Titel: | Ueber Clegg's atmosphärische Eisenbahn; von Dr. Mohr in Coblenz. |
Autor: | Dr. Karl Friedrich Mohr [GND] |
Fundstelle: | Band 78, Jahrgang 1840, Nr. LXIII., S. 322 |
Download: | XML |
LXIII.
Ueber Clegg's atmosphaͤrische Eisenbahn; von Dr.
Mohr in Coblenz.
Mohr, uͤber Clegg's atmosphaͤrische
Eisenbahn.
Die atmosphärische Eisenbahn des Hrn. Clegg gehört zu den viel besprochenen Gegenständen unserer Zeit,
welche die Aufmerksamkeit der Techniker sowohl als des größeren Publicums in
Anspruch nehmen. Aus den sehr mangelhaften und auch unzuverlässigen Nachrichten, die
darüber ins Publicum gekommen sind, entsprangen Beurtheilungen dieser Erfindung, die
zum größten Theile sehr nachtheilig für dieselbe waren, und in welchen unter anderm
Schwierigkeiten erhoben wurden, welche bereits lange beseitigt waren. Es ist nicht
die Absicht auf diese zurükzukommen, sondern über diese Bahn einen getreuen Bericht
zu erstatten, wie derselbe aus eigener sorgfältiger Anschauung und Untersuchung
hervorgehen sollte.
Die atmosphärische oder pneumatische Eisenbahn ist bis zur Länge einer halben Meile
ausgeführt, zu Bayswater, etwa 3 engl. Meilen westlich von London. Probefahrten
werden wöchentlich zweimal am Montag und Donnerstag Nachmittags von 3 bis 5 Uhr
darauf gemacht und sind dem Publicum unentgeltlich zugänglich.
Ich benüzte den 7. September d. J. dazu, diese Bahn und ihren Gebrauch so genau, als
mir möglich, zu untersuchen und aufzuzeichnen. Maaße wurden zum Theil geschäzt, zum
Theil aber auch auf dem Papiere meines Notizbuches abgedrükt und nachher
ausgemessen. Die Gefälligkeit des Hrn. Clegg und aller bei der Bahn beschäftigten Leute verdient ehrenvolle
Anerkennung, indem es zuvorkommend gestattet wurde, alle verborgenen und beweglichen
Theile aufzudeken und zu bewegen, um jeden Zweifel bei den Wißbegierigen zu
entfernen. Da nämlich das Princip patentirt ist, und das Zutrauen des Publicums zu
einer größern Unternehmung unentbehrlich ist, so ist der eben genannte Weg der
öffentlichen Belehrung beliebt worden.
Bei der Clegg'schen Eisenbahn sind in wissenschaftlicher
und praktischer Beziehung zwei große Fragen zu beantworten, erstlich: die
Möglichkeit und Ausführbarkeit derselben, und zweitens: die Vortheile, welche aus
der Anwendung des Princips für den Commerz oder die betreffende Actiengesellschaft
entspringen sollen.
Was nun die erste Frage betrifft, nämlich die Möglichkeit und Ausführbarkeit
derselben, so muß dieselbe mit Ja beantwortet werden, was auch immer eingewendet
worden seyn mag. Es wird schwierig seyn, ohne Zeichnungen und Modelle das Spiel des
sehr sinnreichen Klappenapparates deutlich zu machen, doch soll es nach Möglichkeit
geschehen.Die im polytechnischen Journal Bd. LXXVII.
S. 264 enthaltene Beschreibung finde ich sehr richtig, jedoch die
S. 414 mitgetheilten, von Hrn. Clegg aufgestellten Berechnungen illusorisch und falsch. A.
d. V.
Bei der atmosphärischen Eisenbahn wird, wie bekannt, die bewegende Kraft durch eine
stehende Dampfmaschine erzeugt, und vermöge des Luftdrukes in einer verschlossenen
Röhre aus Gußeisen fortgepflanzt. Von einem Gewinn an Kraft kann also hier nicht die
Rede seyn. Die luftleere Röhre ist streng genommen nichts anderes als eine andere
Form des Seiles, womit auf gewissen Eisenbahnen, wie bei der Blackwall-Bahn
in London, die Kraft von der Maschine auf die Wagen fortgepflanzt wird. Bei der Clegg'schen Bahn findet nur eine Verdünnung und keine
Compression der Luft statt, wie ich öfters gehört hatte, denn die Klappen sind so
eingerichtet, daß sie nur einen Druk von Außen nach Innen aushalten können, während
sie von einem innern Druk aufgeblasen werden können. Eine zwischen den Schienen
liegende gußeiserne Röhre ist mit einem Längenschlize versehen, durch welchen
hindurch die Kraft vom Kolben in der Röhre nach Außen an den Wagen übergeführt wird.
