Titel: | Ueber Kartoffelzuker und das Verfahren die verschiedenen Zukerarten von einander zu unterscheiden; von Dr. Andr. Ure. |
Fundstelle: | Band 85, Jahrgang 1842, Nr. XCI., S. 382 |
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XCI.
Ueber Kartoffelzuker und das Verfahren die
verschiedenen Zukerarten von einander zu unterscheiden; von Dr. Andr. Ure.
Aus dein London Journal of arts. Jul. 1842, S.
460.
Ure, uͤber Kartoffelzuker etc.
Vor zwei Jahren wurde mir von der Zollbehörde ein Muster einer süßen, schleimigen
Flüssigkeit zur Analyse zugeschikt; dasselbe war in Hull von Rotterdam aus unter der
Benennung „Pflanzensaft“ (vegetable
juice) in Fässern eingeführt worden. Ich erkannte diese Substanz für
unvollkommen in Zuker umgewandelte Stärke und auf mein Gutachten wurde sie nur mit
mäßigem Zoll belegt.
Vor drei Monaten erhielt ich von dem Einführer in Hull ein Muster von einer ähnlichen
Flüssigkeit mit dem Auftrage, sie zu untersuchen.
Er benachrichtigte mich, daß eine von ihm gemachte Einfuhr von 30 Fässern von dem
Zollamt zurükbehalten worden sey, bis der Zukerzoll von 25 Schill. per Centner darin enthaltener fester Substanz, dafür
entrichtet sey. Das specifische Gewicht der Flüssigkeit war 1,362, und sie enthielt
80 Proc. schlecht saccharificirter Stärke.
In der Zwischenzeit von der ersten zur zweiten Einfuhr war eine Parlamentsacte
erschienen, wonach jede Art Zuker, von was immer welchem Stoff bereitet, nach der
Runkelrübenzuker-Bill zu behandeln ist. Da die zur Zollerhebung unter dieser
Acte dienenden saccharometrischen Tabellen in Auftrag des Präsidenten des
Handelsbureau's von mir angefertigt worden waren, so wußte ich wohl, daß 50 Proc.
beim Runkelrübensyrup als werthlose Substanz abgezogen werden, weil die
Runkelrüben-Melasse eine zum Gebrauch für den Menschen zu rohe Waare ist.
Gehörig in Zuker umgewandelter Stärkekleister aber gibt einen im Vergleich mit
Rohr- oder Runkelrübenzuker an Süßigkeit zwar armen Syrup, allein derselbe
geht beim Abdampfen nicht unter Schwärzung in den Melassenzustand über, wie dieß bei
Lösungen des gewöhnlichen Zukers, wenn sie, sey es auch mit der größten Vorsicht,
concentrirt werden, immer der Fall ist. Daher können die rükständigen Syrupe der in
Zuker umgewandelten Stärke alle zu einer ziemlich weißen körnigen Masse verarbeitet
werden, welche zerrieben von gewinnsüchtigen Krämern unter ihre dunkelbraunen
Basterzuker gemischt wird, um ihnen eine bessere Farbe zu geben.
Erst seit zwei Jahren wird in England ziemlich im Großen Zuker aus der
Kartoffelstärke bereitet, obwohl dieß in Frankreich, Belgien und Holland schon
längst geschieht, wo die große gemeine Kartoffel dazu benuzt wird. Das rohe Material
sowohl, als die Arbeit muß in diesen Ländern sehr wohlfeil seyn; denn es wurde
Kartoffelmehl oder Stärke behufs der Umwandlung in Zuker vom Continent in großer
Menge nach England eingeführt und in London mit dem geringen Preise von 16 Sch. per Centner bezahlt.
