Titel: | Ueber die Fabrication englischen Hammertuches und englischer Gußstahlsaiten für Klaviere. Von J. B. Streicher, k. k. Hof-Klavier-Instrumentenmacher in Wien. |
Fundstelle: | Band 79, Jahrgang 1841, Nr. VIII., S. 31 |
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VIII.
Ueber die Fabrication englischen Hammertuches und
englischer Gußstahlsaiten fuͤr Klaviere.Aus den Verhandl. des niederösterreichischen
Gewerb-Vereines in Wiese's
Zeitschrift für Oesterreichs Industrie u. Handel, 1840 Nr. 97. Von J. B. Streicher, k. k.
Hof-Klavier-Instrumentenmacher in Wien.
Streicher, uͤber die Fabrication englischen
Hammertuches.
Wie wichtig, wie unerläßlich eine zwekmäßige Belederung der Hammerköpfe bei
Klavier-Instrumenten sey, bedarf wohl kaum einer Erwähnung. Der Ton eines
selbst minder gut gebauten Instrumentes kann durch sorgfältige Belederung sehr
gehoben werden, während ohne solche auch das bestconstruirte Pianoforte immer ein
Cymbal bleibt.
Es wird daher erklärlich, daß das Beledern stets eine der Hauptarbeiten am Klaviere
ist, und, mindestens das Ausgleichen derselben, eigenhändig von dem
Instrumentenmacher vorgenommen zu werden pflegt. Es bildet die Manipulation des
Belederns das eigentliche Geheimniß des geschikten Pianoforte-Verfertigers;
und während der aufmerksame, beobachtende Arbeiter sich in Kürze mit Zollstab und
Cirkel in Besiz jeder Construction eines nachzuahmenden Pianoforte gesezt haben
kann, wird er oft Jahre lang vergebens suchen, sich die Vortheile des Ausgleichens
anzueignen.
Wenn nun aus den eben angeführten Gründen in Werkstätten, welche nicht Waare, sondern
Kunstproducte liefern wollen, die musikalische Ausarbeitung immer dem Principal
obliegen wird, so folgt hieraus, daß, da dieser hiezu nur jene wenige Zeit verwenden kann, welche er von der Ueberwachung und Besorgung
seines so höchst complicirten Geschäftes zu erübrigen vermag, er seine Fabrication
nie willkürlich vergrößern könne, sondern auf die Zahl
der Pianoforte beschränken müsse, welche er
möglicherweise jährlich auszuarbeiten im Stande ist.
Es läßt sich hieraus entnehmen, wie wichtig es dem Instrumentenmacher seyn muß, die zur Belederung
nöthigen Stoffe nicht nur jederzeit in beliebiger Quantität, sondern auch von
solcher Qualität erhalten zu können, daß es ihm möglich
werde, die ihm allein obliegende Arbeit des Ausgleichens
in kürzester Zeit zu vollenden. Hievon hauptsächlich
wird, wenn es ihm sonst nicht an Absaz fehlt, der Flor seines Geschäftes abhängen.
Er kann solches dann in größerer Ausdehnung betreiben und seine Fabricate selbst
billiger liefern.
Der Stoff, dessen man sich bisher vorzugsweise bediente, bestand, wie schon der
Ausdruk „Belederung“ andeutet, aus Leder. Im Inlande, ja selbst
häufig im Auslande, wurde hiezu lohgares Schafleder aus der Fabrik des Hrn. Kaindl in Linz verwendet. Zur lezten Ueberlederung der
Hämmer bediente man sich wohl auch des Hirschleders; allein dasselbe wurde zu bald
hart und der Ton dadurch grell. Dieserwegen gab man im Allgemeinen dem Linzer Leder
den Vorzug.
Indessen nahm die Qualität dieses Leders in neuerer Zeit bedeutend ab, welche Abnahme
der Fabrikant – ob mit Recht oder Unrecht, mögen Sachkundige entscheiden
– der Veredlung der Schafzucht zuschrieb, behauptend, daß die Haut des
Thieres in dem Maaße sich verschlechtere, als dessen Wolle verfeinert werde. Die
hierüber vielseitig erhobenen Klagen veranlaßten den geschikten Wiener
Lederfabrikanten, Hrn. J. M. Trümper, zu Versuchen, auch
Hirschleder so zuzubereiten, daß es stets weich und elastisch bleibe, ohne sich, wie
früher, festzuschlagen.