Die Röhre besteht aus etwa 8 Fuß langen Stüken, welche am Ende mit einem Muff und
nicht mit Flantschen aneinander befestigt sind. Diese Röhren sind nicht ausgebohrt,
noch ausgeschliffen, noch aufgespalten, sondern, wie Hr. Clegg sagte, gerade wie sie aus der Gießerei
kommen. Jedes einzelne 8 Fuß lange Stük hat in passenden Distanzen von 2 Fuß 3
excentrische Bauchringe, welche zur Verstärkung der Röhre und Befestigung dienen.
Diese Bauchringe sind etwa 1 Zoll dik von Metall, ragen unten etwa 4 Zoll unter der
Röhre hervor, und sind am unteren Ende mit 2 flachen seitlichen Ansäzen versehen,
mit welchen die Röhre an die Querschwellen der Bahn durch Schrauben befestigt wird.
Durch diese Bauchringe wird die Röhre ganz frei in der Luft gehalten, und zugleich
eine solche Verstärkung des Metalls bewirkt, wodurch jeder Einfluß des
atmosphärischen Luftdrukes auf die Gestalt der Röhre vernichtet wird. Der lichte
Durchmesser der Röhre ist 8 3/4 Zoll hiesigen Maaßes. Ob die Enden der Röhren so
sehr exact aufeinander schließen, daß keine vor der folgenden um eine Kleinigkeit
hervorrage, scheint Hrn. Clegg
keine Sorge gemacht zu haben, indem er selbst sagte, die Röhren könnten um 1/4 Zoll
im Durchmesser Verschieden seyn, und dennoch müßte der Kolben hindurchgehen. Dieses
wird jedem
begreiflich, welcher den Kolben sieht. Lezterer ist etwa 18 Zoll lang, verschließt
die Röhre, aber nur an seinem vorderen Ende, durch eine Lederkappe, welche von der
hohlen Seite beständig durch den Luftdruk aufgeblasen, und an die Wände des
Cylinders angepreßt wird, so daß er sich an die Ungleichheiten der Röhre anschmiegt.
Man sieht leicht ein, wie man mit einem solchen Kolben so gar schwache Curven
durchlaufen könne. Alle Unebenheiten der Röhre sind durch ein Uebermaaß von fetter
Schmiere ausgefüllt und überzogen, so daß der Kolben sich eigentlich in einer Röhre
von Fett und Talg bewegt, wodurch natürlich die Reibung bedeutend vermindert wird,
und eine Abnuzung der Lederkappe, wie sie auch in ausgebohrten Cylindern von
Gußeisen bei unmittelbarer Berührung eintreten müßte, gar nicht stattfindet. Man
wundert sich in der That mehr, wie man es unternehmen konnte, mit solchem
unvollkommenen, ja elenden Apparate diese Aufgabe zu lösen, als darüber, daß sie in
der That gelöst ist. Damit nun der Kolben, wegen seines excentrischen
Eingriffspunktes am Wagen, nicht schief gezogen werde, sind besondere
Vorsichtsmaßregeln getroffen. Vor dem Kolben ist die Achse durch eine eiserne Stange
von 6 Fuß Länge fortgesezt und hinter dem Kolben 12 Fuß lang, so daß die ganze Achse
an 18 Fuß lang ist. An deren Spize ist zuerst ein Leitkolben von etwa nur 6 Zoll
Durchmesser, welcher dennoch die Röhre nicht verschließt, sondern über den Boden
gleitet und ein Hemmen des wirklichen Kolbens verhindert; 6 Fuß von der Spize kömmt
der wirkliche Kolben mit seiner Lederkappe, hinter dem Kolben kommen 4
Frictionsrollen, welche über den Boden der Röhre gleiten, aber die Klappen noch
nicht heben, dann kommt eine 5te Frictionsrolle in der Achse des Kolbens senkrecht
stehend, welche einen Zoll höher ist, als der lichte Durchmesser der Röhre, welche
also, wenn sie über den Boden der Röhre rollt, oben alle Klappen aufstoßen muß, und
nun kömmt die Verbindungsplatte zwischen Kolben und Wagen; diese schießt unter die
eben von der lezten Frictionsrolle gehobene Klappe, hält sie so lange schwebend, bis
sie durchgegangen ist, und läßt nun die Klappe wieder auf ihre Stelle niederfallen,
sobald sie durchgegangen ist. Die Verbindung der Kolbenachse mit dem Wagen ist durch
ein eisernes Blech bewerkstelligt, welches 1/2 Zoll dik, und 12 Zoll breit, und so
gebogen ist, daß die Klappe nicht eben senkrecht aufzustehen braucht, um diese
Verbinbungsplatte Passiren zu lassen. Hinter diesem Theile ist die Achse des Kolbens
noch um fernere 6 Fuß verlängert und mit Frictionsrollen versehen, welche aber in
dem bereits wieder verschlossenen Rohre laufen müssen, und deren Durchmesser also
kleiner als der der Röhre seyn muß.
