Titel: | Ueber Dampfkessel-Explosionen; von Hrn. Combes. |
Fundstelle: | Band 86, Jahrgang 1842, Nr. XLVIII., S. 248 |
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XLVIII.
Ueber Dampfkessel-Explosionen; von Hrn.
Combes.
Aus dem Bulletin de la Société
d'Encouragement. Aug. 1842, S. 342.
Combes, über Dampfkessel-Explosionen.
Die vom französischen Minister der öffentlichen Arbeiten ernannte
Dampfmaschinen-Commission beauftragte ihr Mitglied, Hrn. Combes, die vorhandenen Documente über die vom Jahre 1827
an bis 1841 durch Dampfmaschinen-Explosionen entstandenen, übrigens nicht
zahlreichen Unglüksfälle zusammenzustellen. Die Bekanntmachung dieser Documente
dürfte die Mechaniker bei Verfertigung der Dampfkessel umsichtiger machen, indem
dadurch die Fehler ihrer Construction, welchen bei gewissen Fällen sicher die Schuld
beizumessen ist, angezeigt werden.
Hr. Combes berichtet acht Explosionsfälle, deren drei auf
Dampfbooten und die anderen in Fabriken stattfanden; sie werden hier in ihrer
chronologischen Folge gegeben.
1) Explosion eines in einer Färberei zu Puteaux befindlichen
Dampfkessels. Dieser Unglüksfall, welcher am 6. Jun. 1827 stattfand und den
Tod des Hrn. Dumas, des Besizers der Anstalt, und eines
Arbeiters veranlaßte, war Folge der schlechten Construction des Kessels und der
schlechten Beschaffenheit des Eisenblechs, welches der auf acht Atmosphären
getriebenen Spannung des Dampfes nicht Widerstand leisten konnte. Dieser
cylindrische, in zwei flache Böden sich endigende Kessel war mit zwei auf derselben
Tubulatur angebrachten Sicherheitsventilen versehen, hatte aber keine schmelzbaren
Scheiben; er war der (in Frankreich) gesezlich vorgeschriebenen Probe mit der
Drukpumpe nicht unterworfen worden.
Der eine Boden, welcher erst vor Kurzem an den Kessel befestigt worden war, riß längs
der Nagelnaht beinahe im ganzen Umkreise ab; der Dampf und das kochende Wasser
verbreiteten sich plözlich durch die entstandene große Oeffnung; ein 14 Meter davon
entfernter, vor dem Kessel stehender Schoppen wurde ganz niedergerissen; der Körper
des Kessels wurde durch die Wirkung der Flüssigkeit rükwärts geschleudert, traf und
zerbrach das Schwungrad der Dampfmaschine, flog dann weiter, warf zwei parallele, 30
Centimeter dike Mauern um und fiel endlich 4 oder 5 Meter weit von der lezten
umgestürzten Mauer nieder.
2) Explosion des Kessels einer in einem Schiefersteinbruch zu
Avrillé (Maine u. Loire) befindlichen
Dampfmaschine. Diese Explosion ereignete sich in der Nacht vom 26. auf den
27. April 1839 und hatte den Tod des Heizers zur Folge. Der cylindrische Kessel mit
halbkugelförmigen Endtheilen und zwei Siederöhren von Eisenblech versehen, war allen
vom Gesez vorgeschriebenen Proben unterzogen worden; er hatte zwei
Sicherheitsventile, zwei schmelzbare Scheiben, einen Schwimmer und ein Manometer.
Der an eine Mauer des Gebändes, welches die Dampfmaschine enthielt, und an die
Grundmauer des Ofens angebaute Kamin von 15 Meter Höhe und 2 Meter Breite an seiner
Basis wurde umgestürzt und das Gebäude zertrümmert; der Kessel wurde 200 Meter weit
geschleudert. Die Spannung des Dampfes betrug 5 Atmosphären; das nur 5 Millimeter
dike Eisenblech mußte an manchen Theilen von dem ziemlich sauren und mit Salzen
beladenen Wasser, welches zur Speisung des Kessels diente, angegriffen und dünn
gemacht worden seyn; diesem Umstande schrieb man die Explosion zu, denn es wurde
bemerkt, daß die Risse des Eisenblechs nicht auf einmal, sondern allmählich
entstanden waren.
