Titel: | Die Schnellessigfabrication, in Bezug auf den dabei sich ergebenden Verlust und dessen Quellen; beurtheilt von Dr. Fr. Knapp, außerordentlicher Professor der Technologie in Gießen. |
Fundstelle: | Band 85, Jahrgang 1842, Nr. XXXVII., S. 139 |
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XXXVII.
Die Schnellessigfabrication, in Bezug auf den
dabei sich ergebenden Verlust und dessen Quellen; beurtheilt von Dr. Fr. Knapp, außerordentlicher
Professor der Technologie in Gießen.
Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie. Mai
1842.
Knapp, uͤber die Schnellessigfabrication in Bezug auf den
dabei sich ergebenden Verlust.
Die Schützenbach'sche Methode, Branntwein in Essig zu
verwandeln, die sogenannte Schnellessigfabrication, nimmt
unter den rationell betriebenen Industriezweigen durch die Eleganz des Verfahrens
einen hohen Rang ein. In wenigen Fällen ist es gelungen, den irgend einem Betriebe
zu Grunde liegenden Chemismus in so vollkommener Klarheit und Bestimmtheit zu
entwikeln und zugleich die technische Einrichtung auf eine so einsichtsvolle Weise
mit den von der Wissenschaft überlieferten Principien in Einklang zu bringen.
Obgleich die Wirkung des atmosphärischen Sauerstoffs auf Alkohol, in ihrem
Endresultate wenigstens, der Bildung der Essigsäure, schon länger bekannt war, so
datirt sich doch die gründliche Einsicht in die durch Oxydation hervorgebrachten
Metamorphosen des Alkohols, wie sie uns nunmehr zu Gebote steht, erst von der
Entdekung und dem Studium des Verhaltens des Aldehyds durch Liebig her, so wie von dessen AnleitungPolytechn. Journal Bd. LXV. S.
50. die aufgefundenen Wahrheiten in der Praxis vortheilhaft zu benuzen, welche
seitdem alle rationellen Fabrikanten als Richtschnur befolgen. So abgeschlossen auch
unsere Kenntniß des chemischen Vorgangs erscheint, so verdienen doch einige Punkte
des praktischen Verfahrens selbst, also der eigentlichen Fabrication, wegen ihres
Einflusses auf den Erfolg und der geringen Berüksichtigung, welche sie bis jezt
erfahren haben, eine nähere Beleuchtung.
Da man praktisch nicht im Stande ist, genau die zur Verwandlung des Alkohols in Essig
erforderliche Luftmenge (960 Kubikfuß hessisch = 15 Centimeter auf die Ohm Essig von
5 Proc. Säure) den Essigbildnern zukommen zu lassen, da im Gegentheil bei den
gewöhnlichen Einrichtungen gerade so, wie es in jedem Zimmerofen der Fall ist, ein
großer Ueberschuß an Luft hindurchpassirt, so muß es dem Fabrikanten von Interesse
seyn, die Größe dieses Ueberschusses zu kennen. Es ist derselbe nämlich in Bezug auf
die Säurung nicht allein
unthätig, sondern auch durch Wärmeentziehung und Entführung von Weingeistdampf sogar
noch positiv schädlich.
Die Ausmittelung dieses schädlichen Einflusses ist der Gegenstand der folgenden
Untersuchung.
Sämmtliche angestellte Versuche wurden in einer Schnellessigfabrik von sechs Bildnern
nach der gewöhnlichen Einrichtung angestellt. Der Durchmesser der Zuglöcher
derselben beträgt 1,3 Zoll. Um Verlust zu vermeiden, wird daselbst das Essiggut
nicht in Eimern auf die Fässer getragen, sondern aus einem geschlossenen Bottich,
worin es sich nach dem Ablaufen sammelt, in ebenfalls geschlossenen Röhren
wiederholt aufgepumpt. – Da man, was die hiesige Localität betrifft, keinen
starken Essig zu consumiren gewohnt ist, so verfertigt man denselben für den
gewöhnlichen Gebrauch nur zu 3 bis 4 Proc. Säuregehalt. Die gebräuchliche Mischung
von
180
Maaß
(à 2 Liter)
Wasser,
20
–
Branntwein à 44 bis
45 Proc. Tralles,
6,5
–
Essig à 3,5 Proc.
Säure,
–––––
zusammen
206,5
Maaß
= 2 Ohm 46 Maaß,
liefert nach dem jährlichen Durchschnitt nahe eine gleiche
Quantität Essig obiger Stärke, nämlich 203 bis 204 Maaß.
In Folge der empyrischen Erfahrung der Fabrikanten ist es vortheilhafter, den Essig,
anstatt auf den Schnellessigfässern allein, vielmehr mit Beihülfe des älteren
Verfahrens in der Art darzustellen, daß das Gut seine Hauptsäuerung in jenen
Bildnern erhält und dann der Rest des Alkohols durch Lagerung in Essigsäure
verwandelt wird. Es widerstehen nämlich die lezten Antheile Alkohol der Einwirkung
der Luft beträchtlich länger als die ersteren. Die Combination beider
Verfahrungsweisen ist in dem in Rede stehenden Etablissement eingeführt. –
Die Ventilation des Zimmers findet durch zwei mit Schiebern versehene Oeffnungen
statt, wovon sich die eine am Boden zum Eintritt der frischen, die andere über den
Fässern nahe an der Deke zum Austritt der verbrauchten Luft befindet. Die Temperatur
der Zimmerluft ist 26,2° C.; nur in den heißen Sommermonaten wird die Heizung
eingestellt. – Die angeführten Verhältnisse wurden bei den angestellten
Beobachtungen, wie sich von selbst Versteht, gehörig berüksichtigt.
