Titel: | Ueber die zunehmende Anwendung des Luftwasserstoffgas-Löthrohrs in Frankreich. |
Fundstelle: | Band 87, Jahrgang 1843, Nr. LXXXIII., S. 304 |
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LXXXIII.
Ueber die zunehmende Anwendung des
Luftwasserstoffgas-Loͤthrohrsv. Richemont's Luftwasserstoffgas-Löthrohr ist
im polytechn. Journal Bd. LXXVII. S. 33
beschrieben und die verbesserte Construction desselben von Rößler in Frankfurt wurde Bd. LXXXIV. S. 354 in Haindl's Abhandlung „über das neue Verfahren bei Anfertigung
von Bleigefaßen“ mitgetheilt. A. d. R. in Frankreich.
Anwendung des
Luftwasserstoffgas-Loͤthrohrs.
Bei der lezten Industrie-Ausstellung zu Paris waren sehr viele Löthungen von
Blei ohne alles andere Metall an Gefäßen der verschiedensten Formen und von jeder
Dike zu sehen. Man konnte hier die schönen Arbeiten aus den Ateliers der Rue Astorg bewundern, wo die früher so schwierigen oder
ganz unausführbaren Vereinigungen von bleiernen Platten, Röhren etc. zu Gefäßen
aller Art täglich mit aller Leichtigkeit ausgeführt werden. Hr. Barbier führt gegenwärtig Bleiselbstverlöthungen aller
Art zu viel geringern Preisen als die Zinnverlöthungen aus und seine Arbeiter haben
in der Bank, der Pairskammer und in den königlichen Gebäuden viel zu thun. Ein Jahr vor der lezten
Industrieausstellung war er schon den HHrn. Buran und
Comp. bei der Verfertigung einer großen, mit gewalztem Blei von 8 Millimetern (3 1/2
Par. Linien) Dike gefutterten Krystallisirpfanne (für Borax) behülflich; seitdem hat
der beständige Gebrauch dieses Gefäßes von 15000 Liter Inhalt, so wie mehrerer eben
so gelötheter Kessel die Güte und Dauerhaftigkeit dieser Löthung erprobt.
Der Central-Jury der Industrie-Ausstellung war bekannt, daß in der
großen Schwefelsäurefabrik von de la Folie bei Nanterre
das neue Verfahren eingeführt wurde; daß ferner die HHrn. Saint-André, Poisat und Comp., Besizer der größten Anstalt
zum Gold- und Silberscheiden auf nassem Wege, sich ebenfalls desselben
bedienten, und Bleipfannen und Kessel mit bestem Erfolg verfertigten; daß endlich
vierzehn große Krystallisirpfannen in der Fabrik chemischer Producte des Hrn. Delacrétaz zu Vaugirard und Havre eben so gute
Resultate gaben. Nichtsdestoweniger wollte sich die Jury durch einen Versuch im
Großen selbst von den Vortheilen der neuen Löthmethode überzeugen, und ließ unter
ihren Augen die Wände großer Bleikammern zusammenlöthen. Dieß geschah in der
chemischen Fabrik der HHrn. Arnould und Bertrand zu St. Denis. Hier wurde eine Bleifläche von 22
Metern Länge und 6 Metern Breite auf diese Weise zusammengelöthet und dann, mittelst
an den Tafeln selbst, welche eine Wand bildeten, zurükbehaltener Klammern an dem
Gebälk befestigt. Die Löthung oder vielmehr wirkliche Vereinigung der Tafeln ging in
allen Richtungen auf das Leichteste vor sich unter Ersparung eines Drittels,
manchmal sogar 1/5 aller Kosten.
Die Industrie gewinnt durch diese neue Löthmethode in vielfacher Hinsicht. Es werden
nämlich hiedurch alle zinnhaltigen Löthungen, welche durch chemische oder
elektrochemische Wirkungen mehr oder weniger leiden, oder durch Ausdehnung und
Zusammenziehung Schaden nehmen, für immer von den Apparaten bei verschiedenen
Fabricationen, wo sie häufige Reparaturen erheischen, ausgeschlossen; es ist ferner
die augenscheinliche Gefahr des Brandunglüks durch die Sorglosigkeit der
Bleigießergehülfen, dann die Möglichkeit des Lothdiebstals und der traurigen
Versuchungen, in welche die Arbeiter sich manchmal verloken lassen, vermieden.
Gefahren anderer Art, welchen die Bleigießer durch das Hinbringen des schmelzenden
Metalls bis an die obersten Theile der Bleikammern ausgesezt sind, sind hiedurch
ebenfalls völlig abgewendet und das Leben eines oder mehrerer Menschen kann durch
das Herabfallen des Loths oder durch Asphyxie in Folge der Verbrennung von Kohle in verschlossenen oder
schlecht ventilirten Räumen nicht mehr in Gefahr kommen.
