Titel: | Ueber Mosaik-Arbeit, Cameen-Schneiden, Pietra-Dura und verwandte Künste der Italiener. Von Charles H. Wilson, Esq. |
Fundstelle: | Band 80, Jahrgang 1841, Nr. CXV., S. 456 |
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CXV.
Ueber Mosaik-Arbeit,
Cameen-Schneiden, Pietra-Dura und verwandte Kuͤnste der Italiener.
Von Charles H. Wilson,
Esq.
Auszug aus dem Edinburgh new philosophical Journal.
1841, No. 59.
Wilson, uͤber Mosaik-Arbeit, Cameenschneiden,
Pietra-Dura und verwandte Kuͤnste der Italiener.
Die Mosaikkunst kennt man in Rom seit den Zeiten der
Republik. Die strengen Geseze jener Periode verboten die Einführung fremden Marmors,
daher sind alle Mosaikarbeiten aus derselben nur schwarz und weiß. Zur Zeit des
Reichs ward die Kunst sehr vervollkommnet und zwar nicht nur durch die Einführung
verschiedenfarbigen Marmors, sondern auch durch die Erfindung künstlicher Steine, welche die Italiener Smalti nennen und die von jeder beliebigen Nuance bereitet werden können.
– Diese Kunst ging nie ganz verloren. Als die Malerei in den christlichen
Tempeln eingeführt wurde, fertigte man die ersten Gemälde von Mosaik; die noch
übrigen Proben davon sind zwar roh, doch in historischer Hinsicht sehr merkwürdig.
Bei der Restauration der Künste in Italien erhielt auch die Mosaik Verbesserungen,
aber ihre größte Vervollkommnung erreichte sie erst im lezten und gegenwärtigen
Jahrhundert. Die römische Mosaik, wie sie jezt betrieben wird, kann definirt werden
als die Verfertigung von Gemälden durch Verbindung vieler kleinen Stükchen farbigen
Marmors oder künstlicher Steine. Diese werden auf eine kupferne Unterlage mittelst
eines Kitts aus Mastix und andern Substanzen befestigt, und dann wie ein Stein
geschliffen und polirt, bis die Oberfläche ganz eben und glatt ist. Nicht nur kleine
Verzierungen werden in dieser Kunst ausgeführt, sondern auch die größten Gemälde
copirt. In frühern Zeiten wurden die größten Kuppeln, und sogar ganze Wände von
Kirchen mit Mosaik überzogen. Die ausgezeichnetsten Werke der neuern Zeit sind die
Copien einiger großer Gemälde für die Altäre der St. Peterskirche; sie sind in jeder
Hinsicht eine vollkommene Wiedergebung der Originale, und wenn leztere, ungeachtet
aller Sorgfalt, sich verändern und zu Grunde gehen müßten, so würden die Mosaiks auf
entfernte Zeiten eine genaue Vorstellung von den vollendeten Kunstwerken des
fünfzehnten Jahrhunderts übertragen. Die Werkstätte des Gouvernements in Rom nimmt
jene Gemächer im Vatican ein, welche früher zum Dienste der Inquisition gehörten.
Copien werden gegenwärtig nicht angefertigt; aber Smalti-Kästchen werden
darin gezeigt, welche, wie behauptet wird, 18000 verschiedene Farbenabstufungen
enthalten. Um eine der obenerwähnten Copien darzustellen, waren 20 Jahre nothwendig;
die Mosaikstükchen sind 1/16 bis 1/8 Zoll groß, und eilf Personen waren für jedes
Gemälde so lange beschäftigt.
