Titel: | Ueber das neue Dampfschifffahrts-System von Achille de Jouffroy, wobei gegliederte Schwanenfüße statt der Schaufelräder angewandt werden. |
Fundstelle: | Band 79, Jahrgang 1841, Nr. XXXIV., S. 163 |
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XXXIV.
Ueber das neue Dampfschifffahrts-System
von Achille de Jouffroy,
wobei gegliederte Schwanenfuͤße statt der Schaufelraͤder angewandt
werden.
Auszug aus den Comptes rendus, 1840, No. 18. S.
687.
de Jouffroy's neues Dampfschifffahrts-System.
Die HHrn. Poncelet, Gambey, Piobert und Cauchy haben der Pariser Akademie der Wissenschaften über
diese Erfindung einen Bericht erstattet; der Erfinder ist der Sohn des Marquis Claude de Jouffroy, desselben, der im Jahre 1775 zuerst
Ideen über die Anwendung des Dampfes zur Schifffahrt aufstellte und dieselben auch
durch eine Fahrt auf dem Doubs im Jahre 1776, und eine solche auf der Saône
im Jahre 1780 realisirte. Die ersten Versuche, welche über die vorliegende Erfindung
in Gegenwart der von der Akademie damals dazu ernannten Commissäre angestellt
wurden, so wie das Ergebniß, daß die neue Vorrichtung den theoretischen Gesezen
vollkommen entspricht, wurde der Akademie schon früher mitgetheilt; so ist es ihr
auch schon bekannt, daß dieselbe an einer Goëlette von 120 Tonnen auf der
Seine angewandt, ihre Aufgabe vollkommen erfüllte, und sogar diese Goëlette,
deren Kiel bei einem dieser Versuche seiner ganzen Länge nach auf einer, starken
Widerstand leistenden Kiesbank sizen blieb, wieder flott zu machen im Stande war.
Seitdem hat Hr. von Jouffroy in der Construction seiner
Vorrichtung noch Verbesserungen angebracht, über welche, so wie über die damit
angestellten Versuche hier Details folgen.
Die Dampfschiffe sind bekanntlich an ihren Seiten gewöhnlich mit Schaufelrädern
versehen, welche sich beständig um sich selbst drehen. Bei den gewöhnlichen
Fahrzeugen, wie z.B. im Sphinx, beträgt die Oberfläche
jeder Schaufel ungefähr zwei Quadratmeter. Nur zwei oder drei Schaufeln befinden
sich aber in einem und demselben Augenblik unter Wasser. Hrn. von Jouffroy's Apparat erhält an der Stelle der Schaufelräder
zwei Hände (palmes) oder gegliederte Schwanenfüße, welche an dem Hintertheil des
Schiffes angebracht werben, die sich abwechselnd bewegen, ferner um das Wasser
hinter sich zu schlagen, öffnen, und dann wieder schließen, um aus ihren frühern
Plaz zurükzukommen. Hr. von Jouffroy kam, wie er selbst
sagt, auf diesen glüklichen Gedanken durch den sehr natürlichen Wunsch, den
bewunderungswürdigen Mechanismus nachzuahmen, mit welchem die Weisheit des Schöpfers
den Schwan und andere Schwimmvögel versehen hat, damit sie die Oberfläche des
Wassers durchfurchen können. Für eine Fregatte von 44 Kanonen beträgt die Oberfläche jeder
solchen Hand 20 Quadratmeter. Der mithin im Verhältniß zu
jenem der Schaufeln sehr beträchtliche untergetauchte Theil der Oberfläche dieser
Hände verschafft ihnen den Vorzug vor den Ruderrädern, daß sie bei gleicher
Triebkraft der hinter dem Schiffe befindlichen Flüssigkeit eine geringere, folglich
dem Schiffe selbst eine größere Geschwindigkeit mittheilen. Ferner erzeugen die
Hände, da sie immer in einer jener des Schiffes entgegengesezten Richtung arbeiten,
eine seiner Fortbewegung nur nüzliche Wirkung; von den Schaufelrädern kann man
dieses keineswegs sagen, weil sie in Folge ihrer Rotations-Bewegung, wenn sie
nicht gegliedert sindWas die articulirten Schaufelräder betrifft, so scheinen sie, wenn sie
dieselbe Wirkung wie andere hervorbringen sollen, eine größere
Geschwindigkeit zu erfordern, welche durch Erhöhung der Triebkraft selbst um
ungefähr ein Zwölftheil erreicht wird., die Flüssigkeit nach verschiedenen Richtungen stoßen und treiben. Es ist
daher auch nicht zu verwundern, daß die in Gegenwart der Commission angestellten
vergleichenden Versuche ganz zu Gunsten der neuen Erfindung ausfielen. Insbesondere
wird durch dieselbe an Triebkraft, folglich auch an Brennmaterial erspart.
Den erwähnten Vorzügen muß man noch die Leichtigkeit hinzurechnen, mit welcher diese
Hände an allen Arten von Schiffen, sogar den Segelschiffen angebracht werden können.
