Titel: | Ueber die Elektricität des aus einem Kessel ausströmenden Dampfes; von W. G. Armstrong. |
Fundstelle: | Band 79, Jahrgang 1841, Nr. XLIII., S. 201 |
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XLIII.
Ueber die Elektricitaͤt des aus einem
Kessel ausstroͤmenden Dampfes; von W. G. Armstrong.
Schreiben an die Herausgeber des Philosophical Magazine.
Decemberheft 1840, S. 452.
Mit einer Abbildung auf Tab. III.
Armstrong, uͤber die Elektricitaͤt des
Wasserdampfes.
Nachdem meine Briefe an Professor Faraday über die vor
Kurzem entdekte Elektricitäts-Entwikelung eines Dampfmaschinenkessels in
unserer Nachbarschaft schon durch Sie veröffentlicht wurden (S. 20 im 1sten
Januarhefte des polytechnischen Journals), ist es es offenbar unnöthig, die in jenen
Briefen genau mitgeteilten Umstände hier zu wiederholen; ich werde daher den Bericht
über meine weiteren diesen Gegenstand betreffenden Forschungen daran anknüpfen.
Da ich in allen dreien von mir untersuchten Dampfkesseln, in welchen Wasser aus der
benachbarten Kohlengrube angewandt wurde, Elektricität fand, hingegen in dem mit
Regenwasser gespeisten Dampfkessel keine Merkmale derselben entdeken konnte, mußte
mich dieß natürlich auf die Meinung führen, daß die beschriebenen Erscheinungen der
besondern Beschaffenheit des Wassers, welches den elektrischen Strom erzeugte,
zuzuschreiben seyen; und ich verlor in dieser Voraussezung keine Zeit, einige andere
Hochdruk-Dampfkessel in demselben District zu untersuchen, welche ebenfalls
mit Wasser gespeist werden, das sehr viel Kalk und andere mineralische Substanzen
enthält. Der Dampf aus den Sicherheitsventilen dieser Kessel zeigte sich ebenfalls
elektrisch, jedoch nicht in dem Grade, wie ich es bei der Aehnlichkeit der Umstände erwarten zu dürfen
glaubte. Ich schritt daher zur Untersuchung einer Anzahl Dampfkessel in Seghill und
der Umgegend, in welchen der Dampf unter verschiedenem Druke, und aus Wasser von
sehr verschiedener Beschaffenheit erzeugt wird; wenn ich mich isolirte und einen
Conductorstab in den aus den Sicherheitsventilen entwikelten Dampf hielt, gelang es
mir jedesmal, elektrische Funken zu erhalten, welche in verschiedenen Fällen von
einem Viertel- bis zu einem halben Zoll in der Länge variirten.
Hierauf untersuchte ich gemeinschaftlich mit Hrn. Robert Nicholson, dem Ingenieur der Newcastle und
North-Shields-Eisenbahn, zunächst die Dampfkessel der auf dieser Bahn
gebrauchten Locomotiv-Maschinen, und da ich in dem von denselben ausgehenden
Dampf Elektricität in reichem Maaße fand, so beschloß ich, mit Hrn. Nicholson's Erlaubniß und Beistand mit einem derselben
eine Reihe von Versuchen anzustellen, hoffend, den Gegenstand tiefer zu
ergründen.
Ich werde nun diejenigen Versuche, welche den auffallendsten Erfolg gaben, kurz
beschreiben, und sie in zwei Classen theilen: zuerst nämlich jene anführen, welche
bloß den Zwek hatten, die Ausdehnung, in welcher die Elektricität dem ausströmenden
Dampfe inwohnt, zu bestimmen, und dann zu jenen schreiten, welche die Ergründung der
Ursache der Elektricitäts-Entwikelung zum Zweke hatten. Beinahe alle Versuche
wurden in der Nacht, unter dem Schuze des Maschinenhauses, angestellt, bei
gewöhnlich feuchter Atmosphäre; wenn jedoch in lezterer Hinsicht ein anderer Fall
eintrat, so war die Elektricität des Dampfes um vieles stärker.
