Titel: | Norris' Dampfwagen mit den Verbesserungen des Mechanikers Borsig in Berlin. |
Fundstelle: | Band 86, Jahrgang 1842, Nr. XXXIII., S. 161 |
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XXXIII.
Norris' Dampfwagen mit
den Verbesserungen des Mechanikers Borsig in Berlin.Aus dem Artikel „Eisenbahnen“ in
Ure's technischem
Wörterbuche, bearbeitet von K. Karmarsch und Dr. Fr. Heeren.
Mit einer Abbildung auf Tab. V.
Norris' Dampfwagen mit Borsig's Verbesserungen.
In ganz neuester Zeit hat man sich mannichfach bemüht, die Dampfwagen noch mehr zu
verbessern und namentlich dahin zu gelangen, die gekurbelte Achse zu entfernen, die
beweglichen Maschinentheile nicht alle unter dem Kessel zusammenzudrängen und eine
noch größere Verdampfungsfähigkeit durch Verlängerung des Kessels zu erreichen.
Vor allen ist dieß dem Mechaniker Norris in Philadelphia
gelungen, dessen Constructionssystem dem Hauptprincip nach die Oberhand gewinnen zu
wollen scheint.
Bei Norris' Dampfwagen liegen die Dampfcylinder und deren
Schiebergehäuse frei außerhalb zu beiden Seiten des Kessels in einer nach dem
Hintertheile der Maschine zu etwas geneigten Lage. Die Kolbenstangen laufen
ebenfalls ganz frei zu den Seiten des Kessels und bewegen mittelst der Kurbelstange
an einer geraden, nicht verkröpften Achse die Triebräder, indem sie (die
Kurbelstangen) an einer zwischen den Speichen derselben sizenden Warze befestigt
sind.
Die Triebräder liegen unter dem hinteren Theile der Maschine, wodurch eine solche
Last auf sie gebracht ist, daß sie einen größeren Widerstand (Adhäsion) auf den
Schienen auszuüben im Stande sind, als es bei einer anderen Einrichtung und gleichem
Gewichte der Maschine möglich wäre. Vier kleine, paarweise mit einander verbundene
Räder tragen den Vordertheil der Maschine. Diese vier Räder sind unter einander
mittelst eines Rahmens in der Art verbunden, daß sie sich frei um einen verticalen
Zapfen (wie das Vordergestelle eines gewöhnlichen Wagens um den Reibnagel) bewegen
können.
Die Beweglichkeit der Vorderräder macht die Maschine zum Gebrauche für Krümmungen von
kleinerem Halbmesser geeigneter.
Auf den meisten amerikanischen Bahnen befinden sich Norris' Dampfwagen und auch auf mehreren deutschen Bahnen, wie unter anderen auf der
Berlin-Potsdamer und auf der Ferdinands-Nordbahn, hat man sie mit
Nuzen angewandt. Seit Kurzem haben sie auch in England Eingang gefunden und eine
Compagnie hat deren bereits zehn angeschafft und im Betriebe.
Ein am Ende des vorigen Jahres (1841) aus England zurükgekehrter deutscher Techniker
berichtete uns hinsichtlich dessen, was die Norris'schen
Maschinen leisteten, Folgendes. Derselbe sah nämlich einen solchen Dampfwagen bei
gutem Wetter mit 4 bis 5 angehangenen und belasteten Personenwagen eine schiefe
Ebene von 1 auf 37 mit einer Geschwindigkeit von 10 bis 15 engl. Meilen per Stunde aufwärts
fahren.
Ein Dampfwagen nach dem Norris'schen Principe ist mit
mancherlei Verbesserungen vor Kurzem aus der Werkstatt des tüchtigen Mechanikers Borsig in Berlin hervorgegangen, deren Abbildung wir in
Fig. 11
geben.
Dabei ist A der Dampfkessel mit dem Dampfraume A'; A'' ist der Feuerraum, a',
a' sind Probirhähne, von denen bei normalem Wasserstande die unteren
Wasser, die oberen Dampf auslassen müssen, wenn sie geöffnet werden. In a'' ist die Dampfpfeife sichtbar und a''' ist eine Stange zum Oeffnen und Schließen eines
Hahnes in der Speisepumpe, wodurch der Maschinist zugleich sich überzeugen kann, ob
die Pumpe in Thätigkeit ist oder nicht. B ist die
Feueresse, die von dem Rauchkasten B' ausgeht. C ist einer der Dampfcylinder, D die Kolbenstange, E die Triebstange, die an
einem Ende mit der Kolbenstange, am anderen mit einer Warze des Triebrades F in Verbindung steht, und so die hin- und
hergehende Bewegung der Dampfkolben auf das Triebrad überträgt und dessen Umdrehung
veranlaßt. Ganz dieselbe Anordnung findet sich auf der anderen Seite der
Maschine.
Die Geradeführung der Kolbenstangen geschieht durch zwei runde, parallel mit der
Kolbenachse laufende Stäbe d. An einem an der
Kolbenstange befestigten Querstük i ist der Kolben der
Kesselpumpe J angebracht, welche leztere parallel mit
der Achse des Dampfcylinders liegt und gleichen Hub mit dem Dampfkolben hat. K sind die Ventilkasten, die so eingerichtet sind, daß
man durch Wegnahme einer Schraube zu den Ventilen gelangen kann, indem dadurch ein
schmiedeiserner Bügel gelüpft wird, der die Ventile in ihren Sizen hält. K ist das Rohr, welches das Wasser vom Tender herführt,
L ist die Handhabe des Regulators, mittelst welchem
der Dampfzufluß aus dem Kessel nach dem Cylinder geöffnet oder gesperrt wird. M sind Handhaben, die zur Steuerung führen, wodurch der
Dampfzufluß entweder auf die eine oder andere Seite der Dampfcylinder gestattet und dadurch eine
vor- oder rükgängige Bewegung der Maschine veranlaßt wird. N, N sind Sicherheitsventile, deren Belastung durch
Federn hervorgebracht wird.
Die ganze eben beschriebene Maschine ist, besonders zwischen den äußeren, schräg
liegenden (Mindern und den Triebrädern, etwas länger als die von Norris selbst construirten. Hiedurch wird die Triebstange
F, so wie auch der Kessel etwas länger, was beides
vortheilhaft ist.
Dieser Verlängerung wegen, so wie auch besonders deßhalb, um die sonst leicht
eintretende Drehung der ganzen Maschine, wodurch Achsen und Räder leiden, zu
vermeiden, sind außer den zwei vorderen Paaren von Laufrädern H, H hinten unter dem Feuerplaze und Stande des Maschinisten noch ein
drittes Paar angebracht.
O sind endlich die Buffer zum Auffangen etwaiger Stöße
und P, P Eisenstangen, an welchen Besen befestigt
werden, die auf den Schienen liegende kleine Körper, wie Steinchen u. dergl.,
wegkehren.
Der Preis einer solchen Maschine ist 12,000 Thlr.