3) Explosion eines in einer Zukerfabrik zu Saint-Saulve
bei Valenciennes (Nord) befindlichen Dampfkessels. Diese ereignete sich im
Junius 1839; der Kessel hatte Cylindergestalt und flache Böden, keine Siederöhren,
und war mit einer einzigen schmelzbaren Scheibe und zwei Ventilen versehen. Ein zur
Circulation der warmen Gase bestimmtes Rohr im Innern desselben war herausgenommen
worden; die Löcher der beiden Böden waren dann durch mit Nietnägeln vereinigte
Eisenblechplatten verschlossen worden. Einer dieser Böden wurde in seinem ganzen
Umkreise an der Stelle wo das Eisenblech umgebogen war, losgerissen; der Körper des
Kessels, rükwärts geschleudert, hatte die Ofenmauer und einige andere Mauern der
Fabrik weggerissen und fuhr zulezt 1,50 Meter tief in den Boden. Die Wirkungen des
ausströmenden Dampfes waren nicht minder außerordentlich; ein Theil des Karnießes
des Gebäudes, 8 Meter hoch gelegen, wurde losgerissen und fiel auf die Maschine
herunter.
Diese Explosion gleicht in ihren Wirkungen ungemein jener in Puteaux. Das Eisenblech
des Bodens, welches zerrissen wurde, war schlechter Beschaffenheit und die Biegung
desselben beinahe im rechten Winkel, mußte die Dauerhaftigkeit dieses Bodens
beeinträchtigen und der Zähigkeit des Metalls großen Schaden thun.
4) Unglüksfall mit dem Kessel des auf der Seine fahrenden
Dampfboots der „Parisien“
. Am 23. Junius 1839 war dieses Boot in Melun angekommen, wo es sich aufhielt,
um Passagiere abzusezen und aufzunehmen; in dem Augenblik, wo es wieder in den
offenen Fluß gehen wollte, barsten zwei Siederöhren des Dampfkessels. Wasser und
Dampf verbreiteten sich im unteren Schiffsraume, wo der Maschinenmeister und die drei
Heizer umkamen; drei andere Personen wurden sehr schwer verwundet; die Reisenden
blieben alle unversehrt.
Der cylindrische Dampfkessel war mit sehr vielen Siederöhren versehen, um die
Heizfläche zu vergrößern, wodurch aber zahlreiche Zusammenfügungen nöthig und die
Construction complicirter wurde; er hatte die Drukpumpen-Probe ausgehalten
und war mit zwei Sicherheitsventilen und zwei schmelzbaren Scheiben versehen.
Das Ereigniß wird dem Sinken des Wasserniveau's im Dampfkessel und der raschen
Dampfentwikelung zugeschrieben, welche dadurch entstanden, daß das Wasser an die
entblößten und vorher durch die Flamme überhizten Wände geschleudert wurde.
5) Explosion eines in der Werkstätte des Hrn.
Jaoquet-Robillard zu Arras befindlichen Dampfkessels. Diese
Explosion erfolgte am 3. Febr. 1841, während die Maschine außer Thätigkeit gesezt
war; ein Arbeiter wurde verwundet. Der cylindrische Kessel mit beinahe flachen Böden
war mit einem Schwimmer, einem Sicherheitsventil und einem Manometer versehen. Er
wurde ohne Erlaubniß der Behörden und ohne daß den gesezlich vorgeschriebenen
Sicherheitsmaßregeln entsprochen worden war, errichtet. Das Eisenblech des
Kesselbodens war von krystallinischer Textur, was das Zeichen eines schlechten
Eisens ist; es war nur 4 1/4 Millimeter dik; der Bruch war Folge der geringen
Zähigkeit der beinahe im rechten Winkel umgebogenen Ränder der flachen
Eisenblechböden. Das Spiel des Manometers und der Ventile wurde durch die im Wasser
suspendirten schlammigen Substanzen behindert.
Von den fünf hier berichteten Ereignissen fanden drei bei Kesseln statt, welche dem
gesezlich vorgeschriebenen Probedruk nicht unterworfen worden waren. Die flachen,
beinahe im rechten Winkel umgebogenen Böden sind eine schlechte Einrichtung, wenn
die Kessel einen hohen Druk auszuhalten haben; unmöglich kann der Rand einer
Eisenblechscheibe so umgebogen werden, ohne Risse zu bekommen und ohne daß seine
Elasticität vernichtet wird. Diese Art der Construction muß daher von den
Maschinenbauern aufgegeben werden.