Bei dem ersten Versuche nach dem früher angewandten Verfahren, d.h. wenn ich auf
einem Isolirschämel stehend mit einer Hand ein Eisenstäbchen unmittelbar über das
Sicherheitsventil hielt, während der Dampf frei entwich, und dann die andere Hand
gegen irgend einen Leiter bewegte, erhielt ich ungefähr 1 Zoll lange Funken; doch
konnte man bald bemerken, daß die Elektricität stufenweise zunahm, wenn man das
Stäbchen im Dampf erhob, und die größte Wirkung erst erreicht wurde, als das Ende
des Stäbchens 5 bis 6 Fuß hoch über dem Ventil sich befand, wo sich dann die Länge
der Funken bis auf 2 Zoll erstrekte. Kleine Funken wurden sogar erhalten, wenn man
das Stäbchen ganz aus dem Dampfe entfernte und in einem Abstand von 2 oder 3 Fuß vom
Dampfstrahl in die Luft hielt; die so aus der Luft gezogene Elektricität war
positiv, wie die des Dampfes. Als man das Stäbchen in die in dem obern Raume des
Hauses angesammelte Dampfwolke hielt, wurde die Elektricität wie von einem
Blizableiter aus einer Gewitterwolke heruntergeleitet. Ich suchte mich auch zu
überzeugen, ob ein, der Regenbildung analoger Niederschlag von Feuchtigkeit die
Ableitung der Elektricität aus dem Dampfe begleite, und wirklich fühlte die das
Stäbchen haltende Person im Gesicht und an den Händen eine benezende Besprengung, so
lange als sie isolirt blieb, was aber mit der Isolirung sogleich aufhörte.
Nach der genügenden Untersuchung des Dampfes mit dem einfachen Eisenstäbchen als
Conductor wurden auch andere Conductoren, die dem Dampfe eine größere Oberfläche
darboten, angewandt, aber es wurde keine viel größere Wirkung erzielt, bis man einen
Büschel zugespizter Metalldrähte von verschiedener Länge, an einem Eisenstab
befestigt, mit abwärts gekehrten Spizen in den ausströmenden Dampf hielt. Der
Eisenstab war an dem Ende zunächst der Hand mit einem Knopf versehen, und von diesem
Knopfe aus gingen Funken von 4 Zoll Länge fast so schnell
als sie gezählt werden konnten, aus, während zu gleicher Zeit ein Strom von dem dem
Rauchfang der Maschine zunächst befindlichen Theil des Stabes absprang. Sehr
sichtbare Funken erhielt man auch, wenn die Spizen in die reine Luft gehalten
wurden, in einer Entfernung von wenigstens 8 Fuß von dem nächstgelegenen Theil des
Strahls.
Bei allen vorstehenden Versuchen schien, unter übrigens gleichen Umständen, die
Wirkung im Verhältniß zu der Menge des dem Ventil entströmenden Dampfes zu stehen;
wenn der Strom unbedeutend war, wurde auch die Elektricität beinahe unsichtbar.
Wenn man das Ventil plözlich aufhob, während es im Maschinenhaus dunkel war, zeigten
sich die Kanten des Hebels und der Rand der Messingkapsel, welche das Ventil umgibt,
deutlich leuchtend mit Strahlen von positiver Elektricität, welche in dem Augenblik,
wo das Ventil gehoben wurde, am stärksten waren, und schnell wieder nachließen, so
daß sie nach Verlauf einer Secunde ganz schwach waren.
Bei der Erforschung der Ursache dieser außerordentlichen
Elektricitäts-Entwikelung war die erste Frage, welche ich mir dabei zu
beantworten suchte: wo wird der Dampf zuerst elektrisch, d.h. ist er schon im
Dampfkessel elektrisch, oder, wenn nicht, wird er es, während er durch die Oeffnung
streicht, oder nicht eher, als bis er in die Luft entweicht? Um zu entscheiden,
welche dieser drei Annahmen die richtige sey, wurde die in Fig. 15 abgebildete
Vorrichtung angewandt.