Seine Bemühungen wurden von dem besten Erfolge gekrönt und er erwarb sich unter den
Klavier-Instrumentenmachern dadurch wirklich einen europäischen Ruf. Die
deutschen, Londoner und Petersburger Fabrikanten, welchen ich solches Leder empfahl,
waren damit so zufrieden, daß ich ihnen davon bedeutende Sendungen machen mußte, und
jezt wohl schwerlich mehr ein Pianoforte-Fabrikant existiren dürfte, welchem
das Trümper'sche Wiener Hammerkopfleder unbekannt
wäre.
Wenn nun gleich das Trümper'sche Hammerkopfleder jedes
andere an Qualität übertrifft, so theilt es doch die Uebelstände alles Leders,
nämlich: daß ein und dasselbe Fell ungleiche Dike hat, oft kaum die Hälfte davon
behufs der Belederung brauchbar ist, und man es nicht jederzeit nach Wunsch haben
kann. Lezterer Umstand ist um so mehr zu bedauern, als man dadurch genöthigt wird,
sich seinen Bedarf für lange voraus zu sichern. Wie drükend dieß für minder
bemittelte Instrumentenmacher seyn muß, kann man leicht ermessen, wenn man weiß, daß
Felle schönster Qualität sich bis 14 fl. C. M. stellen, und es daher gerade keine
besondere Sache sey, fünf und mehr hundert Gulden auf einmal für Leder auszulegen,
welches bloß zum Ueberziehen kleiner Hämmerchen dient und manchmal nur zur Hälfte
hiezu geeignet ist.
Es wurde daher, ungeachtet der gerechtesten Anerkennung des Trümper'schen Leders, das Bedürfniß immer fühlbarer, einen Stoff zu
finden, welcher stets in beliebiger Menge und Güte zu haben wäre, von dem man Alles
verwenden könnte, der nicht zu hoch im Preise käme, und welcher bei starker
Belederung, wie Franzosen und Engländer sie lieben, im Anschlagen der Hämmer nicht
patschte.
Man stellte deßhalb viele Versuche an, und schon vor eilf Jahren habe ich in Holland
Pianoforte mit Tuch beledert oder vielmehr betucht gefunden. Die Engländer
verfertigten auch eine eigene Gattung Molton zu diesem Behufe, welcher für den
gedekten Ton, wie man ihn in England liebt, sehr passend war. Hr. Pape, einer der ersten Pianoforte-Fabrikanten in
Paris, machte vielfältige Versuche mit Hutfilz und verwendete auf dessen
Verbesserung zum Gebrauche der Hammerbelederung viel Geld. Er legte so großen Werth
auf diesen eigens zubereiteten Filz, daß er sich nicht nur in Frankreich, sondern
auch in England Patente darauf geben ließ.
Vor einigen Jahren habe ich bei einem Wiener Hutfabrikanten ähnlichen Filz nach Pape'schem Muster verfertigen lassen, allein er rieb sich
zu bald auf. Der Pape'sche Filz ist compacter und besteht
aus zwei Lagen, deren untere ziemlich fest ist. Hr. Flebus, bürgerlicher Hutmacher in Wien, erklärt, daß die untere Lage des
Pape'schen Filzes keine besondere Masse sey, sondern
durch Steifen mittelst Leim gebildet werde; eine Behauptung, deren Richtigkeit der
Pariser Klaviermacher, den ich kürzlich darüber zu sprechen Gelegenheit hatte,
gänzlich in Abrede stellt.
Dem sey nun wie ihm wolle; – ich habe vor drei Monaten versuchsweise ein
Pianoforte halb mit solchem Original- und halb mit hiesigem Filze beledert,
und dieses Instrument, da mir sehr viel an schneller
Ueberzeugung lag, einem mit dem musikalischen Zeitgeiste fortschreitenden Pianisten
zur Disposition gestellt. Dieser fleißige junge Mann ist der Sache aber früher auf
den Grund gekommen, als mir lieb war; denn bereits kommt
bei hiesigem Filze das unter demselben befindliche Leder schon zum Vorschein,
während der compactere französische Filz vor seinem ebenfalls vorauszusehenden
baldigen Ende noch immer einige moderne Phantasien und Etuden auszuhalten
verspricht.
