Titel: | Verteidigung der vierräderigen Locomotiven; von Hrn. Mamby. |
Fundstelle: | Band 85, Jahrgang 1842, Nr. XXVI., S. 97 |
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XXVI.
Verteidigung der vierraͤderigen
Locomotiven; von Hrn. Mamby.
Aus den Comptes rendus. Mai 1842, No. 20, S. 711 und
No. 22, S. 808.
Mamby's Vertheidigung der vierraͤderigen
Locomotiven.
Erste Abhandlung.
Der Moniteur vom 11. Mai d. J. theilt folgenden Paragraph aus dem Berichte mit,
welcher von den HHrn. Combes und Senarmont der Akademie der Wissenschaften über das Ereigniß auf der
Versailler-Bahn erstattet wurde: „Ohne daß wir in eine Erörterung
der verschiedenen Ursachen, welche zu diesem schreklichen Unglük beitrugen, und
in die zur Verhinderung seiner Wiederholung vorzuschreibenden Maßregeln
einzugehen brauchen, ist Jedermann klar, daß die kleine
vier räderige, an der Spize des Zugs befindliche Locomotive die Urheberin
des Unglüks war, und es sollte die Anwendung dieser Locomotiven von den
Behörden verboten werden.“
Ich hoffe, daß die Akademie, welche diesen Angriff auf die vierräderigen Locomotiven
angehört hat, auch ihrer Vertheidigung Gehör schenken wird.
Obwohl ich der Meinung bin, daß die vierräderigen Locomotiven in jeder Hinsicht den
sechsräderigen vorzuziehen sind, so hätte ich doch niemals meiner Meinung eine
größere Geltung zu verschaffen gesucht, wenn die königlichen Ingenieurs über die
Sache nicht abgesprochen hätten, ohne sie zu erörtern und nicht mit einer einzigen
Phrase die Ansichten so vieler englischen Eisenbahn-Ingenieurs umgestoßen
hätten; man bedient sich nämlich auf der London-Birmingham-, Eastern-Counties-,
Midland-Counties-, North-Union-, Lancaster-Preston-, Manchester-,
Bolton und Bury-Eisenbahn ausschließlich
vierräderiger Locomotiven und auf noch manchen anderen Eisenbahnen werden sie
ebenfalls vorgezogen.
Sicherlich werden die HHrn. Combes und Senarmont ihre Behauptung eiligst zurüknehmen, daß das
Brechen der Vorderachse einer vierräderigen Locomotive
ärgere Folgen habe, als das einer solchen an einer sechsräderigen; denn die
Erfahrung hat bewiesen, und es entspricht dem gesunden Menschenverstande, daß, so
oft die erste Achse einer sechsräderigen Locomotive bricht, der Vordertheil der
Locomotive sich auf die Erde senkt und bei einem durch eine einzige Locomotive
gezogenen Zug muß dann nothwendig das Ereigniß minder folgenschwer seyn bei einer
vierräderigen, als bei einer sechsräderigen Locomotive, denn erstere Maschine wiegt
kaum zwei Drittel der leztern und die Erschütterung stünde im Verhältniß zum
Gewichte.
Untersucht man die Constructionsweise sechsräderiger Locomotiven aus verschiedenen
Fabriken, so wird man ihren Schwerpunkt 60 Centimeter bis 1 Meter vor der
Kurbelachse und das Gewicht auf der Vorderachse um 2000 bis 4000 Kilogr. größer
finden als das auf der Hinterachse. Aber die Schwerkraft ist es nicht allein, was
den Vordertheil einer sechsräderigen Maschine fallen macht; die Federn der
Hinterräder werden sich mit einer Kraft abspannen, die dem Gewichte, dessen sie sich
durch das Brechen der Vorderachse entluden, gleich ist und dem Hintertheil der
Locomotive eine verticale Bewegung ertheilen; andererseits verursacht die
Ausströmungskraft von Dampf und Rauch durch den Kamin, welche manchmal eine
Geschwindigkeit von 120 Meter per Secunde erlangt, einen
bedeutenden Druk auf den Vordertheil der Maschine, und wenn man endlich, nachdem der
Bruch geschehen, die Maschine anhält, so stößt die Wagenreihe, welche eine sehr
große Geschwindigkeit erlangt hat, auf den Tender, welcher wieder mittelst der
Verbindungsstange auf die Locomotive stößt; diese Stange nahm eine diagonale
Stellung an, und das an der Locomotive befestigte Ende ist dann viel höher als das
andere, so daß die auf die Galerie (foot plate) von
Unten wirkende Stoßkraft diese aufhebt, das vordere Ende der Locomotive mit größerer
Kraft niederfahren macht und wenn das Moment sehr beträchtlich ist, so kann der
Vordertheil des Tenders ebenfalls aufgehoben werden, und indem er zuerst die
Locomotive das Unterste zu oberst umstürzt, wird die Verbindungsstange brechen und
der Tender unter der Locomotive hinweggehen. Es ist höchst wahrscheinlich, daß dieß
mit der sechsräderigen Locomotive und ihrem Tender bei dem in Rede stehenden
Unglüksfall der Fall war.