Man hat sich ferner überzeugt, daß die Löthrohr-Flammenspize zum Löthen der Platingefäße mit Gold und zum
Zusammenschweißen des Eisens, Kupfers und Messings leicht anzuwenden ist.
Begreiflich können jezt solche Löthungen vorgenommen und sehr nahe bei einander
reparirt werden, ohne daß die Schmelzung des einen Loths sich auf das andere
erstrekt.
Die unmittelbare Vereinigung des Bleies gestattet auch die Construction Taylor'scher Heiz-Schlangenröhren, in den Fällen,
wo Blei allein angewandt werden soll; ja sogar eiserne oder kupferne Röhren mit Blei
zu füttern, so daß die Zähigkeit jener sich vereinigt mit der mindern Angreifbarkeit
des leztern. Auch werden jezt bleierne, mit Holz umgebene Gefäße zum Versenden von
Schwefelsäure etc. gemacht und dadurch manche Unglüksfälle vermieden, die sich auf
ihrem Transport per Achse sowohl als zu Wasser durch das
Springen der gläsernen Ballons bisher ereigneten.
Man wird ferner einsehen, wie viele Operationen in den Laboratorien durch eine
constante und beinahe augenbliklich erhaltene hohe Temperatur schneller und leichter
ausgeführt werden können. Durch das Luftwasserstoffgas-Löthrohr erreicht man
alle diese Zweke. Während sonst die am Löthrohr zu löthenden Stüke an die Flamme
gebracht werden mußten, kann man jezt im Gegentheil die bewegliche Flamme mit der
Hand auf einen beliebigen Punkt hinrichten, wo die Hize einwirken soll, was allein
schon in vielen Fällen ein großer Vortheil ist. Andererseits hat die Flammenspize
des Luftwasserstoffgas-Löthrohrs eine bei weitem größere Kraft und kann daher
bei Stüken von viel größern Dimensionen Anwendung finden, und in dieser Beziehung in
gewissen Fällen den Kupferschmieden, Schlossern, Spenglern etc. gute Dienste
leisten. Da der Wirkungskreis der zum Schmelzen des Metalls nöthigen Hize immer nach
Belieben begränzt werden kann, hat man beim Löthen oder Schweißen eines Theils nie
die Schmelzung des zunächstliegenden Loths zu befürchten, was die Verfertigung einer
Menge subtiler Gegenstände sehr erleichtert, namentlich aber früher unmögliche
Ausbesserungen möglich macht.
Hr. v. Richemont benuzt seine Löchrohrflamme nun auch zum
Erhizen der Löthkolben der Spengler, Zinkarbeiter, Bleigießer und Zinngießer. In
einigen Secunden kann man einen solchen Kolben auf den gehörigen Grad erhizen und er
kann ganze Tage in dieser Hize erhalten werden, ohne daß sein Verbrennen zu
befürchten wäre; der Arbeiter braucht nämlich seine Flamme nur mittelst der Hähne zu
reguliren und ist
dann nie in dem Fall, den Kolben auswechseln oder die Arbeit mit demselben aussezen
zu müssen; dieses Verfahren ist mit bedeutender Ersparniß an Arbeitslohn und
Brennmaterial verbunden. In der großen Spengler-Werkstätte der HHrn. Gebrüder
Levavasseur zu Paris werden zwölf Löthkolben auf
diese Weise erhizt.
Fassen wir die Anwendungen, welche das Luftwasserstoffgas-Löthrohr seit der
Industrie-Ausstellung im Jahr 1839 erfahren, noch einmal zusammen, so
beschränkt sich dieselbe nicht mehr auf das Blei allein; man löthet Platin leicht
mit Gold und erspart dadurch die so ungemein kostspieligen Entfernungen vom Plaze;
man hat verbleites Kupfer, mit welchem alle möglichen Gefäße zum Transport der
Säuren, zum Krystallisiren der Salze und selbst zu Arbeiten mit Säuren unter
Anwendung von Wärme, verfertigt werden können; man schweißt Kupfer von jeder Dike
örtlich zusammen, so daß ein Dampfkessel unverzüglich reparirt werden kann, sogar am
Bord eines Dampfschiffes, ohne daß dasselbe angehalten, die Maschine auseinander
genommen und aus Land gebracht zu werden braucht; überdieß wird das Kupfer hiebei
mit sich selbst, ohne fremdartige Legirung, vereinigt.
Hr. v. Richemont hat neuerlich auch ein Löthrohr zum
Emailliren und Glasblasen construirt, bei welchem die Oehl- und
Unschlittflamme durch die Flamme von Terpenthinöhldämpfen ersezt wird. (Moniteur industriel vom 26. Januar 1843.)