII. S. 222 des polytechn. Journals., ahndeten wir nicht, daß wir schon so bald die traurige Pflicht zu
erfuͤllen haͤtten, die Lebensgeschichte seines nun gleichfalls
verblichenen, ihm geistesverwandten Sohnes, welcher seit dem Tode seines Vaters die
Mitredaction unseres Journals uͤbernahm, zu liefern. Nicht ohne tiefe Wehmuth
und innige Ruͤhrung uͤber den Verlust dieses Mannes, der eben so
ausgezeichnet durch seine umfassende wissenschaftliche Bildung, als durch die
vortrefflichen Eigenschaften seines Herzens, in der schoͤnsten Reife des
Lebens, inmitten seines gemeinnuͤzigen Strebens uns und der Wissenschaft viel
zu fruͤhe entrissen wurde, uͤbergeben wir hiemit den Lesern unseres
Journales einen kurzen Umriß der Lebensgeschichte desselben.
Julius Hermann Schultes wurde zu Wien den 4. Februar 1804
geboren. Bald nachdem er den ersten Elementarunterricht erhalten hatte, gab ihm sein
Vater Anleitung in der Botanik, lehrte ihn nicht bloß Pflanzen zu sammeln, zu ordnen
und zu unterscheiden, sondern zeigte ihm auch die Behandlung lebender
Gewaͤchse vom Samen bis zur Frucht, wozu sich ihm in dem botanischen Garten,
welchem er vorstand, die beste Gelegenheit darbot. Auf diese Weise wurde bei Schultes schon in fruͤhester Jugend der Grund zu
seinen botanischen Kenntnissen gelegt, so daß er in einem Alter von zehn Jahren
bereits an 6000 Pflanzen kannte, und sich selbst aus den bei seinen botanischen
Excursionen gesammelten ein kleines Herbarium angelegt hatte. Gleichzeitig
unterrichtete ihn sein Vater in der Geometrie nach Euklid, und in mehreren lebenden Sprachen; besonders betrieb er die
franzoͤsische mit Auszeichnung, und erwarb sich darin so große Fertigkeit,
daß er selbst in franzoͤsischen Gedichten sich versuchte. Nebenbei wurden
aber auch andere Sprachen nicht vernachlaͤssigt, und er betrieb außer den
classischen Sprachen des Alterthumes noch italienisch und spanisch, spaͤter
dann auch englisch und hollaͤndisch. Das Studium der neuen Sprachen, der
Geometrie und Botanik fuͤllten auch da noch seine Nebenstunden aus, als er
das Gymnasium in Landshut besuchte. Das Gymnasium mußte Schultes jedoch nach dem Willen seines Vaters bald verlassen, da dieser
nicht im Sinne hatte, seinen Sohn fuͤr den gelehrten Stand heranzubilden,
sondern wollte, daß er sich der Handlung widme. Zu diesem Behufe brachte ihn
derselbe in ein Handlungshaus nach Wien; zugleich sorgte er auch dafuͤr, daß
der begonnene Unterricht in den lebenden Sprachen, der Mathematik und Botanik
gehoͤrig fortgesezt werde.
Allein dem aufstrebenden Geiste des jungen Schultes, bei
welchem durch das Studium der Botanik bereits eine besondere Vorliebe fuͤr
Naturwissenschaft angeregt war, sagte das Einfoͤrmige seiner neuen
Berufsbestimmung durchaus nicht zu. Er folgte ihr, weil es einmal der Wille seines
Vaters war, dem er mit unbedingtem Gehorsam zu folgen gewohnt war. Er kam daher
Allem willig nach, was ihm in seinem neuen Berufe uͤbertragen wurde, erwarb
sich Kenntnisse in der Buchfuͤhrung, in der kaufmaͤnnischen
Correspondenz, und vorzuͤglich auch in der Waarenkunde; nebenbei unterließ er
aber auch nicht, seine botanischen Kenntnisse zu erweitern. Jeden Abend, wo er sich
erholen durfte, eilte er mit groͤßter Freude in den botanischen Garten, nahm
an den Arbeiten der Gaͤrtner Antheil, sammelte sich Pflanzen und
benuͤzte zur Bestimmung derselben die vorhandenen botanischen Werke. Da diese
Vorliebe fuͤr Botanik denen, welche die Aufsicht uͤber ihn
fuͤhrten, nicht entgangen war, so gab der Vater auf Anrathen derselben, den
Bitten des Sohnes, ihn wieder zuruͤk zu nehmen, und seine Studien fortsezen
zu lassen, nach, und ließ ihn im Jahre 1818 wieder in das vaͤterliche Haus
nach Landshut kommen, wo er sich dem fruͤher abgebrochenen Unterrichte in den
alten Sprachen und den uͤbrigen Lehrzweigen des Gymnasialunterrichts mit
ungemeinem Fleiße hingab, so daß er bald nach erstandener Pruͤfung das
Gymnasialabsolutorium sich erwarb.
