Titel: | Ueber die Benuzung der Polarisation des Lichtes zur Prüfung zukerhaltiger Flüssigkeiten; von Hrn. C. Wagenmann. |
Fundstelle: | Band 84, Jahrgang 1842, Nr. LII., S. 272 |
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LII.
Ueber die Benuzung der Polarisation des Lichtes
zur Pruͤfung zukerhaltiger Fluͤssigkeiten; von Hrn. C. Wagenmann.
Auszug aus den Verhandlungen des Vereins fuͤr Befoͤrderung
des Gewerbfleißes in Preußen, 1841, 5te Liefer., im polyt. Centralblatt
1842, Nr. 21.
Mit Abbildungen auf Tab.
V.
Wagenmann, über die Benuzung der Polarisation des Lichts
etc.
Wir glauben zwar nicht, daß das eigenthümliche optische Verhalten der Auflösungen
gewisser organischer Körper, welches nach Biot's Vorgange
von vielen französischen Chemikern als eine sehr wichtige Reaction für die
Erkenntniß gewisser Umwandlungen näher studirt worden ist, für die technische Praxis
von sehr großer Wichtigkeit sey — glauben
wenigstens nicht, daß die Anwendung dieses Prüfungsmittels unter den Technikern sehr
allgemein werden könne — die Sache ist jedoch interessant genug, als daß es
nicht unsere Pflicht wäre, unsere Leser wenigstens mit derselben bekannt zu machen.
Dazu bietet die Methode von Wagenmann, zu welcher
Professor Schubarth eine theoretische Einleitung gegeben
hat, die beste Gelegenheit.
Unter Lichtpolarisation versteht man gewisse Modificationen, welche das Licht unter
gewissen Umständen durch Zurükwerfung, Brechung oder Beugung annehmen kann, wodurch
es dann hinsichtlich der Brechbarkeit, Zurükwerfbarkeit und Interferirbarkeit ein
von dem nichtpolarisirten Lichte abweichendes Verhalten zeigt.
Fällt z. B. ein Lichtstrahl auf einen schwarzen Glasspiegel unter einem
Neigungswinkel von 35½°, so wird der nach den bekannten Gesezen unter
demselben Winkel reflectirte Strahl von einem zweiten schwarzen Glasspiegel, auf welchen er unter
demselben Winkel auffällt, nur unter gewissen Bedingungen reflectirt, sonst nicht
zurükgeworfen, sondern verschlukt. Das Zurükwerfen vom zweiten Spiegel findet nur
statt, wenn die Reflectionsebenen beider Spiegel zusammenfallen, aber nicht statt,
wenn beide einen rechten Winkel miteinander bilden. Ist statt einer zweiten
Spiegelplatte eine unbelegte Glasplatte angewendet worden, so wird in den Fällen, wo
der Lichtstrahl von der zweiten undurchsichtigen Platte absorbirt wird, der
Lichtstrahl durch die unbelegte Platte hindurchgehen.
Statt durch Zurükwerfung kann das Licht auch durch Brechung polarisirt werden,
namentlich wenn ein Lichtstrahl durch Körper hindurchgeht, welche die Eigenschaft
besizen, denselben doppelt zu brechen. Solch ein Körper ist der (Doppelspath)
Kalkspath, der Turmalin. Fällt ein Lichtstrahl auf einen Kalkspathkrystall so ein,
daß er in zwei Strahlen während des Durchganges durch denselben gespalten wird, so
besizt jedes der beiden Strahlenbündel entgegengesezte optische Eigenschaften. Ein
von einem Polarisationsspiegel zurükgeworfener polarisirter Lichtstrahl wird, wenn
er in einer gewissen Richtung auf einen Kalkspathkrystall fällt, von diesem nicht in
zwei Strahlen zerlegt, wohl aber wenn er in anderen, namentlich der entgegengesezten
Richtung gegen den Hauptschnitt des Krystalls eintritt.
Läßt man einen Lichtstrahl von einem Polarisationsspiegel unter solch einem
Verhältniß auf einen zweiten fallen, daß er von dem zweiten nicht reflectirt wird,
bringt aber zwischen beide Spiegel einen Körper, welcher die Eigenschaft der
doppelten Brechung besizt, so wird, bei einer gewissen Lage des lezteren gegen die
Polarisationsebenen der Spiegel, der zweite Spiegel Licht reflectiren. Hieraus wird
abgeleitet werden müssen, daß der zwischen beide Spiegel gebrachte Körper die
Eigenschaft besizt, den vom ersten Spiegel polarisirten Strahl beim Durchgang auf
eine entgegengesezte Weise polarisirt zu haben, so daß er nunmehr vom zweiten
Spiegel zurükgeworfen werden muß.
