Titel: | Ueber die Anlage, den Betrieb und Ertrag der Eisenbahnen; nach Stephenson und Vignoles. |
Fundstelle: | Band 87, Jahrgang 1843, Nr. III., S. 7 |
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III.
Ueber die Anlage, den Betrieb und Ertrag der
Eisenbahnen; nach Stephenson und Vignoles.
Aus dem Moniteur industriel, 1842, No. 672 und
673.
Stephenson und Vignoles, uͤber die Anlage, den Betrieb und
Ertrag der Eisenbahnen.
In einem englischen Subscribenten erstatteten Bericht über die belgischen
Eisenbahnen, bekennt der berühmte Ingenieur Stephenson,
daß er sich geirrt habe, indem er die Horizontalität oder möglichst schwache
Neigungen als eine Bedingung empfahl, deren Erkaufung durch größere Kosten des Baues
man nicht scheuen solle.
Hr. Vignoles theilt im Mining-Journal sehr werthvolle, positive und neue Daten über die
Transportkosten und über die Frage hinsichtlich der Neigungen der Bahnen mit. Er
gibt zuvörderst auf das Genaueste die Transportkosten auf den englischen Eisenbahnen
an, wie folgt:
Passagiere (mit großer Geschwindigkeit) 1 Penny per Meile
und Person, oder 6,47 Centimes per Kilometer.
Steinkohlen (mit mäßiger Geschwindigkeit) 1 Penny per
Meile die Tonne, oder 6,47 Centimes per Kilometer die
Tonne.
Waaren (sechs Lieues in der Stunde) 2 Penny per Meile die
Tonne, oder 12,94 Centimes per Kilometer die Tonne.
Reducirt man die Kosten für Reisende auf gewöhnliche Fracht, und nimmt man das
Gewicht von zwölf Reisenden mit ihrem Gepäke im Durchschnitt als Aequivalent einer
Tonne an, so wild man finden, daß die Reisenden als fortzuschaffendes Gewicht per Tonne und Kilometer 77,64 Centimes, oder zwölfmal so
viel als ein gleiches Gewicht Steinkohlen, und sechsmal so viel als ein gleiches
Gewicht Waaren kosten!
Ein Theil dieses Unterschieds ist nun wohl der Geschwindigkeit zuzuschreiben,
keineswegs aber die ganze Differenz; denn ein großer Theil der Kosten für die Waaren
findet bei den Steinkohlen nicht, oder doch nur in viel geringerm Verhältniß
statt.
Kosten des Steinkohlen-Transports.
Penny-Decimalen.
Centimes.
Locomotivkraft
0,38 per Meile
2,456 per Kilometer
Waggons
0,19 –
1,228 –
Provision, Schaffnerei etc.
0,08 –
0,517 –
Unterhaltung der Bahn
0,21 –
1,367 –
Allgemeine Spesen und Localtaxen
0,14 –
0,904 –
––––––––––––––––––––––––––––––
per Tonne und Meile
1 Penny.
6,47 Centimes per
Kilometer und Tonne.
Kosten des Waaren-Transports.
Penny-Decimalen.
Centimes.
Locomotivkraft
0,57 per Meile
5,684 per
Kilometer
Waggons
0,23 –
1,486 –
Schaffnern etc.
1,08 –
6,981 –
Unterhaltung der Bahn
0,31 –
2,003 –
Allgemeine Spesen und Localtaxen
0,36 –
2,263 –
––––––––––––––––––––––––––––––
per Tonne Waaren
2,54 Penny.
16,417 Cent. p. Kil.
Zu diesen Kosten sind zwar allerdings Spesen gerechnet, wie die des Transports aus
den Magazinen zum Verladungsplaz, und vom Abladeplaz nach den Magazinen, welche auf
die Eisenbahn eigentlich keinen Bezug haben und auf 1/2 Penny oder den Bruch über 2
Penny angeschlagen werden können. Es bleiben dann für Kosten der Bahn 2 Penny per Meile und Tonne, oder 12,94 Cent. per Kilometer, und daß diese Kosten das Doppelte jener
für die Steinkohlen betragen, ist bei weitem nicht ausschließlich der größeren
Geschwindigkeit zuzuschreiben.
Vergleicht man das zahlende Gewicht mit dem Bruttogewicht der Trains, oder mit andern
Worten die nuzbringende Ladung der Trains mit der Gesammtlast, die Wagen
inbegriffen, so stellt sich das Verhältniß beim Steinkohlen-Transport wie 3
zu 5 heraus; bei den Waaren ist es nur 1 zu 2; bei den Reisenden nur 1 zu 6, oft
noch geringer. Hätten die Passagier-Trains volle Ladung, so würde sich für
die Passagiere das Verhältniß ungefähr eben so stellen, wie für die Waaren, stets
aber weit weniger vortheilhaft als für den Steinkohlen-Transport. An den
Steinkohlengruben ist alles so eingerichtet, um vom nuzbringenden Gewicht das
Maximum, von den Fortschaffungsapparaten aber das Minimum des Gewichts zu haben.
