Titel: | Ueber das Spulen, Doubliren, Zwirnen und Haspeln der Rohseide; von Hrn. Nottebohm. |
Fundstelle: | Band 85, Jahrgang 1842, Nr. LXXXI., S. 331 |
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LXXXI.
Ueber das Spulen, Doubliren, Zwirnen und Haspeln
der Rohseide; von Hrn. Nottebohm.
Aus den Verhandlungen des Vereins zur Befoͤrderung des
Gewerbfleißes in Preußen, 1842, zweite Lieferung.
Mit Abbildungen auf Tab.
V und VI.
Nottebohm, uͤber das Spulen, Doubliren etc der
Rohseide.
Die Seide (soie, silk) wird bekanntlich durch Abhaspeln
der Cocons gewonnen, worin sich der Seidenwurm (Phalaena
bombyx, ver à soie, silkworm) nach Vollendung seines Wachsthums
einspinnt. Die Kenntniß des Seidenbaues wurde im 6ten Jahrhundert durch Mönche aus
Indien oder Persien nach Konstantinopel gebracht und von da aus verbreitete sie sich
über Griechenland nach Italien, Frankreich (1521), und durch die Mauren nach
Spanien.
Die Nahrung des Seidenwurms sind die Blätter des weißen Maulbeerbaums (Morus alba), welcher früher zu den Urticeon, jezt aber zur Familie der Artocarpeen gezählt wird. Die Früchte sind weiß und die
Blätter ungleichseitig, gelappt, gekerbt, gesägt oder auch ziemlich glatt.
Die Seidenwürmer entwikeln sich aus den Eiern eines Schmetterlings durch die Wärme
des Frühlings, oder auch durch künstlich entwikelte Wärme, und häuten sich während
ihrer successiven Vergrößerung drei- bis viermal. Nachdem die Raupen nach
Verlauf von 25 bis 30 Tagen völlig ausgewachsen sind, treiben sie aus zwei
besonderen Oeffnungen ihres Kopfes eine zähe Flüssigkeit in Form eines Doppelfadens,
welcher schnell an der Luft erhärtet, und bilden daraus ein ovales Nest, einen
Cocon, worin sie, zu einer Puppe verwandelt, ungefähr 15 oder 20 Tage liegen, um
dann mit Flügeln, Fühlhörnern und Füßen versehen als Schmetterlinge ein neues Leben
zu beginnen. Unmittelbar nach dieser Metamorphose findet die Begattung statt, und
nachdem die Weibchen schon nach einigen Tagen ihre Eier gelegt haben, endigt ein
schneller Tod ihr ephemeres Daseyn. Bei einer Temperatur von 24° R. vollendet
die Natur das Ausbrüten der Eier in 8 bis 10 Tagen. Zur Einspinnung oder zur
vollständigen Bildung des Cocons gebraucht die Raupe nur 3 bis 4 Tage. Sie fängt
damit an, den Faden nach verschiedenen Richtungen auszuspinnen, um dadurch das
äußere Nezwerk des Cocons zu bilden; deßhalb nimmt die Dike und Stärkst der Fäden
von der Oberfläche des Cocons, wo der Wurm im kräftigsten Zustande seine Arbeit
begann, bis nach Innen zu, wo er sie in einem Zustande gänzlicher Erschöpfung
beendete, allmählich ab.
Von den Cocons werden in den Magnanerien oder Seidenzüchtereien, worin die Würmer
gehegt werden – deren Einrichtung aber nicht Hieher gehört – nur die
schönsten zur Zucht bestimmt. Dagegen müssen die Puppen derjenigen Cocons, welche
zur Gewinnung der Seide benuzt werden sollen, kurz nach dem Einspinnen durch
künstliche Ofenhize, oder durch Wasserdaͤmpfe von etwa 77° R. getödtet
werden, weil ungefähr 18 bis 20 Tage nach dem Einspinnen der entwikelte
Schmetterling das eine Ende des Cocons durchbohrt und herausschlüpft, wodurch an
dieser Stelle die sich kreuzenden Seidenfäden zerrissen und zum Abhaspeln untauglich
gemacht werden. Der Cocon ist etwa 1 1/2 Zoll lang und 1 Zoll dik und liefert 0,011
pr. Loth Seide und eine Fadenlänge von 800 bis 1200 Fuß. 100 Pfd. Cocons geben
durchschnittlich 8 Pfd. gehaspelte Rohseide. Das äußere flokige und das innere
pergamentartig zusammengeleimte Gewebe sind nicht abwikelbar.
