Titel: Ueber die Elektricität eines von einem Kessel ausströmenden Dampfstrahles. Von G. Armstrong, in Briefen an Professor Faraday.
Fundstelle: Band 79, Jahrgang 1841, Nr. VI., S. 21
Download: XML
VI. Ueber die Elektricitaͤt eines von einem Kessel ausstroͤmenden Dampfstrahles. Von G. Armstrong, in Briefen an Professor Faraday. Aus dem Philosophical Magazine, Novbr. 1840, S. 370. Mit einer Abbildung auf Tab. I. Armstrong, uͤber die Elektricitaͤt des Hochdrukdampfes. Vor einigen Tagen ward ich in Kenntniß gesezt, daß ein mit dem Ausströmen des Dampfes aus dem Sicherheitsventil eines Dampfmaschinenkessels verbundenes, höchst merkwürdiges elektrisches Phänomen bei Seghill, 6 Meilen von Newcastle, beobachtet worden ist. Ich ergriff sonach die nächste Gelegenheit, mich dahin zu begeben, um die Wahrheit der Nachricht zu ermitteln, und habe mich dabei von dem Vorgange genau unterrrichtet, der mir so neu und wichtig erscheint, daß ich nicht umhin kann, Ihnen specielle Mittheilungen darüber zu machen, der Ueberzeugung, daß von Ihnen aus der Wissenschaft am meisten Förderung daraus entspringen wird. Ich werde, ohne weitere Vorrede, zu dem Berichte über das, was ich an Ort und Stelle gesehen und gehört habe, schreiten. An der Construction des Kessels, welcher auf einer Baksteinmauer wie gewöhnlich ruht, ist nichts besonders Bemerkenswerthes. Die erläuternde Abbildung (Fig. 5) stellt das obere Ende desselben mit dem Sicherheitsventile vor, und man wird daraus ersehen, daß das Ventil über einem kleinen Cylinder angebracht ist, der unten ringsum mit einer mittelst Bolzen auf dem Kessel befestigten Platte versehen ist. Zwischen den Kessel und die Platte ist, um die Fugen dampfdicht zu machen, ein aus Kreide, Oehl und Werg zusammengesezter Kitt gelegt. Vor drei Wochen begann der Dampf durch einen Sprung im Kitt dieser Fuge zu entweichen, und seitdem strömt er aus dieser Oeffnung in einem starken horizontalen Strahl. Bald, nachdem dieser Fall eintrat, brachte der Maschinenwärter, während er zufälliger Weise eine Hand in den ausströmenden Dampf hielt, die andere Hand an den Hebel des Ventils, in der Absicht, das Gewicht zurecht zu richten, und ward dabei von der Erscheinung eines glänzenden Funkens, welcher von dem Hebel zu seiner Hand übersprang, und von einem heftigen Stoß in seinen Armen begleitet war, welche Erfahrungen er bis dahin noch gar nie gemacht hatte, höchlich überrascht. Dasselbe geschah, wenn er irgend einen Theil des Kessels oder ein mit demselben in Verbindung stehendes Stük Eisen berührte, vorausgesezt, daß seine andere Hand dem Dampfe ausgesezt war. Bald darauf fand er, daß, so lange er eine Hand in den Dampfstrahl hielt, er jedem, den er mit der anderen Hand berührte, wenn die Person in Berührung mit dem Kessel oder auch nur auf der denselben tragenden Baksteinmauer stand, einen Schlag mittheilte, daß aber freilich die Person, wenn sie den Kessel berührte, einen weit stärkeren Schlag erhielt, als wenn sie nur auf der Mauer stand. Alle diese Erscheinungen wurden von vielen Personen bezeugt und selbst erfahren, unter anderen von zwei Männern, welche ich persönlich kenne und welche obige Angaben, die ich von dem Maschinenwärter erhielt, vollkommen bekräftigen. Der Kessel war einen Tag, bevor ich ihn sah, ausgereinigt, und bei dieser Gelegenheit eine dünne kalkartige Kruste, welche in demselben so weit als das Niveau des Wassers heraufreichte, entfernt worden, was die Folge hatte, daß die Aeußerungen der Elektricität, welche zwar noch immer wahrnehmbar waren, doch sehr abgenommen hatten. Was von diesem Zustande noch zurükgeblieben war, war noch immer äußerst merkwürdig; denn, wenn ich eine Hand in den Dampfstrahl hielt und die andere in die Nähe des Kessels brachte, so wurde ein deutlicher Funke sichtbar, der von einem schwachen elektrischen Schlage begleitet war. Der durch die Reinigung des Kessels herbeigeführte Erfolg beweist ziemlich klar, daß erwähnte Erscheinung größtentheils, wenn auch nicht völlig, von dem Vorhandenseyn einer Kruste abhängt, und die Ursache, warum diese Erscheinungen bei dem Ausströmen eines Dampfstrahls aus einem Kessel in den gewöhnlichen Fällen in gar keiner Weise stattfinden, muß, wie ich glaube, in der Thatsache gesucht werden, daß in dem vorliegenden Fall der Dampf durch eine Oeffnung in einer nicht leitenden Substanz entwich, während sonst