Titel: | Bericht des Hrn. Francoeur über eine Erfindung des Hrn. Robert Houdin, um Störungen bei dem Schlagwerke der Uhren zu verhindern. |
Fundstelle: | Band 81, Jahrgang 1841, Nr. CVII., S. 419 |
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CVII.
Bericht des Hrn. Francoeur über eine Erfindung des Hrn. Robert
Houdin, um Störungen bei dem Schlagwerke der Uhren zu
verhindern.
Aus dem Bulletin de la
Société d'Encouragement. Jul. 1841, S.
285.
Mit Abbildungen auf Tab. VII.
Houdin's Mechanismus für
Schlaguhren.
Wir haben schon öfters darauf aufmerksam gemacht, daß es sehr
vortheilhaft wäre, die Schlagwerke mit Rechen anstatt der
Schlagwerke mit Schloßscheiben einzuführen. Einige Uhrenfabriken
haben die ersteren angenommen, weil ihre Wirkung sicherer ist;
aber die Gewohnheit behält die Oberhand, und wir sehen die
meisten Uhren mit Schloßscheiben versehen, obschon sie
verschiedene Nachtheile haben, bloß weil sie etwas wohlfeiler
geliefert werden können.
Das Schlagwerk mit der Schloßscheibe ist Irrungen unterworfen,
d.h. es schlägt bisweilen eine andere Stunde, als der Zeiger
anzeigt. Wenn man nämlich am Ende des fünfzehnten Tages die Uhr
aufzuziehen vergißt, so wird, da gewöhnlich die Feder des
Schlagwerkes kürzer und weniger sorgfältig gearbeitet ist als
die des Gehwerkes, dieses vor dem Räderwerke stillstehen und
nicht mehr mit ihm übereinstimmen; zieht man alsdann die Uhr
auf, so wird sie fortfahren nicht übereinstimmend mit dem
Gehwerke zu schlagen. Man gibt der Feder des Gehwerkes eine
größere Länge, als derjenigen des Schlagwerkes, damit sie eine
größere Zahl von Windungen im Federhause macht, und ihre Kraft
folglich während fünfzehn Tagen sich nahezu gleich bleibt, denn
wenn sie einmal fast ganz aufgerollt ist, so vermindert sich
ihre Kraft sehr, und die Uhr geht nach oder bleibt stehen. Die
Feder des Schlagwerkes erfordert weniger Regelmäßigkeit in ihrer
Kraft, und man macht sie daher aus Ersparniß kürzer.
Irrungen in der Uhr entstehen ferner, wenn das Räderwerk aus
irgend einem Grunde nicht mehr seine ganze Beweglichkeit hat;
der kleine Vorfall hebt sich dann, ohne daß der Feder so viel
Kraft bleibt, um das Räderwerk in den Lauf zu bringen; der
Vorfall fällt zurük, noch ehe der Windfang die nöthige Zahl von
Umdrehungen, welche er zwischen zwei Schlägen machen soll,
gemacht hat; und es wird öfter geschehen, daß das Schlagwerk in
der nächsten und in den folgenden Stunden um einen Schlag zu
wenig macht.
Wenn man endlich die Zeiger in der geraden Richtung herumdreht,
ohne daß man wartet, bis die Stunde ganz ausgeschlagen hat, oder
wenn man den Minutenzeiger rükwärts führt, über den Punkt von 60
Minuten, oder wenn der kleine Vorfall gehoben worden ist, um
auszuheben, so kömmt das Schlagwerk ebenfalls in Unordnung.
Es ist übrigens in allen diesen Fällen sehr leicht das Schlagwerk
wieder in Uebereinstimmung mit den Zeigern zu bringen; das
Publicum weiß aber gewöhnlich die Ursache dieser Fehler und die
Mittel nicht, sie wieder aufzuheben, und fürchtet überdieß an
dem Räderwerke etwas zu verderben.
Deßhalb ist es besser, sich des Rechens bei den Schlagwerken zu
bedienen, wobei man den Minutenzeiger mit dem Finger fortbewegen
kann, ohne das Schlagwerk abzuwarten; nie wird dann eine Störung
desselben erfolgen; aber man kann den Zeiger nicht über die
Ziffer von 60 Minuten zurükführen, außer wenn der kleine zum
Ausheben dienende Vorfall gehoben ist, einige Minuten, ehe die
Stunde schlägt.
