Titel: | Ueber die Eigenschaften des Oehls, die Meereswogen zu besänftigen und die Oberfläche des Wassers vollkommen durchsichtig zu machen; von Hrn. A. Van Beek. |
Fundstelle: | Band 87, Jahrgang 1843, Nr. XXXII., S. 107 |
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XXXII.
Ueber die Eigenschaften des Oehls, die
Meereswogen zu besaͤnftigen und die Oberfläche des Wassers vollkommen
durchsichtig zu machen; von Hrn. A. Van Beek.Von der sehr ausführlichen Originalabhandlung des Verf. in den Annales de Chimie et de Physique Ser. III. T. IV. p.
257 erschien eine Uebersezung in Poggendorff's
Annalen 1842, Nr. 11; obiger Auszug aus lezterer enthält die wichtigsten
Beobachtungen und das Ergebniß der wissenschaftlichen Untersuchung jener
merkwürdigen Erscheinungen. A. d. R.
Van Beek, uͤber die Eigenschaften des Oehls, die Meereswogen
zu besaͤnftigen etc.
In der physischen, wie in der moralischen Welt werden oft wichtige Resultate durch
anscheinend sehr unbedeutende Ursachen hervorgebracht. Ist es nicht wirklich zu
verwundern, daß der Mensch, obgleich überführt von dieser Wahrheit durch so
zahlreiche Beispiele aus der Geschichte der Völker und der Wissenschaften, doch so
leichtsinnig in seinen Urtheilen, so voreilig in seinen Entscheidungen ist, daß er
oft jede Bezeichnung zwischen Ursache und Wirkung anzuerkennen sich weigert, sobald
ihm in seinem beschränkten Verstande die eine nicht proportionirt der anderen
erscheint, daß er ein Heilmittel für ein gefährliches Uebel ausschlägt, nur weil es
ihm zu einfach vorkommt?
Wenn inmitten eines heftigen Sturms das Schiff vom Stoß der Wellen bedroht, oder die
Schaluppe, welche durch die ungestüme Brandung hin das Ufer zu erreichen sucht, nahe
am Umschlagen ist, eine geringe Menge Oehl auf das Meer gegossen wird, um die
aufgeregten Wogen zu beruhigen, dann gewiß scheint mehr als je das einfache Mittel
ganz außer Verhältniß zum Zwek zu stehen, und derjenige, welcher es während der
Gefahr als Weg zum Heile vorschlüge, würde schwerlich Glauben finden.
Und doch ist es wahr, buchstäblich wahr, daß das Oehl, unter gewissen Umständen, die
Tugend besizt, das aufgeregte Meer zu besänftigen, die Wogen zu stillen.
Schon die Alten wußten dieß, und das, was die heutigen Schiffer verachten oder ohne
weitere Prüfung verwerfen, war den früheren Seeleuten verschiedener Nationen,
namentlich den holländischen Fischern und den Grönlandsfahrern, sehr wohl bekannt;
mehr als ein Schiff verdankt ihm, nächst Gott, seine Rettung.
Daß die Alten schon bekannt waren mit der Fähigkeit des Oehls, das Meer still und
glatt zu machen, ersehen wir aus Plutarch und Plinius, welcher lezterer im zweiten Buche seiner Historia naturalis davon spricht.
Während der Dunkelheit des Mittelalters mengte sich der Aberglaube in diese wie in so manche andere
Angelegenheit. Die Priester benuzten sie, so scheint es, zur Befestigung ihres
Ansehens.
Nach Canisius, der über die Wunder ein Werk in mehreren
Bänden, zum Theil in Versen, geschrieben hat, gehörte es zu den Wundern des heiligen
Bischofs Aedanus, daß er einem Priester, der eine
Seereise machen wollte, geweihtes Oehl mitgab, um damit während eines Sturms, den er
ihm vorher gesagt hatte, die Wuth der Wellen zu besänftigen. Dieß gelang auch
vollkommen; denn, sagt das Gedicht des Canisius, nachdem
eine geringe Menge dieses Oehls ausgegossen worden, beruhigte sich das Meer, die
ungestümen Wogen legten sich, und man sezte fröhlich die Reise fort.
In einem der Dialoge des Erasmus, betitelt Naufragium, findet sich eine Stelle, die Aehnliches
berichtet. Nachdem er in einer wizigen, aber sehr beißenden Weise die übermäßige
Furcht und die abergläubischen Handlungen der Schiffsmannschaft während der
drohenden Gefahr eines Schiffbruchs geschildert, sagt er, daß mehrere sich auf das
Verdek niederwarfen, das Meer anbeteten, demselben die zärtlichsten Namen beilegten
und dabei alles am Bord befindliche Oehl in die Wogen gossen.