Wir haben nun noch den Bau und das Spiel der Klappen zu beschreiben, welche immer als
der wunderlichste Theil der ganzen Erfindung angesehen wurden, und deren gelungene
und erfolgreiche Ausführung noch von Vielen, ungeachtet der bestimmtesten
Erklärungen, bezweifelt wird. Auch ich gehörte zu den Ungläubigen, weil mir Niemand
Details der Construction mittheilen konnte, und glaubte erst, als ich meine Hände
hineinlegte. Ich will demnach versuchen, die Construction dieser Klappen so sinnlich
darzustellen, als dieses ohne Zeichnung möglich ist. Der Schliz in der Röhre ist
nach dem Abdruk in meinem Notizbuche 1 1/2 rheinl. Zoll weit, und das Metall an
seinem Rand 1/4 Zoll dik. Zu beiden Seiten des Schlizes ist die Röhre außerhalb
flach auf der einen Seite etwa 1 Zoll breit, auf der entgegengesezten etwa 2 1/2
Zoll; hinter diesen Ebenen sind auf beiden Seiten senkrechte, die ganze Länge der
Röhre fortlaufende Längenrippen, gleichsam dünne Schienen von ungleicher Höhe. Auf
der Seite, wo die Fläche 2 1/2 Zoll breit ist, und die wir kurz die breite Seite
nennen wollen, zum Unterschiede von der andern 1 Zoll breiten, welche die schmale
Seite heißen mag, ist die senkrechte Leiste 3 Zoll hoch, auf der schmalen Seite ist
die Leiste nur 1 Zoll hoch. Beide Leisten sind mit der Röhre zusammengegossen. Auf
der 3 Zoll hohen Leiste ist mit Lederriemen und Nieten ein sogenannter Wetterdekel
von Schwarzblech angebracht, welcher schief über die niedrige Leiste herabhängt und
den ganzen Klappenapparat bedekt. Die einzelnen Stüke dieses Wetterdekels sind etwa
4 Fuß lang, werden ebenfalls durch Rollen gehoben, allein da sie nicht nothwendig
zum Principe gehören, sondern bloß zum Schuze der Klappen gegen Regen und Schnee
vorhanden sind, so wollen wir ganz davon abstrahiren. Die Klappen selbst bestehen
aus Leder und Eisen.
Aus der breiten Seite des Schlizes ist eine Platte vom diksten Sohlleder mit
Schrauben auf die Fläche der Röhre befestigt. Die Beweglichkeit des Leders ersezt
hier die Charniere, welche man allgemein vermuthete.
Jede einzelne Klappe ist einen Fuß lang. Das Leder überragt den Schliz der Röhre und
geht auf der schmalen Seite bis beinahe an die niedrige Rippe, so daß zwischen
beiden nur so viel Raum übrig bleibt, um die heiße kupferne Klinge, welche die
Spalte wieder zuschmelzen muß, durchgehen zu lassen. Auf der unteren Seite des
Leders ist eine gußeiserne Platte angebracht, welche 1/4 Zoll dik ist, und 1 1/2
Zoll breit, so daß sie genau den Schliz in der Röhre ausfüllt, und dadurch die Röhre
bis zur Form eines leeren Cylinders ergänzt. Oberhalb des Leders ist wieder eine
gußeiserne Platte, die aber breiter ist als der Schliz, und welche durch einen auf
sie angebrachten Druk
die lederne Klappe auf die flachen Stellen der Röhre anpreßt, ohne sie durch den
Schliz durchdrängen zu können. Diese drei Theile, erstlich die breite eiserne
Platte, das Leber in der Mitte, und die schmale eiserne Schiene, um den Schliz
auszufüllen, darunter, sind durch drei Nieten, welche durch alle hindurchgehen,
miteinander verbunden, und vermittelst des Leders, welches allein auf die Röhre
befestigt ist, zu bewegen. Die Stoßfugen der Klappen sind dadurch vermieden, daß
jede Klappe die folgende um eine gewisse Größe überragt, so wie sie ihrerseits durch
die vorangehende bedekt wird. Es ist klar, daß man die Klappen nacheinander in
derjenigen Richtung wird lüften können, in welcher sie einander überlagern, indem
dadurch die lezte Klappe als die oberste allein gehoben wird. Allein auch in der
entgegengesezten Richtung lassen sich die Klappen heben, weil sie nicht durch
massive Charniere, sondern durch bewegliches Leder befestigt sind.