Wäre es mit den Waaren eben so, würden überhaupt in Allem dieselben Umstände
obwalten, ausgenommen in der Geschwindigkeit, so würde man mit Recht sagen, daß die
Geschwindigkeit die Kosten verdopple; dieß ist aber nicht der Fall. Der Mehrbetrag
der Kosten, welcher von der Geschwindigkeit herrührt, kann die Hälfte bis höchstens
drei Fünftel eines Penny per Tonne und Meile ausmachen,
oder 3,83 bis höchstens 3,86 Centimes per Kilometer und
Tonne, aber nicht darüber. Was über diesen Mehrbetrag hinausgeht, ist auf Rechnung
der übrigen Erfordernisse dieses Transportzweigs zu bringen. Hinsichtlich der
Reisenden darf man sicher annehmen, daß das Steigen und Fallen der Frequenz, die
Anordnungen, die unumgänglichen Nebenausgaben zu ihrer Befriedigung, ihren
Transport, dem Gewichte nach gerechnet, um das Sechsfache kostspieliger machen, als
den der Waaren.
Obgleich aber der Transport der Passagiere dem Gewichte nach sechsmal so viel kostet
als derjenige der Waaren, so liefern doch zehnjährige Erfahrungen auf der
Manchester-Liverpool-Eisenbahn den Beweis, daß der Transport eines
Passagiers denselben Nuzen abwirft wie der einer Tonne Waaren. Es ist dieß eher eine
Ausnahme als ein Widerspruch. – Auf dieser Linie nämlich ist eine bedeutende
Concurrenz zwischen der Eisenbahn und der Fluß- und Canalschifffahrt; der
Tarif des Waarentransports und aller Nebenspesen ist so viel als möglich reducirt.
Das factische Monopol des Passagier-Transports hingegen ist der Eisenbahn
sicher, und wenn ihr Transport auch die höchste Stufe nicht erreicht hat, so ist er
doch wenigstens sehr bedeutend.
Hr. Vignoles kommt zu wiederholtenmalen mit vielem
Nachdruk auf die Behauptung zurük, daß die öftere Expedition aus einer kleinen
Anzahl Wagen bestehender Trains, vorausgesezt, daß diese Wagen so gebaut sind, daß
ein richtiges Verhältniß zwischen dem Bruttogewicht und dem zahlenden Gewicht
stattfindet, den Nuzen um Vieles erhöht; dieß ist leicht einzusehen, die Transportkosten eines Trains werden
durch die Vermehrung der Passagiere nur sehr wenig erhöht und diese Vermehrung kann
die Transportkosten für den Passagier und die Entfernung sehr leicht auf die Hälfte
reduciren. Unter übrigens gleichen Umständen wäre damit noch der Vortheil verknüpft,
daß die Maschine niemals übermäßig angestrengt würde; es können auch nicht so leicht
Unglüksfälle eintreten und im Falle eines solches wäre die Gefahr bei weitem nicht
so groß, denn diese liegt vorzüglich in der Masse.
Diese Frage der kleinen Trains hängt mit der wichtigen Frage der Baukosten zusammen,
inwiefern nämlich Ausgaben gemacht werden dürfen, welche nicht absolut nothwendig
sind, um ein mit denselben in Verhältniß stehendes Erträgniß hoffen zu können. Das
vollkommenste Niveau scheint die Transportkosten so viel als möglich vermindern zu
müssen; in der Praxis findet aber gerade das Gegentheil statt, namentlich
hinsichtlich der Passagiere, wenn man hievon die Bahnen in der Nähe der Hauptstadt
und der großen Manufacturstädte ausnimmt. – Es ist wirklich merkwürdig, wie
auf Linien von sehr verschiedenen Neigungen die Transportkosten per Meile oder Kilometer sich nahe kommen oder beinahe
ganz gleich stellen. Auf der Nord-Union-Bahn z.B., wo von 35
Kilometern 8 Kilometer eine Neigung von 10 Millimetern per Meter haben, sind die Transportkosten per
Kilometer nicht größer, als auf beinahe ganz horizontalen Bahnen. Auch hat man sich
überzeugt, daß bei sechs, acht und selbst zehn Wagen im Train kein merklicher
Unterschied in den Transportkosten per Kilometer
stattfindet zwischen Linien, die in ihren Neigungen im Vergleich mit andern,
günstig, und solchen, welche ungünstig genannt werden.