Eine große Verbesserung ward in dieser Kunst im J. 1775 von Raffaelli eingeführt, welcher darauf bedacht war, die Smalti in so zu
sagen feine Fäden zu bilden. Diese Pasten oder Smalti werden in Venedig in Form von Stiften oder
Siegellakstangen fabricirt und dann von dem Arbeiter nachher am Löthrohr zur
gewünschten Dike, oft beinahe zu der eines Haars, und jezt selten mehr diker als ein
Grashalm, ausgezogen. Zu Tischen und großen Gegenständen werden natürlich dikere
Stüke genommen; aber die Schönheit der Arbeit, die sanfte Abstufung der Tinten, so
wie auch der Preis, hängen von der Kleinheit der Stüke und der von dem Künstler
entfalteten Geschiklichkeit ab. Eine Ruine, eine Gruppe von Figuren oder Blumen
beschäftigt, wenn sie nur 2 Zoll im Quadrate mißt, einen guten Künstler etwa 2
Monate, und ein Exemplar dieser Art kostet von 5 bis 20 Pfd. Sterl., je nachdem es
ausgeführt ist. Eine 6 Zoll im Gevierte messende Landschaft würde 18 Monate zur
Ausführung bedürfen und 40 bis 50 Pfund Sterl. kosten. Dieß wird Jedem als eine der
verwendeten Zeit nicht entsprechende Zahlung erscheinen. Die feinste Garnitur eines
Damenschmuks, aus Collier, Ohrgehäng und Broche bestehend, kostet 40 Pfd. Sterl. Für
eine Abbildung von Paestum, welche 8 Fuß lang und 20 Zoll breit war, und an welcher
4 Personen drei Jahre beschäftigt waren, wurden 1000 Pfd. Sterl. verlangt.
Die florentinische Mosaik ist von der römischen völlig
verschieden, indem sie aus Steinen, welche im Vergleich in großen Massen eingefügt
werden, zusammengesezt ist; man nennt dieß Arbeit in pietra dura. Die hiezu dienenden Steine sind alle mehr oder weniger
seltene und kostbare. Von alten Exemplaren sind jene Arbeiten die schönsten, deren
Zeichnungen im Charakter von Arabesken gehalten sind. Die schönste Arbeit dieser Art
ist ein achtekiger Tisch in dem Gabinetto di Baraccio in
der Florentiner Galerie. Er ist auf 20,000 Pfd. St. geschäzt und wurde im J. 1623
von Jakob Datelli nach Zeichnungen von Ligozzi angefangen. Zwei und zwanzig Künstler arbeiteten
ohne Unterbrechung daran, bis er im J. 1649 fertig war. Die Versuche mit
Landschaften und die Nachbildung natürlicher Gegenstände waren größtentheils
Mißgriffe früherer Zeit, mehr mühsame Arbeiten, welche ihren Gegenstand nicht
erreichten; aber in neuerer Zeit wurden Werke in dieser Kunst geschaffen, welche
Gruppen von Blumen und Obst, Vasen, musikalische Instrumente und andere passende
Gegenstände mit einer Wahrheit und Schönheit darstellten, welche die größte
Bewunderung und Erstaunen erregen. Diese Gemälde sind jedoch außerordentlich
kostspielig und können nur in den Palästen der Großen gesehen werden. Zwei Tische im
Palast Pitti sind auf 7000 Pfd. Sterl. geschäzt, welcher
Preis noch nichts weniger als übertrieben ist. Diese sind von moderner Zeichnung auf
Porphyrgrund; zehn Personen haben vier Jahre an einem derselben gearbeitet, und eine
nicht mehr als 3 Quadratzoll große Stelle wird daran gezeigt, an welcher ein Mann
zehn Monate arbeitete. Die Florentiner-Mosaik wird, wie die römische, nicht
nur zu Tischen und anderen Meubles gebraucht; die Wände der geräumigen, als
Begräbnißplaz der regierenden Familie in Florenz dienenden Capelle, sind mit Pietra dura bekleidet und realisiren also die mit
Edelsteinen bekleideten Hallen in den arabischen Mährchen. Die römische Mosaik ist,
wie wir gesehen haben, als Alliirte der Kunst, von großem Werthe; die florentinische
aber kann diese Ansprüche nicht machen, und Zeit und Geld könnten besser verwendet
werden. Die Wirkung in der erwähnten Capelle ist nichts weniger als befriedigend und
diese Kunst dürfte entsprechender auf die Verfertigung kleiner Zierrathen beschränkt
werden, wozu sie sehr geeignet ist.