Wenn diese Vorschule dem jungen Schultes auch in mancher
Hinsicht widerwaͤrtig war, so finden wir darin doch die Begruͤndung zu
allem demjenigen, worin spaͤter derselbe als Arzt, Naturforscher und
Gelehrter hervorragte. Das fruͤhzeitige Auf, und Zusammenfassen von Merkmalen
an Naturgegenstaͤnden, das scharfe Unterscheiden, das Zusammenstellen an sich
ungleichartiger Naturdinge nach ihren uͤbereinstimmenden Merkmalen, erwekten
in demselben die Beobachtungsgabe, verliehen ihm Schaͤrfe und Gewandtheit im
Urtheilen, und legten den Grund zu der tiefen Einsicht in das Naturleben, was ihn in
seinem spaͤteren selbststaͤndigen Wirkungskreise so sehr
auszeichnete.
Im Jahre 1819 besuchte Schultes die naturwissenschaftlichen Lehrvortraͤge
seines Vaters an der Universitaͤt zu Landshut, assistirte demselben in der
Botanik, und verlegte sich außerdem mit allem Fleiße auf Physik, Chemie und
Anatomie. Nachdem er so die naturwissenschaftlichen Lehrgegenstaͤnde mit
aller Gruͤndlichkeit erfaßt, und die uͤbrigen allgemeinen oder
philosophischen Wissenschaften nebenher mit dem besten Erfolge absolvirt hatte, ließ
ihn erst sein Vater zu dem Studium der Medicin uͤbertreten.
Sein unermuͤdeter Fleiß, so wie die ausgezeichneten Fortschritte, welche er in
allen Zweigen seines Studiums machte, erwarben ihm die Liebe und
Hochschaͤzung seiner Lehrer, denen er fortan mit der groͤßten
Ehrerbietigkeit ergeben war, so wie auch das Vertrauen seiner Commilitonen, welche an ihm die
Treuherzigkeit und Charakterfestigkeit besonders schaͤzten.
In den lezten Jahren seiner medicinischen Studien nahm er den regsten Antheil an den
gelehrten Arbeiten seines Vaters. Nachdem er viele Uebersezungen und Bearbeitungen
aus franzoͤsischen, englischen, italienischen Zeitschriften, sowohl
fuͤr Technik als fuͤr Medicin, an der Seite des leztgenannten
geliefert halte, erschien auch im Jahre 1823 eine Uebersezung aus dem
Hollaͤndischen von S. Strathing's chemischen
Handbuche fuͤr Probirer, Gold- und Silberarbeiter (Augsburg und
Leipzig in der v. Jenisch und Stage'schen Buchhandlung); dann im darauffolgendem Jahre diejenige von Vitali's Grundriß der Faͤrberei, nebst einem
Anhange uͤber die Drukerkunst (mit Zusaͤzen und einem Anhange von Dr. J. G. Dingler und Dr. W. H. v. Kurrer in der J.
G. Cotta'schen Buchhandlung, und endlich sahen wir ihn
mit seinem Vater als Mitarbeiter des fruͤher von Schultes und Roemer herausgegebenen, nun aber
von Schultes, Vater und Sohn, erschienenen Systema Vegetabilium
Linnaei Systema Vegetabilium Editio nova, speciebus
inde ab editione XV detectis aucta et locupletata. Curantibus J. J.Roemeret J. A.Schultes. (Nach Roͤmer's Tod) J. A.Schulteset Jul. Herm. Schultes. 7 Baͤnde in 9 Thl. mit 3 Baͤnden
Mantissen. und bei dem vierten Mantissenbande und dem zweiten Theile des siebenten
Bandes im Gebiete der Pflanzenkunde selbststaͤndig auftreten.