Nimmt man zwei Turmalinplättchen, welche von einem Krystall parallel seiner Achse
abgeschnitten worden sind, aber so übereinander gelegt werden, daß sich ihre Achsen
kreuzen, so werden sie, wenn man durch sie hindurchsieht, fast undurchsichtig
erscheinen, weil das Licht, welches durch das erste hindurchdringt, polarisirt ist,
und von dem zweiten, welches so gelagert, daß dessen Polarisationsebene mit der des
ersteren einen rechten Winkel bildet, nicht durchgelassen, sondern verschlukt wird.
Bringt man aber zwischen beide Plättchen in dieser Lage einen dünnen Körper, welcher
doppelte Brechung besizt und im Stande ist, dem vom ersten Turmalinplättchen
polarisirten Lichte die
entgegengesezte Polarisation zu ertheilen, so wird der Lichtstrahl nunmehr das
zweite Turmalinplättchen durchdringen können. Solche Körper sind Gyps (Marienglas),
Bergkrystall, Kalkspath u. a. m.
Statt der Turmalinplättchen, welche bei gewissen Beobachtungen durch ihre dunkle
Farbe störend einwirken, kann man sich auch der Nicol'schen, aus Kalkspathkrystallen geschnittenen Prismen bedienen. Diese
Prismen sind auf nachstehende Art gefertigt. Man schleift die spizen Kantenwinkel
eines kleinen Kalkspathrhomboëders zu 68° an, polirt die neuen Flächen,
theilt dann das Rhomboëder in zwei Theile (vergl. Taf.
V
Fig. 35)
durch einen Schnitt, welcher durch die spizen Kantenwinkel und die stumpfen
Körperwinkel geht, und vereinigt die Schnittflächen durch canadischen Balsam. Fällt
nun ein Strahl in der Achse auf ein solches Prisma, so erleidet er in demselben die
doppelte Brechung, einer der beiden Strahlen aber beim Uebergang aus dem Krystall in
die Balsamschicht eine totale Reflexion, woher es denn kommt, daß nur einer von
beiden durchgeht. Bedient man sich also nun zwei Nicol'scher Prismen, welche so gegeneinander gestellt sind, daß, während die
Achsen beider in einer horizontalen Ebene liegen, das eine in Beziehung gegen das
andere eine Achsdrehung um 90° erlitten hat, so werden sie in demselben
Verhältnisse zu einander stehen, als die vorerwähnten Turmalinplättchen.
Läßt man von einer Spiegelplatte, oder einem Nicol'schen
Prisma kommendes polarisirtes Licht durch ein sehr dünnes Gypsplättchen gehen, und
betrachtet das leztere durch ein zweites Nicol'sches
Prisma, so erblikt man das Plättchen schön gefärbt. Die Farbe steht zur Stärke der
Plättchen in genauem Verhältniß; die dünnsten geben violett, die stärkeren roth;
eine gewisse Stärke darf aber nicht überschritten werden, sonst wird keine Färbung
bemerkt. Beim Umdrehen des zweiten Prisma's (Ocularprisma) um 90° ändert sich
die Farbe in die Gegensazfarbe, violett wird gelb, blau wird orange, grün wird
roth.
Wenn man durch zwei Nicol'sche Prismen, von denen das
eine, in Beziehung auf die Lage des anderen, um 90° verwendet ist,
hindurchsieht, so bemerkt man, daß nur sehr wenig Licht hindurchdringt, daß eine
bedeutende Verdunkelung eingetreten ist. Bringt man zwischen beide eine
Kalkspathplatte, welche senkrecht gegen die Krystallachse geschnitten ist, so wird
dadurch nichts geändert. Nimmt man aber statt der Kalkspathplatte eine senkrecht
gegen die Achse geschnittene Quarzplatte (Bergkrystall), oder eine an beiden Enden
mit Plangläsern verschlossene Röhre, welche Terpenthinöhl, Citronenöhl, eine
Zukerauflösung enthält, und läßt homogenes Licht, z. B. rothes Licht, durch das erste Prisma
hindurch auf die genannten Zwischenkörper fallen, so wird man finden, daß, obschon
das zweite Prisma in derjenigen Lage sich befindet, in welcher es keine
Lichtstrahlen hindurchläßt, dieß dennoch geschieht, und daß man das zweite Prisma
(Ocularprisma) aus der senkrechten Stellung (in Bezug auf das erste oder
polarisirende Prisma) um einen größeren oder kleineren Bogen, entweder nach der
Rechten oder nach der Linken, drehen muß, wenn es kein Licht durchlassen soll.