Um endlich noch die Fuge zwischen Leder und Röhre luftdicht zu verschmieren, ist ein
Apparat angebracht, von dessen erfolgreicher Wirksamkeit man sich kaum anders, als
durch den Augenschein überzeugen kann. Am hintern Ende des Wagens ist ein kleiner
Ofen angebracht, in welchem Holzkohlen verbrannt werden. Die Zugröhre ist 10 Fuß
lang horizontal in der Längenrichtung der Bahn dicht über der Stelle hingeleitet, wo
sie durch ihre Wärme wirken soll. Von hier an steigt die Röhre senkrecht auf, um den
Zug hervorzubringen, und geht vor der Hand unbeschüzt durch den Wagen hindurch, so
daß sich schon mancher Neugierige die Hände daran verbrannt hat. An dem
horizontalen, unter dem Wagen befindlichen Theile, ist in der ganzen Länge eine
kupferne Rippe angebracht, welche durch die Wärme des Zugrohres erhizt wird. Diese
Rippe hat eine solche Gestalt, daß sie gerade den Raum zwischen der Lederklappe und
der niedrigen Rippe auf der Röhre ausfüllt. Durch die Bewegung des Wagens auf der
Bahn folgt der Ofen und sein Zugrohr mit der kupfernen Schneide nothwendig mit, und
es gleitet nun der heiße Rand dieser Kupferrippe über die Kanten der eben wieder
zugefallenen Klappen hin, bringt das dort befindliche Wachs und Talg zum Schmelzen
und stellt dadurch einen luftdichten Verschluß dar.
Das Spiel der ganzen Maschinerie wird nach dieser Darstellung ziemlich leicht
verständlich seyn. Man nehme an, der Kolben steke in der Röhre an dem von der
stationären Dampfmaschine entferntesten Ende der Bahn. Indem nun leztere eine
Luftpumpe von 37 1/2 Zoll Durchmesser treibt, wird die Luft aus der Röhre entfernt,
und entsteht ein Druk der Atmosphäre auf die Hintere Seite des Kolbens, auf welcher
Seite die Röhre offen ist. Der Kolben bewegt sich durch die Rohre vermöge dieser
auf ihn wirkenden Kraft, und theilt seine Bewegung durch jene oben beschriebene
eiserne Platte dem Wagen mit, welcher dadurch auf den Schienen fortgeführt wird.
Nachdem der Kolben unter einer Klappe durchgegangen ist, wird diese von einer Rolle
gehoben, sogleich tritt nun jene Verbindungsplatte unter die Klappe, hält sie eine
Zeit lang aufrecht, und nachdem sie passirt ist, fällt die Klappe wieder zu. Ein
durch Federkraft angedrüktes Rädchen rollt nun über die Klappe und drükt sie auf die
Röhre fest auf, und die heiße kupferne Röhre verschmilzt die eben aufgerissene
Spalte mit Talg und Wachs, so daß nach jedem Gebrauch die Röhre sammt ihrer
continuirlichen Klappe im brauchbaren Zustande für die nächste Fahrt zurükgelassen
wird.
Die Möglichkeit der sogenannten atmosphärischen Eisenbahn ist demnach durch die
Wirklichkeit dargethan, und der Hergang der Operation vollkommen begreiflich, mit
welchen Schwierigkeiten auch immer der Erfinder zu diesen schönen Resultaten
gekommen seyn mag. Betrachten wir nun, ob dieses Princip die Vortheile leistet,
welche von ihm versprochen werden, und ob es überhaupt wahrscheinlich ist, daß es
jemals zu ausgedehnter Anwendung kommen werde. Die von dem Erfinder und den
Patentinhabern aufgestellten Berechnungen können hiebei keineswegs zum Anhaltspunkt
dienen, weil einestheils jeder Erfinder für seine Erfindung sehr parteiisch zu seyn
pflegt, anderntheils aber es im Interesse der Patentinhaber liegt, von ihrem Patente
eine möglich günstige Meinung im Publicum zu erregen, um den größten Vortheil daraus
für sich zu ziehen, mögen sie sich nun selbst über den Werth dieser Sache täuschen,
oder andere zu täuschen suchen.