Daraus folgt, daß, wenn es auch möglich wäre, eine sechsräderige Locomotive so zu
construiren, daß die Vorderräder keine größere Last trügen als die hintern, dennoch,
sobald die Vorderräder die Locomotive nicht mehr trügen, die drei lezten eben
angeführten Ursachen hinreichend wären, den Vordertheil der Locomotive zum Fallen zu
bringen.
Man kann sagen, daß, so oft die erste Achse eines Wagenzugs bricht und die Räder sich
losmachen, gehöre nun diese Achse einer Locomotive von beliebiger Construction,
einem Tender oder einem Waggon an, der Vordertheil des Zugs zu Boden fallen und die
Wagenreihe plözlich aufgehalten seyn wird; aber unter tausend Fällen nicht einmal
wird ein so ganz außerordentliches Zusammentreffen von Umständen so unglükselige
Folgen nach sich ziehen.
Bei gewissen vierräderigen Locomotiven von besonderer Construction hätte das Brechen
der Vorderachse das Fallen der Räder nicht zur Folge gehabt und das Ereigniß hätte
sich dann auf einen heftigen Stoß und einen augenbliklichen Aufenthalt reducirt.
Man darf daher nicht der Anzahl der Locomotivräder die Schuld des Unglüks beimessen;
die Ursache desselben ist einfach, die Abhülfe leicht und war schon längst
Gegenstand der Erörterung unter den Locomotiven-Fabrikanten; in einer zweiten
Abhandlung werde ich Daten über ähnliche Fälle, welche sich in England und Amerika
ereigneten, so wie die dagegen vorgeschlagenen oder eingeführten Abhülfsmittel
vorlegen.
Zweite Abhandlung.
Bei den das Publicum beschäftigenden Erörterungen über die relative Sicherheit der
sechsräderigen und vierräderigen Maschinen beliebt man unter der allgemeinen
Benennung vierräderige Maschinen ein längst aufgegebenes System, welches aus vier
Rädern besteht, die von einem äußern Rahmen gehalten
werden (welches wir selbst zuerst verwarfen) mit dem von uns angenommenen System mit
innerm Rahmen zu verwechseln.
Um den Gegenstand in den rechten Gesichtspunkt zu stellen, wollen wir die Ursachen
angeben, welche uns nach langer Erfahrung bestimmten, den vierräderigen Maschinen
mit innerm Rahmen vor allen andern Systemen, die wir in Anwendung bringen sahen, den
Vorzug zu geben.
Die Liverpool-Manchester-Eisenbahn war die erste, welche den Dampf als
Motor zum Transport der Reisenden mit großer Geschwindigkeit benuzte und die erste
Locomotiv-Maschine wurde für diese schöne und große Unternehmung im J. 1828
erbaut.
Sie war sechsräderig, hatte aber doch nicht alle Stimmen für sich. Es wurde daher von
den Directoren ein Preis von 12,500 Fr. für das beste System von
Locomotiv-Maschinen ausgesezt und derselbe nach wiederholten Versuchen einer
vierräderigen Locomotive zuerkannt.