Als Ausgangspunkt für die Lösung der Hauptfrage ist zuvörderst die Ermittelung der
absoluten Luftmenge von Wichtigkeit, welche das Faß durchstreichen muß, um ein
bestimmtes Gewicht der bekannten Mischung in Essig von einer gegebenen Stärke zu
verwandeln. Bei dem bekannten Durchmesser der Zugöffnungen ist nur die Kenntniß der
Geschwindigkeit der einstreichenden Luft nöthig, um die in einer Minute, Stunde etc.
durchpassirende Luftmenge zu berechnen. Aber gerade die Messung der Geschwindigkeit
auf gewöhnlichem mechanischem Wege bietet unübersteigliche Hindernisse. Wie man
nämlich an und für sich weiß, ist diese Geschwindigkeit sehr gering; jeder
angebrachte Meßapparat, Manometer etc. muß aber begreiflicher Weise je nach seiner
Natur entweder eine Verzögerung oder Beschleunigung des Luftstroms bewirken, welche
von jener geringen Geschwindigkeit ein viel zu großer Bruchtheil ist, um nicht die
Genauigkeit des Resultats zu beeinträchtigen, oder vielmehr dessen Brauchbarkeit
gänzlich zu verwischen. Die Ueberzeugung der Unstatthaftigkeit dieses einfacheren
Weges führte auf einen umständlicheren, aber vollkommen genauen, welcher sich auf
den chemischen Vorgang der Essigbildung stüzt.
Wenn man nämlich in Erwägung zieht, daß 100 Pfd. gebildetes Essigsäurehydrat die
Consumtion von 53 Pfd. Sauerstoff, oder 227 Pfd. Luft = 5591,6 Kubikfuß64 Kubikfuß hessisch = 1 Kubikmeter. hessisch bei 0° und 760 Millimeter Barometerstand voraussezen; wenn
man ferner erwägt, daß der Sauerstoffgehalt der ausströmenden Luft nur von der
überschüssig durchgeströmten Luft herrührend und also geringer seyn muß, als der der
Atmosphäre, so ist es einleuchtend, daß die Summe der überhaupt durch die Bildner
gestrichenen Luft gefunden werden könne durch Vergleichung der in Wirklichkeit
gebildeten Menge Essigsäure mit dem Verhältniß des Sauer- und Stikstoffs der
ausströmenden Luft. Es ist mit anderen Worten die Quantität der ausströmenden Luft
gleich dem Stikstoff des wirklich thätig gewesenen Theils und dem ganzen,
unverändert durchpassirten Antheil zusammen genommen. Jener, der Stikstoff, ergibt
sich aber aus der Menge des zu Essigsäure gewordenen Alkohols. Bezeichnet 1/n das Sauerstoffverhältniß der ausströmenden Luft, a den Stikstoff des zur Essigbildung verwendeten Theils
und x die überschüssige Luft, so ist (Sauerstoffgehalt
der Atmosphäre 21,00 Proc. des Vol.):
0,21 nx = a + x, also x = a/(0,21 n – 1)
und die ganze Menge der ausströmenden Luft = (0,21 an)/(0,21 n –
1.)
Der Bestimmung dieser Quantität muß also die Ermittelung der wirklich gebildeten
Menge Essigsäurehydrat, so wie die Untersuchung der ausströmenden Luft
vorangehen.
Untersuchung der Stärke des Essigs. Die gewöhnliche
Methode, nach welcher der Essig mit Ammoniak neutralisirt wird, so lange, bis die anfangs zugesezte
Lakmustinctur wieder blau wird, gewährt für den vorliegenden Zwek nicht hinlängliche
Genauigkeit. Man bestimmte deßhalb den Säuregehalt des Essigguts, welches eben die
Gradirfässer verlassen hatte, nachdem es darin 48 Stunden in Arbeit war, durch
reinen Kalkspath. Einem genau bestimmten Gewicht Essig wurde feingepulverter
Kalkspath zugesezt, das Ganze lauwarm gehalten und der Rükstand nach geschehener
Sättigung gewogen. Zur Controle diente die directe Bestimmung des aufgelösten Kalks
durch Fällung mit kleesaurem Ammoniak.
1) 21,576 Essig hinterließen von 4,759 Kalkspath 4,290, entsprechend 2,597 Proc.
Essigsäurehydrat.
2) 54,130 Essig hinterließen von 12,478 Kalkspath 11,396, entsprechend 2,388 Proc.
Essigsäurehydrat.
3) 54,130 Essig neutralisirt und mit kleesaurem Ammoniak gefällt, gaben 1,038
kohlensauren Kalk, entsprechend 2,339 Proc. Essigsäurehydrat.
4) 42,05 Essig hinterließen von 3,629 Kalkspath 2,632, entsprechend 2,830 Proc.
Essigsäurehydrat.
5) 42,05 Essig neutralisirt und mit kleesaurem Ammoniak gefällt gaben 0,965
kohlensauren Kalk, entsprechend 2,742 Proc. Essigsäurehydrat.
6) 42,042 Essig hinterließen von 3,021 Kalkspath 2,053, entsprechend 2,751 Proc.
Essigsäurehydrat.
7) 34,063 Essig erforderten von einer Lösung zu 3,48 Proc. kohlensaures Kali 29,23,
entsprechend 2,610 Proc. Essigsäurehydrat.
Im Mittel 2,608 Proc. Essigsäurehydrat.
Das Essiggut, in dem Zustand, in welchem es die Gradirfässer verläßt, ist noch nicht
vollständig gesäuert, enthält mithin noch unveränderten Alkohol, welcher in Rechnung
gebracht werden muß. Man erhält denselben in einen geringen Umfang eingeengt als
starken Weingeist, wenn man den vorher abgestumpften Essig mit der Vorsicht
destillirt, daß das Kühlrohr sehr kalt gehalten und gegen die Retorte zu stark
geneigt wird. Nur die flüchtigsten (alkoholreichsten) Dämpfe gelangen dann in die
Vorlage.
1) 381,5 Gr. (spec. Gew. des Essigs = 1,0038) vorsichtig mit schwacher Aezkalilauge
genau neutralisirt, gaben 18,427 Gr. Destillat mit dem spec. Gew. = 0,9774 bei
21° C.; ferner 18,84 Gr. Destillat mit dem spec. Gew. = 0,9980 bei 21°
C.
