Titel: | Ueber Jarry's Vorschlag, Holzstraßen anstatt Eisenbahnen zur Befahrung mittelst Dampfwagen anzulegen. |
Fundstelle: | Band 78, Jahrgang 1840, Nr. XXXVII., S. 190 |
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XXXVII.
Ueber Jarry's Vorschlag, Holzstraßen anstatt
Eisenbahnen zur Befahrung mittelst Dampfwagen anzulegen.
Ueber Jarry's Holzstraßen.
Ueber Jarry's Holzstraßen,
worauf wir bereits im polytechn. Journal Bd.
LXXIII. S. 154 nach der France industrielle
aufmerksam gemacht haben, erschienen zwei Broschüren, die eine unter dem Titel: Les chemins de bois, substitués aux chemins de fer,
avec tous leurs avantages, aucun de leurs inconvénients et une
économie des trois cinquièmes, ou Nouveau système de
locomotion a grandes vitesses et bas prix, au moyen de vehicules
perfectionnés, et de voies de communications à pavés
solidaires en bois de bout, bituminés en asphalte granitique de la
compagnie Pézerat, par
Jarry, ingénieur
civil. Paris 1839, und eine spätere unter dem Titel:
Les chemins de bois à voie libre, ou les chemins à vapeur
français, substitués aux chemins de fer ou railroads anglais.
2me Mém. Par
Jarry, Paris 1839. Hr.
Prof. Dr. Hermann in München,
welcher mit Jarry über dessen Erfindung öfters zu
sprechen Gelegenheit hatte, theilt hierüber in seiner Schrift: „Die
Industrieausstellung in Paris im Jahre 1839 (Nürnberg
1840)“ folgende interessante Bemerkungen mit:
„Jarry geht von dem Grundsaze aus, daß
gewöhnliche Straßen gegen Eisenbahnen nur darum so weit zurükzustehen scheinen,
weil sie nicht horizontal gelegt und fast überall schlecht unterhalten sind.
Ebene Lage mit vollkommen gleicher und fester Oberfläche würde sie den
Eisenbahnen nicht bloß gleichsezen, sondern ihnen zugleich die wichtigen Vorzüge
einräumen, daß man mit so ziemlich eben derselben Geschwindigkeit wie auf
Eisenbahnen mit Dampf fahren, außerdem auch Pferde benuzen, überall ganz nach Willkür die Straße
betreten und verlassen, und in völlig beliebiger Geschwindigkeit in jeder
Richtung fahren könnte. Dagegen muß man an den Eisenbahnen aussezen: daß sie in
derselben Richtung nur an Ausweichpläzen dem späteren Wagen einem vorhergehenden
vorzufahren, mit einiger Geschwindigkeit nur bei Tag zu fahren erlauben und eine
gewisse gleichförmige Geschwindigkeit einzuhalten nöthigen, die häufig dem
ökonomischen Interesse widerspricht; daß sie eigene Frachtwagen erfordern, was
große Zu- und Abfuhr-, dann Umladungskosten verursacht; daß sie
nur an bestimmten Stationen Zu- und Abgang erlauben; daß sie wegen des
nothwendigen Parallelismus der Räder nur geringe Abweichung von der geradlinigen
Bahn gestatten, was weit größere Bau- und Unterhaltungskosten verursacht;
daß die Schienen keine Erschütterung gestatten, ohne zu brechen, daher sie z.B.
nicht über Hängebrüken gelegt werden können, sondern lauter völlig feste und
weit kostspieligere Unterbauten erfordern; daß die beständigen Vibrationen der
Bahn viele Reparaturen an Schienen und Wagen veranlassen; daß die Last der Wagen
ungeheuer groß gemacht werden muß, damit sie die gehörige Zugkraft haben;
endlich daß man eben dieser Stöße wegen den Rädern nicht die vortheilhafteste
Größe geben kann. Der wichtigste Nachtheil ist die nuzlose Geschwindigkeit, mit
der man auf Eisenbahnen auch solche Personen fährt, deren Tagesarbeit weit
weniger werth ist, als der größere Aufwand, den die große Geschwindigkeit
erfordert, so wie Güter, deren Werth in der ersparten Zeit lange nicht so viel
Zins kosten würde, als man für diese Zeitersparniß auf der Bahn auszugeben hat.
Bei kurzen Streken kommt dieß weniger in Betracht, und für Personen kann hier
der Unterschied, ob man übernachten muß oder nicht, schon eine Veranlassung
seyn, sie der Bahn zuzuführen; bei weiteren Fahrten dagegen, wo man auch auf der
Eisenbahn übernachtet, würde diese gewiß viele Passagiere entbehren, die lieber
auf der gewöhnlichen Straße ein paar Tage länger und unbequemer reisten, als
etwa die doppelte Ausgabe auf der Eisenbahn machten.
