Titel: | Ueber hydraulischen Kalk, Cement und künstliche Steine; von Fr. Kuhlmann. |
Fundstelle: | Band 81, Jahrgang 1841, Nr. XXXIX., S. 134 |
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XXXIX.
Ueber hydraulischen Kalk,
Cement und künstliche Steine; von Fr. Kuhlmann.
Aus den Comptes
rendus. Mai 1841, No. 19.
Kuhlmann, über hydraulischen Kalk
etc.
Durch seine Untersuchungen über die Theorie der Salpeterbildung
wurde der Verfasser auf die sorgfältige Prüfung der Natur der
Mauer-Auswitterungen, ihre Entstehung und die Umstände,
unter welchen sie sich erzeugen, geleitet. Diese Nachforschungen
führten ihn zu dem Schlusse, daß die meisten Kalksteine
aus den verschiedenen geologischen Epochen, namentlich aber jene
Kalksteine, welche natürlichen hydraulischen Kalk oder Cement
geben können, Kali- und Natronsalze enthalten. Diese
Resultate führten ihn auf die weitere Untersuchung, ob diese
Kali- und Natronsalze auf die Eigenschaften des Kalks
einigen Einfluß üben; ob ferner ihre Gegenwart in den
Kieselkalksteinen einiges Licht auf die natürliche Bildung
dieser Steine werfen könne.
Hydraulischer
Kalk.
Ich habe gefunden, sagt der Verfasser, daß wenn sich der Kalk mit
Kieselerde, welche ihm im Hydratzustande dargeboten wird, durch
Glühen direct verbinden kann, diese Verbindung noch beträchtlich
erleichtert wird, wenn man dem Gemenge etwas Kali, Natron oder
solche Salze dieser Basen zusezt, welche sich unter den
Umständen, unter denen das Glühen stattfindet, in Silicate
verwandeln können. Um die Verwandlung einer großen Quantität
kohlensauren Kalks in Silicat zu veranlassen, braucht man dem
Gemenge von Kreide oder Kalk mit Thon keine große Quantität
Alkali zuzusezen; denn die Rolle dieses leztern scheint sich nur
auf die Erleichterung der allmählichen Uebertragung der
Kieselerde an den Kalk zu beschränken.
Hr. Kuhlmann gibt hierauf ein anderes
Verfahren an, hydraulischen Kalk und Cement darzustellen, bei
welchem er die Kiesel- oder die Thonerde im Wasser
aufgelöst anwendet und durch Behandlung der Auflösungen mit
zerfallenem Kalk Silicate und Aluminate erzeugt, welche der
Einwirkung des Wassers widerstehen und alle Eigenschaften, so
wie auch die Zusammensezung des natürlichen hydraulischen Kalks
besizen. Bei dieser Bereitung des hydraulischen Kalks auf nassem
Wege muß eine größere Quantität Alkali als beim vorhergehenden
angewandt werden, es besizt aber auch wieder Vorzüge, welche
diesen Uebelstand ausgleichen. Diese Vorzüge bestehen
hauptsächlich in der leichten Darstellung des hydraulischen
Mörtels mit fettem Kalk und der Möglichkeit, die Hydraulicität
des Kalks im Augenblik der Anwendung desselben beliebig zu
erhöhen. Hr. Kuhlmann bereitet auch
einen Kalk, der eine große Consistenz erlangt, indem er auf
trokenem oder nassem Wege verschiedene schwefelsaure Salze,
namentlich Alaun, Eisenvitriol, Manganvitriol u.s.w. mit
zerfallenem Kalk behandelt.
Was den Nuzen aller dieser Bereitungsarten betrifft, so will Hr.
K., ehe er sich darüber ausspricht, warten, bis lange Erfahrung
darüber erworben seyn wird, und bis man die Einwirkung des
Frostes, der salzigen Auswitterungen und der Salpeterbildung,
alles mehr oder weniger kräftig wirkende
Zerstörungs-Ursachen, hinreichend kennen
gelernt hat. Indem er über diesen Gegenstand schließt, sagt er,
daß, obwohl er ein neues Agens in die Theorie der Bildung des
künstlichen hydraulischen Kalks eingeführt habe, er
nichtsdestoweniger die Basis, auf welcher die so
beachtenswerthen Arbeiten des Hrn. Vicat beruhen, welche den Namen dieses geschikten
Ingenieurs ewig ehren werden, für unbestreitbar und zur sichern
Grundlage dienend betrachte.
Künstliche
Steine.