Nachdem die Cocons nach ihrer Qualität und Farbe, die bald weiß, bald blaß-
oder hochgelb ist, sortirt sind, erfolgt das Abhaspeln (dévidage, tirage, reeling) derselben. Die dazu benuzten Haspel sind
verschiedentlich construirt. A. Ure theilt in seinem
„Dictionary of arts, manufactures and
mines“ nachstehende Einrichtung mit.
Die Cocons werden in einen länglich-runden, mit warmem Wasser angefüllten,
kupfernen Trog gelegt, wodurch der die Seidenfäden zusammenklebende Leim aufgelöst
wird. Die Fäden von je fünf Cocons werden zunächst durch kleine Ringe geführt, dann
von je zwei Coconsgruppen mehrmals umeinandergeschlungen, wodurch sie aneinander
gerieben, geglättet und gerundet werden, und getrennt abermals durch andere Ringe
gezogen. Darauf werden die Fäden von zwei Cocongruppen zusammen durch eine dritte
Reihe von Ringen gezogen, von Neuem umeinander geschlungen und wieder getrennt, und
endlich, von vier Cocongruppen vereinigt, zu dem eigentlichen Fadenführer und Haspel
geführt, worauf sie spiralförmig aufgewikelt werden, damit sie troknen und nicht
durch den aufgelösten Leim wieder zusammenkleben. Da die Coconfäden, wie bereits
früher bemerkt, von ungleicher Dike sind und auch in der Stärke allmählich abnehmen,
so muß beim Haspeln, um einen egalen Faden zu gewinnen, sehr oft der vervielfachte
Faden um einen vermehrt oder vermindert werden. Ueberhaupt ist zum großen Theil von
der beim Haspeln angewendeten Aufmerksamkeit die Schönheit des Seidenfadens
abhängig.
Die abgehaspelte Seide wird unter dem Namen Rohseide (grèze, grège, eaw silk) in Strähnen in den Handel gebracht
und in den Seidenmühlen oder Filatorien (silk-mills) je nach ihrer späteren Anwendung auf Spulen gewikelt,
doublirt, gezwirnt und gehaspelt.
Die zu der ersten Operation benuzte Maschine ist die
Wikelmaschine, Spulmaschine (Machine à bobines, winding-engine,
throwing-engine).
Dieselbe ist auf Taf. V, Fig. 1, in der
Seitenansicht, Fig.
2 in der Vorderansicht und Fig. 3 im senkrechten
Querdurchschnitt abgebildet. Die Figuren 4, 5 und 6 sind Detailzeichnungen
im größeren Maaßstabe. Gleiche Theile sind mit gleichen Buchstaben bezeichnet.
Mehrere in Entfernungen von sechs Zoll parallel mit einander gestellte Füße a bilden das Maschinengerüst, worauf eine hölzerne Tafel
c zum Auflegen der abzuhaspelnden Strähne geschraubt
ist. Die zu beiden Seiten der Maschine und zwischen je zwei Füßen a angebrachten leichten Haspel (swifts) b drehen sich ungefähr in Mitte der
Höhe der Maschine in den daran befestigten Lagern und sind durch die Latten d, welche an jedem achten Fuß befestigt werden, gegen
Beschädigungen etc. seitens der dabei beschäftigten Personen geschüzt. Jeder Haspel
besteht aus einer der Länge nach durchbohrten hölzernen Nabe zur Aufnahme der Achse
oder Spindel, und aus zwölf dünnen Armen, welche zu je zweien der Quere nach durch
Schnüre verbunden sind, so daß der darauf gebrachte Seidensträhn in der
Seitenansicht sechsekig ist. Auf der Nabe eines jeden Haspels hängt ein loser Ring
mit einem daran befestigten Gewichte, damit in Folge der dadurch erzeugten Reibung
derselbe sich nur in dem Maaße dreht, wie der Faden von den Spulen aufgenommen wird
und diesen also in seiner Bewegung nicht voreilt. Aus den zu beiden Seiten der
Maschine angebrachten, in Pfannenlagern des Gestelles drehbaren Wellen e sind für jeden Haspel zwei Scheiben f befestigt, welche den darauf liegenden, mit kleinen
entsprechend gearbeiteten Scheiben versehenen Spulen g