Ohne Zweifel haben die englischen Pianoforte-Fabrikanten sich auch bald von
der kurzen Dauer gedachten Filzstoffes überzeugt, denn meines Wissens kam er in
England nicht in weitere Anwendung.
Befriedigendere Resultate lieferten in England die Versuche des Filzens mit
Schafwolle, und es erscheint mir der mittelst dieses Verfahrens erzeugte Stoff von
solcher Wichtigkeit für die Pianoforte-Fabrication, daß ich hierauf die
besondere Aufmerksamkeit des (niederösterreichischen Gewerb-) Vereines lenken
zu müssen glaube. Zugleich habe ich das Vergnügen, hievon Muster zweierlei Art,
nämlich Dämpfer- und Hammertuch, vorlegen zu können.
Das Dämpfertuch dient sowohl zum Ueberziehen der Dämpferkeile im Baß, als auch für
die Dämpfer im Discant. Doch ist dessen Verfertigung von minderem Belange als die
des Hammertuches, indem ich schon vor vielen Jahren durch den bürgerl.
Strumpfwirker, Hrn. Bauer in Wien, ein unter der
Benennung „Woll- und Keilpelz“ bekanntes Gewebe aus
Baumwolle verfertigen ließ, welches allen Anforderungen entspricht und das früher
für Dämpfer in Anwendung gebrachte Leder vollkommen ersezt.
Von größerem Interesse wird dagegen für jeden Klavier-Instrumentenmacher das
Hammertuch seyn, welches, wenn sich dessen Dauer bewährt, nichts zu wünschen übrig läßt, als daß es recht bald in gleicher Güte im
Inlande verfertiget werden möge. In London bekommt man solches Tuch zu 16 Schilling
per Pfund, in Stüken von circa 2 Fuß Länge und 1 Fuß Breite. Diese Tafeln können in beliebiger,
gleicher oder verjüngter Dike erzeugt werden. Eben so läßt sich die Qualität des
Stoffes nach den verschiedenen Wünschen der Abnehmer abändern. Der Zug des Tuches
geht nach jeder Richtung hin gleich, welches im Zuschneiden äußerst vortheilhaft
ist. Die Masse des Stoffes ist durch und durch gleich, so zwar, daß man dikere
Stükchen abschürfen kann, ohne daß die Haltbarkeit derselben dadurch leidet.
Eine probweise Sendung von diesem Hammertuche habe ich durch einen
Klavier-Instrumentenmacher und Freund erhalten. Er verbürgt mir die Dauer des
Tuches auf ein und ein halbes Jahr, als durch welche Zeit er Gelegenheit hatte, ein
damit beledertes Pianoforte zu beobachten, ohne auch nur im Mindesten zu bemerken,
daß der Stoff durch den Gebrauch gelitten hätte.
Ich habe nun schon mehrere Instrumente mit solchem Hammertuche beledert, und werde
eines derselben zu meiner völligen Ueberzeugung dem schon erwähnten Künstler zur
Benüzung übergeben, wünschend, daß die harten Schläge, welche er dem Stoffe gewiß in
reichlichem Maaße zu Theil werden lassen wird, nur dazu dienen sollten, dessen
– des Stoffes – Unzerstörbarkeit auf das Unumstößlichste zu
beweisen.
Bereits hat der bürgerl. Hutmacher, Hr. Frenzel in Wien
(wohnhaft Laimgrube
Nr. 18), Versuche gemacht, nach dem Original-Hammertuche ähnlichen Stoff zu
verfertigen, und sich ein ausschließendes Privilegium auf seine Entdekung geben
lassen. Ich habe hier ebenfalls eine Probe des hiesigen Hammerleders beigefügt, und
halte dafür, daß es rüksichtlich des Tones jezt schon zur Ueberziehung der Hämmer
geeignet sey, und es dem Verfertiger in Kurzem gelingen werde, seinem Erzeugnisse
mehr Körper und Dichtigkeit zu geben, in welcher Beziehung es dem englischen
Hammerleder noch nachsteht.