Die auflöslichen alkalischen Silicate sind in Hrn. Kuhlmann's Händen der Gegenstand
ausgedehnter und nicht minder wichtiger Anwendung geworden.
Er beobachtete, daß wenn man selbst in der Kälte gepulverte
Kreide mit einer Auflösung dieser Silicate in Berührung bringt,
zwischen den beiden Salzen ein gewisser Austausch der Säuren ein
tritt, und daß ein Theil der Kreide in kieselsauren Kalk und
eine entsprechende Menge des kieselsauren Kali's in kohlensaures
Kali umgewandelt wird.
Rührt man gepulverte Kreide in eine Lösung des kieselsauren
Kali's, so erhält man einen Kitt, welcher an der Luft langsam
erhärtet und hart genug wird, um in manchen Fällen zur
Restauration öffentlicher Monumente und zur Darstellung von
allerlei Simswerk-Ornamenten u.s.w. gebraucht werden zu
können.
Die Kreide als künstlicher Teig oder natürlicher Stein absorbirt,
wenn sie in eine Lösung von kieselsaurem Kali getaucht wird,
selbst ohne Wärme, eine Quantität Kieselerde, welche, wenn man
den Stein wechselsweise und zu wiederholtenmalen der Einwirkung
der Kieselerdelösung und der Luft aussezt, bedeutend werden
kann; sie erhält dabei ein glattes Ansehen, ein dichtes Korn und
eine, je nachdem sie mehr oder weniger eisenhaltig war, mehr
oder weniger gelbliche Farbe. Die so erhaltenen Steine nehmen
eine schöne Politur an, die anfangs nur oberflächliche Erhärtung
sezt sich nach und nach bis in die Mitte fort, sogar wenn der
Stein ziemlich dik ist; sie scheinen für die Verfertigung von
Bildhauerarbeiten, verschiedener, selbst sehr feiner Ornamente,
von sehr großem Nuzen werden zu können, denn wenn die
Verkieselung auf sehr trokener Kreide stattfindet (was zu einem
guten Resultat nothwendig ist), wird die Oberfläche nicht im
Geringsten verändert. Versuche, welche hinsichtlich der
Anwendung dieser Steine zum lithographischen Druk angestellt
wurden, versprechen den besten Erfolg.
Diese Art zarte Kalksteine in Kieselkalksteine umzuwandeln, kann
für die Baukunst eine kostbare Requisition werden. Von der Nässe
nicht leidende und sehr harte Ornamente können dadurch sehr
billig hergestellt werden und in vielen Fällen kann ein Anstrich
von kieselsaurer Kalilösung zum Schuze alter, in weichem
Kalkstein ausgeführter Monumente gegen weiteres Verderben
dienen; derselbe Anstrich könnte in jenen Gegenden, wo, wie in
der Champagne, die Kreide beinahe das einzige Baumaterial
abgibt, in allgemeine Anwendung kommen.
Der Gyps erleidet analoge Verwandlungen wie die Kreide; die
Einwirkung des Alkalisilicats ist sogar noch energischer; man
muß daher beim Gyps mit schwachen Auflösungen operiren, um die
in Gyps geformten Gegenstände gehörig mit Kieselerde zu
durchdringen, und noch besser ist es, den Gyps sogleich mit
einer Kieselkalilösung einzurühren und anzumachen. Die
kohlensauren Salze des Baryts, Strontians, Bleioxyds u.s.w.
können, auf ähnliche Weise wie die Kreide, verkieselt werden.
Der Teig, welchen man erhält, wenn man gepulvertes Bleiweiß mit
einer Lösung von Kali- oder Natronsilicat anknetet, nimmt
eine sehr große Härte an und läßt sich schön poliren. Diese
verschiedenen Gegenstände vom theoretischen Gesichtspunkt
betrachtend, behauptet Hr. K., daß eine Menge Oxyde sich mit
Kalk verbinden können, und daß dieser leztere das in Wasser
aufgelöste kieselsaure Kali seiner Kieselsäure völlig beraubt;
daß wenn z.B. eine ammoniakalische Lösung von Kupferoxyd mit
zerfallenem Kalk zusammengebracht wird, sich kupfersaurer Kalk
bildet, dessen Existenz den Schlüssel zur Theorie der Bildung
des Kupferblaues (Bergblau) gibt.
Bemerkungen zu
Kuhlmann's Aufsaz über hydraulischen Kalk etc.