Das erste Destillat enthält also 3,62 Proc. absoluten Alkohol, das zweite 0,5 Proc.,
also der Essig 1,0 Proc. absoluten Alkohol.
2) 602 Gr., 4 Essiggut lieferten 55 Gr., 3 Destillat zu 0,9870 spec. Gew., entsprechend 5,53 Proc.
des Destillats, also 0,92 Proc. des Essigs.
In 100 Theilen von den Bildnern abgenommenen, den Lagerfässern zu übergehenden
Essigs, sind also nach diesen Bestimmungen enthalten:
96,4
Wasser,
2,6
Essigsäurehydrat,
1,0
Alkohol,
–––––
100,0.
Untersuchung der aus den Gradirfässern ausströmenden
Luft. Daß eine nur unvollkommene Sauerstoffentziehung derselben auf ihrem
zurükgelegten Wege stattgefunden hat, beweist schon der oberflächliche Versuch eines
eingehaltenen brennenden Spans, welcher darin keineswegs erlischt. Zur genauen
Bestimmung des rükständigen Sauerstoffs diente Gay-Lussac's Methode, welcher denselben aus dem Gasgemenge mittelst
zuvor mit verdünnter Schwefelsäure benezten Kupfers absorbiren läßt. Besonders
zwekmäßig ist zur Dike des Postpapiers ausgewalztes Kupferblech, welches man
blankgescheuert zusammenrollt und in die graduirte Versuchsröhre einführt. Zwei bis
drei Stunden reichen zur vollkommenen Absorption hin; man beobachtete indessen
jedesmal erst am folgenden Tage, also nach 8–12 Stunden. – Wie von
selbst einleuchtet, ist es wesentlich, daß bei dem Probenehmen die äußere Luft
vollständig ausgeschlossen bleibt; zu dem Ende richtete man die dazu bestimmte
Flasche in folgender Weise vor. Durch den die Mündung verschließenden Kork gehen
zwei (etwa 0,5 Linien weite) Glasröhren; die eine bis auf den Boden, die andere nur
wenig in den Hals der Flasche. Erstere ist nach Außen kürzer, leztere um etwa 2 Zoll
länger. Wird der Apparat mit einer Flüssigkeit gefüllt und umgekehrt, so fließt
dieselbe durch das zweite Rohr, gleichsam als dem längeren Heberschenkel, aus, die
Luft strömt dagegen durch das erstere, als dem kürzeren, ein. Man hat also nur
nöthig, die zweite (länger hervorragende) Röhre (mit etwas Wachs etc.) zu
verschließen, beide bis an die Mündung der Flasche in eines der oberen Zuglöcher
einzuführen, so wird im Augenblik, wo man den (Wachs-) Pfropf abstößt, die
Flasche anfangen sich mit Flüssigkeit zu entleeren und mit der zu untersuchenden
Luft anfüllen. Da während des Umkehrens nur eine Röhre offen ist, so kann wegen des
engen Durchmessers weder Wasser ausfließen, noch Luft eindringen, man ist also mit
dieser Vorrichtung sicher, reine Proben zu erhalten.
Außerdem ließe sich voraussezen, daß die Intensität, mit welcher die Verwandlung
einer bestimmten Menge Branntwein in Essig geschieht, während der Dauer der Verwandlung wechsele, daß
mithin ein einzelner Versuch leinen Anhaltspunkt gewähre. In dem Folgenden hat man
darum die Säurung einer Mischung (von 2 Ohm 46 Maaß) mit der Luftanalyse
schrittweise Verfolgt, in der Art, daß die Proben nacheinander in Verschiedenen
Perioden der Bildung dem Faß entnommen wurden.
Probe 1) Aus dem Fasse I. entnommen, als die frisch
aufgegossene Mischung anfing abzulaufen, also gerade im Beginn des Processes.
Temperatur im Faß 25° C., durch die kältere Mischung herabgestimmt.
2) Deßgleichen aus dem Fasse VI., worin 31°,0 C.
3) Aus dem Faß I. 1/2 Stunde nach 1) Temperatur im Bildner 28° C.
4) Nach dem 2ten Aufpumpen der Mischung aus dem Faß I. bei 28° C. nach 4
Stunden.
5) Deßgleichen aus Faß I. etwas später als 4) Temperatur im Bildner 29° C.
6) Deßgleichen aus Faß VI. bei 27° C. (gleichzeitig mit 5).
7) Nach dem 8ten Aufpumpen, nachdem das Gut abgelaufen war, nach 26 Stunden.
Temperatur im Bildner 34° C.
8) Nach dem 9ten Aufpumpen, während die Fässer in Thätigkeit waren, aus Faß I. bei
30° C. nach 30 Stunden.
9) Deßgleichen aus dem Faß VI. bei 32° C.
10) Nach dem 12ten Aufpumpen, nach 38 Stunden aus Faß I. bei 26° C.
11) Deßgleichen aus Faß VI. bei 26° C.
In nachstehender Tabelle sind die analytischen Resultate der beschriebenen Proben
nach vorgenommener Correction der Temperatur und Feuchtigkeit zusammengestellt:
No. der
Probe.
Untersuchte Luft
inKubikcentimeter.
Absorbirter Sauerstoff
inKubikcentimeter.
Zuruͤkgebliebener Stikstoff
inKubikcentimeter.
Sauerstoff in 100der
untersuchten
Luft.
No. 1.
31,44
6,42
25,02
20,61
–
2.
30,04
6,07
24,97
20,21
–
3.
22,54
4,45
18,09
19,74
–
4.
32,05
5,51
26,54
17,19
–
5.
33,59
5,63
27,96
16,78
–
6.
32,15
6,29
25,86
19,56
–
7.
32,51
5,73
26,78
17,62
–
–
32,80
6,11
26,69
18,63
–
8.
33,52
6,34
27,18
18,94
–
9.
32,90
6,31
26,59
19,18
– 10.
