Titel: | Ueber die Explosion eines Thilorier'schen Apparates zum Verdichten des kohlensauren Gases. |
Fundstelle: | Band 79, Jahrgang 1841, Nr. LIX., S. 294 |
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LIX.
Ueber die Explosion eines Thilorier'schen Apparates zum
Verdichten des kohlensauren Gases.
Ueber die Explosion eines Thilorier'schen Apparates zum Verdichten
des kohlensauren Gases.
Folgendes traurige Ereigniß fand kürzlich in Paris im Laboratorium des Prof. Bussy statt, als man mittelst Thilorier's Apparat feste Kohlensäure bereiten wollte. Die gasförmige
Kohlensäure war unter einem Druk von mehr als 50 Atmosphären in einem gußeisernen Cylinder von beiläufig 3 Liter Hohlraum
comprimirt, dessen Wände ungefähr 5 Centimeter (2 Zoll) dik waren. Hr. Thilorier leitete selbst die Vorbereitungen zu dem
Versuche mit seiner bekannten Vorsicht. Kaum hatte er sich aber in ein benachbartes
Zimmer begeben, während die zwei Assistenten bei dem Apparat zurükblieben, als eine
fürchterliche Explosion erfolgte; der gußeiserne Cylinder zerbarst in Stüke mit der
Gewalt einer Bombe. Von den beiden Assistenten wurde der eine (Hr. Hervy) mit solcher Gewalt gegen die Mauer geschleudert,
daß sein Körper einen Schrank zerbrach und seine zwei Beine verstümmelt wurden; er
starb auch zwei Tage nach der Amputation; der andere Assistent fiel bewußtlos zu
Boden, wurde aber nicht verlezt.
Die Wirkungen der Explosion waren fürchterlich: von den in allen Richtungen
weggeschleuderten gußeisernen Stüken waren einige tief in die Mauer eingedrungen;
eiserne Werkzeuge, die nahe am Cylinder lagen, waren ebenso in die Steinplatten des
Bodens eingedrungen. Den Knall der Explosion hörte man sehr weit. Wenn sie während
der Vorlesung des Professors vor dem zahlreichen Auditorium stattgefunden hätte,
wären die Folgen noch viel trauriger gewesen. Zwei Tage vorher war der Versuch in
der Ecole de médicine vor 1200 Studirenden in Orfila's Hörsaal angestellt worden. Die von Hrn. Thilorier getroffenen Vorsichtsmaßregeln schienen alle
Gefahr zu beseitigen, denn seit mehreren Jahren waren diese Versuche sehr oft
wiederholt worden, ohne daß jemals ein Unglük erfolgt wäre.
Hr. Dumas theilt über diesen beklagenswerten Vorfall
folgende BemerkungenJournal des Débats, 6. Jan. 1841. mit:
„Thilorier's Verfahren das kohlensaure Gas in
flüssigen Zustand zu versezenMan vergl. polyt. Journal Bd. LXII. S.
226., besteht bekanntlich darin, daß man in einen sehr festen gußeisernen
Behälter die Substanzen bringt, welche bei ihrer Einwirkung auf einander Kohlensäure in
reichlicher Menge entwiken, und daß man dieses Gas dann in einem ebenfalls aus
Gußeisen bestehenden Cylinder mit sehr diken Wänden sammelt; in den Apparat
kommt nämlich kohlensaures Natron mit Wasser und Schwefelsäure; es entsteht
schwefelsaures Natron, und Kohlensäure wird frei; da der Apparat luftdicht
geschlossen ist, so wird das fortwährend sich entbindende Gas stark zusammen
gedrükt, verdichtet sich, wird flüssig und geht sogar in den festen Zustand des
Schnees über, wenn man es durch eine kleine Oeffnung entweichen läßt.
Damit man sich einen Begriff von dem ungeheuren Druk machen kann, welcher in den
Cylindern entsteht und auf ihre Wände wirkt, brauche ich nur zu sagen, daß er am
Anfang des Versuchs 75 Atmosphären beträgt und für jeden Centesimalgrad, um
welchen die Temperatur sich erhöht, um zwei Atmosphären steigt; nun erhöht sich
aber die Temperatur, wenn die Schwefelsäure mit dem Wasser und kohlensauren
Natron in Berührung kommt, plözlich um 20 –30° C., und steigt
nachher auf 60, 80 und vielleicht auf 100°, so daß im Apparat ein Druk
entstehen muß, den man ohne Uebertreibung auf wenigstens 150 Atmosphären schäzen
kann.
Die von Hrn. Thilorier bei der Einrichtung seines
Apparats getroffenen Vorsichtsmaßregeln sind der Art, daß fast gar keine Gefahr
vorhanden wäre, wenn sich nicht ein bisher unbeachteter Umstand dazugesellen
würde; auch wurde der Versuch in Paris und an anderen Orten über 500mal
wiederholt, ohne daß jemals eine Explosion erfolgte. Unglüklicherweise scheint
aber mit der Zeit die innere Textur des Gußeisens eine Veränderung zu erleiden,
so daß es plözlich und unbemerkbar spröde und zerbrechlich wird; dieß ist auch
der Grund, warum bisweilen vortreffliche gußeiserne Kanonen, aus welchen beim
Probiren und im Felde zahlreiche Schüsse abgefeuert wurden, in dem Augenblik
zerplazen, wo man es am wenigsten erwartet, wobei dann die sie bedienende
Mannschaft getödtet oder verwundet wird. Derselbe Fall war es bei dem Thilorier'schen Apparate, als die Explosion erfolgte;
dieser Apparat war vollkommen unversehrt, in ganz gutem Zustande und von Hrn.
Thilorier selbst. sehr oft probirt worden, als er
plözlich dem ungeheuren Druk nachgab, den er bisher so gut ertragen hatte.
Nach diesem unglüklichen Ereigniß darf der Versuch natürlich nicht mehr in einer
chemischen Vorlesung angestellt werden, und man muß sich darauf beschränken, den
Zuhörern das Resultat desselben, die festgewordene Kohlensäure zu zeigen, wenn
anders der Professor sich deren Bereitung in einem entfernten Local unterziehen
will.
Vielleicht kann man der (Pariser) Akademie der Wissenschaften mit Recht den Vorwurf
machen, daß sie die schöne Entdekung Thilorier's und
seinen Apparat zum Verdichten der Kohlensäure nicht gehörig würdigte; wenn man
gleich anfangs eine aus Physikern, Mechanikern und Chemikern zusammengesezte
Commission mit einer Prüfung seines Verfahrens beauftragt hätte, wenn durch eine
solche sein Versuch wiederholt, die Construction des Apparats, die Wahl des
Metalls, die Art es zu bearbeiten etc. untersucht worden wäre, so hätte diese
ohne Zweifel die Möglichkeit einer Gefahr vorausgesehen und die geeigneten
Mittel zu ihrer Beseitigung angegeben.“
Wir haben im polyt. Journ. (Bd. LXXII. S.
132 u. Bd. LXXVII. S. 420)
die Beschreibung zweier Apparate zum Verdichten des kohlensauren Gases nach
Thilorier's Princip mitgetheilt, bei deren
einem die Behälter aber nicht aus Gußeisen, sondern aus Stabeisen verfertigt sind; in der That ist es
unbegreiflich, daß Hr. Thilorier Gußeisen zu
Gefäßen verwenden konnte, die einem so außerordentlichen Druk widerstehen
müssen.
A. d. R.