Hieraus folgt, daß die Polarisationsebene des von dem ersten Prisma polarisirten
Lichts beim Durchgange durch die Quarzplatte, das Terpenthin- oder
Citronenöhl, die Zukerlösung um eben so viel, entweder nach der Rechten oder nach
der Linken gedreht worden ist. Diese Drehung verhält sich nun direct wie die Dike
der Körper, die sie hervorbringen; sie ist am kleinsten bei rothem, am größten bei
violettem Licht, überhaupt verschieden nach der Farbe des Lichts. Deßhalb sieht man
auch, wenn weißes Licht angewendet wird, bei keiner Stellung der Nicol'schen Prismen völlige Dunkelheit eintreten, sondern
immer eine lebhafte Farbe, deren Beschaffenheit und Stärke von der Menge abhängt,
welche das Prisma bei seiner jedesmaligen Stellung von jeder homogenen Farbe
durchläßt. — Die Richtung und Größe der Drehung ist nicht allein von der
Dike, sondern auch von der Natur der angewendeten Körper abhängig. Im Allgemeinen
ist die Drehung bei Flüssigkeiten, verglichen mit der beim Quarz, nur schwach,
weßhalb es nöthig ist, wenn man intensive Farben haben will, dieselben in einer
Schicht von 6 und mehreren Zollen Dike anzuwenden.
Man verdankt Biot die Entdekung, daß Rohrzuker die
Polarisationsebene rechts dreht, deßgleichen auch das Dextrin, während der
Traubenzuker die Eigenschaft besizt, so lange er noch nicht
fest geworden ist, die Lichtstrahlen nach Links zu drehen; ist er aber
einmal fest geworden, möge er auch wieder aufgelöst werden, so dreht er die Ebene
nach Rechts. Einen so merkwürdigen Gegensaz in seinem Verhalten zeigt aber der
Rohrzuker nicht, er behält die Rechtsdrehung unter allen Umständen bei. Der
Runkelrübensaft, so wie eine Lösung von Runkelrübenzuker, der Saft der Pastinaken,
Mohrrüben, Althäsaft zeigen Rechtsdrehung, enthalten also denselben Zuker, wie der
Saft des Zukerrohrs. Die Rotation gegen die Linke deutet also bei einem Pflanzensafte auf die Möglichkeit eines Gehalts an Traubenzuker,
während die Rotation gegen die Rechte die Möglichkeit eines Gehalts an Rohrzuker
andeutet; die Möglichkeit, nicht die Gewißheit, weil die Drehung nach beiden Seiten
auch von anderen, von jenen beiden Zukerarten verschiedenen Substanzen
hervorgebracht werden konnte, und wird. So bedingt z. B. das Dextrin eine Rechts-,
das Gummi aber eine Linksdrehung. Eine Drehung nach Rechts, wenn man die Auflösung
eines Rohzukers, sey er aus Rohrzuker oder aus Rüben dargestellt, vermittelst des
Instruments prüft, beweist noch nicht das alleinige Daseyn von Rohrzuker, indem auch
der Traubenzuker, wenn er einmal fest geworden ist, eine Drehung nach Rechts
bewirkt.
Biot gibt eine Tabelle über den Effect der Drehung
verschiedener Zukerlösungen nach ihrem Gehalt an Zuker. Die Berechnungen sind für
rothe Strahlen gemacht, welche das durch Kupferoxydul gefärbte rothe Glas
hindurchläßt.
Drehung der Polarisationsebene eines rothen Strahls durch eine 160 Millimeter dike
Schicht verschiedener Lösungen von Zuker in destillirtem Wasser.
Zukergehalt der Loͤsung.Gewichtsprocent.
Dichtigkeit der Loͤsung.Wasser = 1.
Drehung der
Polarisationsebene.
1
1,004
0,888°
2
1,008
1,783
3
1,012
2,684
4
1,016
3,593
5
1,020
4,509
6
1,024
5,432
7
1,028
6,363
8
1,032
7,300
9
1,036
8,244
10
1,040
9,196
11
1,045
10,153
12
1,049
11,128
13
1,053
12,104
14
1,057
13,087
15
1,062
14,079
25
1,105
24,413
50
1,231
54,450
65
1,311
75,394
Die Prüfung des Rohzukers auf seinen Gehalt an gewinnbarem krystallisirbarem Zuker
ist unstreitig ein Gegenstand von großer Wichtigkeit für den Raffineur, da die
Erfahrungen über das wirkliche Ausbringen an raffinirtem Zuker überall, wo mehrere
Zukersorten gleichzeitig verarbeitet werden, nothwendig mangelhaft sind, mithin
keine sichere Basis zur Bestimmung des Werthes der Rohzuker abgeben.
