Titel: | Versuche über die Elektricität des Hochdrukdampfes. Von Hrn. L. Pattinson. |
Fundstelle: | Band 79, Jahrgang 1841, Nr. VII., S. 26 |
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VII.
Versuche uͤber die Elektricitaͤt
des Hochdrukdampfes. Von Hrn. L.
Pattinson.
Aus dem Philosophical Magazine, Novbr. 1840, S.
375.
Pattinson, Versuche uͤber die Elektricitaͤt des
Hochdrukdampfes.
Eine sehr merkwürdige Erscheinung, nämlich die von zwei Dampfkesseln hervorgebrachte
Elektricitätsentwikelung, wurde in den jüngst verflossenen Wochen in meiner
Nachbarschaft beobachtet; diese Kessel befinden sich in dem Kohlenbergwerke
Cramlington, 8 Meilen nordwestlich von Newcastle, wo sie den Dampf zu einer
Hochdrukmaschine von 28 Pferdekräften liefern, welche auf der Wagenbahn die vollen
und leeren Wägen auf die Höhe zweier geneigter Flächen zu ziehen bestimmt ist, deren
eine in die Grube und die andere an den Fluß Tyne führt. Die Kessel sind
cylindrisch, mit kreisrunden Enden, jeder 21 Fuß lang und von 5 Fuß Durchmesser. Sie
werden von einem nahe liegenden Weiher mittelst eiserner Röhren von 4 Zoll
Durchmesser, mit Wasser gespeist, und der in ihnen erzeugte Dampf wird wieder durch
andere eiserne Röhren von 6 Zoll Durchmesser, welche Röhren zugleich eine directe
metallische Verbindung der oberen Theile der Kessel herstellen, in den arbeitenden
Cylinder geleitet. Der Dampf wird mittelst geeigneter Ventile nach Belieben aus dem
einen oder dem anderen Kessel in den Cylinder geschafft. Eine 2 Zoll im Durchmesser weite
Röhre geht von dem Boden des einen Kessels aus auf die Außenseite des Mauerwerks zu
dem Aschenloche, durch welche Röhre zeitweise das vom Wasser abgesezte Sediment von
einem Scott'schen Sammlungskegel ausgeblasen wird; eine
ähnliche Röhre befindet sich auch an dem anderen Kessel. Die Kessel sind in die
Mauer wie gewöhnlich eingesezt, das Feuer ist darunter, bewegt sich in ringsherum
befindlichen Zügen und geht wie gewöhnlich in den Kamin über. Die Züge sind mit
großen Ziegelplatten bedekt und zwischen den beiden Kesseln durch eine Baksteinmauer
getrennt. Die Sicherheitsventile sind an den Kesseln mittelst Platten angefügt, und
zwischen diesen Platten ist, um sie dampfdicht zu machen, ein von Hanf geflochtener
Ring gelegt, der mit einem aus Bleiglätte, Sand und Leinöhl wohl gemischten Kitt,
der beim Auflegen von der Consistenz des Glaserkitts ist, bedekt wird. Dieser Kitt
wird, da er schnell erhärtet, auf die hie und da schlecht schließenden Fugen
gestrichen; die Fugen der Röhren aber werden alle mit Eisendrehspänen und Salmiak,
dem bei den Maschinenarbeitern gebräuchlichen Kitt, verklebt. Der Dampf wird bei
einem Druk von 35 Pfd. auf den Zoll erzeugt.
Die Fuge zwischen der oberen Seite eines dieser Kessel und der Stelle, wo das
Sicherheitsventil aufsizt, erhielt eine Oeffnung, aus welcher der Dampf gewaltsam
drang, als Donnerstag den 29. des verflossenen Septembers, der Maschinenwärter
William Patterson, während er bei diesem, auf seine Beine
hinstreichenden Dampfstrom stand, nach dem an dem Hebel des Sicherheitsventils
befindlichen Gewichte griff, um die Stärke des Dampfes zu prüfen, wobei er ein
eigenes stechendes Gefühl in seinen Fingerspizen verspürte, aber da der Dampf ihn
hinderte, genau zu sehen, glaubte, er habe seine Finger nur unversehens gegen das
Gewicht gestoßen. Freitag, den 2. Oktbr., fühlte er beim Ergreifen des Hebels wieder
dieselbe Empfindung in seinen Fingern, und am Sonnabend, dem 3., war dasselbe Gefühl
bei Berührung des Gewichts noch stärker und deutlicher, und zwar so, daß er nun
aufmerksam darauf wurde und sich veranlaßt sah, sich gegen einige andere
Arbeitsleute bei der Maschine darüber zu äußern, welche alle das Gewicht berührten,
und sich überzeugten, daß hier etwas Ungewöhnliches im Spiele sey. Während sie damit
beschäftigt waren, legte Patterson seinen Finger sanft an
