Titel: | Ueber die Milch und einen Milch-Aräometer; von T. A. Quevenne, Oberapotheker am Charité-Hospital zu Paris. |
Fundstelle: | Band 84, Jahrgang 1842, Nr. X., S. 55 |
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X.
Ueber die Milch und einen
Milch-Araͤometer; von T. A. Quevenne, Oberapotheker am
Charité-Hospital zu Paris.Auszug aus einer Broschuͤre des Verfassers: Mémoire sur le lait. Paris
1841.
Quevenne, über die Milch und einen
Milch-Aräometer.
Die immer zunehmende Milchconsumtion macht die nährenden Eigenschaften derselben und
die Mittel, ihre Verfälschung zu erkennen, zu einem wichtigen Gegenstand der
Gesundheitspolizei, dessen befriedigende Erforschung von großem Interesse ist. Der
Verf. hat sich damit gründlich beschäftigt und theilt seine praktischen Resultate in
einem Werkchen mit, woraus wir die wichtigsten derselben ausziehen.
Die von den Kühen verschiedener Länder gegebenen Quantitäten Milch lassen sich in
einer Mittelzahl nicht wohl ausdrüken, da sie je nach der Jahreszeit, der Nahrung,
der Race u. s. f. unendlich verschieden sind. Für Paris läßt sich die Mittelzahl zu
ungefähr 11 Liter täglich für das ganze Jahr annehmen. Die Milch verschiedener
Länder gibt im Mittel von 14 Litern 500 Gramme Butter zum Hausgebrauch, was für den
Liter 35 Gramme beträgt. Von der Pariser Milch aber bedarf man nur 12 Liter zu
dieser Quantität Butter, was in runder Zahl 40 Gramme per Liter ausmacht. Mit diesen Resultaten stimmt die chemische Analyse
überein, nach welcher die Milch verschiedener Länder im Durchschnitt 29 Gramme reiner Butter gibt, während die Pariser Milch ebenfalls
im Mittel (von Chevallier's und Henry's, Lecanu's und des Verfassers Versuchen)
34 Gramme gibt. Dieser Mehrgehalt an Butter beträgt demnach ungefähr ⅛. In
ihrer Qualität als Nahrungsmittel hingegen betrachtet, ist die Pariser Milch
geringer als die vom Lande; es fehlt ihr an Aroma und an der Schmakhaftigkeit der
Milch im Freien weidender Kühe; doch ist sie noch immer ein gutes Nahrungsmittel und
der in den Straßen käuflichen, namentlich von Kühen, welche schon lange Zeit
gekälbert haben, weit vorzuziehen. In ihrer Dichtigkeit ist die Pariser Milch, so
wie die vom Lande, lange nicht so vielen Verschiedenheiten unterworfen als man
glauben könnte, indem unter den verschiedensten Umständen gesammelte Milchproben,
mit nur wenigen Ausnahmen, in den meisten Fällen bloß zwischen 1029 und 1033 mit dem
Rahm (der Sahne) und zwischen 1032,5 und 1036,5 im abgerahmten Zustande variirten.
Dieser Umstand, welchen der Verf. klar darzuthun sich bemühte, beweist, daß die
Abweichungen in der
Dichtigkeit kein Hinderniß in der Anwendung von Milchwaagen (Lactometern) sind, wie
man bisher häusig glaubte. In Uebereinstimmung mit frühern Beobachtungen bemerkte
der Verf., daß die Milch beim Anfange des Melkens viel ärmer an Rahm ist als gegen
das Ende, und zeigte, was man bei Versuchen wegen der daraus entspringenden
Verschiedenheiten zu beachten habe. Eine eigenthümliche Erscheinung in Bezug auf die
Nahrung ist die, daß das Malz der Milch die Eigenschaft ertheilt, schneller zu
gerinnen. Erbsen- und Bohnenhülsen theilen der Milch ihren faden,
krautartigen Geschmak mit. Hinsichtlich des Futters wurde gefunden, daß den
angenehmsten Geschmak die Milch jener Kühe besizt, welche im Winter außer mit Stroh,
Heu und Kleien, die sie immer in größerer oder geringerer Menge erhalten, auch mit
Runkelrüben, im Sommer aber mit Luzerne und Wike gefüttert werden.