Die Behandlung des Rohzukers mit absolutem Alkohol gibt allerdings mit ziemlicher
Genauigkeit den wirklichen Gehalt an krystallisirbarem Zuker an; dennoch wird dieselbe
wenig angewendet, denn einmal ist sie zeitraubend und kostspielig, zweitens aber
sind die Resultate, die man erhält, weit entfernt von dem wirklichen Zukerausbringen
in den Raffinerien, und stimmen keineswegs mit den relativen Werthen der Rohzuker
überein. Die Zukerausbeute beim Raffiniren wird stets geringer seyn, als die durch
Prüfung gefundene Menge an krystallisirbarem Zuker. Offenbar geht ein kleiner Theil
des Zukers bei den Operationen des Raffinirens verloren, ein anderer Theil des
krystallisirbaren Zukers wird durch die Einwirkung der Hize und verschiedener in dem
Rohzuker theils sich vorfindender, theils zum Zwek der Raffination zugesezter
fremder Stoffe, durch Zersezung der Syrupe auf den warmen Böden etc. umgeändert, und
es wäre von Wichtigkeit, diese Verluste genau ermitteln zu können.
Den bedeutendsten Einfluß auf das Ausbringen an raffinirtem Zuker hat aber
wahrscheinlich die Auflöslichkeit des krystallisirbaren Zukers in der Melasse, und
der dadurch bedingte Verlust wird um so größer, je geringer die verarbeiteten
Zukersorten sind, je mehr Melasse also gewonnen wird. Die Melasse enthält nämlich im
Durchschnitt an 20 Proc. Wasser und dieses löst neben dem unkrystallisirbaren
Antheil auch einen Theil krystallisirbaren Zuker auf, der damit eine Verbindung
eingeht und durch Krystallisation nicht mehr zu trennen ist. Eine genaue Analyse der
Melasse würde am sichersten über den Verlust entscheiden; bis jezt ist es aber nicht
gelungen, den Gehalt der Melasse an krystallisirbarem Zuker mit Sicherheit zu
ermitteln, auch ist dieser Gehalt wahrscheinlich nicht immer gleich.
Wäre der Gehalt der Melasse an krystallisirbarem Zuker bei einem bestimmten
Raffinationsverfahren constant und bekannt, so würde unter Berüksichtigung desselben
durch die Analyse des Rohzukers der relative Werth desselben mit einiger Sicherheit
bestimmt werden können, und es wäre nur noch der Zukerverlust bei dem
Raffinationsverfahren selbst zu ermitteln, der allerdings bei verschiedenen Methoden
sehr verschieden ausfallen muß, bei Dampfklärung und Verkochung in Vacuumapparaten
und sonst sorgfältiger Arbeit jedoch 2 Proc. nie übersteigen wird.
Nach Analogien zu schließen ist das in der Melasse enthaltene Wasser (gegen 20 Proc.
des Gewichts) mit nahe so viel krystallisirbarem Zuker verbunden, als es aufgelöst
enthalten kann, mithin mit etwa 30 Proc. des Gewichts der Melasse; man kann daher
die Melasse als aus 30 krystallisirbarem Zuker, 50 troknem Schleimzuker und fremden
Stoffen, und 20 Wasser zusammengesezt betrachten, wenn anders nicht die Ansicht
einiger Chemiker geltend gemacht werden kann, daß der sogenannte Schleimzuker nur eine Verbindung
des krystallisirbaren Zukers mit einem oder mehreren fremden Bestandtheilen sey,
welche ihm seine Krystallisationsfähigkeit rauben; eine Ansicht, welcher der Verf.
aus hier nicht zu erörternden Gründen nicht beitreten kann.
Gesezt nun, man habe durch die Analyse eines trokenen Rohzukers gefunden, daß er 84
Proc. krystallisirbaren Zuker enthalte, so wären 16 Proc. fremde Bestandtheile
vorhanden. Diese würden also mit 9⅔ Proc. krystallisirbarem Zuker und
6⅓ Proc. Wasser 32 Proc. Syrup (Melasse) liefern. Es blieben demnach nur
74⅓ Proc., und hievon 2 Proc. oder gegen 1⅓ Proc. des Rohzukers
abgerechnet, nur 73 Proc. als wirkliches Ausbringen an raffinirtem Zuker; dagegen
würde ein Zuker, der nach der Analyse 90 Proc. krystallisirbaren Zuker enthält, nur
etwa 17 Proc. verlieren und an 83 Proc. raffinirten Zuker ausgeben. Es darf hiebei
nicht übersehen werden, daß in dieser Berechnung angenommen wird, daß aller
raffinirte Zuker im reinsten Zustande als Raffinade gewonnen werde, da sonst das
Ausbringen an Zuker allerdings größer ausfällt, weil ein Theil der Melasse in den
geringeren Zukersorten zurükbleibt.
