Titel: | Ueber den Nektar der Blüthen; von H. Braconnot. |
Fundstelle: | Band 87, Jahrgang 1843, Nr. XXXVIII., S. 146 |
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XXXVIII.
Ueber den Nektar der Bluͤthen; von
H. Braconnot.
Aus dem Journal de Chimie médicale, Jan. 1843, S.
3.
Braconnot, uͤber den Nektar der Bluͤthen.
Bekanntlich wird die in den Blumenkronen der Pflanzen ausgeschiedene Flüssigkeit, aus
welcher die Bienen ihren Honig bereiten, Nektar (Pflanzenhonig) genannt. Die
Naturforscher nehmen an, daß der Bienenhonig sich von dem süßen Pflanzensafte nicht
wesentlich unterscheide, welchen lezteren de Candolle wie
jenen als ein Zukerhydrat (mit Wasser verbundenen Zuker) betrachtet. Bis jezt
scheint jedoch diese Ansicht noch keineswegs durch Versuche gerechtfertigt zu seyn.
Eine einzige Notiz findet man in den Annales de Chimie
Bd. LXIII. S. 102, der zufolge Fourcroy, Vauquelin und
Bosc auf dem Fruchtboden der Blüthen von Rhododendron ponticum, Mannakörner oder concreten Zuker
beobachtet haben, welche zukerartige Substanz aber keiner Analyse unterworfen
wurde.
Aus diesen Gründen unternahm ich die Untersuchung dieses Nektars.
Ich verschaffte mir diese Flüssigkeit von einer ziemlich großen Anzahl verschiedener
Blüthen, unter welchen ich aber den einblättrigen
Blumenkronen (corolla monopetala) größtentheils
den Vorzug gab, weil er in diesen weniger zerstreut sich vorfindet.
Man braucht wirklich ihre Röhre nur leicht zwischen den Fingern auf Uhrgläser oder
Glasplatten auszudrüken, um den Nektar zu erhalten.
Wie ich diese Flüssigkeit erhalten, ist sie süß, hell, farblos und hinsichtlich der
meisten Eigenschaften sich gleich bleibend. Sie reagirt nicht auf Lakmuspapier, wird
von den meisten Reagentien, wie vom Kalkwasser, Barytwasser, oxalsaurem Ammoniak,
salpetersaurem Silber, basisch-essigsaurem Blei nicht merklich verändert; sie
scheint sich wie eine Zukerlösung zu verhalten, indem sie verdampft und verbrannt
nur Spuren einer schwach alkalischen Asche zurükläßt; dieser Zuker ist aber nicht,
wie man glaubt, dem des Honigs ähnlich, denn alle von mir bisher untersuchten
Nektare gaben mir nach einigen Tagen bei trokner Witterung deutlich ausgebildete
Krystalle, die vollkommen hell waren und kurze vier- oder sechsseitige,
scharfkantige Prismen darstellten. Auch außerdem haben diese Krystalle alle Merkmale
des reinsten Rohrzukers. Er macht wirklich einen bedeutenden Antheil der
Zukersubstanz der Nektare aus, in welcher ich jedoch auch einen anderen
unkrystallisirbaren Zuker fand, welcher die Feuchtigkeit aus der Luft anzog und
mittelst absoluten Alkohols bis zu einem gewissen Grade vom krystallisirbaren Zuker
getrennt werden kann. Ich gebe hier das Verzeichniß der aus den verschiedenen
Familien des Pflanzenreichs genommenen Blüthen, deren Nektar mir constant diese
beiden Zukerarten lieferte:
Phlomis tuberosa
Polemonium coeruleum
Lavendula multifida
Bomplandia geminiflora
Betonica grandiflora
Pelargonium inquinans
Lamium garganicum
Pelargonium zonale
Linaria orchidiflora
Lonicera caprifolium
Usteria scandens
Houstonia coccinea
Mimulus cardinalis
Viola tricolor
Ruellia elegans
Lycium afrum
Nicotiana glauca
Plumbago zeilanica
Oenothera suaveolens
Lilium croceum
Gesneria coperi
Zephiranthes grandiflora
Crucianella stylosa
Fumaria lutea
Delphinium Ajacis
Dianthus plumarius
Verbena teucrioides
Saponaria officinalis
Verbena chamaedrioides
Citrus aurantium
Passiflora filamentosa
Campanula medium
Trifolium alpestre
Cactus Ackermanni
Fuchsia coccinea
Cactus speciosus.