Ich komme nun zu einem anderen Materiale, dessen Güte in mancher Beziehung von noch größerer Wichtigkeit für den
Pianoforte-Verfertiger ist – ich meine die Saiten.
Je mehr sich die Pianoforte seit ihrem Entstehen verbessert haben, in dem Maaße hat
auch das Klavierspiel eine andere Richtung genommen. Die Bravour der modernen
Pianisten hat – wir Instrumentenmacher wünschen es gewiß aufrichtig –
den Culminationspunkt erreicht, und dem Pianoforte werden Leistungen auferlegt,
welche vor zwanzig Jahren noch ein derlei Instrument in wenig Augenbliken hätten zur
Verstummung bringen müssen.
Es ist, von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, heutzutage die Haltbarkeit der
Saiten wirklich mehr, als deren Klang zu berüksichtigen;
denn wie oft wird nicht ein Instrument nur allein hienach beurtheilt, und wie
gefährlich kann dem Rufe des Instrumentenmachers unverschuldeter Weise das
Nachlassen oder gar das Springen einer Saite werden! – Es ist so leicht zu
hören, daß ein Instrument verstimmt sey. Jedermann hört es. Wenige aber wissen, ob
dieß auf Rechnung des Instrumentenmachers oder Spielers zu sezen sey; und wer sollte
am Ende auch wagen, nur die Vermuthung auszusprechen, daß der Virtuose, welcher
durch die höchste Vollendung seines genialen Spieles mit Recht die Bewunderung der
ganzen musikalischen Welt in Anspruch nimmt, der, um
solche Ausbildung zu erlangen, seine halbe Lebenszeit am Pianoforte zubrachte, daß
der nicht wissen sollte, wie man ein Instrument
behandeln müsse, daß sich die Saiten nicht verstimmen und reißen, noch die Hämmer
aus den Kapseln springen!
Von jeher hat man sich im Allgemeinen in Wien ausländischen Drahtes bedienen müssen.
In früheren Jahren wurde sowohl Messing- als Stahldraht von Nürnberg bezogen,
und jezt noch bediene ich mich vorzugsweise der Nürnberger Messingsaiten. Ich fand
den hiesigen Messingdraht bald gut, bald schlecht, und häufig liefen mir Klagen über
das Ausreißen der Schlingen ein; ein Uebelstand, der mir bei Nürnberger Messing nie
vorkam.
Nicht eben so haben sich die Nürnberger Stahlsaiten im Rufe erhalten; denn vor circa zwanzig Jahren fingen die Berliner
Saitenfabrikanten an, Stahlsaiten zu erzeugen, welche die derlei Nürnberger bei
weitem übertrafen. Selbst die Engländer bedienten sich der Berliner Saiten durch
lange Jahre. Man glaubte anfänglich, diese Saiten seyen aus schwedischem Eisen
fabricirt; allein die Berliner bezogen den Rohdraht aus den Harzgegenden, wo sich
viele Drahtzüge befinden.
Die Nürnberger waren nun gezwungen, sich um die Verbesserung ihres Stahldrahtes zu
bekümmern. Sie verschafften sich denselben Rohstoff, dessen sich die Berliner
bedienten, und lieferten unter der Bezeichnung „prima sorte“ eben so haltbare Saiten, wie die Berliner.
Da die Wiener Saitenfabrikanten hiedurch immer im Nachtheil waren, so entschloß sich
der verdiente Saitenfabrikant Dietz in Wien, die
Drahtwerke am Harze selbst zu besuchen, und unternahm mehrere Reisen dahin, um sich
mit den dortigen Werken in Verbindung zu sezen. Er erlangte von der österreichischen
Regierung die Erlaubniß, solchen Draht gegen ermäßigten Zoll von 4 fl. per Centner für Saitenfabrikanten einführen zu dürfen,
verarbeitete ihn vollends in Wien, und versah damit nicht nur die inländischen,
sondern auch ausländische Instrumentenmacher.
