Titel: | Ueber die Bereitung der Tournesol-Lappen und den Farbstoff der dazu dienenden Chrozophera tinctoria etc. Jussieu; von Joly, Professor an der Universität zu Toulouse. |
Fundstelle: | Band 87, Jahrgang 1843, Nr. VIII., S. 29 |
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VIII.
Ueber die Bereitung der Tournesol-Lappen
und den Farbstoff der dazu dienenden Chrozophera tinctoria
etc. Jussieu; von Joly, Professor an der
Universitaͤt zu Toulouse.
Im Auszug aus den Annales de Chimie et de Physique.
September 1842. S. 111.
Joly, uͤber die Bereitung der
Tournesol-Lappen.
Der Verfasser hat die lange Zeit geheim gehaltene Bereitung dieser Substanz durch
eigene Anschauung kennen gelernt, er wandte die verschiedenen Verfahrungsweisen
selbst mit dem besten Erfolge an und kann daher für die Richtigkeit dessen, was er
hier mittheilt, stehen.
Die im Handel unter dem Namen der Lappen von
Grand-Gallargues
Eines Dorfes in der Gegend von Nîmes. oder Tournesol-Lappen gehenden Lumpen
verdanken ihre Farbe dem Saft der Chorzophera tinctoria,
aus der Familie der Euphorbiaceen. Die färbenden Eigenschaften dieser Pflanze waren
schon den ältesten Naturforschern bekannt. Die Gewinnung des Farbstoffs und
Bereitung der in Rede stehenden Lappen wurden aber immer nur mehr oder weniger
ungenau und unrichtig beschrieben, bis Nissole (1706) zu
Montpellier zuerst einen Vortrag hielt, in welchem er die Bereitung derselben
mittelst Kalks und Menschenharns genau beschrieb; nur schien ihm entgangen zu seyn,
daß sich die Holländer des Tournesols zum Färben der rothkrustigen Käse bedienen.
Montet beschrieb und erklärte zuerst (1754) sowohl
dieses alte, als das neue, gegenwärtige Verfahren; seine Abhandlung ging in das Dictionnaire encyclopédique über. De Candolle beschreibt nur das erstere in einem
botanisch-agronomischen Reisebericht über die südwestlichen Provinzen
Frankreichs (1808). Nees v. Esenbeck's Beschreibung des
alten Verfahrens ist unrichtig und die Benennung Bezetta
coerulea und rubra scheinen dem Verf. nur in
Deutschland oder Holland bekannt zu seyn. Berzelius
(dessen Lehrbuch der Chemie Bd. VII. S. 184) sagt: „dasselbe (das Lakmus)
soll auch von Croton tinctorium erhalten werden, in
dessen Saft leinene
Lappen getaucht und darauf in ammoniakhaltige Dünste aus gefaultem Urin
gehalten werden, bis sie blau geworden sind.“
Von allen Schriftstellern über die Bereitung der Tournesol-Lappen haben Baron
d'Hombers-Firmas, vorzüglich aber Pastor Hugues
Une excursion dans la Cummune du
Grand-Gallargues. Nîmes 1836. nach des Verfassers Wissen die richtigsten und ausführlichsten Aufschlüsse
gegeben. Nach dem leztern ist dieses Industriezweigs in den ältesten Urkunden der
Gemeinde Grand-Gallargues erwähnt, welche jedoch leider nicht über das Jahr
1600 zurükgehen. Zu jener Zeit existirten, heutzutage außer Gebrauch gekommene,
Polizeiverordnungen, welche das Einsammeln des Färbekrotons vor dem 25. August, wo
es als völlig reif angenommen werden kann, verbietet. Von Hugues erfahren wir auch, daß noch vor Kurzem die Gallarguer nach den
untern Cevennen, nach Gardoneuque, Roussillon und der Provence gingen, um die
Pflanze zu sammeln, daselbst Mühlen mietheten und die zur Gewinnung des Tournesols
nöthigen Arbeiten verrichteten. Andere wieder beschränkten ihr Aufsuchen der Pflanze
auf einen Rayon von zehn Lieues im Umkreise des Dorfes.