A ist eine durch den Hahn B
in den Dampfraum reichende Glasröhre; der Hahn war in einem auf der Oberseite des
Dampfkessels befindlichen Loch eingeschraubt und mit einer Stopfbüchse zur
Verhinderung eines Entweichens von Dampf zwischen der Außenseite der Röhre und der Innenfläche des
Hahnes versehen; C ist ein an dem obern Ende der
Glasröhre befestigter Sperrhahn, auf welchen eine zweite Glasröhre D geschraubt ist, die in den dritten Sperrhahn E endigt.
Die Anwendung dieses Apparates ist leicht zu verstehen. Wenn der Dampf im Kessel sich
in demselben elektrischen Zustande befindet wie bei seinem Austritt in die Luft,
theilt er nothwendigerweise bei seinem Durchgang durch die Röhre dem isolirten Hahn
C positive Elektricität mit. Oder, wenn der Dampf
seine Elektricität erst durch Reibung, oder sonst auf eine Weise auf dem Wege, durch
den er entweicht, erhält, so kann dieß im gegenwärtigen Falle nur auf Kosten des Hahnes geschehen, welcher, da er isolirt
ist, in diesem Falle negative Elektricität zeigen müßte. Endlich, wenn die
Elektricität durch Condensation, Expansion oder sonst eine, nachdem der Dampf schon
in die Luft getreten, erst in Wirkung tretende Ursache entwikelt würde, so müßte der
Hahn C weder positive noch negative Elektricität
zeigen.
Ehe die untere Glasröhre in den Dampfkessel eingesezt wurde, ließ man den Dampf durch
den großen Hahn B entweichen und der durch denselben
austretende Strahl zeigte zum Erstaunen aller Anwesenden sich ganz frei von
Elektricität. Dieses Resultat vernichtete völlig alle Schlüsse, die ich aus dem
Umstande gefolgert hatte, daß der mit Regenwasser gespeiste Dampfkessel keine
Elektricität zeigte, in welchem Falle, wie ich schon in meinem zweiten Briefe an
Prof. Faraday erwähnte, der Dampfstrahl aus dem Eichhahn
erhalten worden war.
Die untere Glasröhre wurde nun, ohne daß die obere Röhre auf ihr befestigt war, in
den Kessel gestekt, und ein stark elektrischer Strahl durch sie erhalten, welcher
dem Hahn C, woraus der Dampf entwich, positive
Elektricität mittheilte. Die obere Röhre zerbrach zufällig beim Einschrauben in die
untere, wobei nur ungefähr 3 Zoll lang Glas oberhalb dem Hahn C übrig blieb. Unter diesen Umständen wurde der Hahn C fortwährend stark positiv elektrisch geladen, und ein
blasses, lekendes Licht blizte in kurzen Zwischenräumen innerhalb der Röhre von dem
Hahn abwärts gegen den Kessel.
Nachdem ich die zerbrochene Glasröhre durch eine neue ersezt hatte, wurde der Versuch
an einem andern Abend wiederholt, und da nun der Strahl auf eine weit größere Streke
als vorher von dem Hahn C entwich, konnte in dem Hahn
keinerlei Elektricität entdekt werden, während der andere über ihm einen sehr hohen
Grad positiver Elektricität anzeigte. Es war daher völlig erwiesen, daß nicht eher
Elektricität frei wurde, als bis der Dampf in die Luft ausgetreten war, und daß der obere Hahn
seine Elektricität der Berührung mit dem Strahl verdankte. Ein einziger Umstand
schien einigermaßen gegen diese Vermuthung zu streiten, nämlich, daß die
Elektricität des Hahns E sehr zunahm, wenn der Hahn C theilweise geschlossen wurde, als wenn die in diesem
Falle in der obern Röhre stattfindende Expansion den Dampf elektrisch gemacht hätte,
ehe er noch den Hahn erreichte, von welchem der Strahl ausströmte. Es konnte jedoch
in keinem Theile des Apparats negative Elektricität wahrgenommen werden, und ich
begreife nicht, wie es möglich ist, daß sich ohne Entwikelung negativer Elektricität
positive Elektricität durch Expansion erzeugen könnte. Die wahrscheinlichere
Erklärung dieser Wirkung scheint die zu seyn, daß die theilweise Schließung des
mittlern Hahns den durchsichtigen oder nichtleitenden Theil des Dampfstrahls
verkürzte und dadurch verursache, daß die Elektricität von dem undurchsichtigen
Theil des Strahls schneller mitgetheilt wurde.
