Titel: | Ueber die richtigen Principien der Geschwindigkeit der Dampfschiffe. Nachtrag zur Beschreibung von Joest's Patent-Treibapparat für Schiffe; von A. W. Beyse, Architekt und Civilingenieur. |
Fundstelle: | Band 85, Jahrgang 1842, Nr. C., S. 410 |
Download: | XML |
C.
Ueber die richtigen Principien der
Geschwindigkeit der Dampfschiffe. Nachtrag zur Beschreibung von Joest's
Patent-TreibapparatPolytechn. Journal Bd. LXXXIV. S. 92. fuͤr Schiffe; von A. W. Beyse, Architekt und Civilingenieur.
Aus dem Mechanics' Magazine. Mai 1842, S.
422.
Mit Abbildungen auf Tab.
VII.
Beyse, uͤber die richtigen Principien der Geschwindigkeit
der Dampfschiffe.
Wenn wir es dahin bringen könnten, daß die Geschwindigkeit eines Dampfboots der
Umfangsgeschwindigkeit der Schaufelräder in der Mitte der Schaufeln gleichkäme, so
wären wir zur Vollkommenheit gelangt. Es ist indessen klar, daß eine solche
Vollkommenheit in der Wirklichkeit unerreichbar und nur eine Annäherung an diesen
Zustand möglich ist. Wir müssen den ersten Beginn der Bewegung eines Dampfbootes und
den Moment, wenn die Kraft der Maschinen und die Umfangsgeschwindigkeit der Räder im
Gleichgewichte sind, eben so den Widerstand des Schiffs und der Schaufeln wohl ins
Auge fassen. Am Anfang wirkt jede das Wasser durchdringende Schaufel mit ihrer
ganzen Kraft, wie ein Ruder, und das Schiff widersteht mit seiner ganzen Kraft.
Nachdem aber beide Kräfte gleich geworden sind, ist es die aufschlagende Schaufel
(the striking float) allein, welche das Schiff
forttreibt; sie wird von den anderen Schaufeln nur wenig unterstüzt, indem diese
durch das Hinterwasser beeinträchtigt werden, im gebrochenen Wasser arbeiten und nur
den Unterschied des Widerstandes zwischen ihrer eigenen Geschwindigkeit und
derjenigen des Wassers, worin sich das Dampfboot bewegt, erfahren. Der Widerstand
des Schiffs selbst sollte mit dem Quadrate der Geschwindigkeit zunehmen, eben so der
Widerstand der Schaufeln; dieß ist jedoch nicht der Fall, weil, nachdem das Schiff
eine gewisse Geschwindigkeit erreicht hat, das Widerstandsverhältniß abnimmt; die
Schaufeln finden beinahe gar keinen Widerstand, indem sie austreten, ehe das
gebrochene Wasser sie aufhalten kann.
Es sey Fig. 38
der Querschnitt eines gut gebauten Dampfschiffs in der Gegend seiner größten Breite,
wo die Maschinen und Schaufelräder angeordnet sind; sein Kiel und Bug sey so scharf,
als es nur das Material, woraus derselbe besteht, gestattet. Der Bug eines eisernen
Dampfbootes z.B. oder der vorderste Theil am Schnabel sollte im Wasser wo möglich so
scharf wie ein Messer seyn; er sollte nach dem Punkte A
unter einem Winkel zulaufen, welcher den Coefficienten des hydraulischen Widerstandes
gegen das Forttreiben des Schiffes auf ein Minimum reducirt. Dieser gewöhnlich durch
K bezeichnete Coefficient wurde bei gut gebauten
Schiffen bei mäßigen Geschwindigkeiten gleich 0.2 einer Einheit, bei höheren
Geschwindigkeiten nur gleich 0.15 gefunden. Die Oberfläche jeder einzelnen Schaufel
der gleichzeitig eintauchenden Schaufelräder sey A' und
die Summe derselben ∫A'. Der hydraulische
Widerstandscoefficient K' eines Körpers von der
Beschaffenheit und Größe einer gewöhnlichen Radschaufel ist zu 2.5 Einheiten
bestimmt worden. Die Gleichungen für beide Momente der Maschinen mit ihren in der
Linie bb liegenden Schaufelgeschwindigkeiten und
den Widerstand des eingetauchten Theils A des
Dampfbootes mit seiner Geschwindigkeit haben sich der Theorie und Erfahrung gemäß
folgendermaßen herausgestellt.Nach Navier, Poncelet und Taffe.