Auch die Chinesen schütten Oehl, so wie Thee und geistige Getränke ins Meer, als ein
den Schuzgeistern ihrer Küste gebrachtes Opfer, um sich eine glükliche Ueberfahrt zu
sichern.
Eben so haben die türkischen Schiffer die Gewohnheit, ihrem Propheten zum Opfer Oehl
ins Meer zu gießen, besonders wenn sie die Meerenge von Gibraltar passiren.
Als ein Beispiel, wie die alten Theologen die Physik behandelten, und sich oft darin
gefielen, ihre religiösen Doctrinen mit derselben zu vermengen, will ich erwähnen,
daß einer derselben, Simon Majolus mit Namen, der ein im
Jahre 1607 erschienenes Werk geschrieben hat, dem in Rede stehenden Phänomen darum
allen Glauben abspricht, weil dadurch, wie er meint, das offenbare Wunder unseres
Herrn Heilandes auf dem See Genezareth seinen Werth verlieren würde!S. Majolus, in dieb.
canicul. p. 385.
Von den Physikern scheint die merkwürdige Eigenschaft des Oehls bis zur Mitte des
vergangenen Jahrhunderts unbeachtet gelassen zu seyn, bis der berühmte Erfinder der
Blizableiter, der würdige Benjamin Franklin, ein wahrer
Freund der Humanität, stets begierig von jeder ihm bekannten Sache eine nüzliche
Anwendung zu machen, sie aufs Neue hervorzog.
Während einer langen Zeit beschäftigte er sich ausschließlich mit minutiösen Untersuchungen dieses
Phänomens, auf welches seine Aufmerksamkeit zuerst im Jahre 1757 hingelenkt wurde,
auf einer Reise, die er mit einer Flotte von 96 Segeln nach Louisbourg mitmachte.
Während eines frischen Windes nahm er mit Erstaunen gewahr, daß die Furchen zweier
Schiffe sehr glatt blieben, wogegen die von anderen stark vom Winde bewegt wurden.
Er drükte darüber seine Verwunderung gegen den Befehlshaber des Schiffes aus, auf
welchem er sich befand, und dieser antwortete ihm darauf, wie wenn die Erscheinung
eine ganz bekannte wäre, daß wahrscheinlich die Köche beider Schiffe fettiges Wasser
durch das Speigatt ausgegossen hätten, und dadurch die Schiffsverkleidung fettig
geworden wäre. Franklin lebhaft erregt von dieser
Antwort, suchte sich über eine Sache, die ihm so wichtig erschien, alle mögliche
Belehrung zu verschaffen, und bald fand er, daß der Gebrauch des Einschüttens von
Oehl in das Meer seit undenklicher Zeit von Schiffern, und besonders von Fischern
verschiedener Nationen, gekannt und benuzt worden war.
Von da an beschloß er, das Phänomen selber genau zu untersuchen, und dabei bestätigte
es sich ihm vollkommen. Der große Mann fand so viel Vergnügen an den Versuchen über
diesen Gegenstand, daß er den Knopf seines Spazierstoks zur Aufnahme einer gewissen
Menge Oehl hatte einrichten lassen, um sich desselben auf seinen Promenaden zu
bedienen, wann sich Gelegenheit dazu darböte. Aus eigener Erfahrung hatte er bereits
gelernt, daß es zur Besänftigung der Wellen nur einer sehr kleinen Menge Oehls
bedurfte, und gerade dieser Umstand machte ihm die Erscheinung so außerordentlich.
Bei einem Versuch, den er in der Umgegend von London, in
der Gemeinde Clapham, an einem Teiche von der Größe eines
halben Acre anstellte, wurde, als er auf der Windseite, d.h. dort, wo die
Wellenbildung begann, nur einen einzigen Löffel voll Oehl in den Teich goß, das
Wasser sogleich spiegelglatt. Mit einer unglaublichen Schnelligkeit breitete es sich
über die ganze Wasserfläche aus.
Bei Aufschüttung des Oehls an der entgegengesezten Seite des Teichs, da, wo die
Wellen am größten waren, gelang der Versuch nicht. Das Oehl wurde sogleich vom Winde
ans Ufer getrieben und die Wellen beruhigten sich nicht.