Alle vierrädrigen Locomotiven jener Zeit hatten ihren Rahmen außen (wie der
Mathieu-Murray) und thaten so auf der
Liverpool-Manchester-Eisenbahn vier bis fünf Jahre lang ihre Dienste,
ohne zu andern Einwürfen Anlaß zu geben, als dem eines bedeutenden Verlustes durch
das wiederholte Brechen der Achsen. Später wurden Versuche angestellt, um darzuthun,
daß sehr viel Brennmaterial erspart werden könnte durch Einführung eines größern
Feuerkastens; allein dieser Theil der Maschine wurde nun so schwer, daß er
unterstüzt werden mußte und man kam deßhalb darauf zurük, sich der dritten Achse
wieder zu bedienen, welche man aufgegeben hatte, weil sie sich beim Befahren von
Krümmungen sehr nachtheilig erwies. Bis dahin konnten die
Locomotiven-Fabrikanten die Maschinen nicht nach ihren eigenen Ansichten
construiren; sie mußten sich an die ihnen von den Gesellschafts-Ingenieuren
vorgelegten Plane halten und gingen deßhalb auf eine Prüfung der Vorzüge des ihnen
vorgeschriebenen Constructionssystems auch nicht ein. Diesem Umstand ist es
zuzuschreiben, daß die Locomotiv-Maschinen mehrere Jahre lang beinahe
allgemein mit Rahmen außerhalb der Räder, mit großen Feuerkästen und mit sechs
Rädern erbaut wurden.
Wir haben das Verdienst, bei der Construction der Locomotiven zuerst das vierrädrige
System in Verbindung mit dem innern Rahmen eingeführt zu haben, durch welches System
die von den sechs Rädern, vorzüglich aber den äußern Rahmen herrührenden Fehler
vermieden werden. Die erste nach diesen Grundsäzen erbaute Maschine ging im Jahr
1829 aus unsern Werkstätten hervor, noch ehe die Liverpool-Manchester-Eisenbahn definitiv
eröffnet wurde. Seitdem man die Vorzüge unseres Systemes kennen lernte, wurden an
den alten sechsräderigen Maschinen mehrere Veränderungen angebracht und mit
Vergnügen sehen wir, daß bei der lezten von einem unserer berühmten Ingenieure
vorgenommenen Verbesserung unser System des innern Rahmens angenommen und der große
Feuerkasten weggelassen wurde.
Nach diesem kurzen Ueberblik der Geschichte der verschiedenen
Locomotiv-Systeme wollen wir die Gründe auseinandersezen, weßhalb wir so
beharrlich bei unserm Maschinensystem stehen bleiben; dasselbe besteht:
1) in vier Rädern statt sechs;
2) im Anbringen des Rahmens innerhalb der Räder und unmittelbar unterhalb der
Dampfkessel;
3) in nur zwei Trägern auf der Kurbelachse statt fünf oder sechs;
4) in einem runden Feuerkasten ohne Verbindungs- oder Querstüke statt eines
vierekigen mit solchen, welche die Circulation des Wassers hindern und das
Verdampfungsvermögen vermindern;
5) in einer viel einfachern Einrichtung der eigentlichen Maschine.
Dieses System hat, wie wir glauben, den Vorzug stärker und Beschädigungen weniger
unterworfen zu seyn, bei Krümmungen nicht so gerne aus den Schienen zu treten,
weniger Brennmaterial zu consumiren und weniger Reparaturen zu bedürfen als das
sechsräderige System mit äußerm Rahmen.
Um diese verschiedenen Punkte zu beweisen, theilen wir folgenden Auszug aus einer dem
Institut der Civilingenieure am 17. März 1840 vorgelesenen und in deren Transactions erschienenen Abhandlung mit. Sie enthält
die Auseinandersezung unserer Ansichten und die Erfahrung im vergangenen Jahre
bestätigte uns deren Richtigkeit.