Um die Milch auf ihre Güte zu prüfen, stellte der Verf. eine große Reihe von
Versuchen an, welche vorzüglich zum Zweke hatten, eine Vorrichtung zu dieser Prüfung
ausfindig zu machen, welche ein möglichst sicheres Resultat gibt und durch welche
Irrthümer so viel möglich vermieden werden. Die Hauptresultate dieser Versuche sind
folgende. Die von der Milch sich abscheidende Sahne ist in ihrem Volumen sehr
verschieden, nicht nur nach der Verschiedenheit der Milch, sondern auch bei einer
und derselben Milch unter verschiedenen Umständen. Eine Ruhe von 24 Stunden ist
hinreichend, damit die Abscheidung so zu sagen vollständig vor sich geht, wo sie
dann zu dichtigkeitsmessenden (densimetrischen) Versuchen in Gefäßen von der hiezu
gehörigen Form und bei einer Temperatur von 15° C. (12° R.) geeignet
ist. Ein kleiner Theil der Dichtigkeit nach der Abscheidung der Sahne muß der
freiwilligen Verdunstung zugeschrieben werden, wahrscheinlich auch dem Einflusse der
Luft; wenigstens sind diese beiden Wirkungen in den kleinen, zu den Versuchen
angewandten Gefäßen, sehr merklich. Die erste während der ersten Stunden Ruhe an die
Oberfläche der Milch steigende Sahne ist flüssig und voluminös, im Verhältniß aber
weit weniger reich an Butter, als sie durch längere Ruhe wird, woraus es sich
erklärt, warum nach einer sechs- bis siebenstündigen Ruhe das Abrahmen ihre
Güte nicht um so viel vermindert, als man nach dem Volumen der abgenommenen Sahne
hätte glauben sollen. Das Sieden verändert die Dichtigkeit der Milch nicht, wenn man
für die Ersezung des verdampften Wassers sorgt. Zu dem Aufsieigen der Sahne in
gesottener Milch sind zwei Tage nöthig; die Sahne ist dann consistenter,
butterreicher und nimmt ein sehr verschiedenes Volumen ein, welches aber meistens um
die Hälfte kleiner ist. Aus des Verf. zahlreichen Versuchen über das Aufsteigen
der Sahne und die daraus folgende Vermehrung der Dichtigkeit geht mit Bestimmtheit
hervor, daß man, um mit den seinigen übereinstimmende Resultate zu erhalten, sowohl
was die Gestalt und Größe der Gefäße betrifft, als hinsichtlich des Verfahrens sich
ganz an seine Angaben halten muß.
Zwei Umstände nämlich, sagt der Verf., machen den Gebrauch der Milchwaagen, wie er
bisher war, trügerisch, nämlich das Wechseln der Temperatur der Milch, weßhalb also
der Thermometer zu Hülfe genommen werden muß; zweitens die Gegenwart der Sahne,
durch deren leichteres spec. Gewicht das Wägen der Milch umständlicher wird. Durch
das Abnehmen der Sahne aber wird diese zweite Ursache von Irrthümern entfernt und
man erfährt zugleich den Sahnegehalt der Milch. Die Beurtheilung der Reinheit der
Milch nach dem Volumen der Sahne in einer graduirten Röhre ist zwar ein sehr
einfaches und bequemes Verfahren, welches schon seit langer Zeit von der Schweiz und
von England aus sich verbreitete; die Wandelbarkeit des Volumens der Sahne aber in
einer und derselben Milch unter verschiedenen Umständen macht den Gebrauch dieses
Instrumentes sehr unsicher, wie z. B. dem Verf. eine Milch in ihrem reinen Zustande
11½ Volume Sahne zeigte, während dieselbe Milch auf Zusaz von 1/10 Wasser
15½ Volume zeigte. Der Wasserzusaz nämlich erleichtert das Aufsteigen der
Fettkügelchen, so daß die Sahneschicht voluminöser wird und zwar in nicht immer
gleichem Verhältniß, daher also die Menge des zugesezten Wassers nicht erkannt
werden kann. Das Volumen der Sahne kann folglich allein nicht zur Beurtheilung der
Güte der Milch dienen; wohl aber kann es ein secundäres Moment hiezu bilden, welches
in Verbindung mit der Milchwaage schäzbare Dienste leistet. Zur Abscheidung der
Sahne von der Milch wurden oben 24 Stunden als hinlänglich angegeben, was aber nur
