Titel: | Beschreibung des Planimeters, eines vom Mechaniker Ernst zu Paris erfundenen Instruments, womit man Flächeninhalte berechnen kann. |
Fundstelle: | Band 86, Jahrgang 1842, Nr. IX., S. 33 |
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IX.
Beschreibung des Planimeters, eines vom Mechaniker Ernst zu Paris
erfundenen Instruments, womit man Flaͤcheninhalte berechnen kann.
Aus dem Bulletin de la Société
d'Encouragement, Okt. 1841, S. 402.
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Ernst's Planimeter.
Der Planimeter ist im Grund- und Aufriß in Fig. 13 und 14
dargestellt; er hat die Eigenschaft, durch äußerst einfache mechanische Operationen
und ohne Zertheilung der Figuren den Inhalt ebener, wie immer gerad- oder
krummlinig begränzter Flächen anzugeben. Er eignet sich hauptsächlich zur Abschäzung
von Theilen einer Fläche, welche abgetragen oder aufgefüllt werden sollen, mit einem
Wort von allen ebenen Flächen, welche man messen will.
Das Instrument besteht aus einem Kegel a, dessen Achse
gegen die Ebene der Tafel, die das Instrument trägt, so geneigt ist, daß die oberste
Linie seiner schiefen Seite parallel zu dieser Ebene läuft. Dieser Kegel läuft in
Spizen auf zwei auf der Platte b befestigten Stüzen; auf
seiner verlängerten Achse ist eine Scheibe c angebracht,
welche an eine Schiene d, d angedrükt wird, die parallel
mit den Führungen läuft, in welchen die Platte b gleiten
kann. Aus dieser Einrichtung folgt, daß, wenn man die Platte b in der Richtung der Schiene d, d vor-
oder rükwärts schiebt, die Scheibe und der Kegel sich drehen und eine dem
durchlaufenen Weg proportionale Anzahl Umdrehungen machen.
Ein Zählapparat, dessen Hauptstük eine verticale Scheibe e ist, die senkrecht auf der obern horizontalen Begränzungslinie des
Kegels anliegt und sich um eine zu dieser Linie parallelen Achse dreht, ruht in
Spizen auf einem Schieber f, der sich mit der Platte b bewegt; dieser Schieber erhält übrigens eine zu der
Schiene d rechtwinklige Bewegung, so daß die Scheibe e dem Scheitel des Kegels beliebig genähert oder von ihm
entfernt werden kann. Da der Zähler durch sein eigenes Gewicht auf der Kegelfläche
ruht, so wird, wenn der Kegel sich dreht, auch die Scheibe e umlaufen; daraus geht hervor, daß die Anzahl der Kegelumläufe im
Verhältniß steht: 1) mit der Länge des in der Richtung d
durchlaufenen Weges, und 2) mit dem Abstande der Scheibe e von dem Scheitel des Kegels oder mit dem Producte dieser beiden
Größen.
Angenommen nun, die Scheibe stehe in dem Scheitel des Kegels und eine Spize g, an dem Schieber f
angebracht, stehe über einer Linie RS, parallel zu
der Leitung d und auf dem Punkte R; es ist klar, daß wenn man die Platte b so
schiebt, daß diese Spize genau der Linie RS folgt,
sich die Scheibe e nicht dreht, weil die Geschwindigkeit
des Scheitels des Kegels Null ist; wenn aber die Spize g
in M, und die Scheibe in einem Abstande MR = NS vom
Scheitel steht, und diese Spize von M nach N geschoben wird, dann wird die Anzahl der Umdrehungen
der Scheibe e proportional der Länge RS, welche gleich der Grundlinie des Rechtekes MNRS ist, und der Höhe MN dieses Rechtekes seyn. Eben so wird, wenn man
die Spize g die Linie OP durchlaufen läßt, die Anzahl der Umläufe der Scheibe proportional der
Fläche des Rechtekes ORSP seyn.
Nach der Ausführung des Instrumentes kann man jedoch die Scheibe nicht bis zum
Scheitel des Kegels bringen und es muß daher die Art, die Oberfläche des Rechtekes
zu messen, ein wenig abgeändert werden.
Nehmen wir z.B. an, es soll die Fläche des Rechtekes OMNP berechnet werden. Man führt in diesem Falle zuerst die Spize g über die Linie MN,
um sich zu versichern, daß sie ganz genau der Richtung der Bewegung der Platte b folgt, dann verschiebt man das Instrument so, daß die
Spize von M nach N kömmt;
die Scheibe des Zählers macht nun in einer gewissen Zeit eine Anzahl Umdrehungen,
proportional der Oberfläche des Rechtekes RMSN;
man zieht alsdann den Schieber f, f heraus, bringt die
Spize g über den Punkt P und
führt die Platte b rükwärts, so daß die Spize g der Linie PO folgt.