Die Nektare dieser verschiedenen Blüthen schienen mir in der Regel den
unkrystallisirbaren und den Rohrzuker in ziemlich gleichbleibendem
Verhaͤltniß zu enthalten; doch scheint im Nektar einiger Blüthen die Menge
des Rohrzukers viel größer zu seyn. So gaben mir die Cactus-Arten durch die Krystallisation reinen, von
unkrystallisirbarem, beinahe völlig freien Zuker. Eine einzige Blüthe von Cactus Akermanni gab mir beinahe einen Decigramm. Sobald
diese Blüthe den
höchsten Grad der Entwikelung erreicht hat und zu welken beginnt, sah ich in der
Tiefe der Krone den Nektar in großen Tropfen abfließen, auf den Boden fallen und da
zu sehr weißem, grobpulverigem krystallisirten Zuker erstarren.
Der Blüthen-Nektar schien mir in der Regel wie folgt zusammengesezt zu
seyn:
Rohrzuker
13
Unkrystallisirbarer Zuker
10
Wasser
77
–––
100
Uebrigens konnte ich in dieser zukerigen Flüssigkeit weder Gummi, noch Mannit, noch
Honigzuker finden.
Die Botaniker nehmen an, daß der Nektar durch drüsige Körper erzeugt werde, welche
sich in der Nähe des Eierstoks befinden. Unter gewissen Umständen ist dieß richtig;
man muß jedoch auch zugeben, daß man noch sehr weit davon entfernt ist, die
Bestimmung und die Structur aller dieser anscheinend drüsigen Körper, deren anomale
Gestalt oft sehr seltsam ist, zu kennen.Ich hatte Gelegenheit, Drüsen zu beobachten, welche in großer Entfernung von
der Blüthe ihren Siz haben und eine dem Nektar ähnliche zukerartige Substanz
ausschwizen; hieher gehören die auf dem Blattstiele mehrerer Species der
Passionsblume befindlichen.
Es gibt Blüthenkronen von ziemlicher Größe, die ihrer Beschaffenheit zufolge nicht im
Stande zu seyn scheinen, Nektar zu erzeugen; andere wieder, in welchen die genaueste
Untersuchung keinen besondern drüsigen Apparat zu entdeken vermag, und welche doch
eine ziemlich reichliche zukerartige Absonderung machen, so daß es mir sehr
wahrscheinlich ist, daß der Nektar sehr oft seine Entstehung im Aufbrechen des
Zellgewebes findet, welches vom Lichte nicht berührt wird und von Säften strozt, die
sich nach Außen ergießen, sobald die Krone einen Theil ihrer Frische einzubüßen
beginnt. Unter ungefähr ähnlichen Umständen bildet die Pflanzenzelle ihren
Zuker.
Da demnach im Gegensaz zur allgemeinen Ansicht, die Zukersubstanz des
Blüthen-Nektars dem Honig nicht gleich ist und der concrete Zuker aus
demselben alle Eigenschaften des Rohrzukers besizt, so muß derselbe offenbar während
seines Aufenthalts in einem der Mägen der Biene eine Veränderung erleiden, welche
vielleicht durch die Gegenwart einer freien Säure oder sonst eine Ursache
herbeigeführt wird, die den Uebergang in Honigzuker bewirkt, wie dieß übrigens auch
Hubert's Versuche beweisen, welcher Naturforscher Bienen einzig und allein
mit Rohrzuker ernährte, aus dem diese arbeitsamen Insecten Honig und Wachs zu
bereiten fortfuhren.