Wenn aber auch die hier aufgestellten Annahmen gerechtfertigt werden könnten, so
würde dennoch die Unsicherheit, Umständlichkeit und Kostspieligkeit der angeführten
Analyse des Rohzukers niemals eine allgemeine praktische Anwendung derselben hoffen
lassen. Wie schäzenswerth muß es daher für die Besizer von Raffinerien und
Zukerfabriken seyn, in der von Biot angegebenen Methode
ein so leichtes und einfaches Mittel zu finden, den Gehalt einer Zukerlösung zu
bestimmen.
Der Ankauf großer Quantitäten von Rübenrohzuker in einer vom Verf. eingerichteten
Rübenzukerfabrik und Raffinerie in Polen zeigte recht auffallend die Unsicherheit
der Beurtheilung nach den äußeren Kennzeichen und nach Vergleichen mit inländischem
Rohzuker. Der Verf. säumte daher nicht, sogleich ein Instrument anfertigen zu lassen
durch den Mechanikus Hirschmann
sen. in Berlin, wie es Biot
angegeben, wobei er jedoch dem Rathe Mitscherlich's
einige wesentliche Verbesserungen verdankt. Dadurch, daß der von Biot angegebene Polarisationsspiegel sowohl, als die als
Ocular dienende Turmalinscheibe durch Nicol'sche Prismen
ersezt worden, hat das Instrument nicht allein eine bequemere Form erhalten, sondern
es ist auch der störende Effect der Färbung der Turmalinscheibe beseitigt
worden.
Fig. 33 (Taf. V) zeigt das Instrument theils in Ansicht, theils
im Längendurchschnitt; Fig. 34 die Gradscheibe,
in Hinteransicht, halb
abgebrochen. A ist das Stativ von Holz, oben mit einem
Messingscharnier a versehen, durch welches sich B ein dreiekiges verschiebbares Prisma in eine beliebige
Neigung gegen den Horizont stellen läßt. Das Prisma läßt sich in einem hohen Dreiek
b hin und her schieben. Auf dem Prisma ruhen zwei
Träger C, C auf
verschiebbaren hohlen Dreieken und mit verstellbaren Messingzwingen c, c. D ist das die Zukerauflösung enthaltende Messingrohr, dessen Enden durch
eben geschliffene Glasplatten geschlossen sind. d ist
ein kleines, mit einem Kork zu verschließendes Röhrchen zum Einfüllen und Ausgießen
der Zukerauflösungen. E ist ein ebenfalls auf einem
verschiebbaren hohlen Dreieke ruhendes kleines Messingrohr, mit einem Nicol'schen Prisma, welches Wagenmann zur Unterscheidung von dem zweiten „das
Polarisationsprisma“ nennt. Hinter dem Röhrchen nach dem
Flüssigkeitsrohre zu ist eine Blende von schwarzer Pappe angebracht. F ist ein dem vorigen gleiches Prisma, welches Wagenmann
„Ocularprisma“ nennt. Das Rohr ist gegen das Auge zu verlängert
durch den Ansaz f, um das Einfallen des Lichts auf das
Prisma zu verhindern. Das Ocularprisma läßt sich um seine Achse drehen auf G, einer in Grade getheilten Scheibe, durch welche das
mit einem Nonius g versehene Ocularrohr durchgeht. H ist ein gezahntes Rad, in welches das Rohr des
Ocularprisma's befestigt ist; es ist bestimmt, mittelst einer Micrometerschraube h links oder rechts um seine Achse gedreht zu
werden.
Die beiden Nicol'schen Prismen (siehe Fig. 35) sind so
gestellt, daß, wenn der Nonius auf 0 gestellt wird, sey es oben oder unten an der
graduirten Scheibe, die gleicharmigen Diagonalen derselben sich rechtwinklig
kreuzen. Sieht man in diesem Zustande durch das Instrument, entweder ohne das
Flüssigkeitsrohr, oder wenn dieses leer oder mit Wasser gefüllt eingelegt wird,
gegen den hellen Himmel, so ist das Bild des Polarisationsprisma's mit einem dunkeln
Schatten bedekt, der auch schwebend vor dem Ocularprisma beobachtet wird. Dreht man
aber das Ocular mittelst der Micrometerschraube rechts oder links, so wird das Bild
immer mehr erhellt, bis es unter 90° den höchsten Grad der Helligkeit
erlangt, und von da nach 0 hin auf der entgegengesezten Seite wieder dunkel wird,
und bei 0 mit dem gleichen Schatten, wie am Anfangspunkte, bedekt erscheint.