Die Explosion in Avrillé kann durch das allmähliche Dünnerwerden des
Eisenblechs in Folge der Einwirkung des sauren Wassers und die daraus folgende
Verminderung der Zähigkeit erklärt werden; sie zeigt, wie gefährlich die Anwendung
des sauren Wassers zum Speisen der Hochdruk-Dampfkessel ist.
Das am Bord des Dampfschiffes der Parisien stattgehabte
Ereigniß endlich rührt von der übermäßigen Spannung des Dampfes in Folge des Sinkens
der Wasserhöhe im Kessel her; es beweist, daß die Sicherheitsventile und schmelzbaren Scheiben nicht
im Stande sind, die Wirkung der zufälligen Ueberhizung der Wände und die plözliche
Bildung von Dampf durch die Berührung des Wassers mit diesen Wänden zu verhüten. Es
ist daher nöthig, die Dampfkessel auf Schiffen mit guten Wasserstandszeigern zu
versehen, und zwar jeden Kessel mit mehreren, wegen der verschiedenen Neigungen zum
Horizont, welche die Kesselwände bei der Bewegung des Schiffes annehmen können.
6) Explosion eines Kessels des auf der Saône fahrenden
Dampfboots, der „Citis“
. Dieser Dampfkessel, welcher am 17. Febr. 1841 unter einem Druk von 4
Atmosphären explodirte, war mit zwei Sicherheitsventilen und zwei schmelzbaren
Scheiben, aber mit keinem Manometer versehen; auch war er nicht der Probe eines
dreimal größeren hydraulischen Druks, als er auszuhalten hatte, unterworfen worden.
Die Explosion fand während eines Anhaltens des Schiffes statt; von 26 Personen am
Bord wurden 11 getödtet und 9 mehr oder weniger stark verwundet. Das Ereigniß ist
Fehlern in der Construction des Kessels zuzuschreiben, welcher nicht mit dem
gehörigen Beschläge versehen war, um die Formveränderung des inneren Cylinders zu
verhüten; ferner der zu geringen Dike dieses Cylinders. Kessel mit flachen Seiten
und weitem innern Rohr, wie diese, können einem starken innern Druk nur mittelst
eines zwekmäßigen Beschlages Widerstand leisten.
7) Explosion eines Kessels des auf der Loire fahrenden
Dampfschiffes „Bretagne.“
Dieses am 6. März 1841 stattgehabte Ereigniß war Folge des Mangels an
Widerstand von Seite des Beschlägs und des Eisenkitts, der ungeschikter Weise zur
Verbindung der Tubulaturen des Dampfkessels mit dem Reservoir genommen worden war;
die Anwendung dieses Kitts hat den großen Fehler, die Oxydation und den schnellen
Ruin des Kessels und später eine Explosion zu veranlassen, wenn man nicht darauf
sieht, die oxydirten Stüke zu erneuern; die Theile der Dampfkessel müssen daher
mittelst Nieten oder hinlänglich starker Beschläge zusammengefügt seyn; ferner
müssen, wenn ein Schiff zwei besondere Kessel und zwei Treibapparate enthält, wie
dieß am Bord der Bretagne der Fall war, dieselben völlig von einander isolirt seyn,
indem sonst das Bersten des einen Kessels das des anderen nach sich ziehen kann.
8) Explosion eines Dampfkessels des im Bergwerk zu Azincourt
bei Abscon (Nord) errichteten Pumpwerks. Diese Explosion, welche am 23.
Jul. 1841 stattfand, verwundete 4 in der Nähe des Kessels befindliche Arbeiter.
Veranlaßt wurde sie
durch mehrere Risse im Metall des gußeisernen Cylinders an seinem concaven Theil
unterhalb der Einmündung der Speiseröhre; das kalte Speisewasser, welches in
geringer Entfernung von der außen durch die Flamme erhizten gußeisernen Wand zufloß,
konnte die Bildung dieser Nisse herbeiführen.
Die gußeisernen Dampfkessel sollten gänzlich verboten werden, weil sie durch die
Sprödigkeit des Metalls bei Stößen oder durch schnellen Wechsel der Temperatur bei
ihrer Dike leicht Sprünge erhalten; diese können dann, wenn man sie nicht gewahr
wird, eine Explosion veranlassen. Uebrigens werden gußeiserne Dampfkessel immer
seltner angeschafft, weil sie theurer sind als eben so große Kessel von Eisenblech
und eben wegen ihrer Dike mehr Brennmaterial erheischen.