in Folge der Reibung die Bewegung mittheilen, wie aus Fig. 6 deutlich zu ersehen
ist. Die Einkerbungen in den an dem Tische c befestigten
Consolen dienen als Pfannenlager für die Spulspindeln, und zwar in der Art, daß,
wenn die Spulen in die vordere Einkerbung gelegt werden, die Frictionsscheiben f dieselben drehen, dagegen in den etwas höher liegenden
Einschnitten h keine Berührung, also auch keine Drehung
derselben stattfinden kann. Sie werden aber nur dann in die hinteren Einkerbungen
gelegt, wenn die dazu gehörigen Fäden reißen. Die Spulen, deren specielle Form aus
dem Durchschnitt Fig. 6 zu ersehen ist, sind von Holz und haben einen Durchmesser von
ungefähr 2 Zoll, damit sie einestheils zur Aufnahme einer großen Fadenlänge geschikt
seyen, ohne daß der
Durchmesser und in Folge dessen die Peripherie-Geschwindigkeit zu sehr
vergrößert wird, und anderentheils der Seidenfaden nicht durch zu scharfe Biegungen
beschädigt werde. Man bedekt daher die Spulen nur mit einer dünnen Schicht Fäden und
ersezt sie dann durch leere. Außerdem ist es nöthig, die Fäden spiralförmig über die
ganze Spulenoberfläche zu vertheilen, so daß augenbliklich die Enden der
abgerissenen feinen und halbdurchsichtigen Fäden wieder gefunden und befestigt
werden können. Zu diesem Zwek sind die zwei hölzernen Schiebeleisten k mit den darauf befestigten Fadenführern m angeordnet, welche durch nachstehend beschriebene
Vorrichtung parallel mit den Spulen bewegt werden.
Die am Stirnende der Maschine in zwei Lagern drehbare Welle n wird durch das darauf sizende Stirnrad o,
welches mit irgend einem durch Elementarkraft bewegten anderen Stirnrade mittelst
der Ausrükung p (Fig. 4 und 5) beliebig in und außer
Eingriff gebracht werden kann, in Bewegung gesezt, und diese durch die konischen
Räder q und r auf die
bereits früher gedachten Wellen e, und sofort auch auf
die Spulen übertragen. Ferner ist auf der Welle n, fast
in Mitte derselben, ein elliptisches Rad s befestigt,
welches dem auf einer festen Achse drehbaren Rabe t von
derselben Größe und Form die Bewegung mittheilt. Endlich steht die auf der Fläche
des lezteren Rades festgeschraubte Warze u durch eine
gabelförmige Stange mit den beiden Schiebeleisten k in
Verbindung. Diese Warze, welche dem Mittelpunkte des Rades t (Fig.
5) mehr oder weniger genähert werden kann, muß einen Kreis beschreiben,
dessen Durchmesser gleich dem gewünschten Ausschlage der Schiebeleiste oder gleich
derjenigen Länge der Spulen ist, welche mit Seide bedekt werden soll. Würde statt
dieser Vorrichtung, wodurch der Faden ziemlich gleichmäßig über die ganze
Spulenfläche vertheilt wird, ein gewöhnlicher Krummzapfen angeordnet, so müßten die
Spulen an beiden Enden eine größere Fadenlänge aufnehmen als in der Mitte, weil hier
die Geschwindigkeit der Schiebeleiste größer als an den Enden ist.
Die hier beschriebene Maschine erfordert zu ihrer Aufstellung einen Raum von 5 Fuß 1
Zoll Breite und 24 Fuß Länge. Leztere ist indessen willkürlich, und richtet sich
nach der Anzahl der Haspel oder Spulen, welche zu jeder Seite derselben angeordnet
sind, und von denen zwei Stük auf jeden Fuß Länge gerechnet werden können.
Zur Bedienung der Maschine ist für 15 Haspel oder Spulen 1 Knabe oder Mädchen
erforderlich.
Die nächste Operation ist das Doubliren. Es werden nämlich
die Seidenfäden von zwei oder mehreren Spulen, welche auf die vorhin beschriebene Weise
gefüllt sind, auf eine andere Spule gewunden, und dieses geschieht mittelst der
Doublirmaschine (Machine
à doubler, doubling frame).