Die Anlage der atmosphärischen Eisenbahn
muß jedenfalls bedeutend höher zu stehen kommen, als die Anlage einer gemeinen
Eisenbahn.
Zu einem schwunghaften Betriebe dieses Communicationsmittels gehören nothwendig zwei
nebeneinander liegende Bahnen, weil das Kreuzen der Wagenzüge an den
Ausweichungsstellen unendlich schwieriger ist als auf der gemeinen Eisenbahn, und
weil auf langen Routen gleichzeitig Wagenzüge in entgegengesezten Richtungen gehen
müssen. Ohne diese Concession würde die atmosphärische Eisenbahn einen ihrer größten
Vorzüge, nämlich die fast in jedem Augenblike mögliche Beförderung verlieren.
Der Ankauf des Terrains ist also bei beiden Eisenbahnsystemen in dieser Beziehung
ganz gleich. Die neue Eisenbahn kann schwächere Schienen gebrauchen, weil sie
leichtere Lasten und dieselben öfter befördert; dagegen hat sie die in ihrer Mitte
liegende Röhre mit ihrem sehr schwierig darzustellenden Klappenapparate, deren
Kosten die Ersparniß an den Schienen bei weitem übersteigen muß. Dieser
Röhrenapparat ist nicht nur sehr theuer durch die bedeutende Quantität daran
befindlichen Materials von Gußeisen, Stabeisen und Leder, sondern seine Darstellung
erfordert auch sehr viele Handarbeit, und jeder Mangel in der Güte dieser Arbeit
trägt wesentlich zum Mißlingen der ganzen Unternehmung bei. Die Bedingung, die Achse
dieser Röhre genau den Schienen parallel zu legen, ist sehr lästig und schwierig
auszuführen, abgesehen von dem Umstande, daß die Leder der einzelnen Röhrenstüke
luftdicht aufeinander passen müssen, und es ganz unmöglich ist, einzelne Röhrenstüke
bei einer Reparatur herauszunehmen und zu ersezen. Rechnet man noch hinzu, daß für
eine Menge stehender Dampfmaschinen Terrain angekauft werden muß, so wird sowohl die
Acquisition des Landes als die Construction der Bahn selbst bedeutend jene der
gemeinen Eisenbahn in Betreff der Kosten übersteigen. Man hat angeführt, daß die
Erdarbeiten billiger würden zu stehen kommen, indem man die Construction von
Tunnels, Erdeinschnitten und Viaducten würde vermeiden können, weil es eine
Eigenthümlichkeit dieses Princips wäre, daß vermittelst desselben große Lasten
selbst auf steigende Ebenen hinauf bewegt werden können. Wenn dieß wirklich der Fall
wäre, so würde die atmosphärische Eisenbahn im Falle eines vorwaltend ungünstigen
Terrains Ersparnisse bei der ersten Anlage gewähren können, dagegen bei gutem und
ebenem Terrain nothwendig bedeutend größere Ausgaben erfordern. Allein auch der
ganze eben versprochene Vortheil ist nur scheinbar. Der atmosphärische Druk auf den
Kolben ist bei einer gegebenen Construction eine gegebene endliche Größe, welche
durch die größte Anstrengung der Maschine nicht erhöht werden kann. Dieser Druk wird
auf der horizontalen Fläche zur Ueberwindung der Reibung und des Luftwiderstandes
verwendet; dagegen auf der schiefen Ebene muß ein Theil der Last als in senkrechter
Hebung begriffen angesehen werden. Ist die Steigung 1 auf 100, so wird von jeden 100
Cntrn. der Last 1 Cntr. Gegendruk dem Kolben erwachsen, gleichsam als würde 1 Cntr.