„Bei Erbauung einer Locomotive ist, außer einem guten Dampfkessel, von
welchem die wohlfeile Dampferzeugung abhängt, der Rahmen unbestritten derjenige
Theil, welchem die meiste Sorgfalt zugewendet werden muß; er soll auf eine
dauerhafte und zwekmäßige Weise alle Theile der Maschine miteinander verbinden,
sie in ihrer gegenseitigen Stellung erhalten und, ohne darunter zu leiden, alle
Stöße empfangen, welchen sie ausgesezt sind. In dieser Hinsicht besizt der
innere Rahmen einen großen Vorzug vor dem äußern, indem er eine directere
Verbindung zwischen dem Cylinder, den Achsenlagern und allen Theilen, von
welchen die Bewegung abhängt, herstellt und folglich unmittelbar alle
Kraftäußerungen der Maschine erträgt, ohne sie auf den Kessel zurükzuwerfen, wie
dieß mit dem äußern Rahmen der Fall ist. Um diese Bemerkungen klarer zu machen,
wollen wir zuerst die Kraftäußerungen untersuchen, welchen der Rahmen zu
widerstehen hat.“
„Die größte Gewalt ist die, welche die ganze Kraft der Maschine ausübt,
wenn sie beim Passiren der Drehungsachse direct auf die Kurbel wirkt. Ist der
Rahmen innen, so ist der Abstand des Centrums der Lager, welche die Achse im
Rahmen unterstüzen, bis zum Centrum der Bläuelstange, wo der Stoß stattfindet,
nur 10 Zoll und der Totalabstand zwischen den Mittelpunkten der beiden Lager ist
43 1/2 Zoll; ist aber der Rahmen außerhalb der Räder angebracht, so werden diese
respectiven Dimensionen 20 Zoll und 72 Zoll, die Wirkung des Stoßes auf die
Achse ist proportional diesen Entfernungen zwischen den Stüzpunkten und dem
Punkte wo die Kraft angewandt ist; das Streben zum Brechen verhält sich also mit
äußern Rahmen zu innern ungefähr wie 18 : 14. Aus diesem Grunde fand man es
nöthig, wenn der Hauptrahmen außerhalb der Räder angebracht ist, auch innerhalb
einen beizufügen, um das beständige Brechen der Kurbelachse zu verhindern. Diese
hinzukommenden innern Rahmen erzeugen nicht nur allein eine stärkere Reibung an
der Achse, sondern wirken auch sehr nachtheilig auf den Kessel, dessen man sich
bedienen muß, um die beiden Rahmen miteinander zu verbinden; die innern Rahmen
sind nämlich mit ihren Enden mit dem Feuerkasten und dem Rauchkasten verbunden,
während der äußere Rahmen mit dem Körper des Dampfkessels verbunden
ist.“
„Dieses Bedürfniß innerer Rahmen zur Unterstüzung des Hauptrahmens
(wodurch fünf bis sechs Träger auf eine 6 Schuh lange Achse nöthig werden)
sollte schon genügen, um dieses System zu verwerfen; denn alle Praktiker wissen,
daß es unmöglich ist, sechs Träger so anzupassen, daß sie beim Lauf der Maschine
in ganz gerader Linie bleiben; könnte man aber auch diese Genauigkeit erreichen,
so wäre die Summe der Reibung auf die innern Lager viel größer, als wenn sie auf
nur zwei Lager concentrirt ist; denn im erstern Falle wird alle von dem Gewichte
des Dampfkessels herrührende Reibung ganz auf die beiden äußern Lager
übergetragen (die anderen Lager können sich in Falzen vertical bewegen) und die
von der Gewalt der Maschine herrührende Reibung, welche sich durch die
Bläuelstange überträgt, wirft sich ausschließlich auf die innern Lager, der Druk
auf die äußern Lager ist vertical und der mittlere Druk auf die innern Lager
beinahe horizontal, so daß wenn beide Kräfte zugleich und auf dieselben Lager
wirken, man statt der Summe der aus den beiden Druken hervorgehenden Reibung nur
die aus der Resultante der beiden Druke hervorgehende Reibung hat.“
„Eine anhexe den Bruch der Achsen veranlassende Kraft geht aus dem Druk,
ja selbst Stoß hervor, Welcher zwischen den Spurkränzen der Räder und den
Schienen stattfindet, wenn die Locomotive aus einer geraden Linie in eine
Krümmung übergeht; sind die Lager innerhalb der Räder, so sucht diese Kraft die
Achse zu krümmen und das Gewicht des Kessels sucht sie zu einem Eselsrüken zu
biegen, so daß diese beiden in entgegengesezter Richtung wirkenden Kräfte sich
aufzuheben streben. Befinden sich hingegen die Lager, worauf das Gewicht der