Füllt man dagegen das Rohr mit einer Auflösung von 1 Theil reinen getrokneten Zuker
in 3 Theilen Wasser, welche man zuvor durch Fließpapier filtrirt hat, so wird, wenn
der Nonius auf 0 steht, das Polarisationsprisma hell erscheinen, dreht man aber das
Ocular rechts, so wird das Bild zuerst grünlich, dann grün, blaugrün, blau, dunkelblau, indigo
erscheinen und bei Violett die größte Dunkelheit eintreten. Ist die Entfernung der
beiden Glasscheiben 102 preuß. Linien, so wird das reine Violett erscheinen, wenn
der Nonius 46° zeigt. Wählt man aber ein Rohr, welches nur 51 preuß. Linien
lang ist, so erscheint das reine Violett bei 23°, und auf gleiche Weise bei
anderen Längen der Zukerflüssigkeitssäulen diesen Längen proportional. Es ist jedoch
am bequemsten, die Länge von 102 Linien beizubehalten, oder dieselbe auf 111 Linien
zu verlängern, in welchem Fall eine Auflösung von reinem Zuker in 3 Th. Wasser, also
eine Flüssigkeit, die 25 Proc. Zuker enthält, 50° zeigen würde.
Macht man die Zukerauflösungen schwächer, so können allerdings die Grade nicht dem
Procentgehalte genau proportional seyn, weil die specifischen Gewichte der
Flüssigkeit verschieden sind. Würde man z. B. die obige Zukerauflösung mit
gleichviel Wasser verdünnen, so würde die Flüssigkeit allerdings 12,5 Proc. Zuker
enthalten; da jedoch die spec. Gew. beider Auflösungen sich wie 1105 : 1050 oder wie
100 : 95 verhalten, so wird die Drehung in dem 102 Linien langen Rohre nicht
23° betragen, sondern 21,85°. Bei der Untersuchung von Rohzuker kann
man indessen diesen Uebelstand vermeiden, wenn man immer 1 Th. troknen Rohzuker in 3
Th. Wasser auflöst, mithin immer Flüssigkeiten von möglichst gleichem spec. Gew.
anwendet.
Da die Farbe der Auflösung nicht allein auf die Deutlichkeit des Farbenbildes Einfluß
hat, sondern auch auf die Färbung desselben influirt, mithin leicht zu Irrthum Anlaß
geben kann, so muß man die zu probirenden Zukerlösungen möglichst wasserhell haben.
Um daher eine Rohzukerprobe zu machen, wiegt man 8 Loth derselben ab, und löst diese
in 24 Loth Wasser, wozu man sich ein bequemes und genaues Maaß einrichten kann, auf.
Man beobachtet nun den Gehalt der Auflösung mit einem Saccharometer, welches Wagenmann besonders zu diesem Zwek bei J. G. Greiner
jun. anfertigen ließ; dasselbe gab die wirklichen
Zukerprocente von 10 Proc. bis 30 Proc. an, und zwar jedes Procent in vier gleiche
Theile oder Viertelprocente am Instrumente getheilt. War der Rohzuker ganz troken,
so wird die Zukerauflösung bei 14° R. 25 Proc. zeigen. Zeigt sie jedoch
weniger, z. B. nur 24 Proc., so ist dieß ein Beweis, daß sie 4 Proc. Wasser enthält,
da jeder Viertelgrad, der an 25 fehlt, 1 Proc. Wasser in dem Zuker anzeigt. Den
gefundenen Wassergehalt notirt man vorläufig.