Gegenwärtig wird das Färbekroton an Ort und Stelle selbst gesammelt; doch, sagt Hr.
Hugues, „sind wenige Industriezweige in
solches Dunkel gehüllt; die Einsammler desselben wissen nicht, zu was es dient;
die Nuzen daraus ziehenden kennen die Bereitung nicht, und diejenigen, welche
diese beschrieben, brachten nur Unwahrheiten vor, indem sie bloß falsche Angaben
wiederholten.“
Durch diese Stelle angespornt, suchte der Verf. dieses Dunkel in eigener Person wo
möglich zu durchdringen; er begab sich im September 1838 und die lezten Tage des
Augusts 1839 nach dem benannten Dorfe, wo Hr. Hugues
sowohl, als die Bauern selbst mit aller Zuvorkommenheit ihm alle möglichen
Aufschlüsse gaben. Folgendes wurde auf diesen beiden kleinen Reisen in Erfahrung
gebracht.
Einen Tag nach dem Einsammeln des Färbekrotons überläßt man es eine Viertelstunde
oder zwanzig Minuten lang der Wirkung eines verticalen Mühlsteins von 5 1/2 Fuß
(1,79 Meter) Durchmesser, mehr als einem Fuß (0,36 Meter) Dike und 3000 Kilogr.
Gewicht. Dieser Mühlstein wird von einem Pferde in Bewegung gesezt und dreht sich in
einem kreisrunden Trog mit erweiterten Wänden. Wenn die Pflanze hinlänglich
zerrieben ist, bringt man sie in von Binsen oder den Blättern des pfriemförmigen
Nußgrases (Lygeum spartum) geflochtene Körbe, wie man
sich deren auch zu der Bereitung des Olivenöhls bedient. Man trägt nun diese Körbe zur Kelter und fängt
den Saft in einem großen hölzernen Gefäße (cornue, in
der gemeinen Bauernsprache sémâou genannt)
auf. Der Saft ist von dunkelgrüner, beinahe blauer Farbe und wird, wenn das darin
enthaltene Wasser zum Theil verdunstet ist, sehr zähe. Der Rükstand wird aus den
Körben genommen, zerbrökelt, mit halb so viel Urin, als man noch Saft darin
voraussezt, vermischt und neuerdings ausgepreßt. Was auch von den meisten Autoren
darüber gesagt worden seyn mag, so ist es nicht nöthig, daß der Urin vorher in
Fäulniß übergehe, da man sich sehr oft solchen vom vorigen Tag bedient.
Sogleich nachdem der Saft der ersten Art erhalten wurde, manchmal nur eine
Viertelstunde darnach, schüttet der Tournesolbereiter eine gewisse Quantität
desselben in einen rechtwinklichen Zuber, wie sich dessen die Wäscherinnen bedienen
(im Patois Gamata). Er taucht in denselben Fezen von
sehr grober Pakleinwand und tränkt sie mit dem Saft durch Aneinanderreihen, als
wollte er sie mit Seifenwasser imprägniren. Ehe er diese Operation vornimmt, muß er
sich überzeugen, daß die Lumpen nicht öhlig oder fett sind.
Dieß ist die einzige zu beobachtende Vorsicht, wenn schon allgemein behauptet wurde,
daß die Lumpen höchst sorgfältig gewaschen werden müssen. Hat man sich überzeugt,
daß die Flüssigkeit in alle Maschen des Gewebes gleichförmig eingedrungen ist, so
wird aufgehört zu kneten und man schreitet zum Aufhängen
der so präparirten Lumpen, damit sie so schnell als möglich troknen. Zu diesem
Behufe legt der Arbeiter die beiden obern Eken des Lumpens um und befestigt sie
mittelst langer Dornen (épines) an horizontal an
Stangen ausgespannten und der Sonne und dem Wind ausgesezten Schnüren.
Nun beginnt eine neue, unbestritten die sonderbarste und schwerste Operation von
allen, nämlich die Lappen dem Aluminadou auszusezen.