in den meisten Fällen sein Entweichen durch eine metallene Mündung stattzufinden gezwungen ist. Kann die Explosion der Kessel, über deren Ursache man noch so wenig im Reinen ist, etwa mit der raschen Elektricitätsentwikelung, welche demnach die Dampferzeugung zu begleiten scheint, in Zusammenhang stehen? In dem gegenwärtigen Falle geht die Bildung der Kruste in dem Kessel sehr schnell vor sich, und ich erwarte daher, daß in wenigen Tagen besagte Erscheinungen wieder in aller der Stärke wahrzunehmen seyn werden, wie vorher. Sobald dieß der Fall seyn wird, werde ich mich wieder dahin begeben, um Augenzeuge davon zu seyn, und Ihnen weitere Auskunft darüber zu verschaffen. Newcastle-upon-Tyne 14, Okt. 1840. G. Armstrong. –––––––––– Newcastle-upon-Tyne 22. Okt. 1840. Gestern habe ich den Kessel in Seghill in Gesellschaft mehrerer Freunde von Neuem untersucht, und nahm hiezu den von mir zu Versuchen mit dem elektrischen Strome für nothwendig erachteten Apparat mit. Die auf diesem zweiten Gange erhaltenen Resultate beeile ich mich nun Ihnen mitzutheilen, und Sie werben in dem nachfolgenden Berichte über mein Verfahren die Beantwortung aller mir gütigst vorgelegten Fragen finden, welche meine Aufmerksamkeit auf die Punkte hinzulenken zum Zweke hatten, auf die es bei dieser Untersuchung am meisten ankam. Den Kessel und Alles, was mit demselben in Beziehung stand, fand ich genau wieder in demselben, von mir schon beschriebenen Zustand, und bei einem Versuche mit dem Dampfe, wie der früher angestellte war, war die Wirkung beinahe ganz dieselbe; wenn ich mich aber auf einen Isolirschämel stellte, so waren die zwischen meiner Hand und dem Kessel überspringenden Funken bei weitem intensiver, so wie dieß auch mit der die Operation begleitenden zukenden Empfindung in den Knöcheln und Handgelenken, welche ich in meinem vorigen Briefe als schwache elektrische Schläge bezeichnete, der Fall war. Ihren Instructionen Folge leistend, hatte ich mich mit einer Messingplatte, an welcher ein Kupferdraht, der mit einem runden Messingknopf endigte, befestigt war, versehen. Wurde diese Platte mittelst einer isolirten Handhebe in den Dampf gehalten, und der Messingknopf einen Viertelszoll von dem Kessel gehalten, so belief sich die Zahl der in einer Minute springenden Funken, insofern sie zu zählen möglich war, auf sechzig bis siebenzig; und wurde der Knopf nur um ein Sechzehntheil Zoll dem Kessel näher gebracht, so wurde der elektrische Strom beinahe ein fortwährender. Die größte Entfernung vom Knopf zum Kessel, bei welcher noch ein Funke zwischen beiden sichtbar wurde, war ein ganzer Zoll. Eine auf beiden Oberflächen mit Messingfeilspänen überzogene Florentiner Flasche wurde mit den Funken vom Knopfe so stark geladen, daß eine Selbstentladung durch das Glas hindurch stattfand, und mehrere starke Männer erhielten von einer kleinen, durch denselben Proceß geladenen Leydener Flasche, empfindliche Schläge. Die Stärke der Funken war beinahe eben so groß, wenn der Knopf irgend einem mit dem Boden in Verbindung stehenden Conductor genähert, als wenn er an den Kessel gehalten wurde. Es schien einen sehr unbedeutenden Unterschied zu machen, in welchen Theil des Strahls die an den leitenden Draht befestigte Platte gehalten wurde; wenn aber ein diker Eisendraht die Stelle der Platte vertrat, war die Wirkung dann am größten, wenn dieser Draht sehr nahe an die Mündung hingehalten wurde. Das Ventil war für den Quadratzoll mit 35 Pfd. beschwert; aber der Druk des Dampfes war in seiner Stärke sehr schwankend, wodurch ich zu bemerken Gelegenheit hatte, daß die Stärke der Elektricität von der mit dem Druke gleichen Schritt haltenden Zu- oder Abnahme des Strahls abhing. Die Elektricität des Dampfes war positiv; denn wenn die Hollunder-Markkügelchen des Elektrometers auf einem mit dem Dampf in Verbindung stehenden Instrumente divergirten, so wurden sie von einem auf Wollentuch geriebenen Stük Siegellak angezogen, und wenn von einer auf dem Schämel stehenden Person ein zugespizter Draht unter den Schatten eines Hutes gehalten wurde, so wurde das elektrische Licht in Form eines Kegels und nicht eines Sterns sichtbar. Außer dem Hauptdampfstrahle, mit welchem ich die Versuche anstellte, gingen noch einige kleine Strahlen aus verschiedenen Punkten des Kessels und bei jedem derselben zeigte der Elektrometer vorhandene