auf den Zwek des Versuchs bezogen werden darf; in ökonomischer Hinsicht verhält es
sich anders, indem man an die erste Sahneschicht am zweiten, dritten und vierten Tag
noch kleine Schichten sich ansezen sieht, welche sich zulezt mit der ersten
vereinigen, ohne ihr Volumen zu vergrößern, indem sie sich zusammensezen. Wenn
jedoch mittlerweile die Milch gerinnt, so werden diese hinzutretenden Schichten
begreiflicherweise in ihrem Gange aufgehalten und bleiben abgesondert. Es wäre
demnach gefehlt, wenn man bei den Versuchen, statt einen besondern Theil in einem
eigenen Gefäße mit niedern Wänden stehen zu lassen, die Milch des Probegläschens
selbst abrahmen würde, um ihre Dichtigkeit zu messen, was freilich die Operation
vereinfachen würde und welches Verfahren der Verf. angenommen hätte, wenn es nicht
die erwähnten Uebelstände mit sich führte. Man muß aber auch nicht glauben, daß man im Haushalte mit
dem Abrahmen der Milch zu lange warten darf; es muß hiezu gerade der rechte
Augenblik gewählt werden, durch dessen Versäumen man an Qualität mehr verlieren, als
an Quantität gewinnen würde; die hier einzuhaltende rechte Mitte wechselt nach dem
Gehalte der Milch an Sahne, nach der Temperatur, nach der mehr oder weniger
erweiterten Gestalt der Schüsseln; im Allgemeinen sind drei Tage als die rechte Zeit
anzunehmen. Wie gesagt, hat die Form der Gefäße, die Höhe der Milchsäule einen
großen Einfluß auf die Abscheidung der Sahne; in der That bringt man auch in Holland
und der Schweiz die Milch in sehr weite und niedere Gefäße. Diese sollen auch eine
gegen den Boden zu etwas kegelförmige Gestalt haben, um eine Reibung der
Sahnekügelchen während ihres Aufsteigens zu verhüten; der Verf. hat sich durch
eigene Versuche von der besseren Abscheidung der Sahne durch solche Gefäße
überzeugt. Hinsichtlich der Probegläschen wird bemerkt, daß sich die Sahne in
denselben um so leichter zusammenbegibt und einen um so kleineren Raum einnimmt, je
größer der Durchmesser der Cylinderchen ist. Als die zwekmäßigsten werden
cylindrische Probegläschen empfohlen, von 38 Millimeter (1 Zoll 4½ Lin.
franz. Maaß) innerm Durchmesser und 140 Millimeter (5 Zoll 2 Lin.) Höhe; es ist dieß
die in der Schweiz und in England schon längst hiezu eingeführte graduirte Röhre.
Die Schüsseln sind von Fayence oder Porzellan, nach Unten zu etwas konisch; die
Milchhöhe beträgt darin nicht mehr als 70 Millimeter (2 Zoll 7 Lin.) und sie fassen
so viel, daß ihr Inhalt ein Probeglas anfüllt.
Verfahren. Man bestimmt die Dichtigkeit der noch nicht
abgerahmten Milch unter unten anzugebender Beachtung der Temperatur, füllt die
beiden Gefäße damit an, läßt sie 24 Stunden lang bei 12 bis 15° C. stehen,
zeichnet dann den von dem graduirten Probeglas angegebenen Grad der Sahne auf, nimmt
die in der Schüssel an die Milch obenauf gestiegene Sahne ab, und wägt die so
abgerahmte Milch unter beständiger Berüksichtigung der Temperatur. Die zum Abmessen
der Sahne dienenden graduirten Röhren werden im Handel sehr oft mit dem Namen
Lactometer (Milchmesser) bezeichnet. Da aber dieser Name ursprünglich eigentlich den
Milcharäometern gegeben wurde, so entsteht hiedurch eine im Verkehr oft störende
Verwirrung, was den Verf. bestimmte, sie Cremometer
(Sahnemesser) zu benennen, welche Benennung ihrer wirklichen Bestimmung
entsprechender ist, da sie den Werth der Milch nur mittelbar kennen lehren. —
Die Versuche mit dem Probeglase etc. können übrigens zur Ermittelung der Güte der
Milch nur einen Beitrag
liefern und die Angaben desselben sind nicht sicher und nur approximativ. In
Verbindung mit dem Lactometer aber angewandt, wie dieß übrigens schon von den HHrn.