Dieses ist nichts anders als eine ungefähr 1 bis 1 1/2 Fuß dike Schicht
Pferde- oder Mauleselmist. Um mit Erfolg angewandt zu werden, muß dieser Mist
frisch und im Anfang der Gährung begriffen seyn, folglich in einem gewissen Grad
Wärme und ammoniakalische Dünste entwikeln. Man streut über denselben ein paar
Händevoll frischen, geschnittenen Strohs (Häkerling), breitet über dieses die Lumpen
aus und bedekt diese wieder mit etwas Häkerling und einer dünnen Schicht Mist oder
auch bloß mit einem groben Tuch, um die Dämpfe des Aluminadou zusammenzuhalten. Die Lappen müssen von Zeit zu Zeit besichtigt
und umgekehrt werden, weil sonst ihre beiden Flächen ungleichfarbig ausfallen
könnten, oder was noch mehr zu vermeiden ist, die zuerst entwikelte blaue Farbe
zerstört würde und nicht
mehr zum Vorschein käme. Tritt dieser Fall ein, so werden die Lumpen gelblich, statt
die reinblaue Farbe anzunehmen, welche sie erhalten, wenn sie den Mistdämpfen nicht
zu lange ausgesezt waren. In den meisten Fällen genügt es, sie eine Stunde oder
anderthalb Stunden darin zu lassen; es versteht sich übrigens, daß die Dauer der
Operation nach der Kraft des Mists verschieden seyn muß.
Wirklich ist auch, wie Hr. Hugues sagt, das Aluminadou der Probirstein eines wahren
Tournesolbereiters.
Die so präparirten Lumpen sind geschmeidig, etwas feucht und schön blau. Sie werden
nun noch einmal getroknet, mit Saft, der mit Urin versezt ist, getränkt, wiederholt
aufgehangen und nicht früher wieder abgenommen, als bis sie durch das Troknen jene
Purpur- oder dunkelgrüne Farbe angenommen haben, welche nach des Verfassers
Dafürhalten nicht so schön ist, wie die erstere, aber viel höher geschäzt werden
soll. Die dieser zweiten Behandlung unterworfenen Lappen erscheinen beinahe wie
gestärkt und besizen eine Steife, welche den bloß das Aluminadou passirten nicht eigen ist.
Dieß ist das heutzutage angewandte Verfahren; ein ganz anderes aber wurde zur Zeit
befolgt, als Nissole schrieb. Während die Gallarguer mit
dem Sammeln des Färbekrotons beschäftigt waren, sammelten die Frauen einen großen
Vorrath von Urin und ließen denselben an einem von ihren Wohnungen entfernten Orte
faulen. Von ihren weiten Märschen zurükgekommen, löschten die Männer gebrannten Kalk
mit diesem Harn (ungefähr 5 Kilogr. Kalk auf 50 Liter Harn), warfen etwas Alaun
hinein (woher das Wort Aluminadou) und brachten einen Fuß
darüber Rebholz oder Schilfröhren an, über welchen sie die Lumpen ausbreiteten, die
wieder mit einem Tuch überdekt wurden. Nach Verlauf von 24 Stunden, manchmal erst
nach mehreren Tagen, konnten sie schön blau gefärbt weggenommen werden. Dieses
Verfahren gewährte weit mehr Sicherheit, indem man die Lappen dem Urindunst so zu
sagen eine unbegränzte Zeit hindurch ausgesezt lassen konnte; es ging hingegen, wie
man sieht, bei weitem nicht so schnell von statten. Auch hat man dasselbe
gegenwärtig ganz aufgegeben.
Wenn die Arbeiten beendigt sind, untersuchen die dazu aufgestellten Inspectoren das
Product und verwerfen unnachsichtlich alle Lappen, welche nicht genug Saft
aufgenommen haben oder nicht dunkel genug gefärbt sind. Die übrigen werden in große
Säke verpakt, welche mit Stroh umgeben und noch einmal mit Tuch überzogen werden, in
welchem Zustande man sie nach Holland versendet.