Einen anderen Versuch machte er im J. 1773 in dem Bassin des Green-Park zu London, in Gegenwart mehrerer Zeugen, unter anderen
des Prof. Allamand von Leyden und des Grafen v. Bentinck.
Fast zur selben Zeit oder kurz darauf finde ich den Gegenstand wissenschaftlich
behandelt von einem ausgezeichneten Physiker, dem Abbé Mann, der darüber in den Mémoires de l'académie impériale et royale des Sciences et
belles-lettres de Bruxelles von 1780 (Bd. II. S. 257) eine
interessante Abhandlung geliefert hat. Die zahlreichen Versuche, die er mit
verschiedenen Arten Oehl und unter mannichfaltigen Umständen anstellte, sowohl auf
dem Iperlée-Fluß, als an der flandrischen
Küste, auf offenem Meere und in dem Hafen von Niewpoort,
sind so überzeugend und haben in ihren Resultaten so viele Aehnlichkeit mit denen
Franklin's, daß an der Wahrheit der Sache nicht der
mindeste vernünftige Zweifel übrig bleiben kann.
Wenn das Oehl so eingegossen ward, daß es dem Laufe des Windes und der Strömung
folgen konnte, verfehlte es nie seine Wirkung. Drei Löffel voll Leinöhl waren bei
einem ziemlich starken Winde hinreichend, die ganze Wasserfläche eines Teichs von 20
Toisen Länge und 10 Breite vollkommen glatt zu machen; während auf dem Flusse
Iperlée ein einziger Löffel voll genügte, um auf einer Fläche von 20
Quadrattoisen alle Furchen und Kräuselungen zu vernichten.
Als er während der Rükfluth (reflux) Oehl ins Meer goß,
sah er die dadurch hervorgebrachte glatte und glänzende Fläche von dem Strome ins
Meer geführt und noch in weiter Ferne unterschied er sie an dem Reflex, so wie an
der Ausdehnung des Schaums und des Brechens der Deining (dimension de l'écume et des brisants de la houle), obgleich das
Rollen und Wallen (soulévement) der Wogen wie
zuvor unausgesezt fortfuhr.
Nach Beendigung seiner Versuche, an der Mündung des Hafens von Niewpoort angestellt,
warf er eine offene Flasche mit einer halben Pinte Leinöhl in die Wellen.
„Die Flasche“, sagte er, „ging wegen der Schwere
des schwarzen Glases und wegen des eindringenden Salzwassers, welches den Rest
des Oehls austrieb, bald zu Grunde, und das Oehl breitete sich augenbliklich
über die ganze Wasserfläche aus, bis es diese in der vollen Breite des Hafens
glatt und glänzend gemacht, die von der Fluth und dem Winde verursachte Deining
und Brandung vermindert hatte.
Je stärker der Wind auf diese fettige Oberfläche blies, desto mehr wurden die Wellen
(vagues) herabgedrükt und verflächt; das Rollen und
Aufwallen der vom Meere kommenden Wogen (flots) hielt
indeß fortwährend an. Die Wirkungen dieser kleinen Menge Oehl hielten, obwohl
abnehmend, eine gute Viertelstunde an, bis das Oehl ins Meer zerstreut oder gegen
die Ufer des Hafens getrieben worden war.
Durch vergleichende Versuche mit verschiedenen Oehlarten fand
Mann, daß Leinöhl, Rüböhl und
andere vegetabilische Oehle besser und schneller wirkten
als die zäheren animalischen.
In Betreff der nüzlichen Anwendungen, die von diesen Erscheinungen gemacht werden
könnten, sagt Mann, daß wenn ein Schiff zur Sturmzeit
eine beträchtliche Menge Oehl in die Wogen gieße und deren Spuren auf der Windseite
folge, es sich wohl gegen die ungeheuren Wogen und Sturzseen (brisants) schüzen könne, die sonst in jedem Augenblik auf das Schiff
hereinbrechen und es zu versenken drohen. So schiffend dürfe man hoffen, auf freiem
Meere einem starken Sturme zu entwischen. Unter solchen Umständen handle es sich
nicht um genaue Verfolgung des Weges.