Hrn. Robert
Houdin (rue de
Vendôme, No. 11 in Paris) ist es gelungen, an
der Schloßscheibe eine kleine, sehr einfache und sinnreiche
Veränderung anzubringen, womit alle Uhren fast ohne alle Kosten
versehen werden können, wenigstens wird diese Verbesserung, auf
welche Hr. Houdin ein Privilegium nahm, den Preis einer neu
zu fertigenden Uhr um nichts erhöhen. Sie besteht darin, daß das
Schlagwerk, wenn es verstellt wird, nicht schlägt, bis zu der
Stunde, wo es sich in Uebereinstimmung mit den Angaben der
Zeiger befindet. Dieß wird durch folgende Einrichtung
bewirkt.
Ein kleines Stük von Stahl nimmt auf der Schloßscheibe die Stelle
ein, wo der lezte Schlag von 12 Stunden seyn soll; an diesem
Stük ist eine schiefe Fläche, welche den Vorfall während des
zwölften Schlages ein wenig höher aufhebt, als er bei den eilf
ersten Schlägen gehoben wurde. Der Stift des Anlaufrades,
welcher in einem Einschnitt des Vorfalles durchgeht, während das
Schlagwerk in Thätigkeit ist, kann nicht mehr durch denselben
gehen, sondern trifft den massiven Theil des Vorfalles über dem
Einschnitt. Das Schlagwerk mag nun in Unordnung seyn oder
richtig schlagen, so wird es stillstehend erhalten durch diesen
Stift. Auf der Fläche des Stundenrades ist ein Stift angebracht,
welcher eine halbe Stunde nach Mittag oder Mitternacht in
Berührung mit einem anderen auf dem kleinen Vorfall sizenden
kommt und den großen Vorfall aufhebt, so daß der hemmende Stift
darunter weggeht, um auszuheben (pour
faire le délai). Wenn daher das Schlagwerk in
Unordnung ist, so bleibt es so, bis die Uhr
zwölf schlägt; das Schlagwerk steht dann still, bis die Zeiger,
indem sie fortgehen, auf halb ein Uhr ankommen; die Auslösung
des Hemmungsstiftes macht das Räderwerk des Schlagwerkes frei,
weil der Vorfall hoch genug gehoben ist, damit der Schnabel
dieses Stükes über den Hemmungsstift weggehen kann; das
Schlagwerk wird nun wieder in Uebereinstimmung mit den Zeigern
seyn.
Beschreibung dieses
Mechanismus.
Fig. 68 zeigt das Vorgelege einer Schlaguhr in
natürlicher Größe;
Fig. 69 die Schloßscheibe von Vorne gesehen;
Fig. 70 den kleinen Vorfall für sich allein;
Fig. 71 den Vorfall von der Seite gesehen.
Dieselben Buchstaben bezeichnen dieselben Stüke.
Die Einrichtung, welche das Schlagwerk wieder in Uebereinstimmung
mit dem Gehwerke bringt, besteht 1) in der Verlängerung des
Schnabels an dem Vorfalle A, Fig. 71, in welchem ein Einschnitt B angebracht ist, welcher da
anfängt, wo der gewöhnliche Vorfall endigt; 2) in der Anwendung
eines kleinen Stahlplättchens C, das
auf der Schloßscheibe befestigt ist, Fig.
69. An diesem Plättchen befindet sich eine schiefe
Ebene, welche den Vorfall während des zwölften Schlages ein
wenig hebt, indem sie unter die Schneide E gleitet, so daß der Stift H des Hemmungsrades L,
welcher während der eilf ersten Schläge frei durch den
Einschnitt B des Vorfalles ging, nun
gegen den vollen Theil dieses Vorfalles anstößt.
Das Stundenrad I, Fig.
68, ist unterhalb mit einem Stifte K versehen, welcher mit einem
anderen Stifte F, der an dem
Winkelhebel oder kleinen Vorfall G
befindlich ist, zusammentrifft, und dadurch den Vorfall A aufhebt und den Anlaufstift H darunter weggehen läßt, um
auszuheben. Wenn der Stift F aufhört
den Winkelhebel zu heben, so fällt er natürlich einige Minuten
vor der Stunde auf den Stift, der auf dem Zapfen des
Minutenzeigers sizt.
Wenn das Schlagwerk unrichtig steht, so wird die Schneide E des Vorfalles A aufgehoben durch die schiefe
Fläche des Plättchens C, das Ende
des Schnabels an dem Vorfalle auf den Weg des Stiftes H an dem Rade L führen und jede fernere Bewegung dieses Rades
verhindern, bis die Zeiger, welche ihren Gang fortgehen, eine
halbe Stunde nach Mittag oder nach Mitternacht zeigen, alsdann
wird der Stift K des Stundenrades
I mit dem Stifte F des Winkelhebels G zusammentreffen. Der Winkelhebel
hebt den Vorfall so weit in die Höhe, daß der Anlaufstift durch
den Einschnitt des Schnabels passiren kann, und nun geht
das Schlagwerk wieder in Uebereinstimmung mit den Zeigern.