Eine Menge Fragen drängen sich auf, wenn man ein wenig über diesen eigenthümlichen
Industriezweig der Bewohner von Grand-Gallargues nachdenkt. Warum muß der Saft
beinahe unmittelbar, nachdem er aus der ihn liefernden Pflanze gewonnen ist,
verarbeitet werden? Warum müssen die Lappen so schnell als möglich getroknet werden?
Warum muß dieß bei trokener und warmer Luft geschehen? Ist die Anwendung von Harn
unerläßlich zum Erfolge des Verfahrens? Endlich, bietet der Anbau des Färbekrotons
wahrhafte Vortheile?
Die Gährung scheint den Farbstoff sehr schnell zu zerstören; daher die
Nothwendigkeit, sich desselben im Augenblik nach seiner Gewinnung zu bedienen; und
die des schnellen Troknens. Es wird versichert, daß die Operation niemals gelingt,
wenn das Wetter feucht (marin) ist; der Saft schlägt
dann um (il passe), ohne je ins Blaue überzugehen. Was
den Urin betrifft, so ist solcher nicht unentbehrlich; es scheint sogar, daß man
sich ehedem desselben gar nicht bediente. Die Tournesolbereiter selbst gestehen
offen ein, daß das Eintauchen in vermischten Saft lediglich den Zwek habe, das
Gewicht ihrer Lappen zu vermehren. Andere behaupten, daß der Urin die Käsewürmer tödte; der Verf. bekennt hier seine
Ungläubigkeit.
Aus den Mittheilungen des Hrn. Hugues und den eigenen
Erfahrungen des Verf. an Ort und Stelle geht hervor, daß der Anbau des Färbekrotons
nur sehr unbedeutenden Vortheil vor dem Getreidebau gewährt und dem Weinbau
nachsteht. Indessen hat diese in der neuern Zeit in Gallargues eingeführte Cultur
einige Ausdehnung gewonnen, indem vor ihrer Einführung die Fabrikanten nur 300 Cntr.
Tournesol in den Handel lieferten, während sie gegenwärtig wenigstens 1000 bis 1200
Cntr. liefern können. Nach Decandolle (im erwähnten
Reisebericht) „wurde in Folge eines vom Handelsstande mit den
holländischen Kaufleuten abgeschlossenen Kaufvertrags der Centner (Tafelgewicht)
jedes Jahr zu 45 Fr. verkauft. Der Preis stieg bis auf 120 Fr.; im Jahr 1807
stand er auf 60 Fr. und in lezterem Jahr wurden um 40,000 Fr.
Tournesol-Lappen verkauft.“
Gegenwärtig kostet der Centner höchstens 45 bis 50 Fr., was für 1200 Cntr. einen
Bruttobetrag von 60,000 Fr. ausmacht. Rechnet man aber von diesem den Ankaufspreis
der Lumpen (12 bis 14 Fr. per Cntr.), die Kosten des
Anbaues, der Reisen und der Fabrication ab, bedenkt man. die dazu erforderliche Zeit
und die Beschwerlichkeit der Arbeiten, so muß man sich verwundern, diesen
Industriezweig ziemlich gedeihen zu sehen; man möchte beinahe glauben, daß die
Gallarguer sich nur wie an eine alte, liebgewordene Gewohnheit daran halten.
Anwendung der Grand-Gallarguer-Lappen.
– In der Encyklopädie wird versichert, daß sie zum Färben des Gelees, der
Confituren, der Drageen, des Zukerpapiers und sogar des Weins dienen; es scheint
aber, daß ihr Gebrauch sich darauf beschränkt, den Krusten der holländischen Käse
die sie auszeichnende rothe Farbe zu verleihen. Nach den von Hrn. Professor Delille an Ort und Stelle gesammelten und dem Verf.
mitgetheilten Nachrichten ist diese Operation höchst einfach. Der Käse braucht nur
in einen Zuber mit diesen Lumpen gebläuten Wassers eingetaucht und sogleich wieder
herausgezogen und getroknet zu werden. Die rothe Farbe, welche diese Kruste später
annimmt, rührt wahrscheinlich von der Einwirkung der Essigsäure her.
