Titel: | Mehlgütemesser des Hrn. Robine, Bäkers in Paris. |
Fundstelle: | Band 78, Jahrgang 1840, Nr. XC., S. 444 |
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XC.
Mehlguͤtemesser des Hrn. Robine, Baͤkers in
Paris.
Robine's Mehlguͤtemesser.
Das bisherige Verfahren um das Ausgeben eines Mehles zu erkennen, lieferte nur
approximative Resultate, und bot noch die Möglichkeit von Irrthümern dar; was sich
jezt anders gestalten soll, indem der Verf. ein Instrument verfertigen ließ, womit
man nicht nur erkennen kann, wie ein Mehl ausgibt, sondern auch mit Bestimmtheit
angeben kann, ob das Mehl auch guter Qualität sey. Dieses einfache und wenig Raum
einnehmende Instrument beruht auf der Eigenschaft der schwachen Essigsäure, allen in
einer Mehlsorte enthaltenen Kleber (Glutten) und Eiweißstoff aufzulösen, ohne das
Amylon (Stärkmehl) anzutasten, und ferner auf der Dichtheit, welche die Lösung
dieser Substanzen in Essigsäure besizt. Wird nämlich ein bestimmtes Gewicht Mehl mit
Essigsäure behandelt, so muß es an diese allen Kleber und Eiweißstoff abgeben und
eine Flüssigkeit liefern, welche nach der mehr oder minder beträchtlichen Menge
Kleber und Eiweißstoff mehr oder weniger dicht ist. Bringt man dann in diese
Flüssigkeit einen Aräometer, d.h. ein zur Bestimmung ihrer Dichtheit bestimmtes
Instrument, so wird man finden, daß sich dasselbe um so weniger tief einsenkt, als
die Flüssigkeit dichter und folglich auch um so tiefer, je dünner sie ist. Bei der
Richtigkeit dieser Thatsachen ist es begreiflich, daß je mehr ein Mehl an Brod
ausgeben soll, um so diker die Flüssigkeit seyn muß, indem nur der Kleber und der
Eiweißstoff diese Dichtheit bestimmen, und es erwiesen ist, daß ein Mehl um so viel
mehr Brod liefert, als es mehr Kleber und Eiweißstoff enthält. – Theilt man diesen
Aräometer so ein, daß jeder Grad ein Brodgewicht von 2 Kilogrammen andeutet, indem
man eine, einem Sak Mehl von 159 Kilogr. gleichkommende Quantität Mehl anwendet, und
eine gegebene Quantität Essigsäure, so wird, je weniger tief das Instrument sich in
die aus der Behandlung des Mehles mit der Essigsäure hervorgehende Flüssigkeit
einsenkt, das Mehl um so mehr ausgeben und als von guter Qualität betrachtet werden
können – vorausgesezt, daß der Kleber von guter Beschaffenheit sey, wovon man
sich, wie sogleich angegeben werden soll, überzeugt.
Verfahrungsweise. – Man nimmt destillirte,
concentrirte, reine Essigsäure, verdünnt sie mit so viel destillirtem Wasser, daß
sie auf dem Säuren-Aräometer 93° (Baumé) anzeigt, und sucht
dieß bei einer Temperatur von 15° C. zu verrichten, nämlich so, daß die
Flüssigkeit 15° C. (12° R.) zeigt; der Grad der Essigsäure muß sehr
genau bestimmt werden. Hierauf nimmt man 24 Gramme Mehl, wenn dieses schön ist, oder
32 Gramme wenn es von zweiter oder dritter Qualität ist; bringt dieses Mehl in eine
gläserne oder porzellänene Reibschale und zerreibt es wohl mittelst eines Pistills,
nimmt dann 183 Gramme nach obiger Angabe bereiteter Essigsäure oder 6/32 Liter, wenn
man 24 Gram. Mehl genommen hat, und 244 Gr. oder 8/32 Liter, wenn man 32 Gram.
angewandt hat. Man schüttet eine Portion dieser Säure in die Reibschale unter
beständigem Rühren, um das Mehl darin zu verbreiten, ohne daß sich Knötchen
zusammenballen; man reibt 5 bis 6 Minuten lang, so daß sich der Kleber und der
Eiweißstoff vollkommen auflösen, und gießt nachher die übrige Essigsäure hinzu.
Hierauf gießt man das Ganze in ein (konisch zugespiztes) Probirglas, welches man mit
Papier zudekt und in ein Glas mit frischem Wasser stellt, damit die Temperatur sich
möglichst gleichförmig auf 15° C. erhält. Die milchige Auflösung läßt man
eine Stunde ruhen. Es bildet sich hiebei ein aus zwei Schichten gebildeter
Niederschlag, deren untere aus dem Amylon (Stärkmehl), und die obere aus Kleien
besteht. Die über dem Niederschlag stehende Flüssigkeit ist milchig und hat den
Kleber in Auflösung. Auf der Oberfläche der Flüssigkeit bemerkt man einen Schaum,
welcher mittelst eines Löffels abgehoben wird. Durch das bloße Beschauen dieser der
Art getrennten Bestandtheile kann man, wenn man etwas Uebung hat, die Güte des
Mehls, die Weiße und die Güte des davon zu bereitenden Brodes beurtheilen. –
Nach einer Stunde gießt man die geklärte, schleimige Flüssigkeit in ein Probirglas
ab, wartet 2 oder 3 Minuten, taucht dann das Meßinstrument in die Flüssigkeit und
sieht zu, wie weit es sich einsenkt; der Grad zeigt die Menge der 2 Kilogramme
schweren Brode an, welche aus 159 Kilogram. Mehl gewonnen werden. Ein Mehl von gewöhnlich guter Sorte
soll am Instrument 101 bis 104° anzeigen, d.h. ein Sak von 159 Kilogrammen
Mehl soll 101 bis 104 zwei Kilogramme schwere Brode geben. Will man den Versuch
weiter verfolgen, um die Beschaffenheit des Klebers, seine Güte und die aufgelöste
Menge desselben genau kennen zu lernen, so gießt man die Flüssigkeit in ein
passendes Gefäß, sättigt sie mit kohlensaurem Kali, mit der Vorsicht, nicht zu viel
von diesem Salze auf einmal hinzuzusezen, widrigenfalls das erzeugte Aufbrausen die
Flüssigkeit über den Rand des Gefäßes hinaus treiben würde; man rührt dabei mit
einem Glasstab um. Der von der Essigsäure aufgelöste Kleber wird abgeschieden und
schwimmt auf der Oberfläche der Flüssigkeit. Man sammelt ihn auf einem dichten
Leinentuch, oder noch besser auf einem Stük Beuteltuch, und wäscht ihn mit kaltem
Wasser aus. So erhält man allen Kleber im unveränderten Zustande. Er ist dem durch
Kneten des Mehles unter Wasser nach Beccaria gewonnenen
Kleber gleich. – Der Robine'sche Mehlgütemesser
ist bei Hrn. Dinocourt, Quai St. Michel 7, in Paris, zu haben. (Echo du monde savant, 1840, No. 577.)