Ist die Zukerauflösung ganz oder beinahe ungefärbt, so kann man sie sofort filtriren;
ist sie aber gelb oder braun, so sezt man, nach Maaßgabe der Färbung, 1–4
Theelöffel voll der besten, fein gemahlenen und getrokneten Knochenkohle zu, läßt
sie damit unter öfterem
Umrühren eine Viertelstunde in Berührung, und filtrirt hierauf. Sollte die
Auflösung, wie es bei dunkeln Rohzukern geschehen kann, noch nicht gehörig entfärbt
seyn, so behandelt man sie zum zweitenmal mit Knochenkohle und siltrirt wieder. Nun
füllt man das Flüssigkeitsrohr mit der entfärbten Zukerauflösung und bringt es in
das Instrument. Man dreht hierauf das Ocularprisma so lange, bis man die bei der
reinen Zukerauflösung beobachtete Nuance von Violett erhält, so daß weder Blau noch
Roth darin erscheinen, und bemerkt den Stand des Nonius. Bei dem Rohre von 102
Linien würde jeder Grad der Drehung von 0 an 46/100 Proc. Zukergehalt für den
untersuchten Rohzuker anzeigen, wenn der krystallisirbare Zuker, dessen
Drehungsvermögen bekannt ist, allein die Drehung bewirkt hätte. Da aber
wahrscheinlich auch der unkrystallisirbare Zuker ein wiewohl schwächeres
Drehungsvermögen besizt, so kann man den obigen Schluß nicht ziehenAuch der Traubenzuker besizt, wenn er einmal fest geworden ist, in Wasser
aufgeloͤst ein Drehungsvexmoͤgen nach Rechts, deßgleichen das
Dextrin (vergl. oben). Deßhalb sind alle Angaben des
Polarisationsinstruments, wenn nicht absolut reiner raffinirter Zuker
aufgeloͤst worden ist, man also nicht wissen kann, ob nicht
Traubenzuker, Dextrin u. a. m. in der Aufloͤsung des Rohzukers
vorhanden sind, nur Annaͤherungen an einen praͤsumtiven Gehalt
an wahrem krystallisabelm Rohrzuker. Daß Rohrzuker unter Umstaͤnden
in Traubenzuker sich umwandeln kann, ist bekanntSchubarth.;
auch würden, wenn wirklich die Drehung die Procente des krystallisirbaren Zukers
unmittelbar angäbe, diese noch nicht über den relativen Werth entscheiden. Es kommt
nämlich darauf an, das Drehungsvermögen der Producte, welche man aus dem Rohzuker
erzeugt, zu kennen; diese sind aber raffinirter (reiner) Zuker und Melasse. Das
Drehungsvermögen des reinen Zukers ist bekannt und durch 46 ausgedrükt, es ist nun
noch das Drehungsvermögen der Melasse zu ermitteln. Zu dem Ende wiegt man 8 Loth
Melasse genau ab und löst sie in 24 Loth Wasser auf. Das Saccharometer wird etwa 20
Proc. oder einen Gehalt von 80 Proc. fester Masse und 20 Proc. Wasser anzeigen. Man
sucht nun durch oftmaliges Entfärben und Filtriren die Auflösung auf den geeigneten
Grad der Farblosigkeit zu bringen und bringt sie sodann in das Instrument. Die
Melassen zeigten ein Drehungsvermögen von 19,5 bis 20,5°, und wahrscheinlich
wird sich dieselbe immer zwischen diesen Graden halten. Da jedoch die Melasse 20
Proc. Wasser enthält, so würde ihr im troknen Zustande, wie sie im troknen Rohzuker
enthalten ist, ein im Verhältniß von 4 : 5 größeres Drehungsvermögen zukommen,
mithin 26°. Die Untersuchung der Melasse hat ihre Schwierigkeit und erfordert
Geduld; oft kann man nicht anders zu einem sichern Resultat kommen, als daß man die Färbung
der Auflösung durch ein hinter das Flüssigkeitsrohr gebrachtes, schwach blau
gefärbtes klares Glas neutralisirt und in farbloses Grau verwandelt.
Da sich nun nach Versuchen im Großen ergibt, daß bei Dampfklärung und Verkochung in
Vacuumpfannen durchaus kein Verlust nach dem Drehungsvermögen entsteht, der die oben
angenommenen 2 Proc. Raffinationsverluft erreichte oder überstiege, so hat man jezt
alle Thatsachen zur Ermittelung des praktischen Zukergehalts.
Gesezt, der untersuchte Rohzuker zeige 2 Proc. Wassergehalt und ein Drehungsvermögen
von 41°, so würde derselbe im troknen Zustande beinahe 41¾°
zeigen. Man findet nun den praktischen Zukergehalt in Procenten, wenn man die
Differenz des gefundenen Drehungsvermögens für Melasse = 26 und 41¾, also
15,75 mit 100 multiplicirt, und durch die Differenz zwischen 26 und 46 = 20 theilt.
Man erhält also 1575/20 Proc. = beinahe 78,75 Proc. Rechnet man hievon 2 Proc. für
gefundenen Wassergehalt und 2 Proc. für Raffinationsverlust, also gegen 3¼
Proc. ab, so findet man die Menge Raffinade, welche man gewinnen kann = 75,5 Proc.
Die Melasse findet man auf ähnliche Art, nämlich, wenn man die Differenz zwischen
41¾ und 46 = 4,25 mit 100 multiplicirt und durch 20 theilt, also 425/20 =
21,25 Proc., diese Zahl im Verhältniß von 4 : 5 vermehrt 5.21,25/4 = 26,50 und, im
Verhältniß der 4 Proc. ¾ Proc. in Abzug bringt, was die Melasse auf 25,25
Proc. stellt. Statt der Multiplication der Differenz zwischen den Drehungsgraden der
Melasse und des untersuchten Zukers mit 100, und nachheriger Division mit 20 ist es
einfacher, die angegebene Differenz mit 5 zu multipliciren, wodurch natürlich das
gleiche Resultat erreicht wird.