Vergleichende Versuche mit den Tournesol-Lappen und dem
Lakmus (Tournesol in Stüken). – Um sich zu überzeugen, ob beide, wie
viele Chemiker glauben, in ihrer Beschaffenheit identisch sind, wurden vergleichende
Versuche mit denselben angestellt.
Als Früchte der Chrozophora tinctoria unter ungefähr ihr
doppeltes Volum Wasser gebracht und einer Temperatur von 50 bis 60° C.
ausgesezt wurden, war die Flüssigkeit nach einer Viertelstunde intensiv violett
gefärbt. Langsam abgedampft, sezte der erhaltene Saft auf dem Boden der Schale eine
äußerst schön azurblaue harzige Substanz ab. Mit Schwefelsäure wurde der Aufguß
etwas gelblich roth; Alkalien stellten die blaue Farbe nicht wieder her; Ammoniak,
Kalk und Kali machten ihn ins Grüne hinüber spielend. Mit dieser Flüssigkeit
gefärbtes Papier gab dieselben Erscheinungen. Dieses Tournesol verhielt sich demnach
wie die blauen Pflanzenfarben; nun wird aber die in den Laboratorien als Reagens
angewandte wässerige Lakmuslösung von den Säuren geröthet und wieder blau, wenn ein
Alkali hinzukommt.
Lappen von Grand-Gallargue wurden in kaltes Wasser getaucht und darin
gelassen, bis die Flüssigkeit blau gefärbt war; hierauf wurde sie wie der durch
Infusion erhaltene Saft behandelt. Schwefelsäure röthete sie
zwar, jedoch nicht so schnell als die Lakmustinctur; Ammoniak, selbst in
Ueberschuß, stellte die blaue Farbe nicht wieder her; die Alkalien brachten die
grüne Färbung nicht hervor, wie beim Infusum. Die Ursache dieser
Verschiedenheit ist gänzlich unbekannt. Wie dem auch sey, verändert sich die Farbe
der Tournesol-Lappen leicht, sogar auch in verschlossenen Gefäßen. In einigen
Tagen geht sie ins Rothe über; dieselbe Erscheinung findet statt, wenn sie sich
unter Sauerstoff-, Stikstoff- und Wasserstoffgas befindet. Der Luft
und Feuchtigkeit ausgesezt, erleiden die Grand-Gallargue-Lappen, so wie
auch die durch Abdampfen des blauen Safts erhaltene Substanz, in der Länge der Zeit
dieselbe Veränderung.
Man darf sich jedoch über die angegebenen Verschiedenheiten nicht sehr wundern, weil
die zur Bereitung der beiden Tournesolarten dienenden Substanzen selbst sehr
verschieden sind. Die Tournesol-Lappen nämlich werden, wie wir sahen,
ausschließlich aus der Chrozophora tinctoria gewonnen;
das Lakmus aber aus mehreren Lichenarten. Nees v.
Esenbeck (Handb. der med. pharmac. Botanik 1. Thl. S. 46) sagt, daß die
Holländer das Lakmus ehedem aus Roccella tinctoria
bereiteten, gegenwärtig aber die Lecanora tartarea
vorziehen. Das von ihm angegebene Verfahren ist anders, als das in Thenard's Chemie, 6te Auflage und in Berzelius' Chemie aufgeführte. Es besteht darin, das Laub
der Flechte mit einer starken Ammoniaklösung zu begießen; dasselbe nimmt dadurch
eine purpurrothe Farbe an, welche durch die fortgesezte Gährung nach und nach ins
Blaue übergeht. Auch behauptet Nees v. E., daß die Engländer aus der Lecanora tartarea einen, unter dem Namen Cudbear
Nach Robert Kane u.a. Cubdear. bekannten, rothen Farbstoff bereiten.