Durch diese rükwärtsgehende Bewegung erhält die Scheibe eine Anzahl Umdrehungen,
proportional der Fläche des Rechtekes OMNP, in
entgegengesezter Richtung.
Die Bewegung der Scheibe wird durch Zahnräder auf die Zeiger über den getheilten
Kreisen hi übertragen, wovon der eine die
Einheiten, Zehntel und Hundertel, der andere die Tausendtel und Zehntausendtel von
Quadratmillimetern angibt.
Was wir so eben für ein Rechtek gesagt haben, gilt auch für die Quadratur einer von
Wellenlinien op begränzten Fläche; jedes Element
dieser Fläche uvxy kann als ein kleines Rechtek
betrachtet werden, dessen Grundlinie ux und dessen
Höhe das arithmetische Mittel zwischen uv und xy ist.
Bei der Aufnahme einer Krümmung oder bei der Quadratur der Fläche MNpo verfährt man wie folgt: man befestigt das
Blatt Papier auf den Tisch des Planimeters in der Art, daß die Spize g, die so nahe wie möglich an den Tisch gebracht worden
ist, der Linie MN genau folgt, wenn man die Platte
b in der Richtung von M
gegen N schiebt. Hierauf stellt man die beiden Zeiger
auf Null der Theilung, bringt die Scheibe e über den
Kegel und schiebt die Platte b so, daß die Spize g der Richtung von M nach
N folgt. Man zieht alsdann den Schieber f heraus, um die Spize g auf
den Punkt p zu bringen und führt sie mit Hülfe der
doppelten Bewegung, welche man ihr mittheilen kann, genau nach allen Krümmungen der
krummen Linie, bis die Spize g in o ankommt. Man liest alsdann auf den zwei Zifferblättern die Zahl der
Quadratmillimeter ab, welche in der Fläche enthalten sind, und indem man durch die
Länge der Grundlinie MN, in Millimetern
ausgedrillt, dividirt, erhält man als Quotient die mittlere Ordinate oder die Höhe
des Rechtekes von demselben Flächeninhalt.
Die Genauigkeit des beschriebenen Verfahrens erfordert, daß die Scheibe bei ihrer
doppelten Bewegung niemals gleite ohne sich zu drehen; denn wenn dieses der Fall
wäre, so würde die durch die Zifferblätter angezeigte Größe der Fläche kleiner als
die wirkliche seyn. Es ist daher gut, den metallenen Kegel durch einen aus hartem
und trokenem Holz zu ersezen, auf welchem die gleitende Reibung weit größer, als auf
einem glatten Metallkegel ist. Die Vergleichungen, welche bei scharf wellenförmigen
Linien, die bei dem Gebrauche des Planimeters die ungünstigsten sind, angestellt
wurden, haben gezeigt, daß die Genauigkeit des Instruments so vollkommen ist, als
man sie nur wünschen kann.
Die Ersezung des glatten Metallkegels durch einen solchen von Holz, war das einzige
Mittel, um genaue Resultate mit diesem Instrumente unter den gewöhnlichen
Verhältnissen zu erhalten.Da ein hölzerner Kegel, wenn das Holz auch noch so troken ist, nicht rund
bleibt, sondern sich wirft, so wäre es zwekmäßiger, denselben aus Papier
gleich den Papierwalzen zu machen, wobei der Kegel immer rund bliebe und die
gleitende Reibung außerdem viel größer als bei Holz seyn würde. Die Scheibe
c und die Schiene d könnten zur vollkommenen Vermeidung des Gleitens leicht durch
ein gut gearbeitetes Zahnrad und eine Zahnstange ersezt werden.A. d. R. Es ist in der That unumgänglich nothwendig, um genaue Resultate zu erhalten,
daß die Scheibe nicht gleite ohne sich zu drehen, oder daß die gleitende Reibung
immer größer als die rollende ist. Nun ist aber der Widerstand, welchen die Scheibe
des Zählers beim Rollen erleidet, unter den gewöhnlichen Verhältnissen zu groß gegen
die gleitende Reibung dieser messingenen Scheibe auf einem gußeisernen oder stählernen glatten Kegel;
es folgt daraus, daß die Scheibe zum Theil gleitet ohne sich zu drehen, und daß
daher die Zahl ihrer Umdrehungen nicht mehr im Verhältniß zur Quadratfläche erfolgt.
Der Unterschied wird um so merklicher, je größer die Neigungen der Curve gegen die
Grundlinie sind.