Nachdem er schon im Jahre 1822 in Gesellschaft seines Vaters und des
Begruͤnders dieses Journals (Dr. J. G. Dingler) eine Reise gemacht hatte, wobei fast alle
Universitaͤts- und groͤßeren Staͤdte Deutschlands
besucht wurden, indem der Zwek hauptsaͤchlich darin bestand, diebie persoͤnliche Bekanntschaft ausgezeichneter Maͤnner jedes
Faches zu machen, unternahm er im Jahre 1824 mit seinem Vater noch eine zweite Reise
durch Frankreich, England, Holland, Belgien, und machte nach seiner Ruͤkkehr
dann sein Examen pro gradu bei der medicinischen
Facultaͤt in Landshut, bestand dasselbe mit ganz besonderer Auszeichnung und
erlangte (am 26. Februar 1825) nach vorausgegangener Vertheidigung seiner Thesen sine praeside, die Doctorwuͤrde. Seine
Inaugural-Dissertation: „De nosocomiis
quibusdam belgicis, britannicis, gallicis commentariolum“
Landshut, bei Franz Seraph. Storno, 1825. 4. 38 S., welche in sehr gutem, fließendem
Latein abgefaßt ist, und die er zugleich mit seinen Streitsaͤzen druken ließ,
enthaͤlt sehr schaͤzenswerthe Bemerkungen uͤber die innere
Einrichtung und Verwaltung jener Spitaͤler, welche er auf seiner Reise zu
sehen Gelegenheit hatte, so wie uͤber Krankenpflege und
Mortalitaͤtsverhaͤltnisse in denselben etc., und wurde mit großem
Beifalle aufgenommen.
Von nun an arbeitete Schultes emsig mit seinem Vater
theils fuͤr Zeitschriften, theils fuͤr das Systema Vegetabilium, unterstuͤzte denselben vom Jahre 1826 an, wo
er zum Direcror der chirurgischen Schule zu Landshut ernannt wurde, im
Spitaldienste, hielt in Erkrankungsfaͤllen oder in Abwesenheit der
Professoren der Geburtshuͤlfe, Chirurgie und Therapie mit Wissen der
vorgesezten Kreisstelle unentgeldlich deren Lehrvortraͤge, und war
uͤberdieß im vaͤterlichen Hause fuͤr seine Geschwister der
wachsamste und sorgfaͤltigste Bruder. Diese Tugenden des Sohnes erfreuten und
staͤrkten das Herz des Vaters, welcher 1830 zu kraͤnkeln anfing und im
darauffolgenden Jahre nach einer langwierigen und hoͤchst schmerzhaften
Krankheit in Landshut starb. Auch waͤhrend dieser Krankheit zeigte sich der
treffliche Charakter des jungen Schultes im
schoͤnsten Lichte; unermuͤdet pflegte er bei Tag und Nacht mit der
groͤßten Sorgfalt seinen Vater, besorgte die Klinik und die
Lehrvortraͤge, so wie die literarischen Arbeiten fuͤr denselben. Vom
Augenblike des Todes seines Vaters an war er der zweite Vater fuͤr seine
Geschwister. Mit verdoppelter Thaͤtigkeit und mit der groͤßten Strenge
gegen sich selbst erfuͤllte er hier seine Pflicht, einzig fuͤr das
Wohl seiner Geschwister bedacht.
Schultes hatte anfangs nicht im Sinn, von der praktischen
Medicin Nuzen zu ziehen; seine Vorliebe fuͤr die Naturwissenschaften, und
insbesondere fuͤr Botanik, hatte in ihm schon laͤngst den Wunsch rege
gemacht, dereinst sich ganz dem Lehrfache zu widmen, um ungestoͤrt sein
Lieblingsstudium betreiben zu koͤnnen; allein die Sorge fuͤr seine
fuͤnf unversorgten Geschwister, welche damals um ihn waren, machten es nothwendig,
vor der Hand seinen Plan zu aͤndern, und sich mit der Ausuͤbung der
Medicin zu befassen. Er entschloß sich demgemaͤß, seine aͤrztliche
Proberelation und den Staatsconcurs zu machen, welche beide er 1831 mit Auszeichnung
bestand, und sich sodann zu Ende desselben Jahres als praktischer Arzt in
Muͤnchen niederließ.