Ferner würde nach diesem Schriftsteller die Ausschüttung des Oehls von Nuzen seyn, um
die Brandung an den Küsten zu stillen und somit den Böten und Schaluppen der
Schiffe, für welche sie eben dieser Brandung wegen ganz unzugänglich sind, das
Landen zu erleichtern, wozu sie sowohl bei Schiffbrüchen als zur Einnahme von Wasser
und Lebensmitteln häufig gezwungen werden. „Wie viele Inseln voller
Früchte und der heilsamsten Erfrischungen für die skorbutische Schiffsmannschaft
haben nicht Biron und andere Weltumsegler in der
Südsee während der größten Nöthen unangerührt, mit schmachtenden Augen nach den
reich beladenen Bäumen vorbeigehen lassen müssen, bloß weil sie durch
unermeßliche Brandungen ihnen unzugänglich waren! Einige Fäßchen Oehl zu rechter
Zeit ins Meer geschüttet, würden sie aus ihrer Bedrängniß befreit
haben.“
Vor den meisten Seehäfen und Flußmündungen finden sich Bänke von Sand und Schlamm,
Barren genannt, auf welchen die Meereswogen sich mit
Heftigkeit brechen, so daß es oft für Schaluppen und Barken gefährlich ist, sie zu
Passiren. Der Abt Mann versichert, daß man, wenn man bei
Annäherung an diese einige Krüge voll Oehl ins Meer gieße, die Wellen auf eine
erstaunenswürdige Weise besänftige, und, den Oehlspuren folgend, mit Sicherheit
Brandungen durchschneiden könne, welche sonst diese leichten Fahrzeuge unfehlbar
versenkt haben würden.
In Rußland sind ähnliche Versuche von dem gelehrten Osoreskowsky auf dem Onega-See bei stürmischem Wetter angestellt
wordenHalle's Magie T.
IV.; sie haben gleiche Resultate gegeben. Der Experimentator sah, so weit das
Oehl sich ausbreitete, das Meer spiegelglatt werden; und obwohl die Wellen noch
unter dem Oehle fortbestanden, so schienen sie doch wie mit einem Gewicht beschwert,
oder wie durch eine unsichtbare Macht niedergedrükt; sie hatten nicht die Kraft die
leichte Oehlschicht zu
durchbrechen, sondern trieben sie allmählich, wohin der Wind das Wasser trieb.
Den Seefahrern ist der Gebrauch des Oehls auch schon seit lange bekannt, und von
ihnen mit dem besten Erfolg angewandt worden.
Dieß beweist z.B. die Nachricht, die Hrn. Van Lelyveld von
Hrn. William May mitgetheilt wurde. Auf dem holländischen
Kriegsschiff der Phönix im J. 1755 als
Marine-Lieutenant dienend, hatte derselbe Gelegenheit, die wellenstillende
Wirkung des Oehls in der unwiderleglichsten Weise zu beobachten. Er war damals in
der Südsee mit einer zahlreichen Kauffahrteiflotte, unter welcher sich zwei sehr
alte, mit Oehl beladene Schiffe befanden. Da sie sehr lange vor Anker gelegen, so
hatte sich das aus den Fäßchen ausgesikerte Oehl mit dem in die Schiffe
eingedrungenen Wasser gemengt.
Unter der Breite von Lissabon wurden sie von einem wüthenden Sturm überfallen, der
zweimal vierundzwanzig Stunden anhielt, und die besagten Schiffe zwang, zweimal
täglich zu pumpen. „Und nun, sagt Hr. May,
dieses ausgepumpte Oehl breitete sich, troz des Ungestüms der See, rings um jene
beiden Schiffe bis in großem Abstande aus und vernichtete den Wellenschlag
sowohl der großen als der kleinen Wogen, so daß diese, nebst den andern
Schiffen, die sich in der Nähe des Oehls befanden, rüksichtlich des Meeres eine
so vollkommene Stille genossen, wie nach einem Sturme zu herrschen pflegt, d.h.
das Rollen der Wogen hielt zwar unausgesezt an, aber die Oberfläche derselben
war glatt und glänzend. Die kleinen Wellen, die sich sonst auf der Oberfläche
der großen zeigen, waren meistentheils verschwunden, und nirgendwo auf dieser
großen Fläche sah man den geringsten Wellenschlag (batture), noch die leiseste Kräuselung (brisants).“
Der Steuermann Izak Kalisraaz von Haardingen machte Hrn.