33,20
6,40
26,80
19,26
–
–
33,50
6,59
26,96
19,67
– 11.
33,90
6,60
27,30
19,47
–
–
31,54
6,08
25,46
19,28
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Controll-
Versuch
19,10
Mittel.
– 12.
27,01
5,79
21,22
21,43
Die vorliegenden Zahlenresultate erscheinen in mehrfacher Beziehung auffallend; sie
zeigen zuvörderst, daß bei dem gewöhnlichen Gang und Einrichtung der Essigbilder nur
1/10 des in der Luft durchströmenden Sauerstoffs absorbirt wird, 9/10 aber
unverändert ausströmen; sie zeigen ferner, daß die Sauerstoffaufnahme, also die
Essigbildung mit beinahe gleichbleibender Intensität fortschreitet, obgleich die
Temperatur der Bildner sehr wechselt. Leztere, die Faßtemperatur, kann also nicht
wohl als Maaßstab für den guten Gang des Processes gelten: so wenig es nämlich
bestritten werden kann, daß durch die Sauerstoffaufnahme des Alkohols Wärme in den
Fässern frei und als Temperatur fühlbar wird, so wirken doch äußere Umstände, wie
Temperatur des Locals, der aufgegossenen Mischung etc. bald abkühlend, bald im
entgegengesezten Sinne darauf ein.
Wie die Versuche ergeben, ist nun der Sauerstoffgehalt in 100 Volumtheilen
ausströmender Luft im Durchschnitt 19,1. Das Verhältniß beider ist mithin 100 : 19,1
= 19,1/100 = 1/5,2356 = 1/n in dem oben gegebenen
allgemeinen Ausdruk. Da das jedesmalige Mischungsquantum weiterhin 2 Ohm 46 Maaß
Essig zu 2,6 Proc., also 824 Pfd. Essig liefert, worin 21,4 Pfd. Essigsäurehydrat
enthalten sind, so ergibt die Rechnung, daß zur Bildung desselben (der 21,4 Pfd.)
1311 Kubikfuß (bei der Temperatur des Locals = 26° C.) erforderlich waren;
275 Kubikfuß wurden davon als Sauerstoff dem Essiggut einverleibt, 1036 Kubikfuß
Stikstoff (bei 26°) entweichen dagegen durch die oberen Oeffnungen mit der Temperatur des
Fasses. Beide Daten zusammengefaßt, nämlich n = 5,2356,
a = 1036, ergibt sich für die Masse der unthätig
durchgestrichenen Luft:
x = 1036/(0,21 × 5,2356 – 1) = 10415
Kubikfuß bei 26°Auf 1 Pfd. Alkohol 647 Kubikfuß, auf 1 Pfd. Essigsäurehydrat 487 Kubikfuß
Luft..
Rechnet man dazu 1036 Kubikfuß Stikstoff, so ist die Masse der während der Säurung
ausgeströmten Luft 11451 K. F., der überhaupt in das Faß gestrichenen Luft 11726 K.
F., eine sehr beträchtliche Quantität. – Bei dem bekannten Durchmesser der
Zugöffnungen, deren in der Regel 4 offen sind, entspricht dieß einer Geschwindigkeit
von 1,3 Zoll in der Secunde bei 48 Stunden Arbeitszeit. – Da man auf 1 Pfd.
Essigsäurehydrat 55,9 K. F. Luft der Theorie nach nöthig hätte, in der Wirklichkeit
aber 548 K. F., also gerade das Zehnfache angewendet hat, so ist es einleuchtend,
daß dieser Ueberschuß einen sehr schädlichen und fühlbaren Einfluß auf die
Production äußern muß, sowohl durch Wärmeentziehung, als auch durch Verdampfung von
Weingeistdämpfen. Die Größe dieses Einflusses läßt sich aber aus den gegebenen Daten
mit Genauigkeit finden.
Die jedesmal in Arbeit genommene Mischung von 180 Maaß Wasser, 20 Maaß Branntwein
(spec. Gew. = 0,9430, entsprechend 35,5 Proc. dem Gewicht nach) und 6,5 Maaß Essig
(gelagerten à 3,5 Proc.) beträgt nach Pfunden
ausgedrükt, wenn man den als Ferment zugesezten Essig unberüksichtigt läßt:
Wasser,Alkohol
768,5
Pfd. 27
––––––––––795,5 –
oder
WasserBranntwein à 45 T.
720
Pfd 75,5 –––––––––795,5
Pfd.
Auf der anderen Seite beträgt die in der Praxis daraus erzeugte Quantität Essig (zu
2,6 Proc. Essigsäurehydrat und 1 Proc. Alkohol) 206 Maaß, welche nach Abzug jener
6,5 Maaß als Ferment zugesezten fertigen Essigs entsprechen:
WasserEssigsäurehydratAlkohol
769
Pfd. 21 – 8 ––––––––798
Pfd.
oder
WasserEssigsäurehydratBranntwein à 55
T.
754,5 21,0 22,5–––––798,0
Das Gesammtresultat des Gradirprocesses in den Bildnern beschränkt sich also auf die
Bildung von 21 Pfd. Essigsäurehydrat oder die Oxydation einer entsprechenden Menge
Branntwein, nämlich 45,3 Pfd. à 54 Trall. (= 16,1
Pfd. Alkohol). – Es waren nun der Einwirkung der Luft überhaupt 75,5 Pfd.
Branntwein geboten, davon findet man 22,5 Pfd. unverändert im Essig, mithin sind 75,5 – 22,5 =
53 Pfd. in den Fässern verschwunden. Diese lezteren sollten sich eigentlich
vollständig als Essigsäure wieder vorfinden, was nicht der Fall ist; nur 45 Pfd.
davon sind als Essigsäure (21 Pfd.) erhalten worden und der Rest, oder 53 –
45 Pfd. = 8 Pfd. sind der bei der Fabrication sich ergebende Verlust. Derselbe
beträgt demnach etwas mehr als 10 Proc. nach dem Gewichte oder 8,5 Maaß von der Ohm
(= 80 Maaß) des angewandten Branntweins.