das Gewicht und erblikte einen Funken. Dieß wurde von Allen wiederholt, und sie
fanden bald, daß aus jeder Stelle des Endes des Kessels Funken erhalten werden
können, bis zum Ventil auf der die beiden Kessel verbindenden Dampfröhre, so wie
auch aus der schon beschriebenen Röhre, durch welche der Niederschlag geblasen wird. Ein- oder
zweimal, wo der aus der Fuge kommende Dampfstrom sehr stark war, gab, wie sie
erzählen, die demselben ausgesezte und wahrscheinlich durch ihren Standpunkt auf der
troknen und warmen, den Kessel umgebenden Baksteinmauer, zum Theil isolirte Person,
indem sie den anderen, außerhalb des Stromes stehenden die Hände reichte, starke
Funken, und ein- oder zweimal fühlten sie unter diesen Umständen eine einem
schwachen elektrischen Schlage ähnliche Empfindung. Es mag dabei erwähnt werden, daß
das Wetter zu dieser Zeit sehr schön und troken war. Nicht lange vorher erhielt der
Bergwerksingenieur, Hr. Marshall, Kenntniß von diesen
Vorfällen, die ihm zuvörderst die Furcht einflößten, daß der Kessel in Gefahr sey zu
explodiren; denn, wie er sagte, „wisse er nicht, was in dem Kessel seyn
müsse, wenn außerhalb desselben Feuer sey.“ Er schikte folglich zu
den HHrn. Howke in Gateshead, welche den Kessel erbaut
hatten, um eine Person, die ihn untersuche, und Hr. Golightly, ihr Geschäftsführer in diesem Districte, kam Mittwoch den 7.,
um dieß zu thun. Er sprach sich für die vollkommene Sicherheit in Betreff des
Kessels aus und wandte sich erstaunt zu den von ihm dargebotenen Erscheinungen. Der
merkwürdige Umstand, daß ein Dampfkessel elektrische Funken und Schläge gibt, ward
jezt allgemein bekannt, und mein Freund, Hr. Heinrich Smith von Newcastle, welchem davon sowohl von Hrn. Golightly als Hrn. Marshall erzählt wurde,
machte mich schriftlich mit dieser Sache und seinem Wunsche bekannt, in meiner
Gesellschaft Augenschein davon zu nehmen, was auch am 11. Okt. und am darauf
folgenden Tage wieder geschah, wobei wir das zweitemal den geeigneten elektrischen
Apparat bei uns hatten. Bei unserem ersten Dortseyn waren die Kessel unverschlossen
und leer; wir besichtigten daher nur alle Einzelnheiten seiner Einsezung u.s.f., wie
sie schon beschrieben wurden. Am nächsten Tage fanden wir bei unserer Ankunft die
Maschine in Thätigkeit, den Dampf unter einem Druk von 35 Pfd. auf den Zoll und bei
der Fuge des Kessels heftig herausströmend. Der Tag war trübe, doch noch nicht
ungünstig, und man sagte uns beim Aussteigen, daß die elektrischen Erscheinungen
sehr unbedeutend und schwach seyen; nichtsdestoweniger schritten wir zu unserer
Untersuchung, deren Resultate folgende sind:
1) Wenn man den Kessel mit der stumpfen Spize eines Federmessers an irgend einer
Stelle des Kreisrandes berührte, das Gewicht aber oder das Sicherheitsventil selbst,
mit dem aus der Fuge heftig ausströmenden Dampf, jedoch mit keinem Theile der dem
Dampf ausgesezten Person in Berührung sezte, konnte kein Funke wahrgenommen
werden.
2) Hielt man eine Hand in den Dampfstrom und berührte die schon bezeichneten Theile
des Kessels mit der Spize des in der anderen Hand befindlichen Federmessers, so
wurde ein zwar sehr kleiner, aber deutlich wahrnehmbarer Funke sichtbar, und zwar
trat diese Erscheinung an allen Theilen des Kessels, des Sicherheitsventils, so weit
gereicht werden konnte, ein.
3) Stellte man sich in den Dampfstrom, so daß er mit Gewalt auf die Person hin blasen
konnte, so wurde der Funke größer; er war dann 1/8 Zoll lang.
4) Hielt man mit der einen Hand eine große Schaufel in den Dampfstrom und berührte
dabei den Kessel mit einem in der anderen Hand gehaltenen Federmesser, so erhielt
man einen 3/8 Zoll langen Funken.
5) Der Dekel eines Goldblatt-Elektrometers, welchen man an seinem Boden in der
Hand hielt, wurde an das Gewicht angelegt, während der Körper des Experimentators
sich gänzlich außerhalb des Dampfstroms befand; es war nicht die geringste Divergenz
zu beobachten.