Wenn man die Verwandtschaften zwischen den Gewächsen einer Gattung oder einer Familie
betrachtet, dringt sich die Frage auf, oh nicht auch andere Pflanzen einen dem der
Chrozophora tinctoria ähnlichen Saft geben können,
welcher sich eben so anwenden ließe. Sehr wahrscheinlich ist dieß der Fall mit Chrozophora oblongifolia, Chr. plicata, Croton
tricuspidatum, deren Blätter und Früchte das Papier, worauf sie getroknet
werden, blau färben; ferner mit der Mercurialis perennis
oder dem wilden Bingelkraut, welches Gélis und vor ihm schon Delille
Bulletin de la Soc. d'Agric. du Depart de
l'Herault. August und September 1839, S. 349. dazu empfahl. Diesen reiht sich die (in den Umgebungen Montpelliers so
häufige) Mercurialis tomentosa an. Der so eben erwähnte
Chemiker überzeugte sich, indem er sie derselben Behandlung wie den Färbekroton
unterwarf, daß sie ganz dieselben Eigenschaften besizt.
Siz des Farbstoffs in der Chrozophora
tinctoria
; Beschaffenheit desselben in der Pflanze. –
Untersucht man die Früchte, wenn sie ihre Reife beinahe vollkommen erreicht haben,
so findet man sie oft schön blau gefärbt. Diese Färbung zeigt sich gleichfalls bei
den getrokneten Früchten, den jungen Wurzeln, Stengeln, den Samenlappen, wenn sie
sich kaum der sie umgebenden Hülle entledigten, bei den Blüthen und ihren verschiedenen
Theilen, das Eychen selbst nicht ausgenommenDer Farbstoff verschwindet im Samenkorn; nichtsdestoweniger ist sein
Vorhandenseyn im Eychen höchst merkwürdig und, wie es scheint, eine für die
Wissenschaft ganz neue Thatsache., und im allgemeinen bei allen des Lebens verlustigen Organen. In der Regel
ist er in den uneigentlich sogenannten Organen der Ernährung weit weniger vorhanden, als in der Blüthe und der Frucht. Daraus
muß man schließen, daß der Farbstoff in jedem Alter in der Chrozophora tinctoria enthalten und in der ganzen Pflanze verbreitet ist.
Der unmittelbare Siz desselben scheinen das Zellgewebe und wahrscheinlich die
Saftgefäße zu seyn, deren lezterer Vorhandenseyn jedoch nicht dargethan werden
konnte. In der Frucht ist er unter allen Organen verhältnißmäßig am reichlichsten
vorhanden; dann kommen die Blüthen, die Blätter, der Stengel und die Wurzel. Ist der
Farbstoff aber eine specielle Modification des Blattgrüns, oder vielmehr ein in der
Pflanze verbreiteter besonderer Saft, welcher die Eigenschaft hat, unter dem Einfluß
gewisser Agentien, namentlich des Sauerstoffs und der atmosphärischen Luft, ins
Blaue überzugehen?
Folgende Versuche scheinen diese wichtige Frage zu beantworten. – Es wurden
Wurzeln, Stengel, Blüthen und Blätter besonders zerrieben und der aus jedem dieser
Organe durch Pressen erhaltene Saft gelinde erwärmt; das Chromül gerann hiedurch zu
Klümpchen, behielt aber beinahe seine grüne Farbe und eine violette Flüssigkeit
stieg an die Oberfläche.
Zerquetscht man die Frucht oder Blüthen des Färbekrotons zwischen zwei weißen
Tüchern, so werden diese beinahe augenbliklich veilchenblau gefärbt, werden aber
bald azurblau. Auf dieselbe Art behandelt geben die Blätter eine grüne Färbung, die
erst dann ganz ins Blaue übergeht, wenn man sie den ammoniakalischen Dünsten des Aluminadou aussezt. Der Dunst des flüssigen Ammoniaks
kann hiebei jenen des Pferdemistes oder des Menscheharns niemals ersezen.Zerquetscht man ein Blatt der Chrozophora
tinctoria auf einem sehr weißen Papier, so färbt sich dieses zuerst
grün; einige Zeit darauf nimmt man eine leichte Färbung ins Blaue wahr, die
vom Blattgrün beinahe ganz maskirt wird. Da dieses in dem durch Reiben der
ganzen Pflanze erhaltenen Saft verhältnißmäßig sehr reichlich vorhanden ist,
so ist es leicht erklärlich, warum die damit getränkten Lumpen (blanqueries) immer dunkelgrün von Farbe sind,
ehe sie dem Aluminadou ausgesezt werden. Leztere Operation scheint demnach
zwei wohl zu unterscheidende Wirkungen hervorzubringen: 1) das Bloßlegen des
an der Luft sich blauenden Safts; 2) die Umwandlung des Blattgrüns in
Farbstoff.