Elektricität. Durch die eigenthümliche Weise, in welcher der Dampf von dem Sicherheitsventil, wenn das Gewicht vom Hebel gelüpft wurde, hinausblies, war es beinahe unmöglich, einige befriedigende Versuche mit dem Dampf, dem hiedurch der Ausgang gestattet war, anzustellen. Ich legte den Goldblatt-Elektrometer an verschiedenen Theilen des Kessels an, welcher, wie ich bemerken muß, mittelst der Dampfröhren mit dem Boden in directer Verbindung steht, konnte aber kaum eine Spur Elektricität in irgend einem Theile desselben entdeken. Die Maschine hat außer dem in Rede stehenden noch einen Kessel, und beide befinden sich unmittelbar neben einander. Nachdem ich erfahren hatte, daß dieselben Erscheinungen auch bei dem zweiten Kessel wahrgenommen worden waren, legte ich den Elektrometer an einige kleine, auf mehreren Seiten entweichende Dampfströme an und machte dabei dieselben Wahrnehmungen, wie ich sie unter gleichen Umständen an dem ersten Kessel gemacht hatte. Ich hob hierauf das Sicherheitsventil etwas in die Höhe und fand die von demselben aufsteigende Dampfsäule eben so stark mit Elektricität beladen, als den aus dem anderen Kessel kommenden horizontalen Strahl, an welchem die Erscheinungen zuerst beobachtet worden waren. Meine Nachforschungen ergaben, daß das in den Kesseln angewandte Wasser von einem benachbarten Kohlenbergwerke herkomme, wo es aus der Grube gepumpt wird, und daß dasselbe Wasser in dem Kessel einer kleinen Hochdrukmaschine unweit dieser Kohlengrube gebraucht werde. Um darüber eine Meinung zu begründen, ob die fraglichen Erscheinungen von der Beschaffenheit des den Strahl erzeugenden Wassers abhängen, schritt ich auch zur Untersuchung des von dem Kessel, auf welchen ich hingewiesen wurde, ausströmenden Strahls, welcher Kessel aber nur sehr klein war. Das Ventil war nur mit 20 Pfd. für den Quadratzoll beschwert, und von dem Maschinenwärter wurde mir gesagt, daß an dem Dampf noch niemals ein Schein von Elektricität sichtbar geworden sey. Beim Versuche jedoch gelang es mir, sehr deutliche elektrische Funken aus der von dem Sicherheitsventil aufsteigenden Dampfsäule zu erhalten. Allerdings waren die Funken schwächer als jene der anderen Maschine; doch kann dieß mit Recht dem geringeren Druke des Dampfes und dem geringeren Umfange des Kessels zugeschrieben werden. Ich begab mich hierauf zu einer anderen Hochdrukmaschine desselben Etablissements, deren Kessel mit Regenwasser statt mit jenem aus der Grube versehen war. Hier war der Dampfdruk 40 Pfd. für den Quadratzoll. Zum Ventil konnte man nicht gelangen, doch erhielt man durch den oberen Eichhahnen einen mächtigen Strahl. Doch konnte ich an dem Dampfe dieses Kessels keine Spur Elektricität wahrnehmen, die nur im Stande gewesen wäre, den Goldblatt-Elektrometer zu afficiren. Die Vermuthung spricht daher sehr dafür, daß die Erscheinungen einigermaßen von der eigenthümlichen Beschaffenheit des dampfserzeugenden Wassers abhängen. Ich lege Ihnen eine Probe von der Kruste beiDie Kruste ist grau und hart; sie enthält Spuren eines auflöslichen salzsauren und schwefelsauren Salzes, besteht aber größtentheils aus schwefelsaurem Kalk mit etwas Eisenoxyd und einer unauflöslichen thonartigen Substanz, welche wahrscheinlich durch das Wasser hineinkam. Von kohlensaurem Kalk ist kaum eine Spur darin vorhanden.M. Faraday., wie sie sich seit einem Monat aus dem Grubenwasser in dem Kessel angesezt hat. Es sollte mich freuen, Ihre weiteren Anweisungen zur Verfolgung dieser Untersuchung zu erhalten und Ihre Meinungsäußerung über die Ursachen dieses merkwürdigen Phänomens würde mich sehr zu Dank verpflichten.Die von Hrn. Armstrong beschriebene Elektricitätsentwikelung bei der Verdampfung ist höchst wahrscheinlich dieselbe, welche die Naturforscher in viel kleinerem Maaßstabe schon kennen und über welche bis jezt nur noch Zweifel herrschen, ob sie, wie Harris meint, der bloßen Verdampfung, oder nach Andern, der chemischen Thätigkeit zugeschrieben werden soll. Der vorliegende Fall beendigt weder den Streit, noch klärt er über die Sache aus; aber er zeigt uns die Elektricitätsentwikelung während der Umwandlung des Wassers in Dampf in einem sehr hohen Grade, und bringt uns daher den elektrischen Erscheinungen der Vulcane, der Wasserhosen und der Gewitterstürme um Vieles näher.M. Faraday. Ihr etc. Armstrong.

Tafeln

Tafel Tab. I
Tab. I