Diese Maschine, welche im Allgemeinen mit der Wikelmaschine Aehnlichkeit hat, ist auf
Taf. VI, Fig.
1 in der Seitenansicht, Fig. 2 in der
Vorderansicht, Fig.
3 im senkrechten Querdurchschnitt und Fig. 4 in der Oberansicht
abgebildet. Die Fig.
5 und 6 sind Detailzeichnungen im größeren Maaßstabe, welche später erklärt
werden. Auch hier sind gleiche Theile mit denselben Buchstaben bezeichnet.
Die Maschine ist durch die parallel mit einander gestellten Gerüste a der Länge nach in mehrere Abtheilungen getheilt,
welche mittelst der darauf befestigten Bohle b verbunden
sind. Die Leitern c zur Aufnahme der abzuwindenden
Spulen sind zu beiden Seiten in schräger Lage angeordnet; sie stüzen sich nämlich
unten gegen ein durchgehendes Brett, welches auf den am Gestell der Maschine
angegossenen Consolen d befestigt ist, und sind oben
gegen die Rahmen a gelehnt. Durch die ganze Länge der
Maschine sind parallel mit einander zwei eiserne Wellen e gelegt, worauf die Scheiben (stars) f befestigt sind, welche die Spulen g in ähnlicher Art wie bei der Wikelmaschine in Bewegung
sezen. Es ist nämlich auf jeder Spulenspindel eine kleine Scheibe befestigt, die,
wenn die Spule in das Vordere Lager der an der Bohle b
befestigten Consolen k (Fig. 4) gelegt wird, auf
der Peripherie der damit correspondirenden größeren Scheibe f liegt, und in Folge der Reibung sich also gleichzeitig mit derselben
umdreht. Außerdem ist auf jeder Spulenspindel zwischen der Frictionsscheibe und
Spule ein kleines, in Fig. 3 sichtbares,
dreizähniges Sperrrad h befestigt, dessen Zwek später
erklärt werden wird.
Die Schiebeladen l mit den darauf stehenden Fadenführern
m werden langsamer, als die an der Wikelmaschine,
längs den Spulen hin- und hergeschoben, weil die Seidenfäden nicht in gerader
Richtung von den Leitern c zu den Spulen g geführt werden, sondern mehrere scharfe Biegungen
machen müssen, also weit leichter zerreißen. Die Fäden führen nämlich von der
Spulenleiter c zunächst aufwärts über eine horizontale
glatte Stange n, welche an den Ständern o befestigt ist, dann abwärts durch die Haken der
Falldrähte s, hierauf wieder aufwärts über eine zweite
Stange n' (Fig. 3) und endlich von
hier vereinigt durch die Fadenführer m nach der dazu
gehörigen Spule g. Durch folgende, sehr sinnreiche
Vorrichtung wird während des Betriebes der Maschine augenbliklich die Spule still
gesezt, wenn einer der dazu gehörigen Fäden zerreißt. Auf dem zu beiden Seiten der
Maschine befestigten Hebelbrett p ist für jede Spule g die kleine Stüze q
befestigt (vergl. die Fig. 5 und 6), welche für drei
Falldrähte s und den zweiarmigen Hebel r, r' die festen Drehpunkte enthält. Jene reichen mit
ihren hakenförmigen Enden bis zur Mitte der beiden Stangen n
n' und werden von den hindurchgelegten Seidenfäden in horizontaler Lage
schwebend erhalten (Fig. 1). Der eine Arm r des zweiarmigen
Hebels ist rechtwinklich umgebogen, der andere aber gerade und etwas schwerer, und
ruht daher im freien Zustande in horizontaler Lage auf einer an der inneren Seite
des Hebelbrettes p befestigten Stange. Wenn daher irgend
einer der einfachen Fäden reißt, so fällt der dadurch schwebend gehaltene Falldraht
s auf den leichten Arm r
des zweiarmigen Hebels, drükt diesen herab, folglich den anderen Arm r' in die Höhe, dessen Ende sich dann gegen einen der
Zähne des Sperrrades h (Fig. 3) stemmt und mithin
die Spule still sezt. Der hiedurch aufmerksam gemachte Arbeiter legt nun zunächst
die Spule in die zweite Einkerbung der Consolen k,
wodurch die Frictionsscheibe f auf der Welle e mit der correspondirenden Scheibe der Spulenspindel
außer Berührung gebracht wird, sucht dann die Enden des zerrissenen Fadens, dreht
diese zusammen und legt, nachdem er den betreffenden Falldraht aufgehangen und
dadurch den Hebel r r' in die horizontale Lage
zurükgebracht hat, die Spule wieder in das vordere Lager, worauf diese dann in
bekannter Art ihre Bewegung fortsezt.