Das von den Kartoffelzuker-Fabrikanten gewöhnlich befolgte Verfahren besteht
darin, 1000 Pfd. siedendes Wasser mit 112 Pfd. Stärkmehl und 2 Pfd. concentrirter
Schwefelsäure zu mischen. Die Mischung wird in einem großen Gefäße von weißem
Tannenholz mit längs den Boden hin laufenden Röhren, welche in Verbindung stehen mit
einem Hochdrukdampfkessel, 12 Stunden lang gekocht. Nach dieser Umwandlung in Zuker
wird die saure Flüssigkeit mit Kalk neutralisirt, filtrirt und dann auf eine
Dichtigkeit von 1,300 beim Kochpunkt (oder genau 1,342 nach der Abkühlung auf
60° F.) abgedampft. Läßt man Syrup von dieser Dichtigkeit einige Tage ruhig
stehen, so verwandelt er sich durchgehend in krystallinische Büschel und bildet
einen ganz troknen festen Körper von 1,39 spec. Gewicht. Sezt man ihn einer Hize von
220° F. aus, so schmilzt er zu einer beinahe wasserdünnen Flüssigkeit; auf
150° abgekühlt nimmt sie die Consistenz des Honigs an und bei 100° F.
hat sie die eines klebrigen Firnisses. Man muß sie nun sehr lange Zeit ruhen lassen,
wenn sie ihren körnigen Zustand wieder annehmen soll. Auf 270° F. erhizt,
siedet sie lebhaft, gibt ein Zehntheil ihres Gewichts Wasser ab und verwandelt sich
beim Abkühlen in eine hellgelbe, spröde, aber sehr zerfließliche, dem Gerstenzuker
ähnliche Masse. Wird der Syrup auf eine viel größere Dichtigkeit als 1,340, etwa auf
1,362, concentrirt oder wird er schwach säuerlich gelassen, so wird er in beiden
Fällen nicht körnig, sondern bildet nur ein zähes Magma, oder er wird zu einer
festen Masse, welche wirklich gepulvert werden kann, obwohl sie so zerfließlich ist,
daß sie zur Verfälschung des Rohzukers nicht taugt. Der eingeführte Saft war von
dieser Beschaffenheit und daher nach meinem Dafürhalten dem neuen Zukergesez nicht
wohl zu unterwerfen, indem er durch keine Behandlung nur zu einer Aehnlichkeit mit
dem Zuker gebracht werben kann.
Gute Moskovade von Jamaica schmilzt erst bei einer Hize von 280° F.
(110° R.), wird aber bei dieser Temperatur sogleich dunkelbraun durch das
Freiwerden eines Theiles ihres Kohlenstoffs; sie wird in der That dabei, was die
Franzosen „Caramel“ nennen und zum Färben der Branntweine,
weißen Weine und Liqueurs gebrauchen.
Wir finden also den Stärke- oder Traubenzuker vom Rohrzuker wohl Verschieden
durch seine Schmelzbarkeit bei geringer Hize und seine Unveränderlichkeit in
ziemlich großer Hize. Seine versüßende Kraft beträgt nur zwei Fünftheile jener des
gewöhnlichen Zukers. Ein gutes Merkmal des unvollkommen gebildeten Stärkezukers ist
sein Widerstand gegen die Einwirkung der Schwefelsäure, während vollkommen
saccharificirte Stärke oder Rohrzuker sogleich von derselben zersezt wird. Läßt man
in eine concentrirte, beinahe siedende heiße Lösung unvollkommen saccharificirten
Traubenzukers einen Tropfen concentrirte Schwefelsäure fallen, so tritt keine
wahrnehmbare Veränderung ein, tropft man aber die Säure in Lösungen einer der beiden
anderen Zukerarten, so kommen schwarze Kohlentheilchen zum Vorschein.
Ich unterwarf die durch Abdampfen des fraglichen Saftes erhaltene feste Substanz der
Elementaranalyse mittelst Kupferoxyds in einer Verbrennungsröhre unter allen
nöthigen Vorsichtsmaßregeln und erhielt bei einem Versuch 37 Proc. Kohlenstoff, bei einem
anderen 38, nachdem die Substanz in einem auf 275° F. erwärmten Luftbad
getroknet worden war. Das an 100 Fehlende ist Wasserstoff und Sauerstoff in dem
Verhältniß, wie sie Wasser bilden. Nun ist dieß die Zusammensezung des
Traubenzukers. Der Rohrzuker enthält ungefähr 5 Proc. Kohlenstoff mehr, daher er
solchen durch die Einwirkung der Hize oder der Schwefelsäure leicht frei werden
läßt.