Van Lelyveld mehrere interessante Mittheilungen über
diesen Gegenstand. Er stellte während großer Wogen (gros
brisants) wiederholte Versuche an, und goß jedesmal eine Pinte Thran ins
Meer. „Ich schüttete, sagt er, den Thran in dem Augenblik aus, wo die Woge
hinter unserem Schiff sich steil in die Luft erhob, und dann, sich krümmend, wie
ein Donnerschlag auf das Meer herabstürzte. In diesem Augenblik goß ich fast das
ganze Maaß Thran ins Wasser, während wir aufmerksam zusahen, was sich ereignen
würde; drei- bis viermal wiederholte ich dieß, im Moment, da die Woge
sich zu krümmen anfing. Es war, wie wenn diese unlenksame Woge mehr Respect vor
dem Oehl hatte, wie manches Kind vor seinem Vater; denn sie verlor ihre Wuth und
ihre Macht, so daß weder wir noch die Schiffe hinter uns den geringsten Schaden
erfuhren etc.“
Dieser eifrige Mann suchte besonders durch entscheidende Versuche diejenigen zu
widerlegen, welche behaupteten, daß das ausgegossene Oehl für die außerhalb seines
Wirkungskreises befindlichen Schiffe die Gefahr sehr vergrößere. In Uebereinstimmung
mit andern erfahrenen Seeleuten schloß er, daß diese Meinung nicht hinlänglich
begründet sey. Indeß ist sie, oder war sie wenigstens unter den holländischen
Fischern allgemein verbreitet, und es scheint, als habe man es größtentheils ihr
zuzuschreiben, daß diese Entdekung in Vergessenheit gerathen ist.
Agge Noskam Kool de Beverwyk, Erfinder eines Instruments
zur Rettung der Schiffbrüchigen, und außerdem vortheilhaft bekannt als Verfasser
eines maritimen Werks, gibt darin den Seefahrern folgenden Rath: „Wenn der
Patron eines gestrandeten Schiffes glaubt, daß ihm eine Schaluppe entgegen
geschikt werde, so muß er Leinöhl, Thran, Theer (huile de
la poix) oder irgend eine andere fettige Substanz, wie fettiges Wasser,
in Ermangelung eines Besseren, selbst Bier, über Bord gießen, um die Brandung zu
vernichten und die Annäherung der Schaluppe zum Schiff zu erleichtern. Allein,
wenn man Oehl oder eine andere fettige Substanz ausschüttet, muß es oberhalb der Welle (au-dessus de la marée) geschehen, soll anders die
herankommende Schaluppe Nuzen daraus ziehen.“
In der Mittheilung der bisherigen Details wird man bemerkt haben, daß die
wellenstillende Eigenschaft des Oehls in gewissem Grade auch anderen fetten
Substanzen angehört. Schon Franklin erfuhr von Fischern,
daß das Wasser hinter einem segelnden, frisch betheerten Schiffe immer sehr ruhig
sey; und dieß stimmt vollkommen mit der Beobachtung eines ausgezeichneten
französischen Seemanns überein, die der Baron v. Zach in
seiner Correspondence astronomique von 1822 mittheilt.
Dieser Seemann befand sich damals zu Kingston in Jamaica, in der Unmöglichkeit, sein
Schiff zu erreichen, da wegen des heftigen Windes und der hochgehenden See keine
Barke es wagen wollte, sich demselben zu nähern. In einer kleinen Entfernung indeß
lag eine frisch betheerte Fregatte, und rings um sie her hatte der von der
Sonnenhize geschmolzene und tropfenweis ins Meer gefallene Theer dieses so still und
glatt gemacht, daß zwei kleine Schaluppen, zur Seite der Fregatte, fast unbeweglich
erschienen.
Von diesem selben Seemann erzählt Hr. v. Zach weiterhin,
daß er als Mitglied der Société humaine im
Jahr 1800 zur Rettung von Schiffbrüchigen den Vorschlag machte, das Meer mittelst
Feuersprizen mit Oehl zu besprengen, „weil, sagte er, nur alsdann die Schaluppen sich ohne
Gefahr des eigenen Untergangs dem gestrandeten Schiffe nähern
können.“ Als Beispiel führt er ein holländisches, mit Oehl beladenes
Schiff an, welches auf den Godwin-sands strandete. Die Mannschaft desselben
wurde durch das Schiff Deal gerettet, welches jedoch erst dann an das andere
herankommen konnte, als man einen Theil des Oehls ins Meer geschüttet hatte. Sonst
wäre wahrscheinlich die ganze Mannschaft verloren gewesen. – Eben so hatte
Hr. C. E. M. Richter auf der Küste der Insel
Porto-Santo zu sehen Gelegenheit, wie während eines fürchterlichen Sturms,
bei welchem ein dänisches Schiff, befehligt von Fedderson, scheiterte, die Mannschaft in einer Schaluppe ans Land gebracht
wurde, nachdem man Oehl ausgeschüttet hatteReisen zu Wasser und zu Lande, in den Jahren 1805 bis 1817. Dresden 1821. Bd.