Kessel ruht, außerhalb der Räder, so wirkt die gegen die Spurkränze der Räder
ausgeübte Kraft in derselben Richtung wie das Gewicht des Dampfkessels und sie
streben gemeinschaftlich die Achse zu zerbrechen; nehmen wir aber die Achse in
beiden Fällen gebrochen an, dann wird die Locomotive, welche den Rahmen außen
hat, aus den Schienen treten, denn das Gewicht des Kessels auf dem Lager strebt
das Rad unter der Maschine zu biegen und es ist außen kein Spurkranz vorhanden,
welcher das Rad auf der Schiene erhielte; mit dem Rahmen innen aber drükt das
Gewicht des Kessels den Spurkranz des Rades gegen die Schiene, welche es
zurükhält.“
„Auf der London-Birmingham-Eisenbahn, wo ausschließlich
vierräderige Maschinen mit innerem Rahmen angewandt werden, kam es öfters vor,
daß, wenn die Achse auch gebrochen war, die Räder nicht pur auf den Schienen
blieben, sondern der Führer seine Maschine auch noch bis zur nächsten Station
fahren lassen konnte.Hr. Charles Hood sagt in den Railway's Times (2. April 1842, S. 272), wo
er die sechs- und vierräderigen Locomotiven bespricht:
„Noch niemals ereignete es sich, daß eine vierräderige
Locomotive mit innerem Rahmen in Folge eines Achsenbruchs fiel oder
aus den Schienen wich. In allen Fällen, wo bei derartigen Maschinen
die Achsen brachen, thaten sie sofort mit vollkommener Sicherheit
ihren Dienst bis zur nächsten Station. Es ereignete sich sogar schon
einmal, daß eine Maschine, deren Kurbelachse gebrochen war, ihren
Zug noch sieben Meilen weit fortführte. Bricht hingegen bei einer
sechsräderigen Maschine mit äußerem Rahmen eine Achse, so wird sie
zum Dienst untauglich und die Leichtigkeit, mit welcher bei diesen
Maschinen die Achsen brechen, gibt uns nur zu viele Gelegenheit, uns
davon zu überzeugen.“
“
„Die Straffheit des innern Rahmens gewährt nicht nur den Vortheil, die
Abnuzung und Reparaturkosten zu vermindern, sondern gestattet durch die wenig
complicirte Weise, wonach sie alle Theile der Maschine zusammenhält, dem
Maschinenführer auch, alle Theile der Maschine zu untersuchen, ohne die Galerie
zu verlassen, auf welcher er bleibt, also auch die Ursachen der Störungen
wahrzunehmen. Offenbar gewährt der kreisrunde Feuerkasten viele Vortheile vor
dem vierekigen, da er erstens viel stärker und sicherer ist, indem er aus Curven
besteht, welche fast in allen Richtungen gleichen Widerstand leisten, während
der vierekige Feuerkasten nur mittelst seines vielen Beschlägs widersteht;
überdieß ist in den Winkeln des Feuerraums die Verbrennung so langsam, daß sie
fast nichts nuzt. Der Bleistöpsel befindet sich an der Spize der Kuppel des
kreisrunden Feuerkastens und schmilzt vermöge seiner Stellung noch ehe ein
anderer Theil troken steht; und da die höchsten Röhren noch 2 oder 3 Zoll
unterhalb dieses Stöpsels stehen, so erlischt das Feuer im Feuerraum offenbar
ehe die Röhren Schaden leiden, während in einem vierekigen Feuerkasten, dessen
Obertheil flach ist, der Bleistöpsel nicht eher schmilzt, als bis die ganze
Oberfläche schon troken steht und stark Schaden gelitten hat.“
„Es ist allgemein angenommen, daß eine Locomotiv-Maschine so leicht
als möglich seyn soll, ohne jedoch die Dauerhaftigkeit, welche ihr Gebrauch
erheischt, zu beeinträchtigen; auch soll sie einfach construirt und aus wenig
Stüken zusammengesezt seyn, um unnöthige Reibung zu vermeiden. In allen diesen
Beziehungen ist das vierräderige System dem sechsräderigen vorzuziehen, wenn die
Räder die Maschine auch mit gleicher Sicherheit tragen.“
„Der Ursprung der sechs Räder schreibt sich von der Nothwendigkeit her,
große und schwere Feuerkästen zu tragen, deren Gewicht jenem des Rauchkastens
manchmal gleich kam; bei dem auf der London-Birmingham-Bahn
angenommenen System aber ist dieses Bedürfniß nicht vorhanden, weil das Gewicht
auf die Vorder- und Hinterräder gleich vertheilt ist und die Anbringung
weiterer zwei Räder wäre nicht nur unnüz, sondern auch den Locomotiven,
besonders wenn sie auf Krümmungen zu laufen haben, sehr nachtheilig.