Unstreitig in Folge der auf diese Weise im obersten Hahn veranlaßten Anhäufung von
Elektricität, in Verbindung mit der unvermeidlichen Feuchtigkeit des umgebenden
Mediums, wurden die obere Glasröhre und der Hahn über derselben höchst auffallend
und schön beleuchtet. Blize eines unsteten Lichtes flimmerten um die äußere Fläche
des Glases, und sprangen davon auf eine Entfernung von 3 bis 4 Zoll ab, während
starke Strahlen elektrischen Lichtes von den ekigen Theilen des Hahns ausströmten;
die vom Glas ausgehenden Blize waren von einem klappernden Geräusch begleitet,
welches man, wenn das Ohr sich nahe genug bei der Röhre befand, neben dem Zischen
des Dampfes noch deutlich hören konnte.
Die obere Glasröhre wurde nun entfernt und als ein weiterer Beweis des
Nichtvorhandenseyns freier Elektricität in dem Innern des Kessels ein spiziger Draht
durch den Hahn C und die Röhre A in den Dampf hinabgestoßen und wirksame Maßregeln angewandt, um eine
Dampfentweichung, welche sonst bei dem Hahn C
stattgefunden hätte (da der Zapfen behufs der Einstekung des Drahtes offen blieb) zu
verhindern. Da nun dieser Draht durch die Glasröhre isolirt war und mit dem
isolirten Hahn C communicirte, so müßte er diesen Hahn
elektrisch gemacht haben, wenn der Dampf im Kessel schon elektrisch war; man konnte
aber nicht die geringste Anzeige von Elektricität unter diesen Umständen an dem Hahn
beobachten.
Nachdem ich den zugespizten Draht wieder aus der Röhre gezogen hatte, wurde eine
andere Glasröhre, deren Durchschnittsfläche zehnmal so groß war als jene der im
Kessel stekenden Röhre, an dem Hahn C gerade so wie
vorher die Röhre D befestigt. Die im Vergleich
bedeutende Weite dieser
Röhre gestattete dem Dampf sich vor seinem Austritt in die Luft sehr auszubreiten
und machte, daß er als Niederdrukdampf entwich; es konnte aber in dem Strahl in
diesem verdünnten Zustande keine Abnahme der Elektricität gefunden werden; so daß
die Elektricitäts-Entwikelung nicht von dem Grade der Heftigkeit abzuhängen
scheint, womit der Dampf in Berührung mit der Luft kommt.
Die vollkommene Abwesenheit negativer Elektricität schien die Möglichkeit
auszuschließen, daß diese Erscheinungen von Expansion herrühren und die einzige
übrigbleibende Vermuthung die zu seyn, daß die in dem Dampfstrahl stattfindende
Condensation die von dem Dampf beim Verdampfungsproceß absorbirte Elektricität in
Freiheit sezt. Diese Vermuthung erhielt schon früher Wahrscheinlichkeit, als man
fand, daß der oberste und undurchsichtigste Theil des Dampfstrahls am meisten
Elektricität von sich gab, obschon ich zuerst diesen Umstand der größeren
Feuchtigkeit des Dampfes in diesem Theile des Strahles zuzuschreiben geneigt war,
welche ihn zu einem bessern Leiter macht, so daß er seine Elektricität leichter
abgeben kann. Es wurden deßhalb zunächst Versuche angefangen, um über den Erfolg
einer Isolirung des Dampfkessels und einer völligen Condensation des Dampfes
sicherer ins Reine zu kommen; doch müssen diese Versuche, um sich auf sie verlassen
zu können, wiederholt werden. Das Schwierigste ist, bei so vieler Feuchtigkeit die
Isolirung zu bewerkstelligen; doch hoffe ich mit einiger Ausdauer zum Ziele zu
gelangen und bald weitere Ergebnisse, wodurch alle Zweifel gehoben werden, liefern
zu können.
Newcastle am Tyne, 18. Nov. 1840.