Eine interessante Abhandlung über die unterscheidenden Kennzeichen des Gummi's,
Dextrins, Traubenzukers und Rohrzukers nach Hrn. Trommer
erschien unlängst im XXXIX. Bde. der Annalen der Chemie und Pharmacie. Ich
wiederholte seine Versuche und fand, daß sie richtige Resultate liefern, wenn auf
folgende, etwas modificirte Weise verfahren wird. Ich löse nämlich eine gewogene
Menge schwefelsaures Kupfer in einer gemessenen Quantität Wasser auf und mache die
Lösung schwach alkalisch, so daß sie auf Curcumäpapier
reagirt, durch Zusezen von Aezkalilösung zur erkalteten
Flüssigkeit; wenn die Mischung heiß ist, geht nämlich ein Theil des sich
ausscheidenden blauen Kupferoxydhydrats in schwarzes Oxyd über. Diese Mischung,
welche vor ihrer Anwendung immer aufgerührt wird, bildet die Probeflüssigkeit.
Werden ein paar Tropfen derselben in eine Gummilösung
gebracht, so erleidet das Kupferoxydhydrat, selbst in der Siedhize, keine
Veränderung, was beweist, daß ein gummisaures Kupferoxyd (Kupfergummat) sich
gebildet hat, welches der Zersezung widersteht; die Kupfermischung aber ohne Gummi
schwärzt sich sogleich in der Siedhize. Ich fand nicht, daß das Gummisalz durch
einen Ueberschuß von Wasser wieder aufgelöst wird, wie Trommer behauptet.
Stärke und Traganth verhalten
sich wie Gummi, worin ich mit T. übereinstimme. Die Stärke besizt jedoch schon ein
entscheidendes Merkmal im Jodwasser. Hr. T. sagt, daß Dextrinlösung eine tiefblau
gefärbte Flüssigkeit hervorbringe, welche auf 85° C. erhizt, Körnchen von
rothem, in Salzsäure löslichem Kupferoxydul abseze. Diese Erscheinungen hängen, wie
ich glaube, von dem Alkali-Ueberschuß in der Mischung ab. Ich fand, daß nach
meinem Verfahren behandelte Dextrinlösung sich in der
Kälte kaum verändert, aber schon bei schwachem Erwärmen grün und bei starkem Kochen
olivenfarbig wird. Auf diese Weise verräth es seine Neigung, in Zuker
überzugehen.
Rohrzukerlösung erleidet bei dieser Behandlung in der
Kälte selbst nach Verlauf von zwei Tagen keine Veränderung, und eine nur sehr
unbedeutende Aenderung der Farbe selbst in der Siedhize, wenn sie nicht zu
concentrirt ist. Wird Rohrzuker nach der Methode des Hrn. Trommer behandeltIndem man nämlich die Zukerlösung vorerst alkalisch macht und dann die
Kupfervitriol-Lösung zusezt., so nimmt er eine dunkelblaue Farbe an und kann mit Kali in Ueberschuß
gekocht werden, ohne daß sich orangerothes Kupferoxydul absezt.
Stärke- oder Traubenzuker aber hat eine auffallende Neigung, das blaue Kupferoxydhydrat
in orangerothes Oxydul zu verwandeln. Doch finde ich, wirkt es nicht auf das reine
blaue Hydrat, wenn dasselbe auch frisch niedergeschlagen ist; es muß jedenfalls
etwas Alkali hinzugesezt werden. Ammoniak scheint den Dienst aber nicht zu thun;
denn bei Anwendung von schwefelsaurem Kupferoxyd-Ammoniak erhielt ich mit den
erwähnten Pflanzenstoffen unbefriedigende Resultate.
Das schwarze Kupferoxyd wird beim Kochen mit Stärkezukerlösung nicht verändert.