Begreiflicher Weise bewirkt die Unvollkommenheit des Verfahrens nicht allein eine
Verminderung der Stärke, sondern auch der absoluten Menge des Products, welche der
Theorie nach größer werden müßte. Wenn man den als Ferment zugesezten fertigen Essig
nicht berüksichtigt, so besteht die verarbeitete Mischung aus:
720 Pfd.
Wasser,
75,5 –
Branntwein,
–––––––
795,5
Mischung.
Da nun 8 Pfd. Branntwein verloren gehen, so ist dasjenige Quantum Gemisch, welches
für die Essigbildung übrig bleibt.
720 Pfd.
Wasser,
67,5 –
Branntwein,
–––––––
787,5.
Nach Oben haben nur 45 Pfd. der Säurung unterlegen, indem sie 11 Pfd. Sauerstoff
aufnahmen, das Uebrige hat sich nicht verändert. Nach der Berechnung sollten daher
aus 787,5 Gemisch entstehen 787,7 + 11 = 798,5 Pfd. Essig, nach Abzug des Verlustes
an Branntwein. Die aus der Praxis sich ergebende Ausbeute ist 203 bis 204 Maaß oder
nach Abzug der zugesezten 6 Maaß 197 bis 198 Maaß = 788 bis 792 Pfd., also um 7 bis
10 Pfd. geringer, als die berechnete. Das Verlorne ist nur Wasser, welches von den
11,451 Kubikfuß Luft dampfförmig weggeführt wurde.
Bei der Temperatur, mit welcher dieselben aus dem Faß austreten (31° C.),
nahmen sie den Raum von 11657 K. F. ein. Nach Biot
verhält sich aber der Wasserdampf zu der bei 31° zu seiner Verdunstung
erforderlichen Luft dem Raume nach, wie 1 : 23,46, d.h. 11657 K. F. Luft haben bei
31° C. sich mit 497 K. F. Dampf beladen, vorausgesezt, daß die Luft damit
gesättigt war; 497 K. F. Dampf wiegen 11 Pfd., woraus man schließen muß, daß diese
Voraussezung, nämlich die vollkommene Sättigung der Luft mit Wasserdampf nicht ganz,
aber doch nahe richtig ist. Wäre dieß genau der Fall, so mußten nicht 7–10
Pfd., sondern 11 Pfd. Wasser durch Verdunstung verloren gehen.
Die Luft belädt sich also beim Durchströmen durch die sehr zertheilte Flüssigkeit mit Wasser-
und Alkoholdämpfen bis zu einem Punkte, welcher wenigstens für ersteren der
Sättigung nahe kommt, und bewirkt auf diese Weise den berechneten Verlust.
Es war naheliegend und von Interesse, auf dem Wege der Erfahrung auszumitteln,
inwiefern bei übrigens gleichen Umständen der Grad der Verdünnung des
Branntweingemisches auf die Größe des Verlustes influire, oder was dasselbe ist, ob
es für den Fabrikanten mehr Vortheil bietet, einen gewöhnlichen Essig unmittelbar,
oder durch Verdünnung eines stärker dargestellten mit Wasser zu verfertigen. Um
hierüber ins Reine zu kommen, war es hinreichend, die oben angeführten Versuche auf
ganz gleiche Weise bei einer branntweinreicheren Mischung zu wiederholen. Die
schwächere Mischung der ersten Versuche enthielt 1/9 Branntwein, die stärkere, auf
deren Säurung sich die folgenden Versuche beziehen, enthielt auf 180 Maaß Wasser 38
Maaß Branntwein à 45 Proc. T., welche indessen
nicht auf einmal, sondern in 2 Portionen nacheinander zugegossen wurde.
Die Quantität von 180 Maaß Wasser, 38 Maaß Branntwein und 11 Maaß Essig, zusammen
also von 868 Pfd., blieb 48 Stunden in Arbeit, während welcher Zeit die folgenden
Luftproben in verschiedenen Zeitabständen genommen wurden.
No. 1. Aus dem Fasse I. entnommen. Temp. des Fasses
30° C., des Zimmers 29° C. Die Mischung enthielt erst 19 Maaß
Branntwein. Beim ersten Aufgießen.
No. 2. Beim zweiten Aufgießen aus Faß I.; Temperatur wie
bei No. 1.
No. 3. Aus dem Faß I., nachdem das ganze
Branntweinquantum aufgegeben und zum drittenmal aufgegossen war. – Temp. des
Fasses und Zimmers 29° C.
No. 4. Aus Faß I. nach dem vierten Uebergießen,
Temperatur wie oben bei 1.
No. 5. Aus dem Faß I. nach dem siebenten Aufpumpen.
Temp. des Fasses 33°, des Zimmers 29°.
No. 6. Aus dem Faß I. nach dem neunten Aufpumpen. Temp.
33° C., des Zimmers 29°.
No. 7. Aus Faß VI. Temp. darin 33°, des Zimmers
29° nach dem eilften Aufgießen.
Die folgende Tabelle enthält die Resultate der mit den Proben angestellten Analysen,
nach deren Correction für Temperatur etc. zusammengestellt:
No. der
Probe.
Kubikcentimet. untersuchte
Luft.
Kubikcentimet. absorbirter Sauerstoff.
Kubikcentimet.zuruͤkgebliebener
Stikstoff.
Procent Sauerstoff der
untersuchten
Luft.
No. 1.
33,10
6,25
26,85
18,88
– 2.
31,40
5,86
25,54
18,66
– 3.
27,60
5,20
22,40
18,84
– 4.
33,02
6,07
26,95
18,
38
– 5.
32,13
5,87
26,26
18,27
– 6.
32,88
5,48
27,40
16,67
– 7.
32,30
6,21
26,09
19,22
––––––––––––––––––
Controll-
18,41 im
Mittel.
Versuch.