O. Henry und A. Chevallier
vorgeschlagen wurde und in der Schweiz in streitigen Fällen geschieht, gelangt man
zu ziemlich sicheren Resultaten. Den Gebrauch dieser Instrumente hat der Verf. von
den ihn begleitenden Fehlern bestens zu befreien gesucht, und demselben noch eine
weitere, unten mitzutheilende Anweisung beigefügt, wodurch im Ganzen drei Angaben
sich gegenseitig controliren.
Den Milchdichtigkeitsmesser, lacto-densimètre (ein
Aräometer, welches statt der Grade die specifischen Gewichte angibt) schlägt der
Verf. zur Untersuchung der abgerahmten Milch statt des Baumé'schen Aräometers vor,
da lezterer in Folge seiner nur willkürlich angenommenen Basis auch nur willkürliche
Angaben gewährt, während jener die Dichtigkeit oder das spec. Gew., d. h. das
wirkliche Gewicht eines Liters der zu untersuchenden Flüssigkeit angibt. Um die
Bezifferung und das Ablesen derselben zu erleichtern, mußte er, nachdem Gestalt und
Größe bestimmt waren, zwei Ziffern links weglassen. Man muß daher, wo das Instrument
z. B. 20 angibt, 1020, wo es 30 oder 35 angibt, 1030 oder 1035 lesen, also immer
links 10 vorsezen. Noch leichter kann man sich die Sache veranschaulichen, wenn man
sich denkt, daß die Bezifferung des Lactometers anzeigt, wie viel 1 Liter Milch mehr
wiegt als 1 Liter destillirten Wassers; wenn man also eine Milch hat, welche bei
15° C. 30 anzeigt, so bedeutet dieß, daß 1 Liter dieser Milch auf der Waage
bei dieser Temperatur abgewogen, um 30 Gramme mehr wiegt als dieselbe Quantität
destillirten Wassers, nämlich 1030 Gramme. Der diesem Instrumente gegebene Name
entspricht ganz seiner Bestimmung.Einen weiteren praktischen Nuzen gewaͤhrt dieses Instrument, daß man
sich naͤmlich beim Kaufe desselben leicht von seiner Genauigkeit
uͤberzeugen kann, indem man nur 1 Liter irgend einer
Fluͤssigkeit genau abzuwaͤgen und zu sehen hat, ob das von der
Waage angegebene Gewicht mit dem von dem Instrument angegebenen Grade
uͤbereinstimmt.
Wie wir oben schon gesehen haben, nimmt der Verf. 1029, oder nach der so eben
angegebenen Bezifferungsweise — 29, als den niedersten Grad der nicht
abgerahmten Milch, und 1033 oder 33 als den höchsten Grad derselben an. Bei der nach
24 Stunden abgerahmten Milch nahm er 1032,5 und 1036,5 als die Gränzen an. Es sind
dieß die Resultate von 104, ohne besondere Auswahl bestimmten Milchproben, von denen
er nur drei über diese Gränzen hinaus gehende Ausnahmsfälle ausschloß. Wenn es aber
nöthig ist, für die reine Milch nicht, wie es Cadet-de-Vaux gethan, eine fixe Linie, sondern einen weiteren Spielraum
anzugeben, so muß dasselbe offenbar auch bei den Bruchtheilen, in welchen derselben
Wasser zugesezt wurde, geschehen. Der Verf. sezte daher reiner, nicht abgerahmter
Milch Wasser in Quantitäten zu, welche 1/10, 2/10, 3/10, 4/10 und 5/10 des Volumens
der angewandten Milch repräsentirten, verfuhr mit diesen verdünnten Milchproben wie
mit der reinen Milch und hielt sich immer ein Muster der nicht mit Wasser versezten
Milch zum Vergleich bei jeder Versuchsreihe zur Seite. Dieses Verfahren wurde mit
fünf Milchmustern befolgt, welche man wählte, um die mittleren und die extremen
Qualitäten so genau wie möglich zu repräsentiren; die erhaltenen Resultate dienten
wieder zur Basis für die Unterabtheilungen. Nachfolgende Tabelle enthält die
erhaltenen Dichtigkeiten und das Volum der Sahne und zeigt, wie der Verf. an der
Scala des Instruments die den zugesezten Wassermengen entsprechenden Grade
bestimmte. Man sieht, daß im Mittel jedes 1/10 zugesezten Wassers die Dichtigkeit
der nicht abgerahmten Milch um ungefähr 3 Grade, die der abgerahmten um 3 4/10 Grade
verminderte, welches leztere Verhältniß er aber bei später täglich angestellten
Versuchen mit 3¼ Grad praktisch richtiger ausgedrükt fand. Nach Anzeichnung
dieser Abtheilungen hätte die ganze densimetrische Scala weggelassen und nur die
beiden neuen Reihen von Abtheilungen beibehalten werden können, woraus man die Menge
des zugesezten Wassers dem Volumen nach in Zehntheilen ersieht; doch zog der Verf.