Der Betrieb der Maschine wird auf folgende einfache Weise bewerkstelligt.
Gegen eine in gleicher Höhe mit den Wellen e gelagerte
Hauptbetriebswelle sind die Doublirmaschinen reihenweise so aufgestellt, daß mit den
darauf befestigten konischen Rädern die correspondirenden Räder t der Welle e mittelst der
Ausrükung u beliebig in und außer Eingriff gebracht
werden können. Von einer der Wellen e wird durch zwei
Stirnräder die Bewegung auf die Welle v, und dann
mittelst der konischen Räder w, z, a' und b' auf eine horizontale Welle, worauf an beiden Enden
die herzförmigen Scheiben c' befestigt sind,
fortgepflanzt. Jede von diesen wirkt auf die an dem einen Arm des zweiarmigen Hebels
d' befestigte Rolle, während der andere Arm durch
eine Schiene e' mit der dazu gehörigen Schiebeleiste
verbunden ist und diese regelmäßig längs den Spulen hin und her schiebt.
Die Maschine erfordert zu ihrer Aufstellung eine Breite von 3 Fuß 5 Zoll und eine
Länge von 23 Fuß 5 Zoll ausschließlich des nöthigen Raumes für die Arbeiter; indeß
ist die Länge willkürlich und von der Anzahl der Spulen abhängig, deren Entfernung
von Mitte zu Mitte 6 Zoll beträgt. Zur Bedienung kann man durchschnittlich auf 8
Spulen ein Kind rechnen.
Die folgende Operation ist das Zwirnen, wozu die
nachstehend beschriebene Maschine benuzt wird.
Die Seiden-Zwirnmaschine (moulin à soie, spinning mill).
Auf dieser Maschine werden entweder die einzelnen Seidenfäden, wie sie von den Cocons
abgehaspelt und demnächst gespult oder gewikelt sind, oder die bereits doublirten
Fäden regelmäßig gezwirnt. Sie ist auf Taf. V abgebildet, und zwar Fig. 7 und 9 in der Seitenansicht und
Fig. 8 in
der Vorderansicht. Fig. 10 stellt einzelne Theile der Maschine vor, welche später erklärt
werden. Gleiche Theile sind in allen Figuren mit denselben Buchstaben
bezeichnet.
Die Maschine ist dreistökig, d.h. zu beiden Seiten derselben sind drei Rechen Spulen
über einander angeordnet; was daher von dem einen Stokwerke gilt, das gilt auch von
dem anderen. Sie wirb ferner durch fünf Zwischen- und zwei Endgerüste a der Länge nach in 6 Abtheilungen, jede mit 10 Spindeln
in einer Reihe abgetheilt, und diese sind zu beiden Seiten durch die damit
verschraubten Schienen b und c verbunden, deren Querschnitt und Unteransicht Fig. 10 näher ergibt. Die
Spindeln d haben in den unteren Schienen c aus hartem Messing gefertigte Spurlager f und in den oberen Schienen b ihre Halslager, welche ebenfalls mit Messing ausgebüchst sind. Sie
werden durch kleine, 0,8 Zoll im Durchmesser große Schnurscheiben h von der 8zölligen Blechtrommel k mittelst Schnüren in Bewegung gesezt, so daß sich also ihre resp.
Geschwindigkeiten wie 1 zu 10 verhalten. Auf den oberen konischen Theil der Spindeln
werden die Spulen m, welche die doublirte ungezwirnte
Seide enthalten, aufgeschoben, so daß sie sich mit denselben gleichzeitig drehen
müssen; dagegen wird der zweiarmige Drahtflügel (fly)
n mit dem daran befestigten Holzknopf oberhalb einer
jeden Spule so lose auf die Spindel gestreift, daß derselbe sich darauf drehen kann.