II..
Nach ihm war das Oehl nicht im Stande das Meer vollkommen eben zu machen; allein es
bewirkte, daß die Wogen, welche sich als Brandungen aufs Ufer geworfen haben würden,
sich in bedeutender Entfernung von demselben anhäuften, und große zusammenhängende
walzenförmige Massen (gros rouleaux continus) bildeten.
Statt daß die Wellen die Barke gegen die Küste trieben und alsdann auf dieser
zertrümmerten, führten sie dieselbe jedesmal in solcher Weise vorwärts zur Küste,
daß sie von dem nachfolgenden Wellenberg (lame) nicht
mehr erreicht werden konnte. Diesen Augenblik benuzte die Mannschaft, um die Barke
zu verlassen und schleunigst auf dem Strande weiter zu fliehen.
Hr. J. Boelen, Capitän in der holländischen Marine, ein
ausgezeichneter Officier, sagte mir auch, er habe oft beobachtet, daß bei
aufgeregtem Meere einige Stellen eine ganz glatte Oberfläche zeigen, und man
schreibe dieß dem Laiche gewisser Fische oder einer von diesen Thieren
ausgesonderten öhligen Flüssigkeit zu. Es sey auch dort, wo man mit dem Schlachten
eines Wallfisches beschäftigt sey, das Meer immer sehr still.
Dieser erfahrene Seemann war überdieß sehr wohl mit der meerstillenden Eigenschaft
des Oehls bekannt, und erwähnte das Beispiel eines Schiffbruchs von einem
amerikanischen Schiff, dessen ganze Mannschaft mittelst ausgegossenen Oehls gerettet
ward.
Als die heftigen Stürme in der Nacht vom 1. auf den 2. September 1833 so große
Beschädigungen an den Seedeichen in Holland angerichtet, und besonders den berühmten
Deich von Westkapel, in Zeeland, dessen Instandhaltung ungeheure Summen kostete, auf
die unbarmherzigste
Weise verwüstet hatten, kam Hr. P. van Griethuizen, zu
Utrecht, auf die Idee, in einigem Abstande von den Deichen Oehl ins Meer zu gießen,
um dergleichen Zerstörungen vorzubeugen.
In dieser löblichen Absicht schrieb er eine interessante Broschüre unter dem Titel:
Jets of niets of invallende gedachten over mogelyke
behoedmidelen tot beveiliging onzer zeediken en zee-werengen tegen zware
zeestovtengen en golfslagen (Flüchtige Gedanken über die ausführbaren
Mittel, um unsere Deiche und Festungswerke an der See gegen schwere Brandung und
Wellenschlag zu schüzen). In dieser Schrift hat er alles vereinigt, was er über
diesen Gegenstand auffinden konnte, um es seinen Landsleuten ins Gedächtniß
zurükzurufen.
Was die Wirksamkeit des von ihm vorgeschlagenen Mittels betrifft, so scheint mir kein
vernünftiger Zweifel daran vorhanden seyn zu können, und eben so wird der
patriotischen Absicht des Verfassers auch Niemand die höchste Wichtigkeit
absprechen. Es handelt sich gegenwärtig nur darum, von dem Mittel die wirksamste
Anwendung zu machen, und hier bieten sich allerdings Schwierigkeiten dar, die zu
überwinden bisher nicht möglich war; – aber wie viele, anscheinend weit
größere Hindernisse hat nicht schon das Genie des Menschen zu überwinden gewußt!
Troz aller Anstrengung, sich nüzlich zu machen, hat der thätige Mann bisher nur wenig
Unterstüzung gefunden; indeß ist er dadurch nicht entmuthigt, sondern noch täglich
mit der Vervollkommnung seiner Ideen beschäftigt.
Die Zeugnisse ausgezeichneteransgezeichneter Physiker, im Verein mit der Erfahrung einer so großen Zahl von Seefahrern
sind, glaube ich, hinreichend, als Thatsache festzustellen, daß das Oehl unter
gewissen Umständen im Stande ist, die vom Winde erhobenen Meereswogen zu
besänftigen.