vor, auch die erstere beizubehalten, welche an die rationelle und allgemeine Basis
des Instruments erinnert, damit es auch zu wissenschaftlichen Beobachtungen dienen
kann, indem es die Dichtigkeit der Flüssigkeiten unmittelbar kennen lehrt. Diese
densimetrische Scala kann auch zur täglichen Prüfung der Milch von großem Vortheil
seyn, um nämlich zu sehen, welche von zwei Sorten reiner Milch die reichhaltigere
ist. Wenn z. B. zwei gegebene Milchsorten sich innerhalb der Klammer für reine,
nicht abgerahmte Milch ansezen, jede aber an einem anderen Ende derselben, wo
nämlich die eine 29 und die andere 33 zeigt, so ist daraus zu schließen, daß leztere
unter sonst gleichen Umständen die bessere ist, und diese größere Güte kann sehr
leicht ausgedrükt und bezeichnet werden, was in öffentlichen Anstalten sehr nüzlich
und bequem ist, wo man oft die Qualität der erhaltenen Milch nicht nur für sich
allein zu beurtheilen, sondern auch aufzuzeichnen hat.
Tabelle der Dichtigkeiten der nach Zehntheilen verdünnten Milch
und der Volume der abgeschiedenen Sahnen.
Textabbildung Bd. 084, S. 61
Datum des Versuchs; Alter der
Milch; Im Tag erhaltene Mange; Menge der Sahne, rein; abgerahmt; mit Sahne; 12.
Maͤrz; 5 Jahr; 6 Liter; Tage; Mittlere Zahl; Wirklicher Unterschied
zwischen jedem Grad der Verduͤnnung; Mittlere Differenz; Gesottene
Milch.; 6. April; nach 24 St. Ruhe; nach 48 St. Ruhe
Das Wasser, welches man der Milch zusezt, macht sie flüssiger und führt ihre
gelblichweiße Färbung in eine bläulichweiße über; namentlich ist dieß bei der
abgerahmten der Fall; das Wasser verringert aber nicht nur die Qualität der Milch,
indem es die ihr den Geschmak ertheilenden Stoffe verdünnt, sondern es beschleunigt
auch ihr Verderben. So bemerkte der Verf. bei obigen Versuchen, daß die mit der
Hälfte Wasser verdünnte Milch zuerst gerann, dann nacheinander die anderen
Mischungen bis zur reinen Milch. Die Meinung, daß der Wasserzusaz das Gerinnen der
Milch erschwere, ist demnach ungegründet. Wahr ist es jedoch, daß, wenn man
vergleichsweise reine, des Gerinnens fähige Milch und dieselbe Milch mit Wasser
verdünnt, sieden läßt, die erstere ein compacteres und auffallenderes Coagulum
bildet, während bei der lezteren dasselbe dünn und weniger reichlich erscheint,
woran aber die große Menge Serum, welche es zertheilt, Schuld ist. — In
demselben Verhältniß wirkt der Zusaz von Wasser auf den Geschmak der sich erhebenden
Sahne ein. — Da es durchaus unmöglich ist die Milch immer bei gleicher
Temperatur zu untersuchen, so rechnete der Verf. Tabellen aus, welche die bei
anderer Temperatur erhaltenen Resultate auf die bei 15° C. erhaltenen
reduciren, welche Tabellen er seinem Instrumente beilegt. — Frisch gemolkene
Milch soll nicht gewogen, sondern 6 bis 7 Stunden damit gewartet werden, in welcher
Zeit sich die darin enthaltenen Luftblasen an die Oberfläche begeben und vergehen.
Wäre es jedoch nöthig, dieß sogleich zu thun, so müßte man der Milch wegen der in
ihren Zwischenräumen enthaltenen Luft einen Grad mehr zu dem gefundenen
zurechnen.
