Titel: | Ueber die Bildung des Grundeises; von Dr. Engelhardt. |
Fundstelle: | Band 87, Jahrgang 1843, Nr. XXXIII., S. 118 |
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XXXIII.
Ueber die Bildung des Grundeises; von Dr.
Engelhardt.
Aus dem Bulletin de la Société industrielle de
Mulhouse 1842, No. 76.
Engelhardt, uͤber die Bildung des Grundeises.
Hr. Arago erwähnt in seiner Notice
sur la glace qui se forme au fond des Rivières (Annuaire du Bureau des Longitudes de 1833) bei
Gelegenheit der in der Abhandlung des Hrn. Fargeaud,
Professors der Physik in Straßburg, niedergelegten Thatsachen, wohl auch mehrerer
meiner Beobachtungen über diesen Gegenstand, jedoch nur mit sehr wenigen Worten; da
ich aber glaube, daß dieselben in der Technik mehrfache Anwendung finden können,
theile ich sie hier mit.
Obwohl die Bildung des Eises auf dem Grunde der Flüsse vom Volke allgemein angenommen
ist, wurde dieselbe von den alten Physikern doch nicht zugegeben und von Nollet (histoire de
l'Académie des sciences 1743) förmlich bestritten. – Branthome zu Straßburg hat unter den Neuern mit zuerst
diese Thatsache wieder bestätigt und eine Notiz über die Eisbildung auf dem Grunde
der Flüsse geschrieben (Bibliotheque universelle de
Genève, April 1818). Hr. Fargeaud thut
derselben in seiner Abhandlung (Straßburg 1829) ausführlich Erwähnung. Arago machte eine Zusammenstellung alles darüber
Vorhandenen und Berzelius führte in seinen
Jahresberichten für 1831 und 1838 an, was Reaucourt und
Gay-Lussac darüber sagten. Ohne auf die
Beschreibung dieser Erscheinung im Allgemeinen und die sie gewöhnlich begleitenden
Umstände zurükzukommen, welche bekannt und in den angeführten Schriften enthalten
sind, gebe ich hier nur die besondern Thatsachen, welche ich beobachtet zu haben
glaube.
Niemals bildet sich Eis auf dem Grunde großer Wassermassen, der Seen, Teiche, Flüsse
und Bäche von etwas langsamem Lauf, in der Regel nirgends, wo die Wasserschichten
Zeit haben, sich nach ihrem specifischen Gewichte über einander zu lagern. Nur wenn
eine schnelle Bewegung, ein Fall, ein durch den Lauf eines Schiffes verursachter
Wasserwirbel die Masse so durcheinander rührt, daß alle ihre Theile auf den
Nullpunkt herunter kommen, kann Gefrierung stattfinden.
Zur Eisbildung auf dem Grunde des Wassers ist daher erforderlich:
1) eine Ursache, welche die ganze Masse hinreichend durcheinander bewegt, um alle
ihre Theile auf 0° zu bringen;
2) so weit erkaltete Wände und Boden, daß diese selbst 0° oder darunter
haben;
3) eine solche Beschaffenheit, daß inmitten der allgemeinen, die ganze Wassermasse
auf 0° bringenden Bewegung doch eine Stelle ist, wo das Wasser eine so
geringe Bewegung hat, daß es sich zusammenballen und eine schwammige Masse Grundeis
bilden kann.
Diese leztere Bedingung wird vorzüglich durch die erwähnten Wasserwirbel erfüllt. In
jedem solchen ist nämlich eine Stelle, wo die Bewegung im Allgemeinen minder schnell
ist und die Flüssigkeit sich derart um sich selbst herum bewegt, daß sie beinahe in
Ruhe ist. Die Sandbänke, Felsen, Grundpfähle, Baumzweige, welche in die Strömung
hineinragen, sind eben so viele Herde für die Eisbildung am Grunde des Wassers.
Es gelang mir jederzeit, die Bildung des Eises, welches mir in der Benüzung der von mir
digerirten Hammerwerke sehr hinderlich war, durch bestmögliche Hinwegräumung der in
den Canälen befindlichen fremdartigen Körper zu vermindern.
Ich schloß aus diesen Beobachtungen, daß das Wasser, sobald es bis auf den Grund
hinab 0° hat und die Wände dieselbe Temperatur haben wie andere Körper, am
Boden der Gefäße und an allen Wänden krystallisiren muß. Um dieses darzuthun, füllte
ich drei gußeiserne Kessel von etwa 1 Meter Durchmesser und 0,75 Meter Tiefe mit
Wasser. In den einen brachte ich zuvörderst auf den Boden desselben eine etwa 8
Centimeter dike Eisschichte. In den zweiten legte ich einige Stüke Holz und
Gußeisen, um den Einfluß der fremdartigen Körper und der Unebenheiten zu beobachten.
Die umgebende Luft hatte anfangs 2 1/2° C.
Das Wasser nahm sogleich 0° an und bedekte sich auf der Oberfläche mit
Eisblättern, welche bald eine compacte Deke bildeten. Während der Nacht fiel die
Temperatur noch tiefer. Am andern Tag ließ ich die etwa 0,04 Meter dike Eiskruste
durchbrechen und das Wasser der Kessel abgießen. Alle Wände waren mit einer oben
etwa 0,03 Meter diken, unten etwas dünnern Eiskruste bekleidet, deren Oberfläche
sehr gleichförmig und glatt war; nur hie und da befanden sich einige schöne
büschelförmige Nadelgruppen, welche aus der flachen Kruste hervorragten und auf den
Gefäßwänden selbst aufsaßen. Der kleinste Kessel enthielt am meisten solche Nadeln.
Sowohl das auf dem Boden des einen Kessels befindliche schon gebildete Eis, als die
im andern vorhandenen fremdartigen Körper schienen von keinem großen Einfluß gewesen
zu seyn. Die gleich anfangs gebildete Eiskruste schien an Dike nicht zugenommen zu
haben; im Gegentheil war die vorher glatte Oberfläche derselben runzelig und voller
Unebenheiten geworden. Ohne in die aus diesen Erscheinungen abzuleitenden weitern
Schlußfolgerungen einzugehen, glaube ich als bestimmt annehmen zu können, daß auf
dem Boden eines Gefäßes oder sonst einer Wassermasse sich Eis bilden kann:
1) sobald die ganze Masse auf 0° steht und die Wände ebenfalls diese oder eine
noch geringere Temperatur haben;
2) daß, da das Wasser von 4,44° schwerer wiegt als das von 0°, große
Wassermassen stark in Bewegung gesezt werden müssen, wenn alle Theile, und
namentlich die auf dem Grunde, auf 0° kommen sollen;
3) daß die Wasserwirbel die Eisbildung auf dem Grunde des Wassers sehr befördern;
4) daß folglich, um diese Eisbildung zu erschweren, es zwekmäßig ist, den Lauf der
Canäle gleichförmiger und ruhiger zu machen, und endlich alle fremdartigen Körper daraus zu
entfernen, welche ein schnelles, kreisförmiges Drehen oder Wirbel hervorbringen
konnten und zu gleicher Zeit, wie alle Wärmeleiter, die Erkaltung des Grundes
befördern.