Der abwärts gebogene Flügelarm reicht bis zur Mitte der dazu gehörigen Spule,
während der andere aufwärts gerichtete senkrecht oberhalb der Spindel endigt; beide
sind mit entsprechend gebogenen Haken zur Aufnahme des Fadens versehen. Oberhalb
einer jeden Spindelreihe ist eine horizontal gelagerte Welle o, worauf so viele Stirnräder p wie Spindeln
befestigt sind, in den mit dem Gerüste verschraubten Lagern beweglich, wodurch die
Spulen t, welche die gezwirnte Seide aufwikeln, gedreht
werden. Jede dieser Spulen t hat nämlich eine
quadratische Achse r mit einem daran gegossenen
Stirnrade s (Fig. 10), welches mit dem
correspondirenden p auf der Welle o im Eingriff steht, wenn die Spindelzapfen in den Vorderen Pfannenlagern der am
Gerüste befestigten Consolen q liegen. Diese Spulen t, welche einen bedeutenden Durchmesser haben, damit die
gezwirnten Fäden in möglichst großen Bögen sich um dieselben aufwikeln, werden nur
mit einer dünnen Seidenlage bedekt und dann durch andere leere ersezt, weil sie
sonst zu stark aufwinden und bei proportionaler Verminderung der Drehung den Faden
bedeutend streken, oder gar zerreißen.
Die Schiebeleisten u mit den Fadenführern v erhalten ihre hin- und hergehende Bewegung von
der dazu gehörigen Welle o durch folgende Vorrichtung.
An derjenigen Seite der Maschine, wo die Riemscheiben l
auf der Schnurtrommelachse k befestigt sind, wird
mittelst der beiden konischen Räder f' und g' eine kurze, horizontal gelagerte Welle mit einem
elliptischen Rade h' betrieben, welches einem anderen
ebenso gestalteten und um einen festen Zapfen beweglichen Rade k' die Bewegung mittheilt. Durch die an dem lezteren
befestigte Warze l' und die beiden Zugstangen m' werden also die damit verbundenen Schiebeladen u auf dieselbe Weise, wie bei der Wikelmaschine bereits
gezeigt wurde, regelmäßig hin- und herbewegt.
Die Bewegung der Wellen o geschieht durch das außerhalb
des Maschinengerüstes auf der Achse der dazu gehörigen Schnurtrommel k befestigte Getriebe w
mittelst des Zwischenrades z und des auf einer festen
Achse drehbaren Rades a', welches mit dem konischen Rade
b' fest verbunden ist. Das leztere überträgt endlich
durch die konischen Räder c', d' und e' die Bewegung auf die Welle o. Damit die Geschwindigkeit der lezteren durch Auffielen größerer oder
kleinerer Getriebe w beliebig zu ändern sey, kann die
Achse des Zwischenrades z in dem Schlize des
Gestellstükes g concentrisch mit dem Mittelpunkt des
Rades a' verschoben werden.
Soll der doublirte Faden links gedreht werden, wenn er bei
der in den Figuren angenommenen Stellung der Räder rechts
gedreht wird, so ist nur nöthig, die Zwischenräder z
(Fig. 7)
von der rechten auf die linke Seite zu bringen und die Schnüre der Betriebstrommeln
k zu kreuzen.
Es ist bereits früher bemerkt worden, daß die Spulen auf den Spindeln fest sizen,
dagegen die Flügel lose sind und nur durch die Reibung im Aufstekknopfe nach
derselben Richtung, aber langsamer, gedreht werden. Die Differenz der Anzahl
Umdrehungen von Spule und Flügel in einer bestimmten Zeit, z.B. in der Minute,
multiplicirt mit der mittleren Länge einer
Fadenumwikelung bestimmt also die Fadenlänge, welche die obere Spule in derselben
Zeit aufnehmen muß,
während der Faden so viele Drehungen erhält, als der Flügel Umgänge macht.
Zur Bewartung der Maschine werden Kinder von 8 bis 12 Jahren genommen, welche aber
nicht bis zu den 7 Fuß vom Fußboden entfernten Spulen des oberen Stokwerks reichen
können; es sind daher kleine Treppen nöthig, die stets dahin getragen werden müssen,
wo ein Faden reißt, wodurch nicht allein viel Zeit verloren geht, sondern auch die
bei den unteren Spulenreihen beschäftigten Kinder aufgehalten und behindert werden.