Textabbildung Bd. 85, S. 411
wobei v die Geschwindigkeit der
Schaufeln und V die Geschwindigkeit des Dampfbootes in
stillstehendem Wasser bezeichnet.
Bei der Fahrt gegen oder mit dem Strom ändert sich dagegen diese Formel um in
Textabbildung Bd. 85, S. 411
gegen den Strom, wobei u die Geschwindigkeit des Wassers
bezeichnet.
Textabbildung Bd. 85, S. 411
mit dem Strom.
Soll nun die Geschwindigkeit des Schiffs der Umlaufsgeschwindigkeit der Radschaufeln
in der Linie bb gleich seyn, so muß für ruhiges
Wasser die Gleichung I. auf
υ = V und für
fließendes Wasser die beiden anderen Gleichungen auf
υ = V + u
υ = V – u
gebracht werden. Da v die
Umfangsgeschwindigkeit des Rades in der Linie bb
Fig. 38
bedeutet, so ist klar, daß ein kurzer Hub und ein bedeutender Raddurchmesser zu
Erlangung einer großen Geschwindigkeit erforderlich sind; zu dieser Geschwindigkeit
muß die Triebkraft in einem richtigen Verhältniß stehen. Dieser Zwek nun kann nur
dadurch erreicht
werden, daß man den Ausdruk √(KA/K'∫A') auf 0 bringt, so daß v = (√0 + 1) V
etc.
Da indessen KA eine positive
Größe ist, so muß K'A' unendlich werden oder
Textabbildung Bd. 85, S. 412
u.s.w. Nun ist aber K' = 2.5
Einheiten und A eben so, wie ∫A', eine bestimmte positive Größe. Hieraus ergibt sich, daß die
Geschwindigkeit eines Schiffs nie auf irgend eine Weise der Geschwindigkeit der
Schaufeln in der Linie bb, gleichkommen kann.
Indessen belehrt uns dieses, daß wir eine große Anzahl Schaufeln nöthig haben, um
den Ausdruk √(KA/K'∫A') dem Ausdruke √0 so nahe wie möglich zu bringen.
Es scheint demnach eine große Anzahl Schaufeln sehr vortheilhaft zu seyn. Nur müssen
wir dann auf das Hinterwasser und auf den Umstand Rüksicht nehmen, daß die Schaufeln
im Momente ihres Eintauchens auf ungebrochenes Wasser wirken.
Diese Schlüsse führten mich auf die Construction von Joest's Patent-Schaufelrädern in verticaler, geneigter und
horizontaler Stellung, welche den gewöhnlichen Rädern gegenüber wenigstens die
doppelte Schaufelanzahl besizen. Ich habe immer den Verlust an Zeit, ehe die
Schaufeln eintauchen, als einen Verlust an Geschwindigkeit und Kraft angesehen. Seit
dem Erscheinen der Specification von Joest's
Patentschaufeln haben die ausgezeichneten Ingenieure Penn und Sohn in Greenwich die
Schaufelzahl an ihren schönen Dampfbooten „Flirt“ und
„Coquette“ mit oscillirenden Cylindern beinahe verdoppelt.
Auch mehrere andere Boote haben die Anzahl ihrer Schaufeln vermehrt.
Es verdient hier bemerkt zu werden, daß die bekannten Schiffsbauer Ditchburn und Mare in
Blackwall ihren eleganten Schiffen eine angemessene Gestalt gegeben haben, um den
Widerstandscoefficienten des Schiffes wo möglich auf 0.2 bis 0.15 einer Einheit zu
reduciren. Wir wollen dieß durch ein Beispiel erläutern.