Dieser Aufsaz enthält manches Gute, aber wenig Neues; und was gut
ist, ist nicht neu, denn man kann es Alles finden in den
Abhandlungen von Fuchs: über Kalk und
Mörtel (Erdmann's Journal für
technische und ökonomische Chemie, Bd. VI), in der von der
holländischen Gesellschaft der Wissenschaften in Haarlem
gekrönten Preisschrift: über die Eigenschaften, Bestandtheile
und chemische Verbindung der hydraulischen Mörtel (polytechn.
Journal Bd. XLIX. S.
271) und zum Theil auch in seiner Abhandlung über ein
nuzbares Product aus Kieselerde und Kali (polyt. Journal Bd. XVII. S. 465).
Kuhlmann, welcher unseres Wissens der
deutschen Sprache kundig ist, hat diese Abhandlungen entweder
gar nicht gelesen, oder deren Inhalt absichtlich ignoriren
wollen; das Eine wie das Andere ist offenbar
gleich tadelnswerth; von Jedem, der etwas Neues zur Welt bringen
will, prätendirt man mit Recht, daß er mit dem, was schon
vorhanden ist, bekannt sey.
Daß auf thonhaltigem Kalkstein und Mergel öfters Salpeter
auswittert, ist längst bekannt; daß aber diese Kalksteine oder
vielmehr der darin vorkommende Thon fast immer mehr oder weniger
Kali enthält, wodurch die Salpeterbildung wie in den
Salpeterplantagen möglich wird, hat Fuchs zuerst nachgewiesen. – Was sollten denn
die Kali- und Natronsalze für einen Einfluß haben auf die
Eigenschaften des Kalks, wozu sie keine Verwandtschaft haben?
Und in wie fern könnte ihre Gegenwart in den Kieselkalksteinen
Licht über die natürliche Bildung dieser Steine werfen?
Daß Kieselerde, Kalk und Kali oder Natron im Feuer sich
verbinden, weiß jeder Glasfabrikant, so wie auch, daß man dem
Kalk die Kieselerde zu diesem Zwek nicht als Hydrat, was es
eigentlich gar nicht gibt, darzubieten braucht.
Das vom Verf. angegebene Verfahren, auf nassem Wege hydraulischen
Kalk und Cement mit alkalischer Auflösung von Kiesel-
oder Thonerde (??) und zerfallenem Kalk zu bereiten, ist wenig
begreiflich, und es wird schwerlich Jemand daraus klug werden
können. Er will wahrscheinlich damit sagen: daß, wenn man
Kiesel- und Thonkali auf zerfallenen Kalk wirken läßt,
man eine dem natürlichen hydraulischen Kalk ähnliche Masse
bekommt. Demjenigen, welcher so verfährt, gratuliren wir zum
Erfolg! Man muß dabei wissen, a) daß
die Auflösungen von Kiesel- und Thonkali sich nicht
miteinander vertragen, und man sie daher nacheinander, und zwar
zuerst das Kieselkali und dann das Thonkali anwenden müßte; b) daß, wenn man dazu den an der
Luft zerfallenen Kalk nimmt, bevor er durch langes Liegen in Kalkhydrocarbonat, wovon Kuhlmann auch nichts zu wissen
scheint, umgewandelt worden, das Kieselkali schnell zersezt und
eine breiartige Masse erzeugt wird. – Hiebei muß man den
Verf. fragen, was für ein Kieselkali er anwendet (er bedient
sich stets des Ausdruks silicate de
potasse): ob die sogenannte Kieselfeuchtigkeit oder das
Wasserglas? Wahrscheinlich lezteres, weil es am meisten
Kieselerde und am wenigsten Kali enthält, auch ein Product von
bestimmter Mischung ist.
Daß übrigens das Wasserglas sehr viel zum Erhärten des
hydraulischen Kalks beiträgt, kann der Verf. in der erst
genannten Abhandlung des Prof. Fuchs
finden, wo auch von dem Verhalten des Gypses, Eisenvitriols und
Alauns die Rede ist. Die leztgenannten Zuschläge geben aber, wie
Fuchs sich später überzeugte,
kein sehr dauerhaftes Product. Auch kann er in dieser
Abhandlung, und besonders deutlich in der angeführten
Preisschrift lesen, was für eine Rolle das Kali im hydraulischen
Kalk spielt: daß es nämlich durch den Kalk ausgeschieden wird,
und indem dieser seine Stelle einnimmt, das Anziehen des
hydraulischen Kalks befördert. Fuchs
hat darauf sogar ein Verfahren gegründet, aus dem Lithionglimmer
das Lithion abzuscheiden, und ist der Meinung, daß man unter
günstigen Umständen aus dem Feldspath das Kali mit Vortheil
werde gewinnen können.