über eine Rolle aus einem Schacht heraufgezogen. Besizt der Kolben nicht diesen
Ueberschuß von 1 Cntr. Druk neben der zur Ueberwindung der Reibung nöthigen Kraft,
so wird er nicht im Stande seyn, die Last zu bewegen; besizt er aber diesen
Ueberschuß, so ist dieß ein Zeichen, daß er auf der Ebene einen nuzlosen Ueberschuß
von Kraft hat, und unter diesen Bedingungen kann man auch mit einer Locomotive
bergauf fahren. Daß aber bei Hrn. Clegg's wirklicher Bahn die Last eine steigende Ebene
hinaufgezogen wird, erklärt sich durch den Umstand, daß man bei einer stehenden
Maschine von 16 Pferdekräften auf einen einzigen Wagen mit 24 Personen Belastung
wirkt, während einer Locomotive von 20 bis 25 Pferdekräften 10 bis 12 Wagen, wovon
jeder mit 24 Personen besezt ist, angehängt werden. Uebrigens fuhr der Wagen auf der
Clegg'schen Bahn bedeutend langsamer, als dieses auf
der gemeinen Eisenbahn stattfindet. Gerade der Umstand, daß die Locomotive nicht
leicht Höhen ersteigen kann, zeigt an, daß sie ihre Kraft in der Ebene auf das
allerbeste utilisirt. Man kann der Maschine jeden Ueberschuß von Kraft geben, allein
nur auf Kosten von consumirtem Brennmaterial, und wenn bei irgend einem Systeme von
Fortpflanzung eine Last über eine Höhe fortgeschafft werden soll, so muß die Kraft
erzeugt werden, um die Last auf die ganze senkrechte Höhe zu heben, mag sie immer
durch Luftdruk, Seile oder Adhäsion an den Schienen der Last mitgetheilt werden.
Eine Locomotive, die durch einen Tunnel oder Erdeinschnitt führt, braucht weniger
Kraft, und also Kohlen, als eine stehende Maschine, welche die Last über die Höhe
des Berges bewegt. Die Frage ist also rein commerciell, ob die größere Anlage oder
der täglich größere Verbrauch von Material in einem besonderen Falle ökonomischer
ist. In England hat man sich immer für das größere Anlagecapital und die kleinere
Consumtion entschieden. Wenn nun aber auch in Beziehung der Ersteigung der Höhen die
atmosphärische Eisenbahn geringere Schwierigkeiten darbieten würde, so ist sie auf
der anderen Seite desto mehr an die Beobachtung der geraden Linie angewiesen, und
Curven können eben so schwierig dargestellt als auch befahren werden. Die
gußeisernen Röhren können natürlich nur gerade dargestellt werden; werden sie zu
einer Curve zusammengestellt, so ist es eigentlich nur eine Folge sehr günstiger
Eken. Diese werden freilich mit dem Fette verschmiert, allein das Durchgehen des
Kolbens durch die krumme Röhre muß jedenfalls mit Hindernissen verbunden seyn, die
nur durch ein Uebermaaß von Kraft unschädlich gemacht werden können.
Die Benuzung der atmosphärischen
Eisenbahn muß viel theurer seyn als die der gemeinen Eisenbahn mit
Locomotiven.
An dem Nachmittage des 7. Sept. 1840 zeigte das Barometer, welches mit einer
bleiernen Röhre durch den Kolben geht und mit dem Vacuum der Röhre immer in
Verbindung steht, einen Stand von 19 englischen Zollen beim Anfang der Fahrt an, und
fiel, als wir uns der Bahn näherten, bis auf 16 Zoll herunter. Man sagte uns, daß das Barometer im Mittel
zwischen 18 und 20 Zoll schwanke, und nehmen wir nun die für das Princip günstigste
Stellung von 20 Zoll an, so fehlen noch 10 Zoll bis zum gewöhnlichen
Barometerstande, welcher 30 engl. Zoll beträgt. Die Luftpumpe konnte das Vacuum
nicht höher bringen. Die unvermeidlichen Undichtheiten des Klappenapparats und der
Röhrenfugen ließen also bei 20 Zoll Queksilberhöhe so viel Luft einströmen, als die
Maschine herauszuschaffen vermochte, folglich war bei diesem Barometerstand alle
fernere Kraftanstrengung der Dampfmaschine verloren, einen höheren Effect als 2/5
des atmosphärischen Druks zu erlangen. Was sehr auffallend erscheinen muß, ist wohl
die Behauptung, daß der Kolben auch auf seiner hinteren Seite keinen vollen
atmosphärischen Druk erleidet, und dennoch habe ich mich davon vollkommen überzeugt.