Ferner macht die Tiefe, in welcher sie arbeiten, daß bei ihnen ein Uebelstand nicht
Vorkommt, welcher bei den Schaufelrädern stattfindet, die oft unnüz, ja sogar
schädlich werden können, und zwar nicht nur im Sturme, wo diese Räder sammt dem sie
einschließenden Kasten den Wogen und Winden ausgesezt sind, sondern auch bei einem
unter günstigem Nebenwinde gehenden Segelschiffe, weil in diesem Falle eines der
Räder sich aus dem Wasser hervorhebt und in der Luft dreht, das andere hingegen ganz
unter Wasser ist. Es muß noch weiters bemerkt werden, daß bei einem Kriegsschiffe
die Räder wenigstens zwölf Stükpforten versperren und es also um eben so viele
Kanonen berauben, überdieß auch durch das grobe Geschüz leicht beschädigt werden
können, während die Hände unter dem Wasser arbeiten, also weit weniger in Gefahr
sind und auch nicht viel Plaz einnehmen. Die Oberfläche der
Ruderräder-Schaufeln kann aber nicht ohne bedeutende Uebelstände so groß
gemacht werden, daß sich die Wirkung der Räder jener der Hände oder gegliederten
Schwanenfüße gleichstellt, vorzüglich bei großen Schiffen. Bei kleinern Fahrzeugen,
welche mehr zur Canalschifffahrt bestimmt sind, kann man wirklich Räder anbringen,
deren Schaufeln eine jener der Hände nahe kommende Oberfläche darbieten; doch muß
man, um gerecht zu seyn, andererseits bemerken, daß die Räder, indem sie die Schiffe breiter machen, eine
Erweiterung der Canäle selbst erheischen, und andererseits, indem sie unaufhörlich,
theils um in das Wasser einzudringen, theils um aus demselben zu treten, dessen
Oberfläche durchschneiden, darauf eine Bewegung hervorbringen, welche sich von sehr
schädlichem Einflusse auf die abschüssigen Ränder der Canaldämme erwiesen hat.
Alle diese Vorzüge veranlassen die Commission, Versuche im Großen mit dieser neuen
Einrichtung der Dampfschiffe aufs Angelegentlichste zu empfehlen und darauf
aufmerksam zu machen, daß, wenn dieselbe auch in manchen einzelnen Fällen ihren
Nuzen versagen sollte, man sich dadurch eben so wenig abschreken lassen darf, wie
von der Unanwendbarkeit der sonst nüzlichen Segel in gewissen Fällen, und von der
Schädlichkeit der rollenden Bewegung der Räder an den Wagen auf stark abhängigen
Straßen und vielen solchen Beispielen einer nur bedingten Anwendung nüzlicher
Vorrichtungen. So bleibt es noch Versuchen im Großen zu entscheiden vorbehalten, ob,
wenn diese Hände, nach Hrn. von Jouffroy's Vorschlag an
das Hintertheil des Schiffes befestigt werden, sie dauerhaft genug sind, um auf der
heftig bewegten See von den Stößen der Wogen und von starken Schwankungen des
Schiffes nach der Länge nichts zu befürchten zu haben. Man müßte sie in diesem Fall
in Ruhe sezen, aber nicht, indem man sie, wie vorgeschlagen wurde, auf das Verdek
nimmt, sondern indem man sie an die Seite des Schiffes anlegt, wo sie gut aufgehoben
wären, und von wo aus man sie wieder in Gebrauch zöge, wenn sich der Sturm gelegt
hat. Die aus diesen Vorzügen nach der Theorie resultirende Ersparung an
Brennmaterial hat sich auch nach der Ueberzeugung aller Mitglieder der frühern
Commission bei den Versuchen mit der nur mangelhaft eingerichteten Goëlette
sowohl, als bei dem der Akademie jezt eingereichten keinen Modell praktisch
hinreichend bewährt.
Nachtrag. Dem hier im Auszug gegebenen Bericht sind die
Resultate einiger Versuche beigefügt, welche in Bezug auf die Ersparniß an
Triebkraft die Vorzüge der neuen Vorrichtung vor der alten veranschaulichen. Hr. von
Jouffroy hat nämlich nach dem Maaßstab von 1 Meter
auf 37 Meter ein Fregatten-Modell construirt, welches er nach Belieben mit
Schwanenfüßen oder Schaufelrädern nach dem im Großen auszuführenden Verhältniß ausrüstet. Ein
und derselbe Motor wurde auf der in einem Canal befindlichen keinen Fregatte zu den
Versuchen mit beiden Vorrichtungen angebracht, wobei man folgende Resultate
erhielt.
1. Versuch, wobei die Fregatte auf dem Canal gegen den Wind
fuhr.
Mit Schaufelrädern legte die Fregatte 41,60 Meter in 7
Minuten zurük. Von den Rädern machte in dieser Zeit, nach welcher die Triebkraft
vollkommen erschöpft war, jedes 130 Umgänge.
Mit Schwanenfüßen legte die Fregatte 49,40 Meter in 7
Minuten zurük, wobei die Zahl der Schläge oder Schwingungen 130 betrug. – Es
muß aber bemerkt werden, daß nach diesen 7 Minuten die Triebkraft keineswegs
erschöpft war, sondern die Fregatte noch 11 weitere Minuten in Bewegung sezte,
welche in dieser Zeit noch weitere 50 Meter durchlief.
2. Versuch, wobei die Fregatte in dem Canal mit dem Winde
fuhr.
Mit Schaufelrädern legte sie 52,60 Meter in 8 Minuten
zurük. In dieser Zeit, worauf die Triebkraft vollkommen erschöpft war, machte jedes
Rad 182 Umgänge.
Mit Schwanenfüßen legte sie 70,20 Meter in 8 Minuten
zurük. Die Anzahl der Schläge war ebenfalls 182. Aber die Triebkraft war nach dieser
Zeit noch nicht erschöpft, wie bei den Ruderrädern, sondern sie sezte die Fregatte
noch 16 Minuten lang in Bewegung, wobei sie noch 59,80 Meter durchlief.