Die vierräderigen Maschinen streben, wenn sie sich auf einer Krümmung befinden,
natürlich deren Tangente zu folgen; aber die Räder sind konisch, der größte
Durchmesser ihres Kegels steigt auf die äußere Schiene, während der kleine
Durchmesser des gegenüberstehenden Rades sich an die innere Schiene hält und
dieser Unterschied im Umkreise der Räder entspricht ungefähr dem
Längenunterschiede der beiden Schienen und gestattet den Rädern, ihre Drehungen
zu machen ohne zu gleiten oder sich stark an diesen Schienen zu
reiben.“
„Bei einer dreiachsigen Maschine findet dieß nur beim ersten Räderpaare
statt, indem die Stellung der andern durch den sie haltenden Rahmen
vorgeschrieben ist. Ferner ist der Winkel, welchen die Mittelpunktslinie der
Locomotive in der Richtung ihrer Bewegung mit der Tangente der Krümmung macht,
auf welcher sie sich befindet, und welche die Richtung anzeigt, in welcher sie
gehen möchte, bei der sechsräderigen Maschine viel größer als bei der
vierrädrigen, so daß bei der erstern der Spurkranz des Rades mit mehr Kraft
gegen die Schiene drükt, als bei der leztern. Die Kraft, welche das Rad gegen die äußere
Schiene drillt, würde, da sie davon herrührt, in directem Verhältniß stehen mit
der Entfernung der Vorder- und Hinterachse der einen oder andern
Maschine. Die erste würde sich also zur zweiten verhalten wie 10 : 6. Dieser
Druk und diese Reibung werden aber noch durch die Mittelräder vermehrt, welche
in derselben Krümmung wie die Vorder- und Hinterräder zu laufen streben;
sie werden aber vom Rahmen festgehalten, welcher sie eine seitliche Bewegung
zwischen der Sehne und dem Umkreis der Curve nehmen macht, wodurch die Maschine
noch mehr gegen die äußere Schiene gedrükt wird. Bei der vierräderigen
Locomotive ist sohin das Gewicht besser auf die Achsen vertheilt, sie geht nicht
so leicht aus den Schienen, wenn sie auf Krümmungen läuft, ist einfacher
construirt, erfordert folglich weniger Unterhaltung- und Reparaturkosten
und ist nicht so theuer wie die sechsräderige Locomotive; diese Vorzüge
rechtfertigen hinlänglich den Vorzug, welchen ihr die Directoren mehrerer
Eisenbahnen einräumten.“
Zu der Zeit, wo dieser Bericht veröffentlicht wurde, war die vierräderige Locomotive
noch wenig gewürdigt, weil man ohne nähere Prüfung annahm, daß die Sicherheit einer
Locomotive im Verhältniß stehe mit der Anzahl ihrer Räder. Seit dieser Zeit aber hat
unsere Meinung viele Anhänger erhalten und der innere Rahmen, dessen Vorzüge wir so
hervorhoben, wird gegenwärtig von unseren erfahrensten Concurrenten angewandt.
Die Erfahrung und Theorie stimmen darin überein, daß, so oft die Achse einer Maschine
mit innerem Rahmen bricht, sie nicht aus der Schiene tritt und kein Unglük
erfolgt.
Auch bei andern Unfällen, welche auf einer Bahn vorkommen können, ist die
vierräderige Maschine viel weniger gefährlich als die sechsräderige; mögen diese
Unfälle nun durch Austreten aus den Schienen oder eine zufällige Verschüttung der
Bahn herbeigeführt werden, so ist ihre directe Veranlassung doch immer das mehr oder
weniger rasche Anhalten des Trains, und alles daraus entspringende Unglük hängt von
der Stärke des durch dieses Anhalten verursachten Stoßes ab.
Die Stärke des Stoßes verhält sich wie das Gesammtgewicht des Trains, multiplicirt
mit der Geschwindigkeit, ein plözliches Anhalten vorausgesezt; da ein solches aber
niemals stattfindet, wird der Stoß proportional dem Widerstand, welcher sich dem
Fortlaufen der Wagen widersezt; begegnet ein Train also auf einer Ueberfahrt einem
leichten Fuhrwerk, so ist der Widerstand gering und der Stoß unbedeutend; wird er
hingegen durch das Austreten aus den Schienen oder den Fall der Locomotive
verursacht, so ist er sehr stark, denn dann ist es die Locomotive selbst, welche den Zug aufhält
und sie hält ihn um so plözlicher auf, je schwerer sie ist. Da das mittlere Gewicht
der vierräderigen Locomotiven 9000 Kilogr. beträgt, während die sechsräderigen 14000
Kilogr. wiegen, so würde die Stärke des Stoßes bei einem Unglüksfall mit der einen
oder andern, im Verhältniß stehen zu ihrem Gewichte. Weil aber Thatsachen besser
überzeugen als Vernunftschlüsse, so lassen wir hier eine Zusammenstellung der
Unglüksfälle folgen, welche sich auf den englischen Eisenbahnen vom Monat August
1840 bis Anfang dieses Jahres ereigneten.