313,36
66,67
246,69
21,26
Die Stärke des Essigs, nachdem derselbe 48 Stunden in den Fässern gradirt worden war,
ergab sich in drei Versuchen zu 2,63 im ersten, 2,84 im zweiten und 2,75 im dritten
Versuche, also im Mittel zu 2,74 Proc. Essigsäurehydrat.
Man sieht hieraus, daß durch den größeren Branntweinzusaz weder die Absorption von
Sauerstoff, noch auch die Stärke des Essigs um ein wesentliches gesteigert, also
auch der statthabende Verlust nicht bemerkenswerth gemindert wurde. Es wird den
Fabrikanten Essig aus 20 Maaß Branntwein, oder zu 2,6 Proc. vor der Lagerung, eben
so hoch zu stehen kommen, wenn er denselben aus der stärkeren Mischung durch
Verdünnen oder unmittelbar darstellt.
––––––––––
Die bisher dargelegten Thatsachen lassen auf mehrere für die Fabrication nicht
unwichtige Umstände schließen.
Wenn auch die gemachten Beobachtungen in ihrem ganzen Umfang nur für den speciellen
Fall und die besondern Umstände, unter welchen sie angestellt wurden, wahr sind, so
lassen sich doch daraus auf die Schnellessigfabrication im Allgemeinen Folgerungen
ziehen, welche Beachtung verdienen.
Es kann zuvörderst nicht geläugnet werden, daß der zu 10 Proc. des verwendeten
Branntweins berechnete Verlust in dem Falle geringer ausfallen muß, wo die aus dem
Bildner austretende Luft durch Röhren unmittelbar ins Freie geleitet, folglich
verhindert wird, sich mit der frischen Luft des Zimmers zu vermischen, wie es denn
auch in besser eingerichteten Localen geschieht. Der Verlust wird bei dieser
Einrichtung vermindert, keineswegs aber gehoben; ohnehin konnte die Einmischung
verbrauchter Luft in frische eintretende wegen der vortrefflichen Ventilation des
beschriebenen Locals von keiner Bedeutung seyn. Nach der Erfahrung der Praktiker,
wie auch Liebig in seiner Abhandlung anführt, sinkt der
Verlust selbst bei dem besten Gang und tadelloser Einrichtung niemals unter
7–8 Proc. des Essigquantums, welches man nach der Berechnung erhalten sollte.
Otto äußert in seinem sonst eben so gründlichen als
umfassenden „Lehrbuch der
Essigfabrication“ die Meinung, als ob die Verdichtung der von
der Luft entführten Essig- oder Weingeistdämpfe ganz und gar überflüssig und
unbelohnend sey – eine Meinung, welcher nach der entwikelten Erfahrung
rationelle Fabrikanten nicht beipflichten können. Wohl aber ist die Art und Weise,
wie man diese Verdichtung zu bewerkstelligen geglaubt hat, wie sie wenigstens in
einigen Werken über Essigfabrication vorgeschlagen wurde, als gänzlich widersinnig
zu verwerfen. Nach dieser Proposition sollte die aus den Fässern strömende Luft
vermittelst Röhren gesammelt werden, welche sich in einem Hauptrohre vereinigen;
lezteres tritt durch die Wand in ein anliegendes kühles Local, um darin abwärts nach
einem Kühlfasse zu steigen und als Schlange nach einiger Wendung daselbst
auszutreten. Bedenkt man nun, daß der Luftwechsel in den Essigbildnern auf gleiche
Weise bedingt ist, wie der Zug in Kaminen, nämlich in dem Temperaturunterschied der
Luft innerhalb, als der wärmeren, und außerhalb, als der kältern; daß also die
verhältnißmäßig kühlere Luft der Essigstube über die wärmere und also leichtere des
Fasses ein Uebergewicht hat, also fortwährend in das Faß einfallend, diese
verdrängt, so kann man sich leicht einen Begriff von der Wirksamkeit eines Apparates
machen, welcher die Grundbedingung des Zugs, also auch der Säurung in den Fässern
geradezu aufhebt.
Die Ursachen des Verlustes an Branntwein sind nicht eigentlich in der Natur der Sache
liegend und unvermeidlich, sondern innerhalb der Gränzen einer möglichen
Verbesserung. Drei Punkte sind es aber, nach welchen hin eine solche gerichtet seyn
muß; einmal die Vermeidung überschüssiger, also möglichst
vollständige Absorbtion des Sauerstoffs der einströmenden Luft, zweitens
bessere Oekonomie der bei der Essigbildung auftretenden Wärme, endlich drittens
Wiedergewinnung der entwichenen Dämpfe auf einem Weg, welcher den Gang der Fässer
nicht stört.
Der erste Punkt ist mit den meisten Schwierigkeiten verknüpft; in der That ist die
Zertheilung der Essigmischung, oder was dasselbe ist, die Oberfläche derselben, mit
welcher diese in Berührung kommt, in den gewöhnlichen Gradirfässern weniger groß als
man der Einrichtung nach voraussezen sollte. Die Schuld liegt zum Theil daran, daß
die Siebbütte wegen Ungenauigkeit ihrer Stellung und Verschleimung der Oeffnungen
die Mischung nicht gleichförmig über den ganzen Querschnitt des Fasses, sondern
einseitig vertheilt; theils auch darin, daß man das Gemisch, anstatt in einem
gleichförmigen ununterbrochenen Regen, sich schokweise über die Späne ergießen läßt.
Es müssen hiedurch abwechselnd Intervalle entstehen, in welchen die Luft bald die
Masse des niedertropfenden Essigs nicht bewältigen kann, bald nicht hinreichend Gut
zur Säurung vorfindet.
Es ist der Erfahrung gemäß, daß die Wärme, welche durch Säurung (Verbrennung zu
Essigsäure) aus dem Alkohol entwikelt wird, vollkommen hinreicht, um eine Mischung
der obigen Art auf der Temperatur der Essigbildung zu erhalten. Die Zimmerheizung
hat demnach einzig und allein den Zwek, das, was an jener Wärme verloren geht, zu
ersezen.