„Wenn Traubenzuker-Lösung“, sagt Trommer, „und Aezkali mit einer Lösung von schwefelsaurem
Kupferoxyd behandelt werden, bis das abgeschiedene Hydrat wieder aufgelöst ist,
so erzeugt sich bei gewöhnlicher Temperatur bald ein Niederschlag von rothem
Oxydul, der aber beim Erwärmen der Mischung sich augenbliklich bildet. Eine
Flüssigkeit, welche 1/100'000 Traubenzuker oder sogar nur 1 Milliontheil davon
enthält, gibt noch eine wahrnehmbare Färbung (orange), wenn man das Licht darauf
fallen läßt.“ Um ein so genaues Resultat zu erhalten, muß man
hinsichtlich der Menge des Alkali's höchst subtil verfahren; ich fand dieselbe
äußerst schwer zu treffen. Mit meiner regulirten Alkalimischung aber mißlang mir
niemals die Entdekung einer außerordentlich kleinen Menge Stärkezukers, sogar wenn
er mit Moskovade gemischt ist. Man hat somit ein treffliches Verfahren, die
Betrügereien der Krämer zu entdeken.
Die Manna, fand ich, desoxydirt das blaue Kupferoxydhydrat
beim Erhizen langsam, doch nicht so stark wie der Traubenzuker, welcher es rasch in
orangerothes Oxydul verwandelt. Wird das Kupferoxydhydrat in Ueberschuß hinzugesezt,
so befindet sich grünes Hydrat auf dem Boden des Gefäßes unter dem orangerothen
Oxydul.
Um diese Untersuchung auf den Harnruhrzuker anzuwenden,
muß der Urin zuvörderst stark gekocht werden, um den Harnstoff zu zersezen, wobei
Ammoniak gebildet wird, so wie auch um den Zukerstoff zu concentriren, wodurch das
Prüfungsmittel bessere Wirksamkeit erhält. Man sezt nun dem kochenden Urin zu nur
wenigen Tropfen auf einmal die Kupfermischung zu, welche eine bekannte Menge
schwefelsauren Kupfers enthält, bis das Ganze eine grünliche Farbe annimmt und fährt zu
erhizen fort, bis das Ganze hellorangeroth wird. Sollte es grün bleiben, so ist dieß
ein Zeichen, daß mehr Kupferoxydhydrat zugesezt wurde, als dem Desoxydationsvermögen
des Stärkezukers angemessen war. Ich habe gefunden, daß 1 Gran schwefelsauren
Kupfers in Auslösung mit Aezkali ganz schwach übersättigt, von 3 Granen
Kartoffelzuker unter Erzeugung orangefarbigen Oxyduls zersezt wurde, oder genauer,
daß 30 Theile des schwefelsauren Salzes in dem Zustand eines alkalischen
Kupferoxydhydrats mittelst 100 Heilen körnigen Stärkezukers auf einmal in den
Zustand des rothen Oxyds übergehen. Es können also für je drei Grane des so
veränderten schwefelsauren Salzes 10 Grane Zuker als im Harnzuker vorhanden
angenommen werden.
Auch das essigsaure Kupfer kann zu obigen Versuchen gebraucht werden; es ist aber
nicht so gut, wie das schwefelsaure. Chlorkupfer thut den Dienst nicht.
Das specifische Gewicht ist ebenfalls ein bedeutendes Unterscheidungsmerkmal für die
Zukerarten; jenes des Rohr- und Runkelrübenzukers ist 1,577, das des
Stärkezukers in Krystallbüscheln 1,39, oder vielleicht 1,40, da es je nach dem
Zustand seiner Trokne etwas variirt. Bei 1,342 enthält der Rohrsyrup 70 Proc. Zuker;
bei derselben Dichtheit enthält der Stärkezukersyrup 75 1/2 Proc. bei 260° F.
getrokneter und daher von den 10 Proc. Wasser, welche er im körnigen Zustand
enthält, befreiter fester Substanz. Man hat also noch ein weiteres
Unterscheidungsmittel für die Zukerarten in den relativen Dichtigkeiten ihrer
Lösungen bei gleichem procentischem Zukergehalte.