Es sey A in Fig. 38 = 2.6
Quadratmeter, die Oberfläche einer jeden Schaufel betrage 1/3 = 0.33 Quadratmeter,
K, wie oben bemerkt wurde, 0.2 einer Einheit und K' sey = 2.5 Einheiten.
Um nun √(KA/K'∫A') auf √(2/25) bringen, müssen wir, da A = 2.6 Quadratmeter ist, ∫A' = 2.6 haben, d.h. die Oberfläche sämmtlicher, zugleich
eingetauchter Schaufeln ist = 2.6 Quadratmeter. Dieses Resultat durch 0.33
dividirt, gibt uns die Anzahl der gleichzeitig im Wasser befindlichen Schaufeln =
7.9 oder in runder Zahl = 8, d.h. 4 auf jedes Rad.
Wir wollen nun ein Rad von 12 Fuß 6 Zoll Durchmesser annehmen; alsdann ist die
Geschwindigkeit der Schaufeln in der Linie bb,
Fig. 38,
bei 42 Kolbenhuben in der Minute:
(12 × 3.14 × 42)/60 = (3,14 × 42)/5 = 26.37 Fuß oder ungefähr 8
Meter in einer Secunde. Mithin ist die Geschwindigkeit des Schiffes = 8 – 8
√(8/25) = 8 – √0.08 = 8 – 1.76 oder nahe = 6.24 Meter.
Oder wenn die Geschwindigkeit der Schaufeln in der Linie bb 20 Meilen in der Stunde beträgt, so wird das
Schiff nur eine Geschwindigkeit von 15 bis 16 Meilen in einer Stunde haben, was mit
der praktischen Erfahrung übereinstimmt.
Der Durchmesser der Schaufelräder bleibe nun 12 Fuß 6 Zoll, so ist der Umfang in der
Linie bb, Fig. 38, = 12 ×
3.14 = 37.68 Fuß, und da die Anzahl der im Wasser befindlichen Schaufeln bei einem
Rade 4 ist, so ist die Anzahl sämmtlicher Schaufeln eines Rades = 32. Wollen wir
aber dem Schiff eine größere Geschwindigkeit geben, so müssen wir den Ausdruk
√(KA/K'∫A') auf einen kleineren Bruch reduciren oder x = 2 × 2.6 = 5.2 u.s.w. machen. In diesem Falle wäre √(KA/K'∫A') =
√(1/25) u.s.w.
Wir haben ferner 37.68/32 = 1.18 Fuß oder ungefähr 1 Fuß 2 Zoll als Abstand der
Radschaufeln von einander. Im lezteren Falle würden die Schaufeln nur 7 Zoll von
einander abstehen und kaum des Hinterwassers sich entledigen können. Es ist indessen
leicht, durch Versuche das Maximum und Minimum der zwekmäßigsten Anzahl der
Schaufeln zu bestimmen.
Nach allen über diesen Punkt angestellten Berechnungen zeigt es sich, daß lange
Schaufeln, welche den hydraulischen Coefficienten K' =
2.5 Einheiten besizen, die zwekmäßigsten seyn müssen; allein die Länge der Schaufeln
wird durch die Schiffswelle, ihre Steifheit u.s.w. beschränkt.
Wir wollen nun die zum Schnellfahren der Dampfboote erforderliche Maschinenkraft
untersuchen.
Es bezeichne V die Geschwindigkeit des Schiffs und v die Geschwindigkeit der Schaufeln in der Linie bb. Der Widerstand des Schiffs gegen die Bewegung muß
dann in stehendem Wasser nach Navier nahe gleich seyn.