Der Lactodensimeter gibt außer der Dichtigkeit der Milch auch ihren Gehalt an
Käsestoff und Milchzuker an, und zwar braucht man, um diesen zu erfahren, die Zahl
ihres Grades nur mit 2,75 zu multipliciren. Auch fand der Verf., daß wenn man den am
Cremometer erhaltenen Grad der Sahne mit 4 multiplicirt, man gewöhnlich die Menge
roher Butter, welche diese Milch durch das Rühren gibt, in Grammen ausgedrükt
erhält, welche Angabe jedoch nicht sehr verlässig seyn soll. — Des Verfassers
Probirverfahren möchte auf den ersten Anblik nur als ein approximatives erscheinen;
doch haben die von ihm zur Controle angestellten Analysen dargethan, daß es den
wirklichen Gehalt der Milch mit ziemlich großer Genauigkeit angibt, und die
Resultate desselben in der Praxis können für so richtig angenommen werden, als die
des Centesimalaräometers für den Weingeist.
Ueber den Milchhandel in Paris und die Verfälschungen, welchen die Milch unterworfen
ist, führen den Verf. seine Untersuchungen zu folgenden Resultaten. Nur wenig Milch wird rein zum
Verkauf gebracht; diese reine Milch, sowohl von Milchleuten in der Stadt als vom
Lande hereingebracht, ist von guter Qualität. Beinahe alle Milch aber, welche man in
Paris consumirt, wird abgerahmt und mit Wasser verdünnt, ehe sie bis zum Consumenten
gelangt. Was man unter dem Namen Sahne oder Kaffeesahne in Paris verkauft, ist nur reine oder mit
etwas ächter Sahne versezte Milch. Aechte Sahne wird nur wenig unter dem Namen Doppelsahne verkauft. Was gewöhnlich von den häufigen
Verfälschungen der Milch gesagt wird, ist falsch, oder wenigstens übertrieben, und
scheint. sich beinahe in allen Fällen auf Entziehung der Sahne und Wasserzusaz zu
reduciren. Auch würde es nicht so leicht seyn, die Dichtigkeit der Milch durch sie
verfälschende Mittel zu vergrößern und dadurch den Milchdichtigkeitsmesser trüglich
zu machen, da die zugesezte Substanz mehrere Bedingungen zugleich zu erfüllen hätte,
welche schwer zu vereinigen wären; sie müßte nämlich wenig kosten, dürfte der Milch
keinen fremdartigen Geruch oder Geschmak ertheilen, sie beim Sieden nicht gerinnen
machen u. s. f. — Der Zusaz von Wasser verringert die Güte der Milch mehr
noch als die Entziehung der Sahne, indem durch denselben nicht nur ihre
geschmakertheilenden Stoffe verdünnt werden, sondern sie auch verdorben wird; durch
theilweises Abrahmen der Milch, um die Sahne besonders zu verkaufen, kann also ein
Nahrungsmittel zweiter Qualität erhalten werden, welches noch sehr gut und wohlfeil
ist. — Wenn die Milch in Folge zufälliger oder epidemischer Viehkrankheiten
schlecht geworden ist, in welchem Falle sie oft Eiter oder Blut enthält, so kann man
diese Substanzen sogleich durch das Mikroskop entdeken. Zu gewissen Zeiten des
Jahres, bei heißem Wetter und Gewitterluft sezen einige Milchverkäufer, besonders
solche, welche die Milch weit zu führen haben, ihr ungefähr 1/400 Natronbicarbonat
oder 2½ Gramme auf den Liter zu, indem dieses Salz die in der Milch
enthaltenen sauren Substanzen, welche sie gerinnen machen würden, auf einige Zeit
sättigt. Dieser Zusaz ist aber nicht als Verfälschung zu betrachten, und hat auf die
Gesundheit keine nachtheilige Wirkung. Was die übrigen Zusäze betrifft, wie der
Eier, des arabischen oder Traganthgummi's, des Zukers, des Kartoffelstärkmehls, des
Kleien-, Gersten- oder Reisabsudes u. s. w., so finden sie nicht
statt, weil sie, wie oben schon gesagt, zu theuer kommen, und ihre Gegenwart durch
den Geschmak und durch die Milchwaage leicht zu erkennen ist.