6) Legte man den Dekel des in der Hand gehaltenen Elektrometers an das Gewicht,
während die andere Hand des Experimentators sich in den Dampfstrom hinein strekte,
so wurde hiedurch augenbliklich eine starke Divergenz bewirkt. Hieraus geht hervor,
daß die Elektricität vom Dampfe herrührte; da aber das Kesselhaus etwas dunstig war,
so daß eine Isolirung durch Glas nicht wohl erhalten werden konnte, so wurde ein
Kupferdraht an die schon erwähnte Schaufel befestigt, welchen Drahtes Ende sich in
dem einige Ellen von dem Kesselhaus entfernten Maschinenhause befand, wo ein Tisch
stand. Die Schaufel wurde von Hrn. Smith in den
Dampfstrom, mit ihrer Schneide anderthalb Ellen von der Oeffnung, aus welcher der
Dampf austrat, entfernt, gehalten, und der von der Schaufel hinwegleitende Draht
wurde durch Befestigung an Stüken Siegellak, welche von Gehülfen gehalten wurden,
isolirt. Hr. Smith stand auf dem Isolirschämel.
7) Beim Berühren eines Elektrometers von Hollundermark-Kügelchen, dessen Fäden
5 Zoll lang waren, mit dem leitenden Draht, der mit der, wie erwähnt, gehaltenen
Schaufel in Verbindung stand, divergirten die Kügelchen 4 Zoll weit mit positiver
Elektricität.
8) Der Draht wurde an einem isolirten zinnernen Conductor befestigt, und gab hiebei
einen halben Zoll lange Funken.
9) Ein an dem Conductor befestigter zugespizter Draht gab den einen Viertelszoll langen
Lichtbüschel, welcher immer die Entwikelung positiver Elektricität aus einer Spize
in die Luft begleitet.
10) Eine kleine Flasche wurde nun so stark geladen, daß sie einen ziemlich
empfindlichen Schlag versezte. Es hatte sich zu dieser Zeit eben eine Menge Männer,
Frauen und Knaben aus der „Pit-Raw“ oder den Wohnungen
der Grubenleute in der Nähe des Kohlenbergwerks, welche durch die Neuheit und
Merkwürdigkeit dieser Erscheinungen angezogen wurden, um uns versammelt, von denen
das Maschinenhaus angefüllt war, und die mit großer Begierde und hohem Interesse
zuschauten. Es wurde ein Kreis von sechzehn dieser Männer und Weiber gebildet, und
sie erhielten alle zu ihrem Erstaunen und ihrer Belustigung einen tüchtigen Schlag
von der geladenen Flasche. Dieß wurde öfters wiederholt, wobei die Zahl der die
Schläge Empfangenden zwischen zwölf und zwanzig ab- und zunahm.
11) Ein dikes Kartenblatt wurde durch die Entladung der Flasche durchlöchert, und um
das Ende eines Kupferdrahts gewikelte und in gestoßenes Harz getauchte Baumwolle
sing sogleich Feuer.
12) Wenn die Schneide der Schaufel auf 3 Viertelszoll der Oeffnung, aus welcher der
Dampf strömte, genähert wurde, sprangen sehr lebhafte und glänzende Funken von eben
dieser Länge unaufhörlich zwischen derselben und dem Kessel.
13) Der zweite Kessel ließ keinen Dampf durch irgend eine Spalte gehen; wurde aber
das Ventil mit der Hand etwas in die Höhe gehoben, so drang er in einem starken
Strom empor. Wenn man mit einer Hand die Schaufel in diesen aus dem
Sicherheitsventil kommenden Dampfstrom hielt, und der Kessel mit einem Federmesser
in der anderen Hand berührt wurde, so sah man einen Funken springen, wie dieß unter
denselben Umständen bei dem den obigen Experimenten unterworfenen Kessel der Fall
war. Hieraus scheint hervorzugehen, daß der Dampf beider Kessel sich in demselben
elektrischen Zustande befand.
So lange diese Experimente dauerten, arbeitete die Maschine wie gewöhnlich fort und
war nach Bedarf bald im Gange, bald stehend; in der von dem Dampf entwikelten
Elektricität aber war kein Unterschied zu bemerken.
Ich habe alle Sorgfalt angewandt, um Ihnen von diesen merkwürdigen und, so weit mir
bekannt, vorher nie beobachteten Thatsachen genauen Bericht zu erstatten; doch will
ich keine Theorie dieser Erscheinungen beifügen. Es ist nicht wohl anzunehmen, daß
bei diesen Kesseln, oder der Stelle, welche sie einnehmen, eine locale
Eigenthümlichkeit den bedeutend elektrischen Zustand des in ihnen erzeugten Dampfes hervorbringe,
und doch kann eben so wenig die Thatsache des elektrischen Zustandes des
Hochdrukdampfes als allgemein angenommen werden; denn wenn dem so wäre, so könnte
dieß schwerlich bis jezt der Beobachtung entgangen seyn. Die Bedingungen, unter
welchen der Dampf elektrisch wird, müssen also noch erforscht werden, und es ist
nicht unwahrscheinlich, daß ihre Erforschung zu wichtigen Resultaten führen
wird.
Bentham Grove, Gateshead, 19. Okt. 1840.