In Betreff der Darstellung künstlicher
Steine mittelst der auflöslichen alkalischen Silicate
(nämlich des Wasserglases) macht der Verf. viel Aufhebens; es
werden dazu verschiedene unauflösliche Salze –
Kalk-, Baryt-, Strontian-, Bleisalze
empfohlen, die nach ihm alle einer Verkieselung (silicatisation) unterworfen oder in
Silicate und dadurch in steinharte Producte verwandelt werden.
Insbesondere rühmt er zu diesem Zwek die Kreide an. Der Verf.
scheint, weil die Kreide mit Kieselkali eine harte Masse gibt,
wirklich zu glauben, daß hiebei eine Zersezung durch doppelte
Verwandtschaft stattfinde. Zum Beweise, daß Kuhlmann in diesem Betreff gar nichts
Neues vorbringt, sollen einige Stellen aus Fuchs' Abhandlung über das Wasserglas dienen. Seite
473 (polytechn. Journal Bd. XVII) sagt Fuchs: „Viele im Wasser unauflösliche Salze
werden vom Wasserglas durch doppelte Verwandtschaft zersezt;
z.B. schwefelsaures, kohlensaures, phosphorsaures Blei,
phosphorsaure Thonerde, Gyps etc. Werden die genannten
Bleisalze mit Glasauflösung übergossen und gerieben, so
bildet sich eine sehr klebrige Masse, die in der Luft
steinhart wird.“
„Einige unauflösliche Salze, wie der kohlensaure und phosphorsaure
Kalk, welche das Wasserglas nicht zu
zersezen vermag, ziehen es so an, daß es, wenn es
damit eingetroknet wird, seine Auflöslichkeit im Wasser ganz
oder fast ganz verliert.“
„Mehrere Metalloxyde verbinden sich damit und machen
es unauflöslich. Vorzüglich wirksam zeigt sich in dieser
Hinsicht das gelbe Bleioxyd, von welchem eine sehr geringe
Menge schon hinreicht, es völlig unauflöslich zu
machen.“
Seite 478 sagt Fuchs, nachdem er von
der Anwendung des Wasserglases zum Anstreichen gesprochen:
„Das Wasserglas gibt ferner ein gutes Mittel ab,
getrennte Theile von Körpern zu vereinigen, kleinere Stüke
zu einem größern Ganzen zu verbinden, lokern Massen
Dichtigkeit und stärkern Zusammenhalt zu geben, Spalte und
Klüfte auszufüllen u.s.w. Man wird es daher zum Kitten und
zur Darstellung künstlicher
Steine benüzen können – besonders mit einem
schiklichen Zuschlag.“
Wenn demnach Kuhlmann in dieser
Hinsicht gar nichts Neues zur Welt gebracht hat, so ist es doch
löblich von ihm, daß er das von Fuchs
Angeregte in Ausführung zu bringen strebt. Wir sehen daher den
Resultaten seiner Versuche mit Interesse entgegen.
Hinsichtlich des hydraulischen Kalks spendet er wie alle
französischen Chemiker Hrn. Vicat
übermäßiges und ungebührliches Lob, und der duldsame Fuchs, welcher sich schon manchen
Raub gefallen lassen mußte, wird dabei ganz vergessen. Ist Vicat bei seinen häufigen Versuchen,
die allerdings zum Theil lobenswerth sind, nicht immer im Nebel
herumgefahren und dabei sehr oft irre gefahren, indem ihm von
keiner Seite ein heller Lichtstrahl entgegen kam? Wer hat zuerst
Licht über diesen dunkeln Gegenstand verbreitet und gezeigt, daß
beim Erhärten des hydraulischen Kalks eine Silicatbildung
stattfindet, und daß darauf das Erhärten beruht? Wer hat die
Bauleute in den Stand gesezt, sich unter den verschiedensten
Umständen, selbst wenn sie nichts als Kalkstein und Granit
hätten, hydraulischen Kalk zu bereiten, und mitunter auch
solchen, welcher, wie es in der erstgenannten Abhandlung heißt,
zu verschiedenen Gegenständen der Zierde und Kunst verwendet
werden kann? Wer anders als Fuchs hat
eine für ewige Zeiten gültige Theorie dieses Vorgangs
aufgestellt, so daß in der Hauptsache hinsichtlich dieses
Gegenstandes nichts Neues mehr producirt werden kann, daher man
nur bedauern muß, daß seine wissenschaftliche Arbeit von den
Praktikern, welche nun einmal durchaus nur nach bestimmten
Recepten arbeiten wollen, so wenig als Leitfaden benuzt
wird.
E. D.