Je kleiner nun die Quantität Essiggut, welche man auf einmal bearbeitet, um so größer
der Wärmeverlust. Unsere gewöhnlichen Schnellessigfabriken leiden sämmtlich an dem
Uebelstand, daß die tägliche Production an Essig, in einer Anzahl Fässer vertheilt
bearbeitet wird, welche eine allzugroße Abkühlung bedingt und das erforderliche
Zusammenhalten der entwikelten Wärme verhindert. Jeder Fabrikant weiß, daß wenn man
Gefäße von einer gewissen Kleinheit anwendet, also für das tägliche Quantum
5–6mal so viel kleinere Fässer, als man gewöhnlich größere benuzt, man die
Gränze erreicht, über welche hinaus die Schnellessigbildung nicht mehr möglich ist.
Bei der bekannten Einrichtung der Stuben (mit 6 Fässern auf ein tägliches Quantum
Essig von etwa 1 1/2 Ohm) hat man sich von dieser Gränze weniger fern gehalten, als
es nothwendig scheint.
Der Wiedergewinnung der Weingeistdämpfe durch Verdichtung endlich hat man bisher
wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
Dem Tact und der umsichtigen Gewandtheit der Engländer, welche dieses Volk immer
bewiesen hat, wenn es sich darum handelt, der Anwendung fähige wissenschaftliche
Grundsäze oder Erfahrungen praktisch auszubeuten; der Fertigkeit, die industriellen
Kräfte den in der Natur des Gegenstandes liegenden Bedingungen mit dem größten
Effect auf die einfachste Weise anzupassen; mit einem Wort, der außerordentlichen
Geschiklichkeit in der „Kunst zu fabriciren“, welche man in
jedem englischen Etablissement zu bewundern Gelegenheit hat, ist es gelungen, alle
Schwierigkeiten mit Erfolg zu überwinden, denen man bei der Schützenbach'schen Essigfabrication begegnet. Ein Blik auf die Art des
Betriebs, wie man sie gegenwärtig in jenem Lande befolgt, mag davon überzeugen.
Bekanntlich ist die Darstellung des Essigs aus Branntwein unmittelbar, in Folge des Preises und der hohen Besteuerung des lezteren
(in England) unzulässig. Die trokene Destillation des Holzes war bisher eine
Hauptquelle für den Essigbedarf der brittischen Inseln und wurde lediglich zu diesem
Zwek in weitläufigen Etablissements vorgenommen. Kosten und Schwierigkeit liegen
hauptsächlich in der langwierigen und umständlichen Reinigung. Die englische
Schnellessigfabrication, welche man angefangen hat jener zu substituiren, beruht nun
auf dem Verhalten des Stärkemehls gegen Säuren, welche dieses in Zuker umwandeln.
Man geht also nicht vom Branntwein aus, wie bei uns, sondern von der Stärke und hat
somit zwei Stadien mehr zu durchlaufen, des Zukers, Alkohols und Aldehyds bis zur
Essigsäure. Das Natürlichste war nun, die aus der Stärke dargestellte gegohrne
Zukerflüssigkeit von der Schwefelsäure durch Destillation zu trennen. In diesem
Falle würde aber das Destillat von der Behörde sogleich als Branntwein declarirt und
der Steuer unterworfen werden. Man trennt daher die Schwefelsäure nicht von der
geistigen Flüssigkeit, sondern läßt alles zusammen den Essigproceß durchlaufen, um
erst den fertigen Essig von der Schwefelsäure abzudestilliren, was natürlich im
Wesentlichen jenes Processes nichts ändert. Die gebräuchliche Methode der
Essigbildung ist die Schützenbach'sche und die
Einrichtung folgende.
Ein sehr großes, schwach konisches Faß, am Boden 14, oben 15 Fuß weit, bei 13 Fuß
Höhe, liefert täglich dieselbe Essigmenge, welche bei uns in derselben Zeit von 6
Fässern (8' hoch 4' weit)
abgenommen wird. Man darf nicht übersehen, welchen Vortheil ein derartiges Faß schon
durch das größere Verhältniß des Inhaltes zum Umfange gewährt; die Oberfläche des
leztern ist nämlich nicht größer, als die der sechs gewöhnlichen Essigbildner
zusammengenommen (das englische hat 611 Quadratfuß, die sechs zusammen 603
Quadrats.), dagegen übertrifft sein Inhalt (2145 Kubikfuß) 3,5mal den Gesammtgehalt
der sechs andern (603 Kubikfuß). Eine nothwendige Folge davon ist das bessere
Zusammenhalten der Wärme; in der That geschieht die selbstständige Erwärmung des
Fasses so vollkommen, daß man das Local zu heizen niemals nöthig hat, wobei das
mildere Klima Englands allerdings nicht ohne Einfluß ist. – Seiner Höhe nach
ist ein solches Faß durch einen falschen Boden, etwa 2,5 Fuß über dem wirtlichen in
zwei Abtheilungen getheilt; die obere ist mit kleinen Holzabschnitten angefüllt, die
untere ist zum Auffangen der Mischung bestimmt. – In einer gewissen Höhe (um
hinreichend Fall zu erzeugen) über dem Faß ist das Reservoir für die Mischung
angebracht; ein Rohr steigt daraus senkrecht nieder, geht durch eine weite Oeffnung
des Faßdekels und trägt unterhalb desselben (des Dekels) ein Kreuz aus zwei Röhren,
deren Länge etwas weniger als der Durchmesser des Fasses beträgt. Jede der drei
Röhren ist senkrecht auf die beiden andern gerichtet; die zwei leztern liegen
horizontal wenige Zolle
über den Holzabschnitten unter dem Dekel. Die Enden der Röhren sind überall
geschlossen und der einzige Ausweg, welchen man der darin herabfließenden Mischung
gelassen hat, ist eine Reihe kleiner Oeffnungen, welche an der unteren Seite des
Kreuzes längs der Achse der Röhren angebracht sind. Das Röhrenkreuz selbst ist in
dem oben befindlichen Behälter drehbar und wird mittelst der Betriebskraft
(Dampfmaschine) in einer langsamen Rotation um die Achse des senkrecht absteigenden
Rohrs erhalten. Die Mischung entströmt nur in dünnen Strahlen der untern Fläche des
Kreuzes und besprengt nach und nach gleichmäßig, so wie die Achsendrehung erfolgt,
die ganze Oberfläche der Späne oder vielmehr Holzabschnitte. Daß eine solche
Vorrichtung den Zwek der gleichmäßigen Zertheilung besser erfüllt, als die
gewöhnlichen Siebhütten, ist einleuchtend; sie ist ganz dieselbe, welche die
englischen Brauer anwenden, um Malz zu infundiren. Die Mischung geht also
nacheinander aus dem Reservoir in den Besprengapparat, von da durch die Späne,
sammelt sich im untern Raum des Fasses, um nach Oben zurükgepumpt zu werden, worauf
sie ihren Weg von neuem beginnt.