Im Jahre 1834 erfuhr ich bei einem Instrumentenhändler in Rotterdam, daß man sich in
England nicht mehr der Berliner Saiten bediene, sondern daß die Engländer
Gußstahlsaiten erzeugten, welche an Güte jedes derlei Fabricat überträfen. Ich ließ
mir Proben davon kommen und besaitete für die Ausstellung 1835 ein Pianoforte damit,
welches später seine Majestät der Kaiser anzukaufen geruhten. Seit dieser Zeit habe
ich häufig von diesen Saiten verbraucht, und sie den Anforderungen des jezigen
Spieles so angemessen gefunden, daß ich keine anderen mehr verarbeite. Vor ungefähr
drei Jahren sind diese Saiten überhaupt in Wien allgemein geworden, und hat der
häufige Bezug die hohen Behörden veranlaßt, sowohl Pianoforte als Saitenfabrikanten
hierüber zu vernehmen; und da es sich auswies, daß bis jezt keine solchen Saiten im
Inlande verfertiget werden können, so ist uns Hoffnung gegeben worden, daß die sonst
nur gegen Pässe stattfindende Einfuhr dieses uns unentbehrlichen Materials
vielleicht gegen erleichternde Begünstigungen gestattet werden dürfte.
Die Vorzüge des englischen Gußstahldrahtes bestehen hauptsächlich in seiner größeren
Dichtigkeit und Trag- oder Spannkraft, welche auch eine längere Mensur
erlauben.
Außerdem besizt er noch eine außerordentliche Gleichheit im Materiale, und weiche
oder splitterige Stellen, wie wir sie so häufig im Wiener Drahte finden, kommen gar
nicht vor. Bei dem englischen Drahte muß man sich, da er federhart ist, beim Drehen
der Schlingen sehr in Acht nehmen, da hiedurch leicht Veranlassung zum Bruche
gegeben werden kann. Indessen zeigen sich solche Mängel gleich bei den ersten
Stimmungen; und haben die Saiten diese erst ausgehalten, so sind sie äußerst
verläßlich. Die englische Saite ist im Bruche leicht zu erkennen. Sie zeigt sich
darin feinkörnig und aus einer Masse, wie eine abgebrochene gute Striknadel. Die
Wiener und Berliner Saiten erscheinen im Bruche unganz und wie in Fäden zerrissen.
Man könnte überhaupt sagen: „die englische Saite springt, die Wiener reißt ab.“
Rüksichtlich der Haltbarkeit habe ich genaue Versuche gemacht, und sowohl englische
als Berliner Saiten auf dieselben Nummern und durch dieselben Löcher des Zugeisens
gezogen. Die Abnahme der Tragfähigkeit von den diksten zu den dünnsten Nummern
stellte sich bei den Berliner Saiten ganz außer Verhältniß, indem oft die dünneren
Nummern mehr Belastung ertrugen als die dikeren. Dagegen fanden bei den englischen
Saiten gehörige Abstufungen statt. Das durchschnittliche Gesammtresultat wies aber
ein Drittel mehr Tragkraft zu Gunsten der englischen Gußstahlsaiten aus.
Hr. Böhm aus München, welcher sich selbst viel mit
Eisenfabrication beschäftiget und nebenbei Klaviere macht, mithin sich sehr für die
englischen Saiten interessirte, erzählte mir, daß er auf seinen wiederholten Reisen
nach England durch Protection oder den noch bewährteren goldenen Schlüssel Alles zu
sehen bekam, was erwünschte; nur in die Werkstätten des Hrn. Webster bei Birmingham konnte er nicht gelangen. Hr. Böhm glaubt nach seinen gesammelten Erkundigungen schließen zu dürfen, daß
die Härtung der Saiten gleich beim Zuge geschähe und man die Saiten noch heiß durchs
Wasser laufen ließe. Ein anderer Sachverständiger in Wien meint, daß die Dichtheit
des Drahtes dadurch erreicht werde, daß man denselben durch kein Zugeisen sondern
durch gebohrten Diamant zöge. Indessen kann ich mich schwer überzeugen, daß durch
eine oder die andere Methode die treffliche Qualität dieses Drahtes erreicht werden
könne, wenn nicht der Draht in sich ganz ist. Jedenfalls
dürfte es dem Fleiße gelingen, das Geheimniß, welches diese Fabrication noch
umhüllt, zu lüften, wovon schon die Saiten des Hrn. Stadler in Wien den Beleg geben, indem ich mich heute, freilich nur
flüchtig, überzeugt habe, daß diese bereits die Berliner an Tragkraft übertreffen,
wenn sie gleich die englischen Saiten noch lange nicht erreichen.