Dieser Punkt ist übrigens noch nirgendwo erwähnt worden. Die gelüfteten Klappen
bieten nicht offenen Querschnitt genug dar, um die Luft hineinzulassen, welche den
vom Kolben durchlaufenen Raum ausfüllen soll. Es strömt deßhalb immer Luft zu dem
offenen Ende der Röhre hinein, und wenn man dieses Ende mit einer Klappe
verschließt, so erleidet der Wagenzug eine wirkliche Verzögerung. Hat nun der Wagen
bereits einen bedeutenden Theil seiner Bahn zurükgelegt, so muß die dem Kolben
nachfolgende Luft die ganze durchlaufene Länge der Röhre durchstiegen, wodurch eine
solche Verminderung des atmosphärischen Luftdrukes stattfindet, als nothwendig wäre,
um diese ganze Luftsäule in dieselbe Bewegung zu bringen. Es ist ja nicht
einleuchtend, daß voller Luftdruk nur auf einen ruhenden, aber nicht auf einen
bewegten Körper stattfindet; die hier stattfindende Bewegung würde zwar zu übersehen
seyn, wenn sie in freier Luft geschähe, wo von allen Seiten Luft hinzutreten könnte.
Allein in einer engen Röhre ist die Sache anders, denn es kann hier keine Luft in
die Stelle des Kolbens rüken, ohne daß alle in der Röhre vorhandene nachgezogen
wird. Darum wird der Druk der Atmosphäre nicht nach dem vollen jedesmaligen
Barometerstande in Rechnung gebracht werden können.
Als wir uns dem Ende der Bahn näherten, wurde die in der Röhre vorhandene Luft von 10
Zoll Spannung schneller in einen kleineren Raum geengt, als die Luftpumpe sie
entleeren konnte, wodurch das Barometer noch mehr fiel, und die innere Luft eine
Spannung bis zu 14 Zoll annahm, welches nahe eine halbe Atmosphäre beträgt.
Ein Seil theilt einem leeren gebundenen Wagenzuge seine ganze Kraft mit,
vorausgesezt, daß es nicht zerreißt. Bei Clegg's
atmosphärischer Eisenbahn consumirt die bloße Fort-Pflanzung der Kraft 1/3
aller Kraft. Von den übrigen 2/3 der Kraft wird nun bei der atmosphärischen Eisenbahn ein
fernerer großer Theil durch die eigenthümliche Art der Benuzung der Kraft
vernichtet. Sezen wir die Reibung in der Locomotive, gleich jener in der stehenden
Dampfmaschine, der sie aber gewiß nicht gleichkommt, weil leztere niederen Druk,
weite Cylinder, Luftpumpe und Schwungrad hat, so bleibt der atmosphärischen
Eisenbahn noch besonders die Reibung in der großen Luftpumpe, die Reibung des
Cylinders in der Röhre, die Steifigkeit des Leders und der ganze Apparat zur Hebung
und Schließung der Klappen zu berechnen, und nachdem dieses alles abgezogen ist,
bleibt erst die nuzbare Kraft zur Ueberwindung der Reibung auf den Schienen und in
den Achsen und des Luftwiderstandes übrig.
Der Luftwiderstand ist offenbar bei beiden Bahnsystemen, für gleiche Geschwindigkeit,
gleich, dagegen die Friction der Räder bei der atmosphärischen Bahn geringer, weil
sie keine Locomotive, als eine nicht nuzbare Last, mitzuschleppen hat. Diesen
Vortheil, die Locomotive zu Hause zu lassen, erkauft sie aber theuer durch einen
enormen Verlust von Kraft. Im Winter, wo durch die Kälte die Cohäsion des Talges und
Wachses zunimmt, muß die Reibung des Kolbens in der Röhre um eine unbestimmbare,
aber sehr bedeutende Größe wachsen.
Bei der vorhandenen Bahn, welche die Länge einer halben Meile beträgt, stand das
Barometer auf 19 Zoll. Es ist klar, daß je länger man die einzelnen Stationen macht,
ein desto unvollkommneres Vacuum erzeugt werden wird. Die Ansicht, daß man die
Stationen eine, zwei oder vier Meilen lang machen könne, ist bis jezt eine rein
hypothetische, und die Erfahrung muß erst darüber aussprechen. Nehmen wir aber die
Entfernung zweier stehenden Maschinen auf 2 engl. Meilen an, also viermal so lang,
als die ausgeführte Bahn ist, so können wir aus Analogie kaum einen Barometerstand
von 15 Zoll voraussezen, wobei die Hälfte aller Kraft durch eindringende Luft
vernichtet wird. Nach diesem Maaßstabe würden zwischen London und York oder
Liverpool mehr als 100 stehende Dampfmaschinen anzubringen seyn, zu deren Bedienung
mindestens 200 Menschen erforderlich wären. Nun fährt aber eine Locomotive in 10
Stunden, mit Einschluß alles Aufenthaltes und eines kleinen Mittagsessens in Derby,
von London nach York, und nimmt 8 bis 12 beladene Wagen mit. Sie erfordert nur 2
Menschen zu ihrer Bedienung und Koaks und Wasser genug. Es mag sich jeder den Schluß
ziehen, auf welcher Seite der Vortheil liegt, und ob 100 stehende Maschinen sammt
200 Mann Bedienung und beständigem Gebrauch während voller 10 Stunden nicht viel
theurer zu stehen kommen. Die atmosphärische Eisenbahn würde nur dann ihre ganze entwikelte Kraft benuzen,
wenn sie beständig im Gebrauche wäre; da aber die angenommenen Distanzen von 2 engl.