Hr. Vignoles bemerkt, daß man die Gesammtkosten einer Bahn
nie über 156,000 Fr. per Kilometer anwachsen lassen
darf, um vollkommenere Niveaux zu erhalten. Er erinnert, daß die lezte Commission
für die irländische Eisenbahn, welche von andern Grundlagen ausging, durch andere
Schlußfolgerungen ebenfalls zu dem Resultat gelangt sey, daß 156,000 Fr. per Kilometer, oder 624,000 Fr. per Lieue übersteigende Kosten in akerbautreibenden Landstrichen, wo kein
bedeutender Handel ist, selten zwekgemäß sind, und dringt sehr darauf, Neigungen von
58,60 bis 80 Fuß per Meile, oder 9,44, 11,33, 15,14
Meter per Kilometer, oder über 15 Millimeter per Meter, in Verbindung mit minder schweren Trains,
kräftigern Maschinen und je nach der Entfernung etwas größern Transportkosten den
Vorzug zu geben; er behauptet, daß dieß weit besser sey, als die ungeheuren
Abgrabungen und Einfüllungen und die kostspieligen Arbeiten zur Herstellung sanfterer Neigungen. Hr.
Vignoles beruft sich in dieser Beziehung auf seine
eigene Erfahrung sowohl als auch auf den Bericht der erwähnten Commission und
bemerkt, „daß die französischen Ingenieurs in einen großen Irrthum
verfallen seyen, als sie für die französischen Eisenbahnen so kostspielige
Neigungen beantragten.“
Auf der Liverpool-Manchester-Bahn, so wie auf vielen andern, betragen
die Kosten der Locomotivkraft nur ein Viertheil der Gesammtkosten des Transports;
wenn man aber auch annimmt, daß diese Kraft ein Drittheil der Kosten beträgt, so
würde nur ein Drittheil dieses Drittheils, also ein Neuntheil der Gesammtkosten des
Transports durch die Neigungen absorbirt. Eine kleine Mehrausgabe für Brennmaterial
und Reparaturen ausgenommen, welche die schroff geneigten Ebenen verursachen, sind
beinahe alle übrigen Kosten allen Bahnen gemein und werden weit mehr von der
Verwaltung und dem Betriebe, als von den Neigungen veranlaßt. Würde man die Anzahl
der von den Locomotiv-Maschinen mit den Trains durchfahrenen Kilometer, die
Kosten ihrer jährlichen Arbeit auf den verschiedenen Bahnen, das Brutto- und
Netto-Erträgniß per Train und Kilometer
vergleichen, so würde man gewiß sehr wenige Bahnen finden, wo die großen Kosten, um
sanfte Neigungen herzustellen, sich rechtfertigen.
Nach Ermittelung der wirklichen Kosten des Waaren- und
Passagier-Transports, wird man wenige Gegenden finden, wo das Publicum einen
so hohen Tarif zahlen könnte, daß den Compagnien über ihre Auslagen noch ein Nuzen
von mehr als 1 Penny per Meile, oder 6,47 Cent. per Kilometer und Passagier, so wie derselbe Nuzen per Tonne Waare und der halbe nur, oder 3,23 Cent. per Kilometer und Tonne Steinkohlen bleibe. Dieser Nuzen
ist nur in England zu erwarten; auf dem Continent aber, so wie auch in Schottland,
Irland würde er nicht die Hälfte obiger Zahlen betragen; jede Preiserhöhung würde
den Handel andere Canäle zu wählen veranlassen, wie dieß bei der
Greenock-Paisley-Eisenbahn der Fall war, oder sie würde ihn ganz
stoken machen. Auf großen Bahnen erlaubt das Monopol zwar hohe Preise; allein der
Verkehr wird dadurch beeinträchtigt, das Publicum leidet darunter und die
öffentlichen Rechnungsablagen thun dar, daß die mögliche Höhe der Einnahmen auf
mehreren dieser Bahnen schon erreicht ist.
Auf der Dublin-Kingstown-Eisenbahn betragen die Transport- und
Passagier-Kosten im Durchschnitt 1/2 Penny per
Meile, oder 3,23 Cent. per Kilometer und der Nuzen der
Gesellschaft ist diesem ziemlich nahe, nämlich 5/8 Penny, oder 4,04 Cent. per Kilometer. Dieser niedere Preis veranlaßt eine
sichere und regelmäßige Benuzung der Bahn. Der Nuzen der großen englischen Compagnien aber
ist ungefähr 12,94 Cent. per Reisenden und per Kilometer; doch ist er vielleicht in mehreren Fällen
noch nicht hinreichend, um die unnüzen Ausgaben für die möglichste Vermeidung der
Rampen bei großen Bahnen, welche das Publicum so theuer bezahlen muß, wieder
einzubringen.
Am Schlusse sagt Hr. Vignoles, daß die erwähnten
Thatsachen ein sicheres und leichtes Mittel darbieten, um die Leistungen und
Erträgnisse schon bestehender oder erst zu errichtender Eisenbahnen zu
veranschlagen. Sie beweisen, wie thöricht die Anlage der
Greenwich-Blackwell-Eisenbahn war, welche 3,880,000 Fr. per Kilometer kostete, so wie anderer englischer Bahnen,
deren Herstellung 770,000 Fr. per Kilometer, oder
3,080,000 Fr. per Lieue kostete, und welche sicher nicht
unternommen worden wären, wenn man vorher schon solche Untersuchungen angestellt
hätte. Dasselbe läßt sich von einigen französischen Eisenbahnen sagen.
R. de Bilback.