Da jedoch alle hellen Rohzukersorten ein Drehungsvermögen besizen, welches zwischen
41° und 46° fällt, und da man mit dem Instrument, selbst bei geübtem
Auge, kleinere Differenzen als ½ Proc. nicht beobachten kann, so sieht man
leicht ein, daß die Angaben desselben beschränkt sind, indem man von einem
Zukerwerth von 80–100 Proc. gewinnbaren Zuker nur 8 Unterabtheilungen
unterscheiden kann, deren jede 2½ Proc. praktischen Zukerwerthes entspricht.
Nichtsdestoweniger gewährt das Instrument große Vortheile, besonders beim Einkauf
der geringeren Zukersorten und der ungedekten Rübenrohzuker, welche oft sehr schwer
nach den äußeren Kennzeichen zu schäzen sind. Es ist sehr leicht, mit diesem
Instrument zu finden, wie viel Melasse mit den geringeren Zukersorten verkauft wird, und danach den
Vortheil zu berechnen, den der Verkauf dieser oder jener Sorte sowohl dem Verkäufer,
als dem Consumenten gewährt.
Es gehört einige Uebung dazu, um den Farbeton von Violett immer genau zu erkennen.
Hat man ihn gefunden, so dreht man etwa einen halben Grad rechts nach Roth und läßt
dieses wieder verschwinden, und ebenso einen halben Grad links nach Blau, und läßt
dieses ebenfalls wieder verschwinden, bis man gewiß ist, ein reines Violett ohne
hervorstechendes Roth oder Blau zu haben. Am sichersten ist es, wenn man das
Instrument bei der Beobachtung gegen eine weiße, von der Sonne beschienene Wolke
richten kann. Die blaue Farbe des Himmels gibt das Drehungsvermögen etwas zu groß,
doch wird der Fehler unmerklich, wenn man bei unbewölktem Himmel das Instrument
gegen den tiefsten Horizont richtet, jedoch nie der Sonne entgegen.
Man kann die Beobachtung auch bei Lampenlicht machen, jedoch werden, auch bei der am
besten construirten Lampe, wenn man das Instrument gegen die Flamme richtet, die
Drehungen weniger groß erscheinen, weil gegen das Tageslicht die Flamme der Lampe
immer roth erscheint, das Farbenbild also früher von Blau in Violett übergeht.
Beobachtet man indessen immer bei gleichem Lampenlicht, so stehen die Drehungen in
gleichem Verhältniß, als wenn sämmtliche Beobachtungen gegen weiße Wolken gemacht
worden wären.
Es folgen hier zum Vergleich einige Beobachtungen bei guter Tagesbeleuchtung und bei
dem Licht einer gewöhnlichen guten Lampe mit Argand'schem
Brenner gemacht:
Textabbildung Bd. 084, S. 282
Bei Tageslicht.; Bei Lampenlicht.;
Mittel der Zukerprocente.; Drehung.; Reiner Zuker; Gelber Havanna; Brauner
Havanna; Brauner Bahia; Brauner Farin; Gelber Farin; Melasse
Als reiner Zuker wurde feine Raffinade, bei 80° R. getroknet, angewendet. Die
Drehungsvermögen der übrigen Zukersorten wurden auf trokne Zukermasse reducirt,
und ebenso die Melassen (Syrup), welche aus zwei verschiedenen Berliner Siedereien
genommen waren.Sehr viel Beruͤksichtigung verdient die Trommer'sche Methode zu Unterscheidung von Rohrzuker,
Traubenzuker, Dextrin und Gummi. Vermischt man naͤmlich eine
waͤsserige Loͤsung des zu pruͤfenden Koͤrpers
mit Aezkaliloͤsung und dann mit Kupfervitriolaufloͤsung, so
entsteht, wenn nur Gummi oder Staͤrke vorhanden war, ein blauer,
durch Kochen sich nicht veraͤndernder Niederschlag; bei Dextrin
entsteht kein Niederschlag, aber eine dunkelblaue Fluͤssigkeit, aus
der sich beim Erhizen Kupferoxydul mit rother Farbe absezt. In
Traubenzukerloͤsungen (auch in Milchzuker) entsteht ein sich wieder
aufloͤsender Niederschlag, und bald, besonders in der Waͤrme,
scheidet sich Kupferoxydul ab (noch bei 1/1000 Traubenzuker in der
Siedhize). Rohrzuker gibt eine blaue Fluͤssigkeit ohne Niederschlag,
aus der sich erst durch langes Kochen
Kupferoxydul absezt.