––––––––––
Ich habe nun noch von einer zweiten Eigenschaft des Oehls zu sprechen, die auf den
ersten Blik nicht minder paradox als die erstere erscheint, und meistens zugleich
mit ihr beobachtet wird. Wenn man Oehl auf vom Winde bewegtes Wasser schüttet, so
macht es dasselbe nicht bloß still und glatt, sondern auch an einigen Stellen
vollkommen durchsichtig. Es nimmt der Oberfläche jeden Reflex (mirage ou reflet) der Lichtstrahlen, so daß unter dem
Wasser befindliche Gegenstände sehr deutlich gesehen werden können, sowohl von einem
Beobachter oberhalb des Wassers, als von einem Taucher in demselben.
Schon Aristoteles, Plutarch und Plinius kannten diese Erscheinung, und eben so ist sie den Fischern
verschiedener Nationen bekannt und von ihnen bei ihrem Gewerbe mit Nuzen angewandt.
Unter andern gießen die Fischer bei Gibraltar eine geringe Menge Oehl auf das
Wasser, um die auf dem Meeresboden befindlichen großen Austern zu erwischen.
Desselben Mittels bedient man sich auch weiterhin an den spanischen Küsten des
Mittelmeers, so wie auf den Bermudischen Inseln. Von den Fischern zu Ragusa werden
die durch das Oehl transparent gemachten Stellen des Meers, durch welche sie den
Grund sehen können, sehr naiv Fenster genannt. Nach van Lelyveld benuzen die Fischer im Texel ebenfalls dieß
Mittel, und Franklin erzählt, daß die Taucher an den
Küsten des mittelländischen Meers die Gewohnheit haben, eine gewisse Menge Oehl in
den Mund zu nehmen, und dasselbe von Zeit zu Zeit fortzusprizen, um sich mehr Licht
unter dem Wasser zu verschaffen und die Gegenstände besser zu unterscheiden.
Diese Eigenschaft des Oehls, obgleich auf anderen physikalischen Grundsäzen beruhend,
als die wellenstillende Tugend desselben, ist nichts destoweniger so innig mit
dieser verknüpft, daß es mir unmöglich ist, die Erklärung derselben hier zu
übergeben.
Die Eigenschaft des Oehls, das Wasser durchsichtig zu machen, stüzt sich ganz einfach
darauf, daß es sich sogleich in dünner Schicht über eine große Wasserfläche
ausbreitet.
Wenn man auf Wasser einen einzigen Tropfen Oehl fallen läßt, so sieht man es sogleich
nach allen Seiten sich ausdehnen und ein dünnes Häutchen auf dem Wasser bilden.
Sobald das auf der Wasserfläche ausgebreitete Oehlhäutchen zum Theil so dünn geworden
ist, daß es nicht das mindeste Licht mehr reflectirt, sondern alles gänzlich
durchläßt, ist der Zeitpunkt gekommen, wo das Wasser jenen Grad von Durchsichtigkeit
erlangt, dessen sich, wie wir gesehen haben, die Fischer bedienen, um ihre Beute zu
fangen.
Die Hauptursache, weßhalb wir Gegenstände unter Wasser nicht deutlich erkennen
können, besteht in der Spieglung (mirage) an der
Oberfläche: ein großer Theil der einfallenden Lichtstrahlen wird durch sie
reflectirt, und kann also nicht zur Beleuchtung und Sichtbarmachung der unter dem
Wasser befindlichen Gegenstände dienen. So wie nun das Oehlhäutchen auf der
Oberfläche des Wassers so dünn geworden ist, daß es das Licht nicht mehr reflectirt,
sondern gänzlich durchläßt, ist dieß Hinderniß nicht mehr vorhanden. Fast alle
einfallenden Lichtstrahlen dienen alsdann zur Beleuchtung der Gegenstände unter
Wasser und machen sie sichtbar. Diese Erklärung von der das Wasser durchsichtig machenden
Eigenschaft des Oehls läßt, wie es mir scheint, nichts zu wünschen übrig. Die sehr
geringe Dike des Oehlhäutchens erklärt auch den sonderbaren Umstand, daß es zur
Besänftigung der Wellen nur sehr kleiner Mengen Oehl bedarf, und hängt somit innig
zusammen mit der Erscheinung, die den Hauptgegenstand dieser Abhandlung
ausmacht.