Nicht minder vortheilhaft ist der Luftzufluß in den Fässern etablirt. Die
Lufterneuerung geschieht nämlich nicht nach dem Princip der Kamine, sondern in
umgekehrtem Sinne von Oben nach Unten, mittelst einer hydraulischen Pumpe. Was den
Eintritt der Luft betrifft, so geschieht dieser durch dieselbe Oeffnung im Dekel,
durch welche das Zuflußrohr der Mischung eintrifft, indem jene, viel weiter als der
Röhrendurchmesser, dafür einen Zwischenraum läßt. Die Luftpumpe besteht im
Wesentlichen aus zwei in einen Wasserbehälter umgestülpten Gefäßen (sie sind an den
übrigen Seiten durch die Wände, gegen Unten aber durch den Wasserspiegel
geschlossen), welche durch die (Dampf-) Kraft abwechselnd bis fast über den
Spiegel des Sperrwassers gehoben und wieder gesenkt werden, so daß beide in jedem
Moment genau die entgegengesezte Stellung einnehmen. Beim Aufsteigen wird also die
Luft streben in das Gefäß einzudringen, beim Niedergehen daraus zu entweichen.
Vermöge der ganzen Disposition wird nun zur Erfüllung des aufsteigenden Gefäßes Luft
mitten aus dem Faß verwendet und beim Niedergehen genöthigt,
durch das Sperrwasser zu entweichen. Dicht unter dem falschen Boden nämlich
ist seitswärts durch die Dauben ein Luftsaugrohr eingelassen, welches bis zum
Centrum des Fasses ragt, um dort auszumünden; damit die saugende Wirkung sich mehr
über den Querschnitt des Fasses ausbreite, ruht über dieser Mündung (parallel mit
dem Boden) eine Scheibe von Holz von etwa 5'
Durchmesser, welche zugleich das herabträufelnde Essiggut verhindert, in das
Luftrohr zu gelangen.
– Der außer dem Faß befindliche Theil desselben geht nach der hydraulischen
Pumpe, um sich vor derselben in zwei Schenkel zu theilen, von denen jeder in den
Boden eines der Aspirationsgefäße mittelst eines nach Innen sich öffnenden Ventiles
eintritt. Neben diesem ist ein zweites Ventil, aber mit entgegengesezter Bewegung
angebracht, und zwar so eingerichtet, daß es sich erst dann öffnet, wenn es unter
den Wasserspiegel getreten ist. Das Spiel dieses einfachen Mechanismus ist von
selbst verständlich. Beim Aufsteigen tritt die Luft aus dem Faß in das Saugrohr und
füllt das Gefäß, nach vollbrachtem Niedergang läßt das zweite Ventil die aufgesaugte
Luft durch das Wasser entweichen. Während sich das erste Gefäß füllt, ist das zweite
im Entleeren begriffen, die Pumpe wirkt also stetig.
Die Vortheile einer solchen Einrichtung liegen auf der Hand; die durch die
Alkoholverwesung entwikelte Wärme wird viel vollständiger zusammengehalten. Die
Zertheilung der Mischung ist vollkommen gleichförmig und ohne Unterbrechung. Ferner
hängt die Ventilation des Bildners nicht von seinem Wärmezustand ab und kann mit
Leichtigkeit so regulirt werden, wie es der Zufluß der Mischung erfordert.
Alle Weingeistdämpfe werden in dem Sperrwasser verdichtet und bleiben darin zurük; da
man nun dieses zur Anfertigung der Mischung benuzt, so wird der verdunstete
Weingeist zu Gute gemacht und der Verlust, der bei dem gewöhnlichen Verfahren
7–10 Proc. beträgt, auf 0 reducirt.
Zur Beurtheilung des Ganges der Säurung untersucht man die Fähigkeit der aspirirten
Luft, die Verbrennung zu unterhalten. Ein Lunten aus Bindfaden, den man mit
Bleizukerlösung imprägnirt und getroknet hat, muß nämlich angezündet, darin gerade
verlöschen. Findet das Gegentheil statt, so vermehrt man die Thätigkeit des
Aspirators. In der Regel ist die Luft so weit entsauerstofft, daß der erste Fall
eintritt, niemals aber ist sie es so wenig, daß ein gewöhnlicher Bindfaden darin
weiter glimmt. Es kann also die Luft nur mit einem unbedeutenden Sauerstoffgehalt
austreten, also auch wenig oder gar keine überschüssige Luft durch das Faß
streichen.
Der Essig wird in dem Bildner unmittelbar fertig, d.h. auf den dort gebräuchlichen
Gehalt von 5,5 Proc. Essigsäurehydrat gebracht und ohne weitere Lagerung dem Handel
übergeben.
Es kann kaum bezweifelt werden, insofern schon eine geringe Betriebskraft ausreicht,
daß wenigstens unsere größeren Fabriken nach dieser Einrichtung mit Vortheil
betrieben werden können. Wo man dagegen den Essig nur nebenbei und in kleinem
Maaßstabe producirt, sind die Verhältnisse natürlich anders.