Um diese Uebelstände zu vermeiden, benuzt man in manchen Anstalten vorzugsweise nur
zweistökige Maschinen.
Da bei der vorhin beschriebenen Hin- und Herbewegung der Garnführer mittelst
der elliptischen Räder die Fäden regelmäßig über die ganze Spulenfläche vertheilt
werden, und daher bei einer nicht ganz sorgsamen Beaufsichtigung an den Enden leicht
abschlagen, so hat man oft der Schiebeleiste eine andere Bewegung gegeben und zu
diesem Zwek solche Constructionen in Anwendung gebracht, wodurch zugleich die
elliptischen Räder, deren Zähne nur zu leicht zerbrechen, vermieden werden. Eine
solche, bei einer in Barmen betriebenen englischen Seidenzwirnmaschine ausgeführte,
Schiebevorrichtung ist durch die Figuren 16–20 auf Taf. V
versinnlicht, worin diejenigen Theile, welche sie mit der vorhin beschriebenen
Maschine gemein hat, mit denselben Buchstaben bezeichnet sind. An dem mittleren
Zwischengestelle a der zweistökigen Maschine befinden
sich diese Vorrichtungen zur Bewegung der Schiebeleisten u. Eines der Räder p auf der Welle o, wodurch die Spulenräder s
bewegt werden, steht mit dem Stirnrade A in Eingriff,
welches sich auf einer festen, am Gerüste a befestigten
Achse drehen kann, und überträgt mittelst des damit verbundenen konischen Rades B die Bewegung auf ein anderes konisches Rad C. Lezteres drehte sich um eine am Consol H befestigte Spindel, die am Ende mit einem festen
Getriebe D versehen ist, und hat in seiner verbreiteten
Nabe eine zweite feste Spindel zur Aufnahme des mit jenem Getriebe D in Eingriff stehenden Rades E. Die Warze F, zum Angriff der mit der
Scheibeliste u verbundenen Zugstange m', kann dem Mittelpunkte des Rades E beliebig mehr oder weniger genähert werden, wie aus
der Fig. 17
deutlich zu ersehen ist. Das feste Getriebe D hat 6, und
das Rad E 23 Zähne, mithin beschreibt der Mittelpunkt
der Warze F nach 3 5/6 Umdrehungen des Rades C eine gestrekte Epicykloide. Zur besseren
Versinnlichung ist in Fig. 18 diese Curve in
natürlicher Größe construirt, und es bezeichnet darin der Grundkreis D' den Theilriß des Getriebes D, der erzeugende Kreis E' den Theilriß des
Rades E, und der beschreibende Punkt F' die
Mitte der Warze F. Während der Wälzung des Kreises E' über den Kreis D'
beschreibt der Punkt F' die gestrekte Epicykloide F', 1, 2, 3..... 16, und in diesem Punkte beginnt dann
wieder eine neue Curve, welche aber mit der vorigen nicht zusammenfällt. Dieß gilt
von allen folgenden Curven.
Die Wege, welche die Schiebeleiste u nach der 1sten,
2ten, 3ten und 4ten Umdrehung des Rades C zurüklegt,
sind in Fig.
19 durch Linien anschaulich gemacht. Endlich zeigt Fig. 20 die Form einer
auf diese Weise gefüllten Spule. Zur Bedienung der Zwirnmaschine kann man auf 40
Spindeln ein Kind rechnen. Die Spindeln machen in der Minute 2000 bis 3500
Umdrehungen, und jede liefert in 12 Stunden durchschnittlich 4 1/2 Loth Seide. Die
dreistökige Maschine mit 6 Längenabtheilungen und 360 Spindeln erfordert zu ihrer
Aufstellung einen Raum von 3 Fuß 2 Zoll Breite, 21 Fuß Länge und 8 Fuß 2 Zoll
Höhe.
Die doublirte und gezwirnte Seide wird in Strähnen in den Handel gebracht, es müssen
also die auf die vorhin beschriebene Weise gefüllten Spulen abgehaspelt werden, und
dazu dient
die Haspelmaschine (silk automatic
reel).
Dieselbe ist auf Taf. V, Fig. 11, in der
Vorderansicht, Fig.