Anzahl
derLocomotiven.
Anzahl
derUngluͤksfaͤlle.
Ungluͤksfaͤlle derjenigen
Gesellschaften, welche sichausschließlich vierraͤderiger
Locomotiven bedienen
179
28
Ungluͤksfaͤlle der andern
Gesellschaften
676
169
–––––––––––––––––––––––
855
197.
Demnach verhalten sich die Unglüksfälle mit vierräderigen Locomotiven zu jenen mit
sechsräderigen wie 15 : 26, und hätten wir die nöthigen Daten, um die Unglüksfälle
mit dem Betrag der Einnahmen oder mit den durchlaufenen Entfernungen zu vergleichen,
so würden wir darthun, daß sie nicht halb so häufig sind mit vierräderigen als mit
sechsräderigen; denn auf der London-Birmingham-Bahn, deren Einnahme
ein Fünftheil von der Gesammteinnahme aller englischen Bahnen beträgt, ereignete
sich nur ein einziger Unfall statt vierzig, welche auf sie kämen und auf her Bahn
von Manchester nach Bolton und Bury ereignete sich gar keiner.
Die größte Sicherheit ist aber nicht der einzige Vorzug, welchen wir für unser System
in Anspruch nehmen; dasselbe ist auch
1) weniger kostspielig; die vierräderigen Maschinen mit innerm Rahmen sind beinahe um
30 Procent wohlfeiler als die sechsräderigen, und die Drehscheiben, Schoppen und
Reparatur-Werkstätten müssen bei diesem System ebenfalls viel weniger
kosten;
2) es consumirt viel weniger Brennmaterial; so hat die
Edinburgh-Glasgow-Eisenbahn neuerlich zwölf unserer Locomotiven und
zwölf sechsräderige von einem der besten Fabrikanten bezogen, um ihren relativen
Kohlenverbrauch zu constatiren. Die Consumtion der vierräderigen verhielt sich zu
derjenigen der sechsräderigen Maschinen wie 20 : 35.
Auf der London-Birmingham-Bahn werden nach dem Durchschnitt eines
Jahres, um 1000 Kilogr. einen Kilometer weit zu transportiren, 0,21 Kilogr. Kohks
consumirt.
3) Die Reparaturkosten sind bedeutend geringer. Dieß beweist schon ihre größere
Einfachheit; wir theilen aber als interessantes Document eine Zusammenstellung der
Unterhaltungskosten der Locomotiven auf der London-Birmingham-Bahn im
Vergleich mit ihren Leistungen hier mit.
Textabbildung Bd. 85, S. 107
Durchschnittzahl von drei Jahren.;
Vertheilt auf die Locomotiven, welche durchliefen; weniger als 16000 Kilogr.;
mehr als 16000 u. weniger als 32000 Kilogr.; mehr als 32000 u. weniger als 48000
Kilogr.; mehr als 48000 und wenigster als 64000 Kilogr.; mehr als 64000 und
wenigster als 90000 Kilogr.; Auf den durchlaufenen Kilometer
Man sieht, daß die Reparaturen sich das erste Jahr nicht auf 10 Cent. für den
Kilometer belaufen, und daß sie sich nach Verlauf von zwei Jahren auf 25 Cent. für
eine Reihe von Jahren stellen, denn man erhält die Maschinen immer in vollkommen
reparirtem Zustande.
4) Die Adhäsion zwischen den Schienen und Rädern ist größer als bei den dreiachsigen
Maschinen, denn bei lezteren ändert sich der Druk auf die Treibräder mit jeder
Ungleichheit der Bahn und jedem Spiel der Federn; die vierräderige Maschine
verbraucht auch viel weniger Kraft, um ihre eigene Reibung zu variiren und diese
Eigenschaften bedingen eine viel größere Regelmäßigkeit ihres Dienstes; so fand nach
einer vor Kurzem von der Postverwaltung gemachten Zusammenstellung auf der
London-Birmingham-Bahn nur eine einzige Verspätung statt, hingegen auf
der Great-Western-Bahn (welche die Anhänger der sechsräderigen
Locomotiven als eine Musterbahn bezeichnen) fünfzehn.