Eine Nachahmung der Pietra dura wird gegenwärtig in
großer Ausdehnung in Derbyshire (England) gemacht, wo des Herzogs von Devonshire
schwarzer Marmor, der dem berühmten nero antico völlig
ähnlich seyn soll, mit Malachit, Derbyshire-Spath (Flußspath) und andern
Steinen eingelegt wird; hoch geschieht dieß nur mit Einlegstäbchen, und gibt keine
so dauerhafte Arbeit wie die florentinische. Dieß, so wie die Weichheit der
Materialien macht die Derbyshire Arbeit viel wohlfeiler, und doch werden für eine
Tafel von 20 bis 24 Zoll Durchmesser 30 Guineen verlangt. Wenn etwas mehr Geschmak
in der Zeichnung und
etwas geschiktere Ausführung stattfände, so würde die Derbyshirer Arbeit sehr an
Werth gewinnen, da das Material, besonders der schwarze Marmor, ungemein schön
ist.
Die Kunst des Cameen-Schneidens ist ebenfalls sehr
alt und wird in Rom, wo einige hierin sehr ausgezeichnete Künstler gegenwärtig
leben, mit sehr vielem Erfolge betrieben. Es gibt zweierlei Cameen, nämlich in Stein
oder Pitra dura und in Muscheln geschnittene. Bei den
ersten hängt der Werth vom Stein so wie von der Güte der Arbeit ab. Der geschäzteste
Stein ist gegenwärtig der orientalische Onix und der Sardonix, wovon der erstere
schwarz und weiß in parallelen Schichten, der leztere carneolroth, braun und weiß
ist; wenn Steine mit 4 bis 5 Schichten verschiedener Schattirungen oder Farben
herbeigeschafft werden können, so erhöht dieß verhältnißmäßig den Werth,
vorausgesezt daß die Schichten so dünne sind, daß das Schneiden der Cameen so
vorgenommen werden kann, daß die verschiedenen Theile harmoniren. Wenn z.B. ein
Minervakopf aus einem Steine mit vier Schattirungen gut herausgearbeitet ist, soll
der Grund dunkelgrau, das Gesicht hell, die Büste und der Helm schwarz, und der
Busch des Helmes bräunlich oder grau seyn. Zunächst diesen Varietäten von
Schattirungen und Schichten sind jene Steine geschäzt, in. welchen zwei Schichten
von Schwarz und Weiß von regelmäßiger Breite vorkommen. Nur mit solchen
orientalischen Steinen will jezt noch ein guter Künstler seine Zeit zubringen; bis
zum Anfange dieses Jahrhunderts aber wurde dem Material weniger Aufmerksamkeit
gewidmet, so daß schöne, aus dem Mittelalter stammende und moderne Cameen aus
deutschem Agat angetroffen werden, deren Farben gewöhnlich nur zwei Schattirungen in
Grau darbieten, oder rahm- und milchweiß, und da nicht selten wolkig sind.
Der beste Künstler in Rom in Pietra dura ist Hr.
Girometti, welcher acht
Cameen in verschiedenen Größen, von 1 1/2 bis 3 1/2 Zoll Durchmesser, aus spizigen
Steinen mit verschiedenen Schichten, in der Antike angehörenden Gegenständen,
ausgeführt hat. Diese bilden ein Sortiment, wofür er 3000 Pfd. Sterl. verlangt. Eine
einzelne Camee von zum Schmuk passender Größe und zwei Farben kostet 22 Pfd. Sterl.,
Portraits in Stein von den trefflichen Künstlern Diez und
Saulini kosten ungefähr 10 Pfd. Sterl. Alle diese
Cameen werden auf einer Drehbank mit spizigen stählernen Instrumenten und mittelst
Diamantstaub verfertigt.