12 in der Seitenansicht, Fig. 13 in der
Oberansicht und Fig. 14 im senkrechten Querdurchschnitt abgebildet. Fig. 15 ist eine
Darstellung des Zählapparats. In allen Figuren sind dieselben Theile mit gleichen
Buchstaben bezeichnet. Die Endrahmen a mit den hölzernen
Riegeln b und dem Tische c
zur Aufnahme der abzuhaspelnden Spulen bilden das Gerüste der Maschine. Die Spulen
werden aufrecht auf die Tischplatte gestellt und gewöhnlich mit einem Stükchen Blei
beschwert, damit sie nicht umfallen. Der eigentliche Haspel d besteht aus einer achtkantigen hölzernen Welle, worauf in 20zölligen
Abständen eiserne, mit vier Armen versehene Kränze befestigt und an denen vier nach
Außen abgerundete Latten festgeschraubt sind. Eine von diesen kann behufs der
Abnahme der fertigen Strähne herumgeklappt werden, sobald der Haken e aus der Oese genommen ist. Zu diesem Zwek hat einer
von den vier Armen eines jeden Kranzes ein Scharnier. Die Schiebeleiste f wird auch hier, wie bei den früher beschriebenen
Maschinen, hin- und herbewegt, damit die Seidenfäden kreuzweise aufgehaspelt
werden, und ist mit dreierlei Fadenführern g, h und k versehen, von denen die mittleren h aus kleinen beweglichen Drahthebeln bestehen, welche
dazu bestimmt sind, die etwaigen Unreinigkeiten etc. der Fäden zu beseitigen. Der
Haspel wird durch Drehen der Kurbel q mittelst der
konischen Räder o, p
mit resp. 44 und 48
Zähnen und der Stirnräder l, m mit resp. 32 und 64
Zähnen in Bewegung gesezt. Die Schiebeleiste f erhält
ihre Bewegung durch ein Excentricum r auf der
Kurbelwelle. Die auf der Welle n angebrachte Schraube
ohne Ende s überträgt die Bewegung auf das darunter
liegende 96zähnige Schraubenrad t, auf dessen Achse ein
Daumen u befestigt ist, der nach jeder Umdrehung die
gezahnte Stange v um einen Zahn höher schiebt, welche
durch den von der Feder z angedrükten, mit einem
Handgriff versehenen Hebel w, der in die
correspondirenden unteren Zähne der Stange v greift,
gehalten wird. Hat endlich das Rad t so viele Umgänge
gemacht, als die Stange Zähne enthält, und also der Daumen u den lezten Zahn a' gehoben, so schlägt der
Hebel unterhalb der Zahnstange v weg gegen das
Maschinengerüste, zum Zeichen, daß der Haspel die gehörige Anzahl von Umdrehungen
gemacht hat. Sobald darauf der Hebel w mittelst des
Handgriffs gedreht wird, fällt die Zahnstange herab und dieselbe Operation
wiederholt sich.
Man unterscheidet im Allgemeinen dreierlei Gattungen Seide: Organsinseide (organisi, organizine), Tramseide (trame) und Floretseide (filoselle, fleuret, floss
silk). Die Organsinseide wird von den schönsten Cocons gewonnen und zur
Kette der besten Seidenstoffe benuzt. Sie besteht aus zwei oder drei rechts
gezwirnten Fäden, von denen jeder wieder drei bis zehn Coconfäden enthält, welche
vorher nach der entgegengesezten Richtung gezwirnt sind. Die Tramseide, von minderer
Güte als die Organsinseide, wird hauptsächlich als Einschuß oder Einschlag benuzt
und besteht, je nach ihrer Anwendung, aus drei bis dreißig Coconfäden, die aber nur
einmal und dabei loser gezwirnt werden. Die Floretseide wird aus den Abgängen
gewonnen und auf ähnliche Weise wie Baumwolle gekrempelt und gesponnen. Nach der
Anzahl der Fäden und der Verschiedenheit der Drehung werden noch mehrere Gattungen
Seide unterschieden, die aber hier übergangen werden, weil nur die Beschreibung der
bis jezt bekannten besten Maschinen zum Spulen, Doubliren, Zwirnen und Haspeln der
Rohseide Vorwurf dieses Aufsazes ist.