Textabbildung Bd. 85, S. 414
und da der von den Maschinen zu überwältigende Widerstand
gleich seyn muß ihrer Kraft P, multiplicirt mit der
Geschwindigkeit der Schaufeln, so erhalten wir die Gleichung:
Textabbildung Bd. 85, S. 414
wobei P die Kraft in
Kilogramm-Metern vorstellt. Nun ist nach unserem vorhergehenden Beispiele
√(KA/K'∫A') + 1 reducirt auf √(2/25) + 1 = √0,08 + 1 =
1.3.
Mithin Pυ = 51 × 0.2 × 2.6
× 1.3 × V³
und da unserer obigen Erläuterung zufolge υ = 1.23 V gefunden
worden ist, so ergibt sich:
P. 1.28 V = 51 × 0.2
× 2.6 × 1.3 × V³
P. 1.28 = 51 × 0.2 × 2.6 × 1.3
× V²
oder, da 1.28 und 1.3 nahe einander gleich sind,
P = 51 × 0.2 × 2.6 × V².
Nun ist aber V = 8, somit
P = 51 × 0.52 × 64 Kilogramm-Meter,
d.h. Kilogr. in 1 Secunde 1 Meter gehoben. Da nun bei Dampfmaschinen 75 Kilogr. in 1
Secunde 1 Meter gehoben 1 Pferdekraft bedeuten, so ist offenbar
P = (51 × 0,52 × 64)/75 = 22.63
Pferdekräfte.
Diese Kraft sollte ein gut gebautes, mit der erforderlichen
Anzahl von Schaufeln eingerichtetes Schiff mit der Geschwindigkeit von 15 Meilen in
der Stunde fortbewegen. Da jedoch kleine Boote von 20 bis 24 Pferdekräften nicht so
vollkommen construirt sind, daß der hydraulische Coefficient K bis auf 0.2 oder 0.15 reducirt wird, so fahren diese Schiffe nicht so
geschwind, wie solche von 30 bis 32 Pferdekräften, bei denen auch noch ein guter
Theil der Kraft durch Reibung, Widerstand der Luft und Hinterwasser verloren geht.
Die Flußdampfboote dürften sich, wenn ihrer Construction die in Rede stehenden
Principien zu Grunde gelegt werden, in wenigen Jahren der Vollkommenheit nähern; und
Schaufelräder werden immer ihre besten Treibapparate seyn. Für Canal- und
Seedampfboote jedoch sind sowohl hinsichtlich der Sicherheit als auch der
Geschwindigkeit andere Treibapparate den Schaufelrädern vorzuziehen.
Für See- und Canaldampfboote schlage ich vor die Schaufelräder A, A
Fig. 39, in
geneigter Lage anzuordnen, ihnen Schaufeln a, a, a, a
nach Joest's Patent oder auch gewöhnliche Schaufeln zu
geben, aber in so zahlreicher Menge und so gestaltet, daß sie nach ihrem Eintauchen
stets einen gleichen Widerstand im Wasser erfahren. Die Räder müssen aus diesem
Grunde eine konische Gestalt erhalten. Jedes Rad A, A
hat seine eigene Maschine mit zwei geneigten Cylindern d,
d und d', d'; ist es eine Niederdrukmaschine,
so besizt sie Condensator mit Luftpumpe. Da jedoch große Schiffe separate Kessel
erfordern, so muß für den Dampf eine Hauptcommunication vorhanden seyn, damit die
Maschinen mit gleicher Kraft auf jedes der Schaufelräder wirken können. Man kann
demnach beide Schaufelräder vor- oder rükwärts, oder man kann eines allein
vor- oder rükwärts arbeiten lassen, während das andere eingestellt wird, man
kann aber auch das eine vorwärts und das andere rükwärts steuern lassen, so daß das
Schiff um einen Punkt herumgewendet werden kann. Vorliegende Ruderräder eignen sich
vorzüglich für Kriegsdampfboote. Die große Geschwindigkeit, welche Schrauben,
horizontalen Rädern und Treibapparaten gegeben werden muß, ist hier nicht nöthig,
weil die Räder innerhalb des Schiffes bei gleichem mittleren Durchmesser so breit
als gewöhnliche Räder seyn können.