Die Muschel-Cameen werden aus großen, an der afrikanischen und brasilianischen
Küste gefundenen Muscheln geschnitten und zeigen gewöhnlich nur zwei Schichten; der
Grund ist entweder kaffeebraun oder dunkel röthlich-orange; lezterer ist
beliebter. Der Gegenstand wird mit kleinen Stahlmeißeln aus dem weißen Theil der
Muschel ausgeschnitten. Eine schöne Muschel ist in Rom eine Guinee werth. Copien von
der Antike, Originalzeichnungen und Portraits werden in der höchsten Vollendung, in
feinster Zeichnung und bestem Geschmak ausgeführt und man kann sagen, daß die
römischen Künstler in dieser schönen Kunst die Vollkommenheit erreicht haben. Gute
Muschel-Cameen kosten 1 bis 5 Pfd. Sterl. für Köpfe, 3 bis 4 Pfd. Sterl. für
die schönsten großen Broches; ein Kamm kostet 10 Pfd. St., und eine volle Garnitur
von Collier, Ohrgehänge und Broche 21 Pfd. St. Ein Portrait kann je nach der Arbeit
um 4 bis 5 Pfd. St. ausgeführt werden.
Aus den Bemerkungen des Verfassers über architektonische Gegenstände heben wir
Folgendes aus.
Mit dem sogenannten venetianischen Pflaster (Estrich)
werden die Fußböden der
Zimmer belegt. Der Beschreibung desselben muß ich vorausschiken, daß es gewöhnlich
Wer Gewölbe gelegt wird. Man legt zuerst einen Grund, welcher aus mit Puzzolane und
kleinen Steinbrökchen gemischtem Kalk besteht; diese Masse muß wohl gestampft und
geebnet werden. Wenn sie vollkommen troken ist, wird eine feine, von den Italienern
sogenannte Paste aus Kalk, Puzzolane und Sand gemacht; es wird hiezu gelber Sand
angewandt, der das Gemenge färbt; diese Paste wird nach Erforderniß 1 bis 2 Zoll dik
sorgfältig ausgebreitet. Ueber sie wird eine Schichte unregelmäßig gebrochener
kleiner Marmorstüke von verschiedenen Farben gelegt, was, wenn man will, nach
gewissen Mustern geschehen kann. Nachdem die Paste durchaus mit Marmorstükchen
bedekt ist, wird der Boden mit einem großen und schweren, eigens hiezu gemachten
Werkzeug gestampft, und wenn das Ganze zu einer compacten Masse gestampft ist, läßt
man die über die Marmorstüke herausgetretene Paste erhärten. Hierauf wird der Boden
mit feinkörnigen Steinen glattgerieben und endlich mit Smirgelpulver, Marmorstaub
etc. fein polirt und zulezt mittelst Flanell mit gekochtem Oehl eingerieben.
– Dieß gibt einen dauerhaften und sehr schönen Fußboden, der auch in andern
Ländern für Hallen, Conservatorien und dergleichen Gebäude angewandt werden
könnte.
Durch aufgelegten Marmor werden bekanntlich in Italien
herrliche flache und geriefte (cannelirte) Säulen hergestellt; der Kern derselben
ist natürlich gemeiner Stein, aber die Zusammenfügung der Marmorbekleidung so genau,
daß der fertige Pfeiler eine Masse von solidem Marmor zu seyn scheint. Der Marmor
wird an den Kern in rauhem Zustande mittelst eines aus Harz und Marmorstaub
zusammengesezten Kittes befestigt, welcher so fest ist, daß er das zur Vollendung
der Arbeit nothwendige Hämmern, Meißeln und Poliren vertragt. Mittelst dieser Art
aufzulegen, werden die innern Wände von Kirchen und andern Gebäuden reich mit
mannichfaltigem Marmor überzogen und Tische und andere Meubel zu sehr billigem
Preise hergestellt. Diese eben beschriebene Kunst ist in der That die der Pietra dura in einem riesigen Maaßstabe.
Die Bildhauerei in Alabaster wird vorzüglich in Pisa,
Florenz und Leghorn betrieben. Außer der Anwendung zu diesem Zwek wird dieses
Material aber auch in Rom sehr sinnreich zur Verfertigung falscher Perlen gebraucht. Wenn die Alabasterstükchen gedreht und
angereiht sind, werden sie in einen glänzenden Teig eingehüllt, welcher von den
Schuppen eines sehr kleinen Fisches bereitet wird, der an den Küsten des
Mittelmeeres gefunden wird.