Seine wissenschaftliche Bildung, die gluͤkliche Behandlung der Kranken, die
sich ihm anvertrauten, verbunden mit seinem aͤußerst collegialen,
freundlichen und offenen Benehmen am Krankenbette, so wie sein hoͤchst
bescheidenes und anspruchloses Wesen, erwarben ihm in kurzer Zeit Eingang zu den
hoͤheren und gebildeten Staͤnden und verschafften ihm solches
Zutrauen, daß er bald zu den ausgezeichnetsten Aerzten Muͤnchens gerechnet
wurde. Seine aͤrztliche Wirksamkeit war unuͤbertrefflich. Mit der
zaͤrtlichsten Theilnahme, mit beispielloser Uneigennuͤzigkeit ließ er
Allen, die seine Huͤlfe nachsuchten, die liebreichste Behandlung zu Theil
werden. Des Zutrauens seiner Patienten hatte er sich in einem hohen Grade zu
erfreuen; ja in den meisten Familien, bei denen er als Hausarzt aufgenommen war,
wurde er nicht nur als Arzt, sondern zugleich auch als Freund geliebt und
geschaͤzt. Er konnte sich ruͤhmen, wie vielleicht nur wenige Aerzte,
daß waͤhrend der neun Jahre, in denen er Praxis in Muͤnchen
ausuͤbte, ihm nie eine Familie, die seine Dienste einmal in Anspruch
genommen, untreu wurde. Sein aͤrztlicher Wirkungskreis vergroͤßerte
sich auch in den lezten Jahren seines Lebens sehr bedeutend.
Neben seiner ausgedehnten zeitraubenden Praxis befaßte sich Schultes in den freien Stunden noch mit wissenschaftlichen Arbeiten, auch
im Gebiete der Botanik. Die Fortsezung des Systema mußte
aber leider unterbleiben, da es ihm an Zeit gebrach, das Begonnene zu vollenden.
Er war ein sehr fleißiger Mitarbeiter des polytechnischen Journals, auf welches er
taͤglich mehrere Stunden verwendete; er lieferte dafuͤr nicht nur
Uebersezungen aus englischen, franzoͤsischen, italienischen und
hollaͤndischen Zeitschriften, sondern dasselbe verdankt ihm auch mehrere
schaͤzbare Originalaufsaͤze. Wir erinnern in dieser Beziehung unter
andern nur an jenen gediegenen Bericht uͤber die im Oktober 1835 in
Muͤnchen gehaltene Industrieaufstellung (Bd. LVIII. S. 322), woruͤber
sich selbst Seine Majestaͤt der Koͤnig in sehr schmeichelhaften
Ausdruͤken auszusprechen geruhten. Mehrere kleinere Aufsaͤze
uͤber verschiedene, theils botanische, theils medicinische
Gegenstaͤnde, ließ er in englische und franzoͤsische Journale
einruͤken.
Seine wissenschaftlichen Leistungen im Gebiete der Botanik fanden allgemeine
Anerkennung, und sicherten ihm einen ehrenvollen Plaz unter den
vorzuͤglichsten Botanikern. Er war Mitglied mehrerer gelehrten
Gesellschaften, und stand mit einigen der ausgezeichnetsten Gelehrten des In-
und Auslandes in Verbindung.
Als der fruͤher bestandene aͤrztliche Verein in Muͤnchen wegen
Mangels an reger Theilnahme seiner Mitglieder sich gewissermaßen von selbst
aufgeloͤst hatte, trug Schultes im Jahre 1832 zur
Begruͤndung des juͤngeren aͤrztlichen Vereins wesentlich bei.
Auf seine Vermittlung hin geschah es, daß dieser spaͤter mit dem
aͤltern vereinigt wurde. Seine Geschaͤftsfuͤhrung als
Secretaͤr des Vereins kann hinsichtlich der Ordnung und Puͤnktlichkeit
als Muster aufgestellt werden.
Schultes biederer Charakter, sein offenes heiteres Wesen,
sein treffliches Herz hatten ihm viele Freunde erworben, von denen die meisten ihm
mit inniger Liebe bis an sein Ende treu geblieben sind, so wie Schultes hinwiederum mit ganzer Seele und seltener Hingebung an seinen
Freunden hing.
Von Jugend auf gewohnt seine Zeit zwekmaͤßig zu benuzen und damit
haushaͤlterisch umzugehen, war er fast taͤglich vom fruͤhesten
Morgen bis zum spaͤter Abend unausgesezt beschaͤftigt, so daß er sich
haͤufig nur wenige Stunden Ruhe goͤnnte. Aber leider mochte diese
außerordentliche Anstrengung bei der eben in Muͤnchen herrschenden
Schleimfieber-Epidemie dazu beigetragen haben, daß er selbst von dieser
Krankheit befallen wurde, welche auch sein Ende herbeifuͤhrte, dem er vom
Anfange der Kranheit an ungescheut und mit kaltem Verstande entgegensah, einzig und
allein fuͤr das Schiksal seiner hinterlassenen Geschwister besorgt, die durch
seinen Hintritt ihrer groͤßten Stuͤze beraubt wurden.
Er starb nach dreiwoͤchentlichem Krankenlager am 1. Sept. dieses Jahres in
einem Alter von 36 Jahren.