Der Vorschlag Jarry's geht
nun dahin: horizontal gelegte Landstraßen mit ineinander greifenden, aufrecht
stehenden Holzstüken zu pflastern, welche zuvor in Asphalt ein paar Minuten lang
gekocht und nach der Zusammenfügung auf der Oberfläche mit einer dünnen Schicht
Asphalt überzogen werden. Nach einer mündlichen Bemerkung Jarry's gegen den Schreiber dieses würde
eine Eintauchung in siedende Thonerdeseife (talgsaure Thonerde) die Holzstüke
eben so gegen die Feuchtigkeit schüzen, wie der Asphalt, falls dieser irgendwo
zu theuer käme; so wie da, wo das Holz sehr wohlfeil ist, vielleicht der
Asphaltüberzug wegbleiben könnte, wenn nämlich die öftere Erneuerung der
Holzstüke (die übrigens als Brennmaterial immer noch Werth haben) weniger
kostete, als die Erneuerung der dünnen Asphaltdeke. Die Straßen würden mit
Brustwehren und Schranken versehen, um das Abgleiten der Wagen zu hindern. Die
Holzpflasterung böte den Vortheil, den Gang der Wagen sanfter und geräuschloser
zu machen, als auf den ebensten Steinwegen oder selbst auf Eisenbahnen möglich
ist, und sie wären frei von Staub und Schmuz. Zu festerer Verbindung müßten die
Holzstüke eine Form erhalten, wodurch die benachbarten so in einander griffen,
daß der Druk stets sich auf mehrere vertheilte. Solche Straßen erlaubten eben so
wohl die Anwendung von Dampfwagen wie von Pferden; für jede Art Fuhrwerk den
freien Zu- und Abgang, und jede beliebige Geschwindigkeit in jeder
Richtung; wenn auch naktes Holz etwas mehr Reibung als Eisen verursache, so
könne man dagegen auf demselben größere Räder anwenden, als auf der Eisenbahn;
die Erbauung würde selbst bei dem theuren Holze in Frankreich nur 2/5 von dem
kosten, was eine Eisenbahn; die Ausgabe auf Unterhaltung der Bahn, der Maschinen
und Wagen wäre geringer; die Frequenz an Reisenden und Gütern und daher der
Ertrag größer, weil man die jedem Bedürfniß angemessene Geschwindigkeit der
Fahrt anwenden könnte, und der Zu- und Abgang erleichtert wäre; die
Dampffahrt wäre sicherer, weil kein Abgleiten von der Bahn möglich und Bosheit
die Bahn nicht so leicht unfahrbar machen könnte. Die ausführlichen
Kostenanschläge mag man in Jarry's Broschüren nachsehen. Als Resultat findet er, daß,
während eine Lieue Eisenbahn jährlich 130,000 Fr. eintragen müsse, eine Holzbahn
schon bei 54,000 Fr. 6 Proc. Zins gebe. Wir fügen nur noch ein paar Bemerkungen
bei.
Die Einwendung, daß dieses Pflaster das Holz zu theuer machen würde, hebt sich
dadurch, daß auch die Eisenbahnen unmittelbar in den Querhölzern sehr viel Holz
consumiren, und noch mehr mittelbar, wenn die eisernen Schienen mit Holz im
Lande gemacht werden. Uebrigens ist der Holzverbrauch doch kleiner, als man
meinen sollte. Denn, würde man auch die Holzstüke 6 Zoll hoch machen (Jarry verlangt nur 4 Zoll) und die Straße 24 Fuß
breit, so hätte man auf eine deutsche Meile höchstens 3000 Klafter Holz nöthig;
auf die Länge von München bis Augsburg also etwa 30,000 Klafter, was, selbst
wenn die Bahn nur fünf Jahre dauerte, doch jährlich bloß 6000 Klafter
erforderte; abgesehen davon, daß die unbrauchbaren Holzstüke immer noch
Tauglichkeit zur Feuerung hätten. Auf eine andere Einwendung, daß nämlich die
Feuchtigkeit und Trokniß die Holzblöke außer Verbindung sezen werde, entgegnet Jarry, daß dieß wegen des Kochens in Asphalt, das
eben so eine Austroknung bewirke, als gegen Feuchtigkeit schüze, undenkbar sey.
Nur eine Einwendung ist ihm nicht beigefallen: die Unfahrbarkeit der Holzstraßen
durch Schnee, dessen Wegräumung wohl kaum rasch genug
geschehen könnte, um den Rädern des Dampfwagens genug Reibung zu bieten. Hier
tritt ein Vorzug der Eisenbahnen schlagend hervor. Gleichwohl bleibt der
Vorschlag noch immer wichtig genug, da neuerdings das Holzpflaster sich in einer
der besuchtesten Straßen von London ganz vorzüglich bewährt hat.Man verg. polyt. Journal Bd. LXXIII. S.
273 u. Bd. LXXIV. S.
399.A. d. R. Auch in München zeigen die vielen mit bloßen kubischen
nebeneinandergesezten Holzstüken gepflasterten Thorwege nur sehr wenig Abnüzung.
Eines ernstlichen Versuches, wenigstens in Bezug auf die Pflasterung von
Städten, scheint also die Anwendung von Jarry's ineinandergreifenden, in Asphalt
gekochten Holzstüken jedenfalls werth zu seyn.“