––––––––––
In Bezug auf die sonderbare Erscheinung, daß eine dünne Oehlschicht das vom Winde
aufgeregte Wasser beruhigen kann, scheint Aristoteles
ihrer Lösung schon weit näher gewesen zu seyn, als mancher der neueren Physiker,
indem er die Meinung ausspricht, es könne die Ursache des Phänomens wohl darin
liegen, daß der Wind auf der Oberfläche des Wassers fortgleitend, nicht eingreifen
könne, um Wellen zu erzeugen.
Und in der That, der Schlüssel zum Geheimniß scheint in diesem einfachen Umstand
gesucht werden zu müssen; der geistreiche Franklin, der
sich lange ausschließlich mit diesen Erscheinungen beschäftigte und sie unter
verschiedenartigen Umständen studirte, so wie die deutschen Physiker E. H. und W.
Weber theilen diese Meinung.Weber's Wellenlehre. Leipzig 1825, S. 67 und
68. Zwischen Luft und Wasser gibt es natürlich eine Adhäsion, eine gewisse
Affinität. Das Wasser saugt begierig die Luft ein, mit welcher es in Berührung
kommt, so daß man sie nur mit Schwierigkeit wieder austreiben kann. Wenn daher, bei
einem mehr oder weniger starken Winde ein Luftstrom über die Oberfläche des Wassers
hinweggeht, so hängt sich die Luft gleichsam an die Wassertheilchen und furcht die
vorhin ebene Fläche zu kleinen Wellen aus, die, bei einem anhaltenden Winde,
fortwährend wachsen und bald große Wogen bilden.
Oehle, wie überhaupt alle fettigen Substanzen, lassen sich nur schwierig mit dem
Wasser mengen, überziehen dessen Oberfläche aber schnell in einer dünnen, leichten
und sehr beweglichen Schicht. Auf diese Weise kann der schiefe Stoß des Windes die
Wasserfläche nicht mehr furchen, auch nicht mehr die Bildung kleiner Wellen
veranlassen, welche nach und nach sich vergrößern; sondern er wird größtentheils
dazu verwandt, die Oehlschicht auf der Wasserfläche fortzuschieben und dünner zu
machen.
Durch dieses Oehlhäutchen scheint das Wasser dem Einfluß des Windes gänzlich entzogen
zu seyn, und selbst wenn es so dünn geworden, daß es aufhört Licht zu reflectiren,
scheint es noch hinreichend, das Wasser gegen die Einwirkung des Windes zu schüzen, so
lange seine Verknüpfung mit demselben aufrecht gehalten bleibt. Um diesen Zwek zu
erreichen, muß man das Oehl nicht unterhalb, sondern oberhalb des Windes ausschütten, weil dann der Wind immer
eine neue Portion Oehl zum Ausbreiten auf der Wasserfläche vorfindet, mithin das
Oehlhäutchen nicht zerrissen wird, sondern bleibend ein unverleztes Continuum
bildet.
Nach dieser Voraussezung begreift man leicht, wie ausgegossenes Oehl, selbst bei
ziemlich starkem Winde, die Bildung der ersten kleinen Wellen, welche man als die
Keime der größeren betrachten kann, zu verhindern im Stande ist. Allein, wie wir
gesehen, beschränken glaubwürdige Nachrichten sich nicht bloß darauf, diese
Wirksamkeit des Oehls festzustellen; sie gehen viel weiter, indem sie uns
versichern, daß selbst, wenn die Wogen so durch den Wind angewachsen sind, daß sie
als wahrhafte Brandungen das Schiff zu verschlingen drohen, ihre Wuth dennoch bald
durch das Oehl gebändigt wird, und sie wie durch ein schweres Gewicht niedergedrükt
erscheinen.
Man muß bekennen, daß, besonders in Betreff des ersten dieser beiden Punkte, noch
viele Dunkelheit herrscht, und überhaupt, beim gegenwärtigen Zustand unserer
Kenntnisse, die Aufgabe schwierig ist. Allgemeine Betrachtungen, hergeleitet aus
Untersuchungen und Beobachtungen über die Wellen und deren Bildung, werden
vielleicht einiges Licht über diesen Gegenstand verbreiten, werden ihn aber nicht
vollständig aufhellen.
Um eine Erklärung zu finden, die nichts zu wünschen übrig läßt, müssen diese
Erscheinungen noch erst mit der größten Genauigkeit in allen ihren Einzelnheiten
untersucht werden. In mancher Beziehung ist der Gegenstand für alle seefahrenden
Nationen von hoher Wichtigkeit.