Es wurden drei Probirglökchen A, B, C über Queksilber
gebracht, A mit Sauerstoff, B mit Wasserstoff, C mit, durch die
Verbrennung von Phosphor
in Luft sorgfältig bereitetem Stikstoff gefüllt. In diese brachte man nun so eben
vom Stengel abgepflükte reife Früchte, ganze sowohl, als unter Ausschluß der Luft
durch Druk zerrissene. Unter drei andern Glökchen, die mit denselben Gasen angefüllt
waren, wurden Linnenstükchen eingeschlossen, in welchen, immer unter Queksilber,
einige Früchte zerquetscht worden waren. Zum Vergleich wurden auch der freien Luft
Früchte und eben so behandelte Lumpen ausgesezt. Nach Verlauf eines Monats war weder
an den Lumpen, noch an den Früchten, welche sich unter den verschiedenen Gasarten
befanden, eine Aenderung in der Farbe eingetreten. Die Früchte waren grün, feucht
und durch die anfangende Zersezung etwas verdorben.Im Krapp hingegen kann die Rothfärbung des in der Wurzel enthaltenen gelben
Safts nur unter dem Einfluß von Sauerstoff und Feuchtigkeit stattfinden.
(Decaisne, Recherches
anatomiques et physiologiques sur la garance. p. 55. Brüssel,
1837.) Die an freier Luft gelassenen hatten eine herrliche blaue Farbe angenommen.
Es braucht nicht erwähnt zu werden, daß die in gleiche Umstände versezten Linnen
dieselben Resultate gaben.
Untersucht man endlich dünne Schnitten der Mittelfrucht (Sarcocarpium) unmittelbar nach dem Zerschneiden mit dem Mikroskop, so
findet man die kleinen Schläuche von einem farblosen, hellen Saft erfüllt, welcher
nach einigen Minuten ins Violette übergeht, trübe und körnig wird, die grüne Farbe
der Zellkügelchen maskirt und die Zellwände undurchsichtig macht. Nach dem völligen
Austroknen ist der in diesen leztern eingeschlossene und auf dem Objectträger
ausgeschüttete Saft schon azurblau. Bringt man einen Tropfen Wasser auf die so
gebläuten Schnitte, so löst sich die Farbe auf und die grüne Farbe des Zellgewebes
wird von neuem sichtbar; ein neuer Beweis, daß das Globulin sich unter dem Einfluß
der atmosphärischen Luft nicht in Farbstoff verwandelt; und sollte sich dieß mit dem
Einfluß des Ammoniakdunstes anders verhalten?
Resultate. Aus allem Vorhergehenden scheint
hervorzugehen, daß:
1) die Tournesol-Lappen sich vom Lakmus dadurch unterscheiden, daß die
Alkalien ihre Farbe, wenn sie von einer Säure einmal geröthet wurde, nicht mehr ins
Blaue zurükzuführen vermögen;
2) der Farbstoff der Lappen sich von jenem, welcher direct durch das Infundiren der
Frucht der Chrozophora tinctoria erhalten wird, dadurch
unterscheidet, daß er von Ammoniak, Kalk und Kali nicht grün gefärbt wird;
3) der Farbstoff der Chrozophora tinctoria in der ganzen
Pflanze verbreitet ist;
4) und in jedem Alter der Pflanze darin gefunden wird;
5) seinen Siz unmittelbar im Zellgewebe und wahrscheinlich auch in den Saftgefäßen
hat;
6) während des Lebens der Pflanze in diesen Organen in ungefärbtem Zustande vorhanden
ist; nach ihrem Tode aber und unter dem Einfluß des Sauerstoffs der Atmosphäre und
eines schnellen Austroknens blau werden kann;
7) das Blattgrün den Ammoniakdünsten des Aluminadou ausgesezt, dieselben
Veränderungen eingehen zu können scheint.