Meilen bei der gewöhnlichen Schnelligkeit der Locomotive, welche Hr. Clegg zu erreichen und zu
überflügeln verspricht, jedesmal in 4 Minuten zurükgelegt werden, so befindet sich
jede stehende Maschine in demselben Nachtheile, worin eine Locomotive ist, die
angeheizt wird, um während 4 Minuten gebraucht zu werden. Sobald der Wagenzug in den
Bereich der nächsten Dampfmaschine gelangt ist, brennt das Feuer der ersteren
nuzlos, wenn nicht sogleich ein neuer Train auf ihr losgelassen wird. Es müßte
demnach alle 4 bis 6 Minuten ein Train abgehen, welches unmöglich und überflüssig
ist, da selbst in der Stadt London Trains von 1/4 Stunde Zwischenzeit als genügend
anerkannt worden sind. Ebenso würde daraus folgen, daß alle stehenden Dampfmaschinen
ohne Unterbrechung geheizt werden müßten. Sobald eine der 100 Maschinen den Dienst
versagt und Reparatur bedürftig wird, ist die ganze Communication unterbrochen,
während man eine dienstunfähige Locomotive rasch durch eine andere ersezen kann. Ein
anderer Mangel der atmosphärischen Eisenbahn ist der, daß man bei besonderer
Veranlassung und Zudrang von Passagieren weder die Kraft noch die Zahl der
mitzunehmenden Passagiere über eine gewisse Größe vermehren kann, weil der
atmosphärische Druk und der Durchmesser der Röhre sich nicht ändern lassen. Im Monat
September sind Wagenzüge mit 3000 Personen in Sheffield angekommen, wo 4 Locomotiven
vorgespannt und 2 zum Drüken angesezt waren. Jahrmärkte, politische und
künstlerische Feste, Sonn- und Feiertage und ähnliche Veranlassungen machen
die Möglichkeit einer gesteigerten Communication sehr wünschenswerth, ja fast
unentbehrlich; die atmosphärische Eisenbahn schließt sie aber ganz aus. Wie wäre es
möglich, im Sommer alle die Rheingaubesuchenden von Frankfurt, die während des
ganzen Tages aufgebrochen sind, und die alle am Abend zu gleicher Zeit nach Hause
kommen wollen, mit Zügen von 24 Personen zu befördern, selbst wenn alle 6 Minuten
ein Zug abginge. Dasselbe gilt von den Sonntagsabendzügen zwischen Brüssel und
Antwerpen.
Neben dem Interesse, welches die atmosphärische Eisenbahn wegen ihrer anscheinenden
Abenteuerlichkeit überall erregt hat, welche aber in den Händen des Physikers und
Mechanikers zu einer sehr unangenehmen und unbedeutenden Wirklichkeit zusammenfällt,
hat sie die Aufmerksamkeit auswärtiger Regierungen in Betreff auf ihre Anwendbarkeit
und Einführung auf sich gezogen. So ungerecht es wäre, einem schönen, noch in der
Entwikelung begriffenen Unternehmen feindlich entgegenzutreten, eben so thöricht wäre es, sich
mit Hoffnungen zu täuschen, die von der Wissenschaft und Natur nicht anerkannt
werden. Das beste ist, die Wahrheit zu wissen. Alle Ueberraschung und Freude, die
ich bei dem ersten Anblik der wirklich thätigen pneumatischen Fortbewegung empfand,
konnte den trokenen kalten Zweifeln nicht zuvorkommen, welche eine genauere
Betrachtung erregte. Ehe ich die Bahn gesehen, zweifelte ich, nachdem ich sie
gesehen, verzweifelte ich. Ich trug kein Bedenken, meine Ansichten in demselben
Sinne gegen den preuß. General-Consul, Hrn. Hebeler in London, schriftlich auszusprechen,
und glaube kaum, daß das Clegg'sche Princip jemals in
größerer Ausdehnung zur Zufriedenheit des Publicums und der Actionnäre benuzt werden
wird.